Väterliche Spuren

Sonntag, 17. Juni 2007 um 8:35

Meine Kindheitsurlaube im zentralspanischen Heimatdorf meiner Großmutter glichen sich unter anderem in diesem Detail: Mein Vater war ununterbrochen am Werkeln und Basteln. Das Haus wurde zwar nach dem Krieg erbaut, also nach dem spanischen Bürgerkrieg, war aber das letzte Haus im Dorf, das noch vom alten Maurer und nach traditioneller Methode hochgezogen worden war: fast einen halben Meter dicke Steinmauern, die Schlafzimmer fensterlos und durch Vorhänge von den Wohnzimmern abgeteilt, eine Wand zum (in diesem Fall nicht vorhandenen) Kuhstall hin, da dieser in kalten Sierra-Nächten Wärme abgab. Und an so einem Haus gibt es immer etwas zu tun. Wenn ich an die Augusttage in dem ausgedörrten kastilischen Dorf denke, habe ich meinen Vater vor Augen, wie er, nur mit einer kurzen Sommerhose bekleidet, auf dem Dach kauert und Ziegel austauscht, auf einer Leiter steht und Wände streicht, auf derselben Leiter die Pergola repariert, auf den Flächen vor und hinterm Haus frischen Estrich verstreicht, in Badeschlappen den gefliesten Boden im Haus kehrt, mit konzentriertem Blick elektrische Leitungen verlegt und Schalter einbaut, den Fernseher auseinander nimmt. Und sollte zufällig nichts im Haus meiner Yaya anstehen, war er bei Nachbarn und half denen mit seinen Elektrikerkenntnissen.

Meine Mutter beklagt bis heute, der Ferienanteil, den wir im Dorf verbrachten, sei für meinen Vater gar keine richtigen Ferien gewesen. Doch ich bin mir inzwischen sicher, dass mein Vater einfach gar nicht anders kann: Er muss sich immer nützlich machen, sein Blick sucht unentwegt nach Reparier-, Putz-, Geraderück- oder Verbesserbarem.

Das tut er auch in meiner Wohnung. Nach den Urlauben, die meine Eltern in unserer Abwesenheit bei uns in München verbringen, ist es also jedesmal wieder spannend, was er diesmal gebastelt hat. Das kann auch mal ganz schön weit gehen, meist sind es aber wirklich nützliche Veränderungen. Glücklicherweise bin ich aus dem Alter raus, in dem ich mich erst mal reflexartig bevormundet fühlte – auch wenn ich mit einigen als Reparatur gedachten Veränderungen nicht einverstanden gewesen wäre, hätte man mich vorher gefragt.

So lässt sich die Tür meines Schlafzimmers zwar jetzt auch dann leise öffnen, wenn man sie an der Klinke nicht mit aller Kraft anhebt – dafür bleibt sie nicht mehr ganz offen stehen. Ich habe aber sehr gerne immer alle Zimmertüren offen. Bei dem Versuch, den Wasserhahn in Klo zu entkalken, hat mein Vater es geschafft, dass der Hahn unzudrehbar tropft. Ich werde mich wohl um eine neue Dichtung kümmern müssen. Sehr gefreut habe ich mich aber, dass er die vielen kleinen Schubladen meines hölzernen Schmuckkästchens mit Samt ausgekleidet hat. Auch wären ohne meinen Vater vermutlich die Wände neben den vor Jahren neu eingesetzten Fenstern immer noch nicht gestrichen.

Dass die Spinnweben in den Zimmerecken beseitigt sind, finde ich sehr schön. Auch dass die vielen Flaschen unserer offenen Hausbar entstaubt sind. Allerdings musste ich mir im Gegenzug anhören, dass wir mit unseren Putzmännern ein ernstes Wort sprechen müssen: Sie würden so schlampig arbeiten, dass sie uns im Grunde übers Ohr hauten. Das habe ich mir ehrlich gestanden auch schon eine Weile gedacht (Kanten und Ritzen um Waschbecken, Türen und Türstöcke sowie schwerer zugängliche Bodenecken ignorieren die beiden konsequent, einer von den beiden ein bisschen weniger), war aber bislang zu feige, es anzusprechen. In meiner beruflichen Funktion habe ich überhaupt kein Problem damit, adäquate Leistung einzufordern und Qualitätsmängel zu kritisieren. Aber daheim? Wo ich doch in erster Linie froh bin, dass mir überhaupt jemand das Putzen abnimmt.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Väterliche Spuren“

  1. creezy meint:

    Ach, wenn Dein Papa mal Urlaub in Berlin machen möchte … ;-)

    Das mit der Kritik am Putzvolk kenne ich von früher, als ich mir mal eine Perle „gegönnt“ hatte, wird doppelt schwer, wenn sie dann auch noch nett sind.

  2. croco meint:

    Genau mein heutiges Problem! Gerade hab ich mit der Wurzelbürste den Boden im Wintergarten gescheuert, es kam peinlich viel Dreck heraus. Und dabei ist er letzte Woche offizielle von der Putzhilfe gescheuert worden.
    Ich hab auch das Problem, ihr genau zu sagen, was nicht in Ordnung war.
    Woran das liegt? Beruflich sag ich genau, wo es lang geht, im privaten nicht. Vielleicht weil ich weiß, wie schwer es ist , wieder jemanden verlässliches zu finden.

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