Hochsommermorgen in der Großstadt

Mittwoch, 29. Juli 2009 um 9:10

Wieder transportiert mich die Geruchsmischung des sonnigen Hochsommermorgens in der Großstadt aus letzter Nachtfrische, erster Hitze, Abgasen und Parkbegrünung zurück in meine Kindheitsurlaube in Madrid.

Ein bocadillo de queso zum Frühstück, bereitet aus den Einkäufen, die mein frühaufstehender Vater zu Fuß beim panadero und im mercado erledigt hatte. Die großen grünen Glastassen, aus denen die Erwachsenen auf dem Wachstuch des Esstischs ihren café con leche tranken – dass man den eigentlich anders macht als durch das Einrühren von löslichem Nescafé in heiße Milch, lernte ich erst später.

Die Fenster der ebenerdigen Hinterhofwohnung meiner Yaya in der Calle de Leganés beim Bahnhof Atocha gingen in den patio, der frisch mit Wasser besprenkelt und kühlt war.

In meinem Bauch das aufgeregte Kitzeln über die Aussicht, einen Tag im Stadtzentrum von Madrid zu verbringen, im kühlschrankkalten Corte Inglés Schottenröcke und Pullunder aus den preisgünstigen einheimischen Schuluniformen gekauft zu bekommen, an der 15 Meter langen Käsetheke der Feinkostabteilung zu staunen. Im obersten Stockwerke des Corte Inglés machte ich erste Bekanntschaft mit einem All-you-Can-Eat-Buffet – für eine verfressene und gleichzeitig diätgeplagte Elfjährige fielen damit Weihnachten und Geburtstag im Paradies zusammen, denn in diesem Fall verhinderte der Drang, so viel wie möglich aus dem Pauschalbetrag herauszuholen die Standardmahnung meiner kalorienversessenen Mutter, ich solle mich doch bitte mäßigen.

Der Nachmittag war vielleicht für den Parque del Retiro eingeplant, mit pappsüßer, knalloranger Fanta de naranja auf einer der Terassen, womöglich sogar einer frischen horchata. Ob ich in diesem Alter wohl noch versessen war auf die blechernen Spielplätze des Parks? Wohl nicht.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Hochsommermorgen in der Großstadt“

  1. Buchfink meint:

    Wunderschön ist diese Reminiszenz an die Ferien aus der Kinderzeit. Ich konnte den nassgespritzten Boden des Patio förmlich riechen und mir die grünen Glastassen sehen. Made my day.

  2. schumi meint:

    Aber die pappsüße, knallorange Fanta de naranja war entschieden besser als die heutige, die überall gleich schmeckt!!!

  3. rip meint:

    Das liest sich wunderbar. Ich glaube, ich mach die Kaffeemaschine nochmal an.

  4. Sus meint:

    Meine ersten spanischen Worte (im Urlaub): “Una Fanta naranja, por favor!”
    Obwohl: die Fanta Limón war auch sehr lecker.

    Ich habe noch ein echt spanisches braunes Glasgeschirr, welches sich meine Eltern Anfang der Siebziger zugelegt hatten. Dieses Geschirr ist einfach nicht kleinzukriegen. Wenn ein Teller herunterfällt, zerspringen eher die Bodenfliesen!

    Liebe Grüße, Sus

  5. Malvina meint:

    Meine sommerlichen Kindheitserinnerungen an die Großstadt Moskau riechen zwar ähnlich nach Hitze und Abgasen, sind aber bei weitem nicht so romantisch.

    Ich glaube sehr, daß es bei allen Erinnerungen auf die Perspektive ankommt. Ich finde es allerdings spannend, eine so angenehme Atmosphäre in einer Erinnerung zu bewahren. Die habe ich auch; nur sind meine fern von Großstädten :)

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