Archiv für November 2007

Heute gelernt

Mittwoch, 21. November 2007

In England und Spanien profitiere ich immer wieder von den Überlandbussen, die mich für günstiges Geld weite Strecken fahren. Dass es sowas in Deutschland nicht gibt, hatte ich hingenommen, mir mit kultureller Eigenart erklärt. Ist aber gar nicht so: Da gibt es ein Gesetz! Die FTD erklärt:

Nach dem Personenbeförderungsgesetz dürfen Busse Strecken nicht bedienen, die von der Bahn befahren werden.

(Paragraf 13 des Personenbeförderungsgesetzes )

Ich bin begeistert: wundervolles Material in der internationalen Skurrilitätenschlacht. Wenn mir mal wieder ein Engländer mit seinen Londoner Taxifahrern daherkommt, die aus historischen Gründen öffentlich pinkeln dürfen, weiß ich, womit ich zurückschlage.

Protagonistin gefunden, Geschichte gesucht

Dienstag, 20. November 2007

Die junge, seltsame Frau im Balzac am Oranienburger Tor. Obwohl mich ihr Anblick bewegt hatte, war sie mir sofort wieder entfallen – bis sie mir ein paar Tage später in der Friedrichstraße entgegen kam. Ich sah meinen Verdacht bestätigt, dass sie ein wunderschönes Gesicht hat; davor hatte ich es nur im Profil und von schräg hinten gesehen. Ein flächiges helles Gesicht, das zu ihrem weizen- und honigblond melierten, hochgesteckten Haar passte, möglicherweise mit Sommersprossen, sicher aber mit kleinen, schrägen Augen über runden Wangen, kleiner Nase, feinen Babylippen – ein eskimoischer Gesamteindruck.

Im Coffeeshop sitzend hatte ich aus dem Augenwinkel wahrgenommen, wie sie lange und unverwandt mitten im Raum stand und auf die Tafel hinter der Theke blickte. Helle Jeans an den schmalen Hüften, eine hellgraue, lange und gegürtete Strickjacke um den schlanken Oberkörper, graue Kuriertasche über der Schulter. Zu wenig warm angezogen eigentlich für diesen fahlen Wintertag mit verirrten Schneeflocken; ich ging davon aus, dass sie ganz in der Nähe arbeitete und sich einen Snack holen wollte.

Erst als sie nach einer weiteren Weile an die Theke trat und ihre Bestellung aufgab, blickte ich wieder über den Rand meines Buches auf. Und bemerkte, dass ihre Turnschuhe so durchgelaufen waren, dass seitlich die nackten Zehen herausguckten und die Füße zum Teil auf blankem Boden standen. Unauffällig betrachtete ich die Gestalt genauer. Zusammen mit den zerfetzten, einst weißen Turnschuhen wirkten die Jeans nicht mehr modisch ausgefranst, sondern tatsächlich abgetragen. Und ihr langes, regungsloses Stehen im Raum entpuppte sich als Nutzen eines beheizten Aufenthaltsraums.

Sie bezahlte, indem sie dem jungen Thekenmann einen zerknüllten Geldschein hinwarf; die Wechselscheine faltete sie vor dem Einstecken sorgfältig. In den Bagel, den sie dafür bekam, biss sie sofort mit Gier. Das zugehörige Heißgetränk nahm sie stehend in der Nähe des Ausgangs zu sich, aus dem sie anschließend wieder lange und bewegungslos starrte, die Arme über der schmalen Brust verschränkt. Nur die nackten Zehen tippten hin und wieder aus den Schuhen.

Als ich nach einem besonders langen Kapitel meines Buches aufblickte, war sie verschwunden.

Leseempfindlichkeit

Dienstag, 20. November 2007

Es kann mir einen gesamten Krimi vergällen, wenn der deutschsprachige Autor zweimal „schlabberte“ statt „leckte“ verwendet (z. B. ein Eis aus der Waffel).

Berlin im November 2007

Montag, 19. November 2007

– Größter Neidauslöser bei der Vorstellung der nominierten Blogs: Wij blijven hier aus den Niederlanden. Eine Gruppe junger muslimischer Einwanderer zweiter Generation, die über ihre Belange und Erlebnisse blogt.

– Mich wieder an Sonia gefreut, die unter anderem Stadträtin in São Paolo ist (gewählte Stadträtin, wie sie betont) und ein schmuckes Büchlein in CD-Booklet-Größe und -Stil über ihr erstes Jahr in diesem Amt herausgebracht hat. Soweit mir mein Spanisch beim Lesen hilft, berichtet sie von Erfolgen, Misserfolgen, persönlichen Eindrücken und den Hemmnissen der örtlichen Bürokratie. Was man als Stadträtin ja schnell zur Hand hat, wenn man blogt. Auf ihrer Homepage ein bisschen scrollen, man kann das „gabinete de bolso“ auch downloaden.
(Ist da draußen eine deutsche Stadträtin, die blogt?)

– Vom jordanischen Jurymitglied gefragt worden, wo denn – bei aller Meinungsfreiheit – die Grenzen der Äußerungen für deutsche Blogger seien. Darauf verwiesen, dass man hierzulande mal besser keine Unternehmen beim Namen nennt, allerhöchstens im Zusammenhang mit Lob. Recht unjuristisch das deutsche Abmahnwesen erklärt.

– Putin-Witze vom russischen Jury-Mitglied erzählt bekommen, in denen auch mal Cthulhu eine Rolle spielte.

– Überrascht festgestellt, dass die Gebärwelle der deutschen Blogwelt auch über die Beteiligten der BoBs schwappt.

– Lange mit mir gehadert, ob ich mich trauen kann hier zu scherzen, wie viel weniger lukrativ der Jury-Job beim BoBs-Award ist, als sich mancher vorstellt: Es gab keinen einzigen Bestechungsversuch der Nominierten, nicht der klitzekleinste Fresskorb, nicht die schlichteste Kuckucksuhr, gar nichts. Mich aus Furcht vor der galoppierenden Humorlosigkeit dagegen entschieden.

– Endlich Johnny Haeusler in Echt und als besonnenen Menschen kennen gelernt. Wir mögen besonnen.

– Sascha Lobo wiederbegegnet, dem schlauen Fuchs. Wir tauschten uns über Foodblogger aus, eine ungemein lebendige und konstruktive Ecke des deutschen privaten Blogistans, fröhlich und ohne Hackeleien. Lobo: „Ich konnte es kaum glauben: Die mögen sich wirklich!“

– Großer Respekt für das Deutsche-Welle-Team, das mit schmalem Budget, dünner Personaldecke, auch noch neben dem Tagesgeschäft, dafür aber mit enormer Leidenschaft und großem Einsatz das Projekt BoBs wuppte.

– Das Internet ist an allem schuld: Wegen Pepas Empfehlung bei Evelyn Brandt eingefallen. Empfehlung bestätigt gesehen und umfassend eingekauft.

– Nach all den schönen Streckenempfehlungen fürs Dauerlaufen in Berlin von Mitte aus am Samstag morgendlichen Lauf geplant. Bei Weckerklingeln nach nur wenigen Minuten innerem Kampf umgeplant und doch lieber die Nähe des nachgereisten Mitbewohners neben mir im Bett weitergenossen.

– Abendessen in Sarah Wieners Speisezimmer: interessante Menüzusammenstellung, darunter weiße Tomatencremesuppe mit Jakobsmuschel-Saltimbocca sowie die Dessertkombination Sauerkirschen mit Chilli, durchgehend Wohlgeschmäcker, aufmerksamer Service. Sollte man zwar nach nur einem Besuch eigentlich nicht machen, aber: Empfehlung.

– Neueste Berlinentdeckung: Museum für Naturkunde. Riesige Saurierskelette sowieso, aber auch frisch umgebaut und jetzt mit phantastisch aufbereiteten Informationen zu Evolution und Erdzeitalter, dazu ein großer Bereich mit Erklärungen, wie Exponate hergestellt werden. Und das war nur der Teil, den wir geschafft haben.

– Gemütliches Bloggerbeisammensein, sehr angenehme Gesellschaft diese Leute. Gelernt, dass Lokale mit DJs auch ohne Tanzfläche Gespräche fast nur auf Brüll-Level ermöglichen (die beiden vorherigen solchen Abende hatte ich für Ausnahmen gehalten). Ich glaube, als Naturspießerin war ich schon mit Mitte 20 in dem Alter für Weinstuben.

– Beim Frühstück Konversation über „Wir sind nicht auf der Welt, um Spaß zu haben“ und das Verhältnis von Carlyle und Lessing zu dieser Behauptung. Mich unglaublich cool und intellektuell gefühlt.

museum_naturkunde.jpg

Bitte Musik von Jurassic Park dazu summen.

In der Reihe: Joggingstrecken aus aller Welt

Donnerstag, 15. November 2007

Heute: Berlin, Krumme Lanke

krumme_lanke.jpg

und Schlachtensee.

schlachtensee.jpg

Und wieder habe ich mich in der Dauer der Anreise massiv verschätzt: Mal kurz raus zum Laufen dauerte vom Alexanderplatz aus mit der U-Bahn fast eine Stunde. Auf dem Rückweg zählte ich die Stationen: 26. Ich glaube, keine Münchener U-Bahnlinie hat selbst insgesamt so viele Stationen.

Feiern in Berlin

Dienstag, 13. November 2007

Zum einen:

Am Donnerstagabend, 15. November, werden im Museum für Kommunikation die Jurypreise der Best-of-the-Blogs-Awards der Deutschen Welle verliehen. Ich verleihe mit.
Beginn: 20 Uhr
Moderation: Ellen ten Damme und Johnny Haeusler
Keynote: Farnaz Seifi, iranische Frauenrechtlerin und Bloggerin
Nach der Verleihung: gemütliches Beisammensein (sie nennen es „Party“) mit Musik von Timor Kodal und DJ Cotumo, außerdem Essen und Trinken
Die Organisatoren von der Deutschen Welle lassen ausrichten, dass der Eintritt frei ist und dass sie sich sehr über viele Blogger und Blogleser unter den Gästen freuen würden.

Zum anderen:

Am Samstagabend, 15. 17. November, sitze ich ab 21 Uhr im Wirtshaus Muschi Obermaier und freue mich über Gesellschaft. Auch wenn ich bei einer Erstbegegnung sicher fremdle.
Sollte es sich versehentlich um ein schickes oder Szenelokal handeln, bitte ich um Nachsicht: Selbst in München schaffe ich das mit der gastronomischen Correctness nicht und mag immer wieder aus Versehen Lokale, die man als akzeptabler Mensch ganz furchtbar finden muss.

Je nach dem

Samstag, 10. November 2007

Kalter Sturm gestern beim nächtlichen Heimkommen: ekliges Wetter
Kalter Sturm mit Schneeflöckchen heute beim Laufen an der Isar: großartig, wundervoll
Kalter Sturm mit vereinzeltem Scheeregen beim nachmittäglichen Einkauf: Scheißwetter