Journal 24. Juni 2009

Donnerstag, 25. Juni 2009 um 10:14

Beim Morgencafé musste ich das lüftende Fenster schließen: Das Regenprasseln übertönte das Deutschlandradio.

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Vor über einem Jahr fragte mich jemand: Wenn sich ein paar Leute einmal im Monat treffen, um über ein vorher vereinbartes Buch zu sprechen – ob ich das doof fände? Ganz im Gegenteil fand ich das ausgesprochen großartig. Ich wurde eingeladen, eine von diesen Leuten zu werden. Seither treffe ich mich mit sechs weiteren lesefreudigen Münchnern einmal im Monat abends bei einem von uns daheim, und wir sprechen über einen Roman. Das ist sehr schön und anregend, zumal es sich durch die Bank um sehr kennenlernenswerte Menschen aus ganz verschiedenen Fachbereichen handelt.

Diesmal kamen ein paar dieser Menschen zu mir, und wir sprachen bei Käse und Wein über Margaret Atwoods Alias Grace. Ich durfte sogar eine kurze Einführung zu kanadischer Literatur geben – beim Lesen des Romans hatte ich mich an viele Details meiner HiWi-Tätigkeit für einen Kanadisten erinnert.

In unserer Einschätzung von Alias Grace waren wir uns einig: Einer der weniger gelungenen Atwood-Romane. Das Buch übernimmt sich an der Vielfalt von Dingen, die es erzählen will („zu viele Noten“), wirkt in seinen historischen Details manchmal belehrend, verbindet die vielfältigen Ebenen, Perspektiven, erzählerischen Mittel nicht zu einem anziehenden Ganzen. Wir waren uns aber auch einig, dass es kein schlechter Roman ist: Wäre er von einem deutschen Autor veröffentlicht worden, gälte er mit seiner Tiefe, thematischen Dichte und erzählerischen Kunstfertigkeit als mindestens eine zweite Blechtrommel. Nur dass die Messlatte bei englischsprachiger Literatur erheblich höher liegt.

Wenn Sie sich also für die Geschichte einer historisch belegten verurteilten Mörderin im Kanada des 19. Jahrhunderts interessieren, für das Leben einer jungen Einwanderin, für den Alltag von Hauspersonal, für die verschiedenen Auswege, die Frauen aus ihrer damaligen gesellschaftlichen Situation fanden – dann sei Ihnen dieser Roman durchaus empfohlen.

Nahrung: Café con leche, verschiedene Nüsse, Milchkaffee, Pangasiusspieß mit Ratatouille und Rohkostsalat, Planetenpfirsiche, Schokolade, Rinderschinken, verschiedene Käsesorten, Chardonnay Domaine Coulon 2008
Wetter: ein nasser Märztag

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Journal 24. Juni 2009“

  1. Ms K meint:

    Interessant. Alle Kritiken, die ich bisher zu dem Buch gelesen hatte, liessen mich glauben, es waere das grossartigste ueberhaupt. Ich bin schon gespannt, denn ich werde es diesen Sommer noch lesen.
    Mein letztes Atwood Buch war “Moral Disorder” und das hat mich nicht ueberzeugt.

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