Münchner dörflich

Samstag, 14. März 2009 um 9:13

Senffrüchte, hatte meine Schwiegermutter im Herbst letzten Jahres geseufzt, Senffrüchte bekomme sie ja nun auch nicht mehr, weil die Fahrten ins Tessin nach dem Tod ihrer dort zur Ruhe sitzenden Schwester aufgehört hätten. Und hier bei uns, klagte sie, gebe es die halt nicht. Sie begnüge sich mit Senfsaucen und Ähnlichem, aber das sei halt nicht dasselbe.

Jetzt hat sie Geburtstag, meine liebe, herzensgute Schwiegermutter, und ich wollte sie mit einem Topf Senffrüchten überraschen. Bis zu ihrer Klage hatte ich zwar noch nie davon gehört, aber in München konnte ich bislang noch praktisch jedes Lebensmittel auftreiben.

Gestern war die verregnete Münchner Innenstadt belebt, aber keineswegs überlaufen, und so lernte ich, dass die heimischen Geschäftsleute ohne Massenansturm so entspannt und hilfsbereit sein können, wie ich es sonst nur vom Dorf kenne. (Dass Sie dort und selbst in sehr kleinen bayerischen Städten darauf gefasst sein müssen, auf die Frage nach dem Weg zurückgefragt zu werden: „Zu wem woin‘S denn?“ – das wissen Sie hoffentlich.)

Mein erster Weg führte mich in den Dallmayr. Auch hier war es eher ruhig, um die Mittagszeit standen lediglich an der Hendltheke Pelzmantelschlangen und ansonsten Touristengruppen mit nassen Regenschirmen im Weg herum. Bei den Marmeladen wusste die Angestellte, dass Dallmayr mal ein Senffrüchte-Relish geführt habe, diese Art Produkt bekäme ich aber am ehesten an der Theke mit dem Lachs. Dort musste man mich enttäuschen: Senffrüchte gebe es nicht mehr.

Da ich nebenan bei Manufaktum eh ein Roggenbrot holte, fragte ich den Herrn, der mich bediente, ob es hier vielleicht…? Nein, beschied auch er mir, aber begann sofort zu überlegen, wo es Senffrüchte geben könnte. Er nannte ein paar Feinkostspezialisten, hielt den Käfer für die erfolgsversprechendste Adresse. Doch dann fiel ihm der Viktualienmarkt ein: Da solle ich mich mal durchfragen. Ich befolgte seinen Rat – und auch hier erlebte ich überraschende Hilfsbereitschaft: An ihren überwiegend menschenleeren Ständen überlegten hintereinander vier Viktualienmarkthändler mit, wo ich wohl Senffrüchte bekommen könnte. Bis ich wieder an einem Stand stand und sagte: „Ich bin auf der Jagd nach Senffrüchten?“ Und der Mann dahinter nur antwortete: „Ja.“ Mit etwas besserem Gedächtnis hätte ich schneller darauf kommen können, dass der Rottler sehr wahrscheinlich auch Senffrüchte führen würde: Es ist schließlich noch keine drei Jahre her, dass Nicky Delicious von ihm schwärmte und von einem Besuch in seiner Herstellung berichtete. So plauderte ich mit Herrn Hollweck ein wenig über aus der Mode gekommene Köstlichkeiten, kaufte ihm zwei Gläser Senffrüchte ab, ließ mich informieren, dass er auch unmoderne schwarze Walnüsse und grüne Mandeln führe. (Werde ich dringend beim nächsten Einkauf mitnehmen.)

Und jetzt freue ich mich auf das überraschte Gesicht der Frau Schwiegermama.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Münchner dörflich“

  1. dyfa meint:

    Auf dem Viktualienmarkt kriegt man notfalls auch Ameisenkniescheiben in Aspik. ;-)

  2. Sabine meint:

    Aber eine Jicama habe ich dort auch nicht gekriegt.

  3. Nathalie meint:

    Hier gehe ich vorbei und kaufe Seffrüchte – Nähe Nordbad :-)

    http://www.ehrlichemuenchner.de/index.php?goto=produkte&goto2=spezialitaet&kat=Senffr%C3%BCchte

  4. die Kaltmamsell meint:

    Wunderbarer Tipp, Nathalie, vielen Dank!

  5. Hande meint:

    Und falls es mal eine besondere Marke aus dem Ursprungsland (behaupte ich jetzt mal, ohne groß recherchiert zu haben), wissen’S scho, wer und wie, oder?
    ….sagt die, die keine Amaretti Virginia gefunden hat, als sie danach suchte, und jetzt, wo es zu spät ist, hat sie gleich bei 2 Läden welche gesehen natürlich. Auf Vorrat gekauft und hofft, sie nicht erst gegen einen Gans tauschen zu müssen…. ;-)

  6. oldman meint:

    In der Schweiz bekommt frau in jedem Supermarkt Senffrüchte.
    Also ab in die Schweiz und Senffrüchte posten. Morchel nicht vergessen.

  7. Buchfink meint:

    gibt es auch sehr, sehr gut bei www. apfelgut.de unter Gutsverkauf-Konfitüren und Gelees

  8. walküre meint:

    Auch in der Großstadt hat es Sinn, bei Menschen, die sich nach dem Weg erkundigen, rückzufragen, zu wem sie genau wollen; am Land liegt es an dem Durcheinander der Hausnummern, welche nach der Reihenfolge der Bebauung und nur selten nach Straßenzügen vergeben werden, in der Stadt daran, dass kaum Privatadressen gesucht werden (wer jemanden privat besuchen will, lässt sich ohnehin eine Wegbeschreibung geben), sondern die meisten Menschen ein bestimmtes Geschäft, eine Firma oder eine Behörde suchen und die Länge mancher Straßen es einem fast unmöglich macht, eine Adresse allein per Hausnummer zu identifizieren.

    [Ich finde es ein wenig seltsam, dass ich hier sehr oft nach dem Weg gefragt werde, aber noch seltsamer, dass ich bis jetzt immer konkret antworten konnte !]

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