Zeitschriftenfrauen – 2

Mittwoch, 27. August 2008 um 10:49

Hier die erste Folge.

Bunte, Nr. 35, 21.8.2008

Wie schon bei InStyle stößt mich dieses Promiklatsch-Magazin auf das Problem, dass ich kaum Prominente als solche erkenne: Sie könnten mir Serafina Enzinger aus Großmehring als Berühmtheit vor die Nase halten – ich würde es Ihnen glauben. Unterschied der Bunte zur InStyle: Die Berühmtheiten schauen meistens scheiße aus, weil hauptsächlich heimlich aufgenommene Schnappschüsse von ihnen gezeigt werden. Das macht es erheblich einfacher, Reklame zu erkennen: Das sind tendenziell die Seiten, auf denen die Abgebildeten schön ausssehen.
Die Zielgruppe ist wohl auch älter: Es gibt Gesundheitsseiten.

Themen: Prominente – das Inhaltsverzeichnis reiht fast nur Namen auf, unterteilt in die Betätigungsfelder der behandelten Menschen, also Leute, Politik, Kultur, Film/TV, Sport, Schicksal. Außerdem gibt es Lebensart, hauptsächlich, aber nicht nur anhand von Prominenten, sowie die bereits erwähnten Gesundheitsseiten.

Packt die Leserinnen an ihren niedrigsten Instinkten und liefert in erster Linie Material zum Lästern und sich über Berühmtheiten lustig zu machen – die Reichen und Schönen dadurch auf gefühlte Augenhöhe herunterzuholen. Womit Chefredakteurin Patricia Riekel den eigenen Anspruch ja erfüllt hätte:
„Frauen möchten Geschichten, mit denen sie sich identifizieren. Nach dem Motto: Was würde ich tun, wenn mir das geschehen würde?“

(Hervorstechendes Zitat konnte ich keines mehr nachblättern: Das Blatt war über Nacht von der Großraumbürotheke verschwunden; gratuliere, Frau Riekel.)

Elle, September 2008

NOCH mehr Reklameseiten vor der Inhaltsangabe – da gibt es doch einen Wettstreit unter den Anzeigenverkäuferinnen, wetten? (21 Seiten Reklame, Impressum, 19 Seiten Reklame, Inhaltsverzeichnis, 2 Seiten Reklame, Editorial, 15 Seiten Reklame, Mitarbeiterportrait, 11 Seiten Reklame – der erste Artikel beginnt nach 59 Seiten Reklame, Reschpekt)

Themen: Frisuren (scheinen flavour of the month zu sein), schöne Accessoires, schöner Schmuck, schöne Autos, Hollywood-Schauspielerinnen und -Schauspieler, Plädoyer für Schönheitsfehler (wenige Seiten weiter allerdings Tipps für Frisuren, die von einer großen Nase „ablenken“ sollen – und die Propagierung von „makellosem Teint“), neue technische Gadgets (kein Fitzelchen rosa!), Mode nach Alter der Trägerin (bis 60), Kunst (Künstler und Künstlerinnen, Stiftungen, Design-Trends, Innenarchitektur), Kosmetik, Medizin (frauenspezifische Herzrisiken), Mode (auch britische Klamotten scheinen Thema des Monats zu sein), Mode (60er, Einflüsse von Architektur, Metallschmuck),

Hosenanzüge
Endlich sind sie wieder da!

(Jahaha, und Sie Nulpe hatten nicht mal mitbekommen, dass sie weg waren – geben Sie’s doch zu!)
schicke Partys.

Texte von teilweise überraschend hoher Qualität, manchmal sogar Ausrutscher nach oben ins Feuilletonistische, deshalb hervorstechendes Zitat: „Was Robbie Williams mit Goethes Faust verbindet. Und warum Paris Hilton eine Figur von Beaumarchais sein könnte.“

Elle ist eine positive Überraschung: Mehr als nur stereotype Themen, Frauen wird ganz offensichtlich sogar Hirn und intellektueller Anspruch zugetraut. Zwei Modethemen und ein Promi-Thema weniger, statt dessen das eine oder andere Wirtschaftsthema auf brandeins-Niveau sowie ein sauberer Technikartikel – und ich würde tatsächlich hin und wieder freiwillig reinschauen.

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Zeitschriftenfrauen – 2“

  1. Stefan meint:

    Auf der Bahnreise zwischen Urlaubsort und Heimatstadt habe ich meiner Frau die Zeitschrift »Brigitte« abgeluchst und vollständig durchquergelesen. Wird die »Brigitte« noch in einer späteren Folge Ihres Tests behandelt?

  2. creezy meint:

    Das Papier der Elle riecht gut. (Ich freue mich auf weitere Besprechungen.)

  3. Sebastian meint:

    Klasse. Ob mann (ja schlimm, aber hier geht’s mal, oder?) das auch mit Männerzeitschriften machen sollte? Ist aber nix zum Essen drin.

  4. spottdrossel meint:

    Ich suche immer noch nach einer modefreien Frauenzeitung. Mal ehrlich, was da gezeigt wird, ist doch im günstigsten Fall für einen Lachanfall gut, ansonsten meistens gruselig und auf jeden Fall unbezahlbar. Genauso ärgern mich Beiträge, wo mal nebenbei das schicke Täschchen für 600 € oder das Lieblingskleid für schlappe 2000 in den Himmel gelobt werden. Wer, glauben die denn, liest diese Zeitschriften? Den Platz im Heft könnte man wirklich sinnvoller nutzen – oder die modischen Merkwürdigkeiten in ein Beilagenheft packen, wer es sehen möchte, zahlt 50 Cent mehr und die Zeitschrift könnte da noch gezielt Werbung platzieren – falls grade eine Leserin 2000 € übrig hat…

  5. su meint:

    war das mit den werbeseiten bei der “elle” ernst? wieviele seiten inhalt hat denn die zeitschrift?

  6. kid37 meint:

    Vielleicht ein Zitat aus Nr. 36: “Out: Die Kastanienkiller – Kommen vom Balkan, heißen Miniermotten und versauen bereits im August unsere schönsten Herbstbäume. Zurück ins Kosovo!” [Bunte, 36/2008. S. 16.]

    Ich könnte mir da hübsche Tiefenanalysen über derartig formulierte Sätze über “Balkan-Ungeziefer” vorstellen. Es bleibt ein Gefühl des Kontaminiertseins.

  7. Richard meint:

    Soeben in Vogue Deutschland 9/08 geblättert. War sensibilisiert und hab auch gezählt. Toppte alles! und dann noch im Hinterkopf das Interview mit Tom Rosenstiel in der SZ v. 27.8.08 über Printmedien. Sollte dann auch noch die Zahl von ca. 10.000 Sportlern bei Olympia zu 24.000 akkredierten Journalisten stimmen – könnte doch manche Schlagzeile vielleicht aus dem Verdrängungswettkampf entstanden sein.

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