Journal Freitag, 30. Juli 2010

Sonntag, 1. August 2010 um 9:57

Gegenartikel zu den verlassenen Macchiatomüttern am Prenzlauer Berg ebenfalls in der taz: „Selbstmitleid im Szenecafé“.
via claudines Twitter-Hinweis

Ostfrauen – ein sehr nützlicher Aspekt. Als Westbewohnerin hatte ich bislang nur mit ausgewanderten solchen zu tun, weiß sie aber ganz besonders zu schätzen – unter anderem wegen ihres kompletten Unverständnisses der Erwartung gegenüber, ein Mann müsste sie durchfüttern. Es ist schon eine eigenartige Entwicklung, dass die Trümmerfrauengeneration im Westen aus ihren Erfahrungen nicht gelernt hat. Frauen haben in den letzten Weltkriegs- und in den Nachkriegsjahren als Schlosserinnen, Elektrikerinnen, Mechanikerinnen gearbeitet, in einem am Boden liegenden Land ihr Ding gemacht und ihre Kinder durchbekommen – doch sobald die Männer wieder auf der Matte standen, setzte gesellschaftliche Amnesie ein. Man habe, so die Erklärung der Westfrauen auf meine Nachfragen schon als Mädchen, diesen gebrochenen Gestalten nicht auch noch antun können, dass es ohne sie auch ganz gut ging. In Blitzgeschwindigkeit ordneten sich die Damens wieder unter, beschäftigten sich mit Dauerwelle, Kuchenrezepten und der biologischen Seite der Brutpflege und sagten punktgenau: „Ach, davon verstehe ich nichts, das macht immer mein Mann.“

Im Osten Deutschlands verhinderte das System diesen Mechanismus offensichtlich.

§

Welch Irrtum davon auszugehen, meine Fehlen auf dem Firmensommerfest würde unbemerkt bleiben. Dass ich die zahlreichen Nachfragen: „Warst du gestern gar nicht da?“ „Ich habe dich gestern gar nicht gesehen…?“ nur mit einem freundlichen und schlichten „Nö.“ beantwortete, brachte mir auch noch gedehnte Blicke ein. Aber ich bin mir tatsächlich zu gut, integrierende Ausreden zu erfinden.

§

Da mag mein Serotoninhaushalt noch so beschissen sei: Über die richtige Art von Blödsinn breche ich erst dann nicht mehr verlässlich in Kichern aus, wenn ich schon am Baum hänge. Am Freitag auf Sheng-Fui.de:
Heilkraft der Edelsteine (6): Der Urinstein

§

Eine weitere Beobachtung in meinem Arbeitsleben, die einer systematischen Untersuchung harrt (hallo? Herr Mai?): Nur weibliche Mitarbeiter lagern Lebensmitteleinkäufe im Kühlschrank zwischen. In diesem Bürohaus arbeiten zu fast 50 Prozent Frauen, doch ich habe noch nie erlebt, dass einer der männlichen Kollegen Lebensmitteleinkäufe zwischenlagern hätte müssen. Das wurde mir klar, als ich heute die benachbarte Bereichleiterin (wir erinnern uns: was ganz Hohes) mit ihrer Supermarkttüte in die Teeküche gehen sah. Mögliche Erklärungen:
a) Die hier arbeitenden Frauen sind in größerer Zahl als die Männer alleinstehend und müssen ihre Futtereinkäufe mit den Arbeitszeiten abstimmen.
b) Die männlichen Kollegen lassen sich in höherem Anteil als die Kolleginnen von Partnern oder Partnerinnen mit Nahrung versorgen.
c) (Vorschlag von Twitterin Umienne) Männer betreiben mehrheitlich Photosynthese.

§

Und nun noch eine Lieblingsepisode aus The IT Crowd, auf Deutsch, weil ich diese Version einbetten durfte. Ich mag die Serie unter anderem deswegen so gerne, weil sie es schafft, die ahnungslose und aufgeblasene Abteilungsleiterin Jen nicht deswegen doof ausschauen zu lassen, weil sie eine Frau ist. Sondern weil sie eine ahnungslose und aufgeblasene Führungskraft ist. Und weil Katherine Perkinson sie absolut großartig spielt – hier ein Interview mit ihr:

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die Kaltmamsell

9 Kommentare zu „Journal Freitag, 30. Juli 2010“

  1. Hande meint:

    Ich hab (m)eine Erklärung zu der Einkäufe in der Teeküche Phenomen: Mit einem früheren Freund war ich tatsächlich genau in dieser Situation (und es gab noch die kurzen Öffnungszeiten – bis 18:00 – erinnert sich noch jemand?). Ich war immer die jenige die in der mittagspause einkaufte und abends alles heimtrug in der Trambahn (obwohl Freund Auto hatte), nicht weil er es von mir verlangen würde oder so was. Er hatte keine Lust das zu machen und wollte auf keinen Fall, dass ich es machen sollte. Es war nur, seine Lösung gegen die Leere im Kühlschrank und Speisekammer war einfach a) essen gehen b) eine oder zwei tafel Milka- oder Kinderschokolade essen (was ja fast das gleiche wie photosynthese ist, oder?). Für a war (auf Dauer) mein Gehalt nicht genügend (ich Werbeagentur Indianer, er Berater bei bigname), und für b. war ich mir zu schade. Also habe ich in der Mittagspause eingekauft, in der Teeküche verstaut und abends alles heimgetragen.

  2. Sabine meint:

    Was ich mich schon die ganze Zeit bei der Macchiato-Mütter-Debatte (die im übrigen auf die alte Feststellung rauszulaufen scheint, dass Frauen eh an allem selbst schuld sind) frage, ist, wo es überhaupt Macchiato-trinkende Frauen gibt. Nach meiner Beobachtung ist dies ein reines Männergetränk. Kolleginnen- und Freundinnen- und Verwandtenkreise in meiner Münchner Realität bestellen ausschließlich Espresso, Espresso Macchiato und Cappuccino, aber niemals Latte Macchiato. Höchstens vielleicht mal so einen aufgeschäumten, eisgekühlten und mit Sirup versehenen Dingenscino bei den einschlägigen Ketten, aber mehr so als Eisbecher-Ersatz.

    Es mag zwar den ein oder anderen kulturschaffenden Mann geben, der nichts anderes als schwärzesten Espresso anrührt und damit die Frauen beeindruckt, aber in der Ingenieurs- und BWLer-Klasse ist der Macchiato doch das Getränk der Wahl.

  3. ATh meint:

    “Nur weibliche Mitarbeiter lagern Lebensmitteleinkäufe im Kühlschrank zwischen.”

    Vier mögliche Erklärungen:

    (a) Die Frage, ob Lebensmittel leiden, sobald sie länger als fünf Minuten nicht vorschriftsmäßig gekühlt werden, beschäftigt Männer einfach nicht.

    (b) Männer sind beim Autofahren so cool, da bleibt nach dem Aussteigen genug Restkühlung zurück, um die Lebensmittel den Tag über frisch zu halten.

    (c) Männer fahren sehr große Wagen mit Vierradantrieb, die gekühlte Handschufächer haben, die groß genug sind, den Wocheneinkauf aufzunehmen, und deren Motoren lange genug nachdieseln, so dass die Kühlanlage Saft bis zum Abend hat. (Die, die keinen solchen Wagen haben, haben eine Aktivkühlbox im Kofferraum.)

    (d) Männer wissen, dass Supermärkte mittlerweile bis 22 Uhr aufhaben und kaufen darum nach Schichtende ein.

  4. adelhaid meint:

    ich glaub auch, dass es da eine öffnungszeitengeschichte geben muss.

    ich verlasse das büro regelmäßig um 21:45, damit ich noch 15 min zum einkaufen habe.

    (und weil mir der kühlschrank in der teeküche unheimlich ist)

  5. Sanníe meint:

    Wg. Kühlschrank
    Ich lagere auch das eine oder andere im Bürokühlschrank. Der Mann wirft dann abends meine Pläne über den Haufen, indem er Aufgetautes aus seiner Einkaufstüte zieht mit den Worten: Oh, das müssen wir jetzt wohl essen.

    Ich kenne Macchiato-trinkende Mütter. Wenn meine Kollegin nachmittags das Büro verläßt, um ihren Sohn aus der Kita abzuholen, macht sie selbst Witze darüber, daß sie gleich mit dem so benamsten Getränk, Biobutterkeksen und Gleichgesinnten auf dem Spielplatz sitzen wird. Was genau ist daran eigentlich so verachtenswert?

    Tatsächlich arbeiten in meinem Bekanntenkreis alle Mütter noch nicht schulpflichtiger Kinder in Teilzeit, aber keiner der Väter. Irgendwie gefällt mir diese Einseitigkeit nicht.
    Aber habe ich – die ich Teilzeit arbeite, einfach weil ich keine Lust auf mehr habe (ja!) – das Recht eine Mutter dafür zu verurteilen?

  6. Sebastian meint:

    @macchiato-mütter
    Wie nennt man eigentlich eine Alleinerziehende, die es so macht wie im 2. Artikel beschrieben, die aber trotzdem ihren Macchiato im Cafe trinkt. Und ist eine Mutter, die sich ihren Macchiato zu Hause macht („Wenn man nicht alles selber macht”), auch eine Macchiato-Mutter?

    @sabine
    Nur macchiato-trinken Männer? Wo ist das denn? München Müllerstraße?

    @kühlschrank
    Die Kolleginnen kaufen natürlich für ihre männlichen Kollegen bzw. Vorgesetzten mit ein – haben diese Mobbingschlampen Ihnen die Infos über diesen Brauch etwa vorenthalten, Frau „Kaltmamsell” (sic)?

  7. the-sun meint:

    bzgl. Ostfrauen/-männer: seitdem ich in Norwegen lebe, habe ich hier vorwiegend mit früheren Ostlern zu tun (abgesehen davon, dass der Mann Sachse ist), bzw. diese in meinem Bekanntenkreis.

    Besonders die wenigen ‘mitgegangenen’ Frauen sind einfach ganz fantastisch anders. Diese Selbstverständlichkeit arbeiten zu gehen trotz Kinder und diese einfach nur als Teil des Lebens zu betrachten und nicht als ‘das Leben’…sehr entspannend für mich kinderlose Westlerin. :-)
    Wobei einer das Leben bzgl. dessen in Norwegen eh leichter gemacht wird.
    Ein Staatsminister, der auch mal die Sitzung verlässt, um sein Kind aus der Betreuung zu holen.
    Und wo man in den meisten Firmen als nicht zurechnungsfähig betrachtet wird, wenn man nach 17 Uhr noch im Büro sitzt. :-D

  8. trillian meint:

    Unser von vier Personen genutzter Bürokühlschrank wird selten zum Zwischenlagern von Einkäufen genutzt. Unser Büro liegt direkt neben einem Supermarkt, weshalb man dann auch mal eben nach Feierabend einkaufen kann.
    Einzig Kollege J. parkt seinen Frischfisch vom Markt darin.

    Ich bin unheimlich froh, dass ich schon immer nicht nur finanziell von Männern unabhängig war. Zwischenzeitlich war ich sogar zu stolz, um Hilfe anzunehmen und wollte immer alles alleine können und machen. Zum Glück sehe ich das heute aber entspannter und geniesse die Symbiose.

  9. Modeste meint:

    Die ganze Debatte um Macchiato-Mütter hinterlässt mich etwas ratlos. Auf der einen Seite empört es mich ein wenig, dass am Ende von zwei Teilhabern eines gemeinsamen Projekts nur eine die Zeche zahlt. Auf der anderen Seite habe ich nur mäßiges Verständnis für das Modell der Mutterschaft als bisweilen willkommene Fluchtgelegenheit aus einem Job, den die eine oder andere offenbar als mühseliger erlebt als das Hausfrauenleben. Die Mütterpropaganda von der mindestens gleichwertigen Arbeit daheim leuchtet mir nicht recht ein, und warum dieser Rückzug nach dem Scheitern des schönen Plans auch noch nachträglich vergoldet werden sollte …. aber andererseits —

    Ich bin mit der Meinungsbildung noch nicht recht durch.

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