Archiv für Februar 2010

Journal 19. Februar 2010

Samstag, 20. Februar 2010

Dieses Problem hätte die lebhafte Siebenjährige allerdings nicht: Beine rasieren unter Berücksichtigung aufgeschlagener Knie.

§

Nun weiß ich also, wie der Berliner Flughafen Schönefeld aussieht. Und wie es ist, vom Flugzeug aus quer über Rollfeld direkt ins Flughafengebäude zu gehen.

§

Schwimmen durch Berlin bekam einen Teil 3: Stadtbad Mitte.
Eine freundliche Twitterin hatte meine Frage beantwortet, welche Sorte Kleingeld die Nutzung dieses Bades erfordert: “1 € für den Spind und 5 Cent zum Frisurplattfönen.

Resumee meines Besuches: Na ja. Unter anderem wegen des Details, vor dem selbige Twitterin gewarnt hatte: “Rollwende ist übrigens nur an einer Seite möglich (schräg).” Ein Ende der 50-Meter-Bahn ist so flach, dass nicht nur jegliche effiziente Wendeform unmöglich ist (stattdessen: hinstellen, umdrehen, zurückschwimmen), sondern ich beim Kraulen mit den Händen den Boden streifte (ist das vielleicht ein Indiz für einen Technikfehler?).

Zudem waren zwar die äußeren Bahnen Schwimmer-freundlich abgeteilt, allerdings an diesem Freitagnachmittag von Vereinen / Kursen belegt. Die Doppelbahn dazwischen wurde wild beschwommen, in allen Stilen, Richtungen, Tempi.

Doch das Gebäude des Stadtbads Mitte ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Vor allem für Snobs, die sich an Jugendstilbädern ein wenig übersehen haben und auf die Bauhausstil entspannend wirkt. Laut dieser Quelle war das Stadtbad bei seiner Eröffnung 1930 das größte überdachte Schwimmbad Europas. Mir gefielen die großen, schweren Fenster, die Auskleidung des Beckens mit kleinen Fliesen, der alte Eingangsbereich.

§

Eigene Fotos vom Schwimmbad kann ich nicht bieten: Mein Unterbewusstsein hat den Wunsch nach Reisen mit leichtem Gepäck so ernst genommen, dass ich sowohl Zahnputzzeug als auch Fotoapparat vergessen habe.

§

Den Abend verbracht ich mit Madame Modeste im Jolesch. Auch wenn keine Krautfleckerln auf der Karte standen, bezieht sich das Restaurant explizit auf Torbergs Evergreen und kocht modern österreichisch. Besonders vorzüglich waren der in Speck gebratene Ziegenkäse, das Kalbsbeuscherl (was haben die nur in die Hefeknöderl gemacht, dass die so fruchtig schmeckten?) und der Muskateller, zu dem uns die freundliche Bedienung riet, nachdem sie uns den Wunsch nach dem Gewürztraminer von der umfangreichen Weinkarte nicht erfüllen konnte.

Wie immer nach den ausgesprochen unterhaltsamen Gesprächen mit Madame Modeste weiß ich erheblich mehr als vorher. In diesem konkreten Fall, wie ich die Hausjuristen, die mir regelmäßig die Einhaltung meiner Zeitpläne verhageln, in bessere Unterstützung lenken kann.

§

Zu meiner Unterkunft in Kreuzberg, Imalofts, morgen mehr. Wenn ich die Fotofunktion des Blackberry samt Datenübertragung bis dahin meistere, sogar mit Bildern.

Journal 18. Februar 2008

Freitag, 19. Februar 2010

Wenn es so lang kalt war (verhältnismäßig, hier im Süden hatten wir es diesen Winter ja noch Gold), bekommt der Mensch ein neues Verhältnis zur Außentemperatur. Als ich aus dem Haus ging, fand ich es mild. Umso mehr überraschte mich, dass der leichte Regen auf den 20 Metern zwischen U-Bahn-Ausgang und Firmentor zu Eis geworden war. Ich rutschte aus und fiel auf die Knie. Nach dem Aufrappeln und weiteren drei Schritten gleich nochmal. Das Ergebnis: Meine blickdichte dunkelblaue Strumpfhose ist am linken Knie zerrissen (die ich unter anderem deshalb so geschätzt hatte, weil sie mir mit einem kleinen Etikett bedeutet hatte, wo hinten ist), das linke Knie ist aufgeschlagen wie bei einer lebhaften Siebenjährigen. Aber nichts schmerzt.

§

Nach Langem habe ich mal wieder einen guten Vorsatz: Die Nagelhäute meiner Finger in Ruhe lassen – meine Hände sehen immer aus wie die einer hyperaktiven Zwöfjährigen. Plus Falten. Und schlaffer Haut. Ich bin schon auf die Kombination mit Altersflecken gespannt. Wo war ich?
Doch erst wenn ich eine ähnliche Erscheinung bei anderen Erwachsenen bemerke, wird mir klar, wie unappetitlich und ungepflegt das wirkt. Diesen einen nervösen Tick werde ich mir doch wohl verkneifen können; bleibt ja immer noch das Haarefieseln.

§

Ausführliche Mittagspause mit einem Menschen, den ich vor vielen Jahren aus dem Blick verloren hatte. Jetzt werfe ich mir vor, ihn nicht mehr vermisst zu haben, denn seine Klugheit gepaart mit Warmherzigkeit findet man nun wirklich nicht an jeder Straßenecke.

§

Die Krähen ziehen zurück gen Osten. Im Abendlicht sah ich sie von meinem Bürofenster aus schwarmweise fortfliegen. (Hoffentlich sind die beiden Schätzchen nicht weg, die mich immer mit ihren Sturzflügen vom Dach hochschrecken – mein Schreibtisch am Fenster ist dicht unterm Dach; es sieht aus dem Augenwinkel aus, als falle gerade etwas Großes vom Dach.)

§

Über feministing auf einen Dating Guide für Frauen aus dem Jahr 1938 gestoßen. Die Illustrationen sind hinreißend.

§

Zum ersten Mal afghanisch Essen gegangen – und sehr positiv überrascht gewesen. Ethnische Küche ist meiner Erfahrung nach gerne mal durchschnittlich und verlässt sich auf die Überzeugungskraft der Exotik. Doch im Lemar in der Brunnstraße ist das anders. Zum einen beriet uns Herr Bedienung (möglicherweise der Wirt, seine Haltung ließ darauf schließen) eingehend: Als wir die gemischten Vorspeisen bestellen wollten, riet er ab, weil einige besondere Gerichte nicht enthalten seien. Ob wir zum ersten Mal hier seien? Er setzte sich zu uns, überlegte, und empfahl uns dann eine ganz bestimmte Zusammenstellung von Vorspeisen. Diese stellte sich als ein echtes Geschmackserlebnis heraus: Neben Pakora-ähnlichem Backgemüse und Gurken-Minzjoghurt gab es nämlich eine mit Hackfleisch gefüllte Auberginenrolle, die in einer mir völlig neuen Kombination gewürzt war – wir vermuteten neben Koriander und Kreuzkümmel normalen Kümmel. Und dann war da der süß-scharfe, dunkelrote Kürbis: viel Zwiebel und möglicherweise Rosenwasser machten die ordentlichen Schärfe ganz schön abgefahren. Als Hauptspeise hatte der Mitbewohner Lavastein-gegrilltes Lamm mit braun gebratenem Basmatireis mit Rosinen und Karotten bestellt – schmeckte ihm sehr gut, doch ich hatte einen weiteren Geschmacksknaller auf dem Teller: Gekochtes Lamm mit scharfer Linsensoße in einem zusammengeklappten, Crêpe-dünnen Brotfladen. Die großen, zarten Fleischstücke hatten einen kräftigen Lammgeschmack (ich mag das) und waren umgeben von einer limettig-scharfen Linsensoße mit viel Ingwer und Korianerblättern – sagenhaft. Die Aromen erinnerten durchaus an die englisch-indische Küche, die ich sehr mag, hatten aber eine entschieden eigene Note.

Dazu tranken wir einen kräftigen sardischen Weißwein, Nuragus di Cagliari, der mit seinen Honig- und Kräutergeschmäckern gut gegenhielt.

Bei Interesse unbedingt reservieren: Auch an einem Donnerstagabend war das Lokal bis auf den letzten Platz gefüllt.

Wetter: Regnerisch, mild, tauend, nachmittags mit ein bisschen Sonne.

Journal 17. Februar 2010

Donnerstag, 18. Februar 2010

Bei der Mädchenmannschaft auf eine hochinteressante Frage gestoßen:
Wie erkennen Feministinnen einander?

Denn, so beobachtet Autorin Susanne ganz richtig: Lila Latzhosen sind ausgestorben. (Ich gestehe allerdings, dass ich sie nie gesehen habe, auch nicht in den 80ern.)

Gehe ich also mal in mich und frage mich, aus welchen Äußerlichkeiten ich bereit bin, feministische Tendenzen abzuleiten. (“I’m like my mother, I stereotype—it’s faster ….” Up in the air) Susanne nennt knallroten Lippenstift – nein, die Wirkung hängt in meiner Wahrnehmung von zu vielen weiteren Faktoren ab. Doch selbstbewusstes, starkes Auftreten wäre für mich ein Indiz, zudem völlige Abwesenheit von Kleinmädchengehabe. Ich fürchte das bedeutet, ich würde einer kichernden rosa Rüschenwolke automatisch feministische Neigungen absprechen. Je größer die Entfernung vom weiblichen (oder männlichen) Rollenstereotyp, desto eher vermute ich eine Mitfeministin, einen Mitfeministen. Was selbstverständlich bereits böseste Stereotypisierung ist. Kann denn ein schüchternes, piepsiges Pflänzchen ohne Durchsetzungskraft nicht auch feministische Überzeugungen haben?

Wie ist das bei Ihnen?

§

Habe mich drei Stunden lang zu Online-Kommunikation besprochen, Arbeitsschritte festgelegt.

§

Blaupausen meines Monsterprojekts geprüft (auch wenn man ein zehn Mal lektoriertes Dokument ein elftes Mal ansieht, findet man immer noch Fehler – gruslig).

§

Komplett sportfreier Abend, also stieg ich am Odeonsplatz aus und bummelte noch ein bisschen durch die Fußgängerzone. Kurz vor Zuhause geriet ich in eine Horde Jesus-liebt-dich-Terroristen auf Kaltakquise (Gesang, Fahnen, Beleuchtung, drei Menschen versuchten mir Kärtchen in die Hand zu drücken, „ein Segen Gottes, schriftlich“) – die treiben sich eigenartigerweise bevorzugt auf dem Sendlinger-Tor-Platz herum.

§

Der Mitbewohner, der diese Woche nicht in die Arbeit muss, erfüllte mir einen weiteren Wunsch: Kalbskottelet Cucina casalinga.
Schmeckte ganz ausgezeichnet, und der Verdejo aus Rueda (Marqués de Riscal 2008) passte hervorragend.

Wetter: Ich musste den ganzen Tag die Jalousien unten lassen – ich nehme also an, dass es sonnig war. Der Schnee auf Straßen und Wegen wird langsam weniger.

Journal 16. Februar 2010

Mittwoch, 17. Februar 2010

Es ist und bleibt ein Unglück, dass genau in meine morgendliche Radiohörzeit (ca. 6.15 bis 6.55 Uhr) die Kurzpredigt „Wort zum Tage“ im Deutschlandradio Kultur fällt. Die Qualität schwankt zwischen Bullshitbingo aus dem Baukasten, der schon in meiner Kindheit die Bestandteile zu Sonntagspredigten lieferte, und gewollt origineller Erbaulichkeit. Am entspanntesten sind die wenigen Wochen (die Prediger und Predigerinnen treten immer wochenweise auf), in denen ein Vertreter des Judentums spricht (Muslime kamen bislang nicht vor): In deren Wort zum Tage geht es am wenigsten um Religion. Hier ein paar Zitate aus Momenten, in denen ich nicht konzentriert genug weghörte:

„Wir sind also unterwegs zur ewigen Fröhligkeit.“
„Eine tiefsinnige theologische Wahrheit aus dem Mund eines Achtjährigen!“
„Und ich höre in mir das Nachklingen eines Bibelverses.“

Jaja, ich weiß: Gott will uns prüfen. Doch wie bemerkte einst Woody Allen: „Wenn er das will – könnte man die Prüfung nicht schriftlich machen?”

Dazu passt ganz wunderbar die Aufnahme einer Rede von Stephen Fry, die er im Oktober 2009 Jahr bei Intelligence Squared hielt und in der er rhetorisch vorbildlich die These vertritt, dass die Katholische Kirche ausgesprochen schädlich ist. Mir gefällt besonders, dass Herr Fry zunächst ausführlich deutlich macht, dass sich sein Beitrag nicht gegen Individuen richtet, die gläubig sind und aus diesem Glauben großen Trost ziehen – sondern gegen die Ausrichtung der Katholischen Kirche und ihrer offiziellen Vertreter. Geschickt entkräftet er auch das Argument (das offensichtlich ein Vorredner oder eine Vorrednerin angeführt hat), die Katholische Kirche tue Gutes für die Armen der Welt. Sehr zu empfehlen.

Der Inhalt ist nicht verfügbar.
Bitte erlaube Cookies, indem du auf Übernehmen im Banner klickst.

The Intelligence² Debate – Stephen Fry (Unedited)
(via nerdcore)

§

In meiner kleinen Ecke des Internets sind es unter den Deutschsprachigen die Vetreter traditioneller Medien, die aus verschiedenen Gründen auf Blogs eindreschen, meist ausgehend von dem Grundirrtum, Blogs sähen sich als ihre Konkurrenten.

Währenddessen wird in einem anderen Teil des Internets unter deutschsprachigem Bildungspersonal über die Auswirkungen der Webmedien auf Bildung und Ausbildung gestritten. Die extremen Befürworter sehen in Blogs (z.B. „Edu-Blogs“), Wikis etc. die einzige Zukunft der Bildung (Schule und Hochschule), die extremen Gegner sehen darin auf verschiedene Weise den Untergang des Abendlandes.

Derzeit geht ein Sturm durch diese Szene, der mit dem Hegemann-Gehackel in meiner Ecke des Internets vergleichbar ist. Er wurde verursacht durch einen Aufsatz „Ansichten zur Kommentarkultur in Weblogs“ (PDF) von Rolf Schulmeister (keine Witze über Namen).

Das Blog von Herrn Larbig fasst die Diskussion zusammen, beurteilt sie und verlinkt Beiträge. (Falls jemand aus meiner Internetecke mal Lust hat, in eine andere Ecke des Internets zu schauen.)
(via Adventures in the Tulgey Wood)

Interessante Diskussionsüberschneidung: Auch Pädagogikprofessor Rolf Schulmeister ist der Ansicht, dass es keine Generation von digital natives gibt.

§

Ich kann mich noch an Jahre erinnern, in denen am Faschingsdienstag ab Mittag alle Büros ausgestorben waren. Die sind wohl vorbei – zumindest bei uns war dieser Dienstag ein ganz normaler Arbeitstag. An dem in der Teeküche ein großer Teller mit Krapfen stand. (Die Mangos von gestern schmeckten übrigens vorzüglich – ich werde nie wieder behaupten, asiatische Mangos seien grundsätzlich besser als lateinamerikanische.)

§

Doch meine Arbeitslast hat sich so weit normalisiert, dass ich nach vier Wochen Zwangspause endlich wieder in meine dienstagsabendliche Stepstunde gehen konnte. Noch dazu war die vertretende Vorturnerin eine meiner Lieblinge: Diese Dame ist nicht nur ein sehr angenehmer Anblick (Typus Langstreckenschwimmerin gemischt mit Pallas Athene), sie legt auch Choreographien hin, die sich gewaschen haben. Und in einer Fortestgeschrittenenstunde nimmt sie zudem keine Gefangenen: Sie wünscht nicht, wie ihre Kolleginnen, „viel Spaß!“, sondern „viel Glück!“ – das (und ordentlich Konzentration) braucht man auch, um ihre sauber aufgebauten, perfekt durchgezählten, aber halt originellen und sehr off-beatigen Choreographien mitzuturnen. Sind sie zu schwer – bist du in der falschen Stunde. Was diese Dame allerdings unwiderstehlich macht: Sie amüsiert sich von Herzen über uns Turnerinnen. Hin und wieder treibt sie ihre Choreographien auf die Spitze, indem sie noch abgefahrenere Variationen oder zusätzliche Armchoreographien vorschlägt; und wenn wir Turnerinnen dann kläglich am Versuch der Nachahmung scheitern, lacht sie herzhaft. Das ist kein Auslachen, sondern echtes, mitreißendes Vergnügen, ganz unten aus dem Bauch. Oh Mann, hatte ich das vermisst!
(An Musik gab es dazu Klänge, die im Tatort immer in verruchten Großstadtdiskotheken mit flackerndem bunten Licht gespielt werden, die zu verschwitzten Leibern passen sollen.)

&

Der Mitbewohner erfüllte meinen am Vorabend geäußerten Wunsch nach Cocktails (Singapore Sling sowie MaiTai) und Guacamole, zudem gab es gebratene Kartoffel- und Knollenselleriewürfel.

Wetter: Verschneit aber sonnig mit wolkenlos blauem Himmel – nein wirklich!

Journal 15. Februar 2010

Dienstag, 16. Februar 2010

Derselbe Grund, der mich am Freitag bis kurz vor Gebäudeschließung um 22 Uhr im Büro gehalten hatte (in der U-Bahn begegnete ich den Horden Bierflaschengassiführern, von denen ich so viel gehört hatte), trieb mich am Montag kurz nach sieben dorthin zurück. Beide Zeiten sind aber absolute Ausnahmen.

§

In einer Firmenveranstaltung zum ersten Mal sehr froh um meinen beruflichen Blackberry gewesen: Trotz Abwesenheit konnte ich drei Kleinbrände löschen. Allerdings bekam ich infolgedessen wichtige Abschnitte der Veranstaltung nicht mit.

§

Eine Telefonkonferenz mitgehört, die sich zu zwei Dritteln um Themen drehte, von denen ich nichts verstehe. Ich sortierte währenddessen Unterlagen (wie schnell hochwichtige Entwürfe banales Altpapier werden) und erfreute mich am schäumenden Glucksen des einen oder anderen Glases Mineralwasser, das sich die Telefonierer einschenkten, zudem am Hubschraubergeknatter vor dem Fenster eines anderen Teilnehmers. Duckte mich vor zwei Runden Krapfenspende weg, da ich feierabends noch Gewichte heben wollte ohne böse aufzustoßen. Ich tröstete mich mit der Aussicht, dass ich nach der Heberei viele, viele Krapfen essen würde.

§

Gewichte gehoben. Im Obstladen am Kurfürstenplatz wundervolle reife Mangos, Kiwis, Orangen, Avocados gekauft; vom ungewöhnlichlich gut gelaunten Inhabersohn für meine Mangowahl gelobt worden („Sie haben sich die teuersten, aber auch die besten ausgesucht.“), mit seinem Vater über Mangoherkünfte geplaudert (derzeit sind sie aus Peru, dann kommen die aus Panama, Ende April gibt es wieder meine pakistanischen Lieblinge).

§

Daheim vom Mitbewohner mit Fleischbällchen in rosmariniger Tomatensoße empfangen worden. Dazu mehr Rotwein von gestern (eine Flasche vom Samstagabend hatte leicht gekorkt – zu stark, um sie Gästen einzuschenken, zu wenig, um sie wegzugießen). Zum Nachtisch die eingesackten Arbeitskrapfen.

Wetter: Grau, kalt.

Journal 14. Februar 2010

Montag, 15. Februar 2010

Dem Aufwachen um halb sieben einfach nicht nachgegeben (Sonntag!), mich umgedreht und tatsächlich nochmal eingeschlafen. Also stand ich erst nach dem zweiten Aufwachen um halb neun auf.

Hefeteig für Nusszopf angesetzt, Milchkaffee getrunken (ohne Schaum, weil die Andechser 1,5 Prozent sich ums Verrecken nicht schäumen lässt; das Geräusch der hastig zerspringenden Bläschen beim Versuch ist gemein), Nusszopf gebacken.

§

Nach zwei Wochen wieder mal raus an die Isar zum Laufen. Der festgetretene Schnee auf den Hauptwegen war ein guter Untergrund; das Fürchten lehrten mich schnell die Trampelpfade durch den etwa 20 Zentimeter hohen Schnee, die erst ein, zwei Dutzend Menschen betreten hatten: Darin hat es Löcher, die mich rutschen und umknicken ließen. Ich blieb also lieber auf den Hauptwegen. Dort die Begegnung mit einer Hundehalterin, die ihren Hund im Griff hatte: Als der Kleine mich anspringen wollte, genügte ein einziger Ruf des Frauchens, und Hundi drehte bei. Das ist deshalb erwähnenswert, weil ich auf meinen drei vorhergehenden Isarläufen von großen, mir völlig unbekannten Hunden angesprungen wurde; zweimal waren es halbkalbgroße Brocken, die dazu auch noch ein paar Meter Anlauf nahmen. Die Reaktion der Halter: Einmal ein Verständnis heischender Blick an mich, inklusive lächelndem Schulterzucken, einmal ein komplett folgenloses „Nein!“ der Halterin, einmal die Rüge des Halters: „Sita, das tut man nicht.“ Ich fürchte mich nicht vor Hunden, schon gar nicht, wenn sie in offensichtlich spielerischer Absicht auf mich zukommen, doch ich musste mich ganz schön gegenstemmen, um von den Halbkälbern nicht umgeworfen zu werden. Spätestens da endet meine Hundeliebe.

Eine weitere Premiere heute: Mir kamen mehr Menschen mit Skistöcken entgegen, die tatsächlich Langlaufskier an den Füßen hatten, als skilose Skistockträger.

Ich war am Hofgarten losgelaufen.

Auf den Anblick des Monopteros im Schnee hatte ich mich gefreut.

Kurz vor Ende meiner Runde entdeckte ich auf der Max-Joseph-Brücke ein Denkmal für das unbekannte Eichhörnchen (um die Eichkatzerl sorge ich mich diesen Winter schon).

§

Nachmittags die Musik des neuen Sherlock Holmes-Films durchgehört – ich bin wirklich angetan. Die Stellen, die mir zu sehr scheppern, schiebe ich natürlich Hans Zimmer in die Schuhe. Die schönen Extrathemen und überraschenden Instrumentalisierungen dem im Filmabspann als Ko-Komponisten genannten Lorne Balfe (es handelt sich doch um einen Herrn?).

§

Sehr lauter Lacher beim Lesen im Internet: Mr. Bean als Avatar.
(via weltkompakts Getwitter)

§

Forelle blau und schwarze Trüffel ausgelesen und über meine Freude daran gebloggt.
Kulinaritäten fortgesetzt, indem ich mich den Resten der Essenseinladung vom Vorabend zuwandte: Dehesa la Granja (der 2002er, den ich im Kaufhof am Marienplatz bekam, hat durchgehend nasse Korken; ich setze dort eher auf den 2003er), Ensaladilla Rusa, Cocido madrileño (dummerweise gestern vergessen, ein Foto für das private Kochbuch zu machen).

Wetter: Verschneit mit grauem Himmel, hin und wieder ein paar dürre Schneeflocken, kalt.

Joseph Wechsberg, Gerda v. Uslar (Übers.),
Forelle blau und schwarze Trüffel

Sonntag, 14. Februar 2010

Natürlich habe ich mich ebenso wie Sie gewundert, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Doch als es bereits in der ersten der 17 Geschichten des Buches hieß, der Professor Internist habe im „neunten Distrikt“ Wiens gewohnt, verschwand die Illusion der Originalsprache – auch Anfang des 20. Jahrhunderts, als diese Szene spielt, war Wien in Bezirke unterteilt. Die jemand auf Englisch sehr wahrscheinlich „districts“ nennt. Das ist aber zum Glück die Stelle, die am deutlichsten als Übersetzung auffällt; sonst liest sich die autobiographische Vignetten- und Anekdotensammlung des Herrn Wechsberg wie ein deutsches Original.

Er wäre heute sehr wahrscheinlich ein Foodblogger, der 1907 geborene Herr Wechsberg, noch dazu ein guter. Und so musste ich bei der Lektüre von Forelle blau und schwarze Trüffel (erschienen 1953) sehr an das hoch geschätzte Büchlein von Herrn Paulsen denken. Joseph Wechsberg beginnt bei seiner Kindheit und der großen Abneigung gegen jegliche Nahrungszufuhr, mit der er seinen Eltern damals Sorgen bereitete. Später entdeckte er das Essen zu unserem Glück als Leidenschaft. Und so nahm er mich zunächst mit zu dem sonntagsmittäglich gedeckten Tafeln der besseren Wiener Gesellschaft. Ich zwinkerte Friedrich Torberg zu – der diese Szenen allerdings erheblich derber beschreibt.

Die Speisen seiner Studienorte Prag und Paris sind eigene Kapitel wert, später einzelne Lokale oder Speisen vor allem in Frankreich – immer aufgehängt an persönlichen Erlebnissen und den damit verbundenen Menschen, immer in angenehmstem Plauderton. Joseph Wechsberg nimmt seine sinnliche Wahrnehmung ernst, nicht nur beim Schmecken. Dem entsprechend werden Personen eingeführt, zum Beispiel:

Monsieur Raymond Thuilier war ein freundlicher, schnurrbärtiger Franzose, der aussah, als habe er soeben etwas sehr Angenehmes über sich gehört.

Am besten hat mir das Kapitel über die Bouillabaisse gefallen. Darin schildert Wechsberg, wo er die beste so benannte Fischsuppe seines Lebens gegessen hat: „Auf dem Vorderdeck der ‚Azay-le-Rideau‘ (…), als sie im Mittelmeer kreuzte.“ Zubereitet hatte sie „Étienne-Marcel, der pergamentgesichtige Zimmermann an Bord der ‚Azay-le-Rideau‘.“ Wechberg verdiente sein Geld auf diesem drittklassigen Kreuzfahrtschiff als Bordmusiker. Die sonstige Besatzung bestand aus Griesgramen, die sich in Anstellungen auf Luxusschiffen etwas zuschulden hatten kommen lassen, und nun auf dieser „schwimmenden Teufelsinsel der Gesellschaft“ arbeiten mussten. In vielen Details beschreibt Wechsberg, wie Étienne-Marcel seine Bouillabaisse zubereitete, nicht nur auf dem Schiff, sondern auch in seinem Zuhause in Marseille. Ich hätte sie nach der Lektüre des Kapitels nachkochen können – stünde nicht am Anfang der Zubereitung das Gebot, nicht etwa frischen Fisch zu verwenden, sondern allerfrischesten Fisch, buchstäblich direkt aus dem Meer. München – Meer?

Am ausführlichsten schildert Joseph Wechsberg eine Reise im Südwesten Frankreichs auf der Suche nach dem idealen Trüffelgericht sowie die Reise entlang aller damaligen Drei-Michelin-Stern-Lokale Frankreichs – inklusive Zubereitungsart der Spezialitäten, Beschreibung der Küchen und Nennung der bemerkenswertesten Weine.

Forelle blau und schwarze Trüffel hat mich in eine vergangene Epoche des Reisens und Essens (und der Verwendung des Worts „vorzüglich“) mitgenommen, ich fühlte mich wie in einem amerikanischen Film gleich nach dem Krieg. Nebeneffekt: Ich habe mir ganz fest eine Fressreise durch Frankreich vorgenommen. (Vielen Dank für den Lesetipp an Herrn Mittagesser!) Ein Foto vom Buch gibt es hier.


Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen