Familienalbum – 22: Rettet die deutsche Hexe

Sonntag, 18. Februar 2007 um 17:18

fasching_1977.jpg

Das hier sind mein kleiner Bruder und ich, startklar für den Kinderfasching 1977. Wir gingen beide in von Muttern geschneiderten Kostümen als Hexen – so sahen die nämlich bis vor einigen Jahren in unserem Kulturkreis aus. Unsere Hexen, das nur zur Erinnerung, waren geprägt von den Märchen, wie sie die Grimms oder Herr Bechstein aufgeschreiben hatten: Alte, gebeugte böse Frauen mit warzigen Hakennasen, zerrissenen und schmutzigen Kleidern, Kopftuch, die am Stock gingen, in einsamen Hütten im Wald wohnten, einen Sack bei sich hatten, in den sie möglicherweise kleine Kinder steckten. Nur so funktionierte ja Ottfried Preußlers wundervolle Geschichte Die kleine Hexe, in der eine ebensolche aus dem Hexen-Stereotyp ausbricht.

Der weltweite Siegeszug der Harry-Potter-Romane (von denen ich auch literarisch sehr viel halte) hat nun diesen Hexenmythos mit einem ganz anderen überlagert: Die Hexen, die sich im derzeitigen Fasching tummeln, sind englisch / amerikanisch. Sie tragen lange schwarze Gewänder und hohe, spitze schwarze Hüte mit breitem Rand, wohnen in Schlössern oder Burgen – ganz sicher niemand, vor dem sich Kinder fürchten. Ob die nächste Generation das Märchen “Hänsel und Gretel” überhaupt nachvollziehen kann?

Mit Feen, schätze ich, passiert im Moment Ähnliches: Aus unseren großen, schönen Feen mit schleierbesetzten Hauben, die sich mit segensreichen Zaubersprüchen (oder Flüchen) über Kinderwiegen beugen, werden gerade englische fairies, also libellengroße, glitzernde Flügelwesen.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Familienalbum – 22: Rettet die deutsche Hexe“

  1. croco meint:

    Die sind ja hübsch!
    Jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir auch auf: das Hexenbild wandelt sich.
    Für mich waren Hexen bisher die wilden, verrückten Hexen aus dem Südschwarzwald und dem Oberland. Es steckten Männer in den Kostümen und es konnte sein, dass sie ein Kind schon eine Weile mitschleppten und in den Sack steckten. Wir hatten große Angst vor ihnen, aber das ist auch schon länger her.
    http://www.onlinekunst.de/karneval/

  2. DüneSieben meint:

    Stimmt! Ist schade, daß die “gute alte Hexe” fast ganz verschwindet. Im kommerziellen Kuddelmuddel von “Hällowweehn” usw. Die gekauften Kostüme haben leider auch den Effekt, daß die Kinder doch alle gleich aussehen! Meine drei (ja, ich bin eine von denen, die sich Kinder freiwillig antun!) gehen morgen zur Kindergruppe, anlässlich des Rosenmontags, verkleidet. Mal schauen, ob sich vielleicht etwas mit “selbst-erdachtem” (ich bin im Nähen nicht so toll!) machen lässt!

  3. roman libbertz meint:

    ich unterstützte diese aktion zu 1000 prozent

  4. creezy meint:

    Naja, solange es die Brockenhexen gibt, müssen wir uns keine Sorgen machen. Der großen und der kleinen Hexe muss ich aber mal ernsthaft fehlende Hexennasen andichten. Und ein Rabe sitzt Euch auch nicht auf der Schulter. Und wo sind die Warzen?

  5. kid37 meint:

    Hm. Das nennt sich heute “Berlin Mitte Stil” und ist bei jungen Hexen szenebewußten Frauen durchaus angesagt.

  6. kleine Sonne meint:

    Oder böse Hexe kann genau so wie Monica Belucci im “Bruder Grimm” aussehen:-)

  7. Hendrik meint:

    Die Glotze da rechts, ist die von SABA oder Nordmende? S/W oder schon mit Farbe? Sehr 70er, auf jeden Fall! :-)

  8. Der O. meint:

    Und wie wir aus Harry Potter wissen: Fairies sind völlig überbewertet. Eher so eine Art magisches Ungeziefer…

Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.