Archiv für September 2007

Nussboden spezial

Dienstag, 25. September 2007

Mein Bruder, müssen Sie wissen, wünschte sich als Kind immer den gleichen Kuchen als Geburtstagskuchen, Jahr für Jahr: Zwetschgenkuchen mit Nussboden. Unglücklicherweise hat er Mitte Juni Geburtstag, da gibt’s keine Zwetschgen. Und kommen Sie mir nicht mit den ganzjährig erhältlichen kugelrunden Pflaumen – die haben mit Zwetschgen gerade mal die Innen- und Außenfarbe sowie die Zugehörigkeit zur Gattung Steinobst gemeinsam; geschmacklich ähneln sie einander wie Kirschen und Nektarinen.
Meine Mutter ist eine gute Mutter, so begann sie im Jahr nach der ersten Äußerung des Kuchenwunsches septembers immer Zwetschgen einzufrieren, um meinem Bruder davon im Juni seinen Lieblingskuchen zu machen. Und sie war eine so gute Mutter, dass sie auch nie gegen die Art und Weise protestierte, in der mein Bruder ihn dann Mitte Juni verspeiste: Er pickte die Zwetschgen Stück für Stück vom Kuchen, um dann mit Freude den leeren Boden zu genießen. Denn es war klar: Der schmeckte nur so einzigartig gut, weil er mit Zwetschgen obendrauf gebacken worden war.

Ich weiß nicht so recht, warum es bis heuer gedauert hat, dass ich mir von meiner Mutter das Rezept erbat – zumindest ungefähr, denn sie hatte den Teig immer aus dem Handgelenk gemacht, und auch das schon seit Jahren nicht mehr. Vielleicht lag es daran, dass ich mich dieses Jahr an fangfrischen Zwetschgen schier nicht satt essen kann (wieder eine Frucht, die vom Händler gekauft nie so gut ist wie vom elterlichen oder von Nachbars Baum). Auch wenn sie in meinem Bauch schreckliche, von heftigem Rumpeln begleitete Dinge tun. Und dann buk ich so lange Zwetschgenkuchen mit Nussboden, bis mich jedes Detail daran zufrieden stellte. Hier geht’s zum Rezept.

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Tatortgucken gestern

Montag, 24. September 2007

Vielleicht ist man in einer Stadt wirklich angekommen, wenn der dort gedrehte Tatort dokumentarische Information enthält. Dachte ich mir zumindest gestern beim neuesten München-Tatort, als ich feststellte, dass ich nicht nur die Außenaufnahmen sofort einordnete (Gärtnerplatz, Brunnen hinterm Dom, Ruhmeshalle), sondern sogar Innenräume (Theresienhöhe, City Tower). Kommt andererseits nicht an das Erlebnis „Glockenbach-Geheimnis“ hin, als ich aus dem Tatort erfuhr, dass bei mir ums Eck (na gut, um drei bis vier Ecken) ein weitläufiger Neubau entstanden war, den ich am nächsten Tag in Echt besichtigte.

Gestern wiederum überkam mich eine geradezu taoistische Ausgeglichenheit, als sich das dirndlstrotzende Szenario im Fernseher mit dem vor meinem Balkon deckte.

Rügen muss ich neben der schalen Geschichte (Herr Ani, das können Sie eigentlich erheblich besser) den merkwürdigen Schnitt, der mir immer wieder bedeutungsvolle Hinweise zu geben schien, die dann doch nirgendwo hin zielten: Die junge Frau schenkt dem älteren Herrn beim ersten Date einen Gedichtband mit lila Schleife drumrum? Ihr Vater wehrt sich gegen ihre Umarmung, Nahaufnahme seiner Hand, wie sie sekundenlang über ihrem Rücken innehält? Oder die Putzfrauenkollegin, die uns die Kamera während des Gesprächs der Opferputzfrau mit der Polizei immer wieder als Zuhörerin aufdrängt?

Dass dem Batic Ivo sein Gspusi nur halb so alt ist wie er, interpretierte ich sofort als Freundlichkeit gegenüber dem Schreiber der nächsten München-Folge: Er braucht sich nicht um die Dame oder gar eine Beziehung kümmern, weil jeder davon ausgeht, dass aus den beiden eh nichts Langfristiges wird.

Zurück zum tatsächlichen Oktoberfest: Die b’soffenen Heimkehrer wurden gestern als Störer meiner Nachtruhe von den fallenden Kastanien übertroffen. Die beiden riesigen Bäume neben dem Haus zielen dieses Jahr erstaunlich oft auf den schallverstärkenden Metallzaun.

Werbung: Mutti, Mutti, ich bin in einem Kochbuch!

Samstag, 22. September 2007

Weil nämlich: Der Mittagesser, auch bekannt als Sebastian Dickhaut, lebt ja vom Bücherschreiben, und zwar Kochbücher. Und eben hat er wieder eines veröffentlicht:
Ich koche…

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Es ist ein sehr schönes Buch geworden, ein sehr persönliches: Sebastian, der schon ein paar Dutzend Kochbücher auf dem Buckel hat, schreibt hier eigene Rezepte mit Geschichte auf – die er in den Ländern gefunden hat, in denen er lebte, die aus seiner Kindheit stammen, die er mit bestimmten Erlebnissen verbindet. Die Fotos dazu sind ebenfalls sehr persönlich, die Münchner Fotografin Coco Lang hat sie mit ihm in ihrem Studio gemacht, nur ausnahmsweise und aus Gründen auf einer Bergwiese oder im Hinterhof von Sebastians Kochbüro.

Ich komme auch drin vor. Sebastian hat sich für das Kapitel „Ich lasse kochen“ mein Rezept für Mousse au chocolat erbeten und es sehr gerne bekommen. Für das zugehörige Foto verbrachte ich einen wunderschönen Maiensamstag (Sie erinnern sich vielleicht, das war Ende des diesjährigen Sommers) im Studio von Coco gleich beim Viktualienmarkt, zusammen mit Nicky und Oliver von delicious:days (die kommen auch drin vor), dem Mitbewohner, Foto-Assistenten Uwe und den beiden höchst dekorativen Katzen von Coco. Diese Art von Food-Fotografie hatte nichts mit dem zu tun, was ich bis dahin kennengelernt hatte: Alles, was abgelichtet wurde, war echt und essbar. Und köstlich – das führte dazu, dass sich immer wieder irgendwer beiläufig erkundigte, ob diese oder jene Speise schon fertig fotografiert sei, den einsatzbereiten Löffel betont unauffällig in der Hand.

Hier das Foto aus dem Buch (bisschen scrollen), das Sebastian in aller Bescheidenheit in einem Posting über die allerabgefahrenste Art Speck zuzubereiten versteckt hat.

Und mit welchem Rezept aus dem Buch fange ich jetzt an? Gleich mal die Bayrisch Creme mit Parmesan und Roséweingelee? Endlich mal Kaninchen? Ossibuchi alla Tante (laut Onkel der Plural von Ossobuco) – allein um zu sehen, ob mein erklärt bestes Rezept zu übertreffen ist? Oder doch Tofu am Steckerl?

Rettet die Prinzregententorte – 3

Samstag, 22. September 2007

Es besteht Hoffnung! Nachdem der Mittagesser erfolgreich zwei Quellen im Münchenerischen Haidhausen aufgespürt hat (und die Spur zu einer Prinzregent’schen Evolution auftat), profitierte ich von der Unterstützung zweier wunderbarer Arbeitskolleginnen. Sie hatten sich von der Prinzregententortenrettungsaktion anstecken lassen und einen kleinen Laden aufgesucht, in dem sie die Köstlichkeit vermuteten. Sie hatten richtig vermutet: In der Konditorei Schleißheimer, Trappentreustraße 8, wurde sie gerade in die Theke gestellt, eine frisch vollendete Prinzregententorte. Und eigens für die beiden Kolleginnen angeschnitten.

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Unter dem Vorwand einer wichtigen Besprechung lockten sie mich nach der Mittagspause in unsere Kaffeeküche und überraschten mich mit ihrer Beute. Verkostet wurde gemeinsam:

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Die sieben ebenmäßigen Teigschichten waren aus Biskuitteig erstellt, die so ganz frisch tatsächlich eine wundervolle Basis für die leicht rumaromatisierte Buttercreme bilden. Flaumig, locker, ohne Schnickschnack, oben mit einem Hauch Schokoglasur abgeschlossen. So, denke ich mir, war die Prinzregententorte ursprünglich gedacht.

Als gewissenhafte Rechercheurinnen hatten meine Kolleginnen auch die Verfügbarkeit der PRT erkundet: Sie gehöre zum Standardrepertoire, so wurde ihnen in der Konditorei Schleißheimer beschieden, hier bekomme man sie eigentlich immer.

Frühstück, oder so ähnlich

Freitag, 21. September 2007

Frau Liisa sammelt Blogger zum Frühstück. Hat bei mir länger als bis Einsendeschluss gedauert, aber ist doch noch wahr geworden.
Als Spiegel für’s Selbstportrait diente mir ein Gangfenster in den Innenhof.

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Ich will nix hören: Wenn ich sonst erzähle, dass ich die ersten Stunden nach dem Aufstehen keine feste Nahrung mag, nickt meine gesamte Umgebung immer, jaja, das gehe ihnen auch so. Und jetzt soll ich die Einzige sein, die lediglich ein Glas Milchkaffee, ein Glas Wasser und eine Tasse Schwarztee mit Milch vorzuweisen hat?

Bürosprech

Donnerstag, 20. September 2007

Ab welchem Punkt wurde eigentlich das gute deutsche Wort „bald“ in den Büros der Freien Wirtschaft™ konsequent durch das hässliche deutsche Wort „zeitnah“ abgelöst?
„Das sollten wir möglichst zeitnah erledigen.“
„Wenn das nicht zeitnah passiert, bekommen wir ein Problem.“
„Dann brauchen wir zeitnah ein Angebot.“
etc.
Weiß das jemand?

Einfach Schluss machen

Donnerstag, 20. September 2007

Zunächst habe ich das ja als eine Vision von Hanns Dieter Hüsch kennengelernt: „Nur mal angenommen“, so beginnt er meiner Erinnerung nach seine Schilderung einer Menschheit, die beschlossen hat, Schluss zu machen. Die einfach aufhört sich fortzupflanzen, langsam immer weniger wird, sich damit abfindet, das 100-jährige Bestehen des Tennisclubs Grün-Weiß eben nicht mehr zu feiern. Der Letzte begräbt den Vorletzten, und endlich senkt sich Ruhe herab auf die Erde. Mir gefällt das Unapokalyptische an Hüschs Vision, und so spannend ich diese Menschheitssache meist finde – es geht auch ohne.

Zudem mehren sich die Hinweise, dass es sich beim selbst gewählten Aussterben der menschlichen Art um den einzig wahren Altruismus handelt. Daniel Engber berichtet in Slate über Alan Weisman, der das in seinem Buch The World Without Us genauer durchdacht hat.

Weisman geht zwar nicht so weit wie The Voluntary Human Extinction Movement, rechnet aber vor, dass zum nachhaltig umweltbewussten Leben eine Beschränkung der eigenen Fortpflanzung gehört. Slate fasst zusammen:

Let’s cut the birth rate to one child per couple, for a few generations at least. The population would dwindle by about 5 billion people over the next century, he says, ensuring the habitability of the Earth for the 1.6 billion who remained. At that point, they could all reap the rewards of a more spacious planet, sharing in “the growing joy of watching the world daily become more wonderful.” It seems like a notion from the fringe, but Weisman’s book has become a mainstream best seller. Could population control be the next big thing in green culture?

Denn, so geht die Argumentation weiter: Welche Umweltauswirkungen hat denn das eigene Kind? Im Grunde hat man eine weitere Version seiner selbst in die Welt gesetzt und damit seine CO2-Emission verdoppelt. Dafür könnte Mutti ganz schön lange in einem benzinfressenden SUV durch die Gegend schaukeln. Zudem könnte der eigene Nachwuchs (im Gegensatz zum Auto) auf die Idee kommen, sich wiederum fortzupflanzen – zack! Noch mehr CO2.

Selbstverständlich lässt sich das leicht ad absurdum führen und widerlegen (siehe Rest des Artikels). Aber endlich habe ich für meine Kinderlosigkeit einen sympathischeren Grund parat als das ehrliche „Ich kann Kinder halt nicht ausstehen“: „Ich verlangsame den Klimawandel.“


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