Rezept für Tortano und Nachspiel alberne Buchtitel

Mittwoch, 27. Juni 2012 um 10:42

Gestern hatte ich abends Gäste und backte mal wieder Tortano, neapolitanische Rollpizza. Mittlerweile ist das Rezept bewährt genug, dass ich es weitergeben kann. Bitte klicken Sie hier.

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Zudem fragte ich gestern in einer Buchhandlung nach Alexandra Tobors Buch (wenn ich es im Vorbeigehen bekommen hätte, hätte ich gleich ein Exemplar verschenkt) – und ertappte mich, dass ich die Stimme senkte, weil mir der Titel so peinlich war. Damit war das Fass voll: Ich schrieb dem Ullstein-Verlag an Zentrale@Ullstein-Buchverlage.de eine Mail, in der ich mich über den irreführenden Titel beschwerte. Abschließend fragte ich, ob sie vielleicht weitere hochwertige Migrationsliteratur hinter albernen Titeln versteckten – ich sei für Hinweise dankbar. Zurück kam vom Verlag der Hinweis auf diese Reihe namens „Länderhumor“ (siehe Navigationspunkt links). Ernsthaft.
Seither bin ich damit beschäftigt, meine Fassung wiederzugewinnen. Das ist ja zum einen noch schlimmer als befürchtet. Zum anderen frage ich mich noch hilfloser, wie Tobors Buch da hineingeraten konnte.

die Kaltmamsell

24 Kommentare zu „Rezept für Tortano und Nachspiel alberne Buchtitel“

  1. lihabiboun meint:

    Ich habe gestern in einer “guten” Buchhandlung das Buch bestellt und die Frau sah mich so sehr schräg von der Seite an, daß ich versucht war, zu sagen “das ist ein ganz tolles Buch, trotz des dämlichen Titels” … vielleicht mach ich das dann, wenn ich es gelesen habe, noch nachträglich. Unsäglich.

  2. Elle meint:

    Unglückliches Runterhacken eines Buchs bzw. des Stoffs unter der Frage “Und wie vermarkten wir das?”, denke ich. Kann von Agenturseite aus passiert sein. Oder die Autorin wurde direkt für diese Reihe angefragt.

  3. kid37 meint:

    “Risotto mit Otto”? Das ist nicht deren Ernst.

  4. der Mitbewohner meint:

    Die Leute in der PR-Abteilung, die auf solche Anfragen mit diesem Link reagieren: Sind die schlecht ausgebildet und informiert, denken die also tatsächlich nicht mit, oder bleibt denen laut Arbeitsanweisung nichts anderes übrig?

  5. mahi meint:

    Darf ich zum Thema Migrationsliteratur die hochkomische Spiegel-Serie der in Deutschland aufgewachsenen Wlada, die ihre alte Heimat besucht, empfehlen:

    http://www.spiegel.de/thema/wlada_in_russland/

  6. .meike meint:

    Furchtbar ja, die Rubrik kannte ich und war und bin entsetzt. Hoffentlich hat Frau Tobor wenigstens gutes Geld vom dicken Verlag bekommen. Leider erfinden solche Titel Menschen, die selbst gerne gute Bücher geschrieben hätten, es aber nicht auf die Reihe bekommen haben. Immer schön den Markt im Blick.

  7. Stefan meint:

    Das bekannteste Buch aus dieser Reihe ist doch »Maria, ihm schmeckt’s nicht!«. Ich fand es an einem heißen Urlaubstag recht unterhaltsam. Sie haben es ja vor einiger Zeit auch gelesen. Fanden Sie Alexandra Tobors Buch besser als Jan Weilers? Würden die beiden Bücher zusammen in eine Reihe passen?

  8. barbara meint:

    wenn man die anderen titel liest, zweifelt man ernsthaft am verlagsverstand.
    da wurde sich an filmtitel, sprüche aussem asterix und so fort angelehnt.
    zu anno dunnemals zeiten saßen oft mitarbeiter im lektorat bei denen es zum eigenständigen autor nicht gereicht hatte.
    vielleicht ist dem noch immer so und damit bleiben der leserwelt eine menge schlechter bücher erspart?
    die autorin erhielt etwa ein honorar von knapp unterm fünfstelligen bereich. von
    schmerzengsgeld kann hier also keine rede sein.

  9. die Kaltmamsell meint:

    Der Jan Weiler, Stefan, passt auf jeden Fall in eine Rubrik namens “Länderhumor”, ist ja auf Lacher geschrieben und erfüllt deutsche Erwartungen. Das macht Weiler sehr gut.
    Tobor macht etwas ganz Anderes (vielleicht mögen Sie doch mal das oben verlinkte Probekapitel lesen?).

  10. rollinger meint:

    Der Titel ist auch nicht so leicht. Aber ich verstehe Sie, bei obigem Buchtitel sehr gut.

    http://amzn.to/L1CM8w

  11. philine meint:

    ich erinnere mich lebhaft an die Titelfindungsdiskussion eines Kunden von mir, der ein recht amüsantes Buch über die Au-Pair Erlebnisse in seiner deutsch-italienischen Familie geschrieben hat.
    Einer der Verlagsvorschläge war “Würstl con Krauti”,herausgekommen ist Pizza a la Famiglia. Auch nicht viel besser –
    Allein die “Weilersche” aufmachung aller dieser Titel verrät ja bereits, dass sich dieVerlage an den grossen Erfolg von “Maria ihm schmeckts nicht” dranhängen wollen. Letzten Endes wird der Kunde damit z.Teil in die Irre geführt.

  12. Olaf meint:

    Um Euch weitere peinlichkeiten zu ersparen: Das Buch gibt es natürlich bei mir im Shop.
    Solltet ihr mal wieder ein Buch mit peinlichem Titel suchen, fragt einfach nach. Auch braucht ihr nicht zwei mal in die Buchhandlung zu laufen.

  13. kadekmedien meint:

    Au weia! Die Länderhumor-Seite hat mich auch grad aus den Latschen gekippt. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Ullstein-Lektoren »den Markt im Blick haben«, denn dann wäre der Titel mit Sicherheit anders ausgefallen (und die anderen Titel auch). Nie, absolut niemals würde ich ein Buch mit diesem oder den anderen Titel/n kaufen, und tat es auch nur, weil ich weiß, was mich bei der Autorin erwartet.
    Stattdessen stelle ich mir im Lektorat 109-jährige vor, die ein in den 50er Jahren stehengebliebenes Publikum im Blick haben. – Im Suchmaschinen-Marketing würde man ja sagen: »macht doch mal ’nen A/B-Split!« Also das gleiche Buch zusätzlich unter anderem Titel vertreiben und dann mal sehen, was der Markt so sagt. Ich schätze mal, die vergeigen sich jede Menge Verkäufe. Schade drum, gutes Buch!

  14. schiachesuse meint:

    …diese Reihe klingt leider verdächtig nach dull-stein-Verlag

  15. Huck Haas meint:

    Haben soundsoviele Menschen First World Problems.
    Ich habs mir trotzdem gekauft. Hilft ja nix.

  16. Indica meint:

    Uli Hannemanns “Neulich in Neukölln” ist offenbar auch in dieser Reihe erschienen. Ich habe es gern gelesen, weil es eine treffende anthropologische Beschreibung aus dem Nahbereich ist. Das Buch kann also hoffentlich nichts dafür, dass es in der Allitertationshumor-Reihe erschienen ist. Und mir ist es nicht aufgefallen, weil es mir aus meiner privaten Internetecke damals zugelaufen ist.

    Aber ich fasse es so auf, dass Alexandra Tobors Buch durchaus “dichter” oder “ernsthafter” geschrieben ist, als dass es inhaltlich in diese Reihe passen würde. Na, nun bin ich gespannt, ich will es nämlich auch als nächstes lesen. Aber, weil ich die Empfehlung hier, bei Ihnen und noch woanders in meinem Internet vernommen habe.

    Hmm, manchmal fragt man sich auch, was in so “richtigen” Marketing-/PR-Abteilungen gedacht und getan wird. Marketing oder PR schließt ja nicht zwangsläufig Qualitätsdenken aus. (Oder bin ich da nur betriebsblind und sehe das große Brett vor den eigenen Augen nicht?)

  17. Preißndirndl meint:

    Meine Vermutung: Die Verlagsmenschen wollten einfach auch mal witzig sein, haben Titel erfunden und darunter die ungefähr passenden Bücher einsortiert. Die Highlights sind für mich (rein titelmäßig): “Bitte ein Brit!” “Allein unter Doppelwhoppern” (hä?) und “Candlelight Döner”, wie schenkelklopf-krachernd ist das denn!!!?

  18. Lisa Neun meint:

    Oh nein. Weiß grad nicht ob ich lachen oder weinen soll. Und ja – Risotto mit Otto schießt den Vogel ab…

  19. oachkatz meint:

    Bei Quattro Stagioni handelt es sich um eine zwar immer noch amüsante, aber ziemlich differenzierte Beschreibung eines ersten Jahres in einem Herzensland, die Erfüllung einer Sehnsucht, die für viele zum Albtraum wird, weil die Vorstellung des Traumlandes so gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat. Der Autor ist oder war Italienkorrespondent der Sueddeutschen Zeitung. Offenbar verstecken sich in dieser Reihe mehrere kleine Perlen gut hinter doofen Titeln bei einem nicht vom intellektuellen Publikum gustierten Verlag.

  20. micha meint:

    Was die Titel der Reihe angeht: dazu wurde oben bereits alles gesagt. Was mir bei der Gelegenheit in der rechten Spalte der Verlagsseite auch noch unangenehm aufgefallen ist: die Rubrik “Autor des Monats”, die auch dann noch so heißt, wenn es ganz offensichtlich eine “Autorin des Monats” gibt. So kommt’s, dass ich jetzt auch noch eine Mail an zentrale@ullstein-buchverlage.de schreiben musste.

  21. silenttiffy meint:

    Die Autorin klärt auf:
    Eigentlich wurde der Titel von meiner Agentur erdacht, die ich von jeder Schuld reinwaschen möchte. Auf den letzten Drücker musste nämlich ein Titel für die Buchmesse her, wo mein Exposé angeboten werden sollte. Allen dort war klar, dass der Titel recht platt sei, jedoch als Aufmerksamkeitsmagnet für die Messe-Liste irgendwie “funktioniere”. Unter Schmerzen erklärte ich mich einverstanden, ihn als “Arbeitstitel” zu akzeptieren. Denn Arbeitstitel sind dafür da, dass man sie später ändert. Allerdings konnte ich noch nicht ahnen, dass ich in der “Lesezeichen-Reihe” von Ullstein (das “jan-weiler-mäßige” Zeug) landen würde. Diese Reihe kannte ich vorher nicht. Weder ihre dämlichen Titel noch ihre (überwiegend) dämlichen Inhalte. Als mir dämmerte, wie sehr sich das Zeug von dem unterscheidet, was ich so schreibe und womit ich mich als Autorin und Leserin identifiziere, war es allerdings schon zu spät. Insgeheim hoffte ich, der Verlag würde schon merken, dass ich irgendwie eine andere Aufmachung verdiene, dass ich da doch nicht so recht reinpasse und vielleicht Michael Sowa das Cover gestalten sollte? ;) Naive Hirngrillen! Nichts dergleichen geschah, und der Titel wurde von allen im Verlag sooooo unglaublich geil und griffig (!) und passend und hammermäßig super gefunden, dass ich mir plötzlich ganz bildungsdünkelhaft und spaßfeindlich und arrogant und marketing-dumm vorkam. Ich willigte ein, unter der Bedingung, dass der – diesmal wirklich vom Verlag ausgedachte und GRAUENVOLLE Untertitel “Teutonische Abenteuer” wegkommt und durch was anderes ersetzt wird, das irgendwie den schrecklichen Obertitel ideologisch korrigiert. Mein bescheidener Vorschlag “Ein Migrationsroman” (Untertitel) wurde mit der Begründung abgelehnt, das Wort “Migration” sei seit der Sarazzin-Debatte negativ konnotiert, sowas wollten die Leute nicht lesen. Ich war so baff, dass ich nicht mehr die Kraft hatte, auf die rassistische Konnotation von “teutonisch” hinzuweisen, die die Ideologie des Verlages nicht weiter zu irritieren schien. Ich reichte aber weitere Vorschläge ein, mit dem Ergebnis, dass ich eines Tages eiskalt mit einer Vorschau konfrontiert wurde, in der Titel und Untertitel bereits feststanden, also ohne Absprache mit mir, begleitet von zwei UNMÖGLICHEN Werbetexten, die mich heute noch vor Scham und Wut beben lassen.
    Das alles ist so unglaublich nervenzehrend für mich, dass ich nachts Albträume davon habe. Ich habe es mit verschiedenen Rationalisierungsstrategien versucht.
    1) Akzeptieren, dass ich keine Ahnung von Marketing habe und nicht weiß, was die Leute lesen wollen. Aber das hat nicht funktioniert. Spätestens, seit das Buch raus ist und JEDER sich über den Titel aufregt, weiß ich, dass mein ekles Bauchgefühl mich nicht täuschte.
    2) Die romantische Vorstellung, ein nicht-intellektuelles Publikum mit soziologischem Content zu “ködern”. Das funktioniert immer noch ganz gut in meinem Kopf. Wenn das bloß nicht damit einherginge, für die größeren Medien indiskutabel zu sein. Und zwar nicht wegen meinem Stoff, sondern wegen seinem Äußeren.
    Es ist alles schrecklich, so schrecklich.

  22. Sebastian meint:

    Wenn man sich von dieser Seite her nähert, ist die Titelliste natürlich krass. Aber wenn ich auf Bestsellerlisten, an Badestrände oder in Supermarktbuchregale gucke, passt das und zeigt, dass Vertrieb und Lektorat (die hoffentlich immer noch vor dem Marketing den Titel entscheiden) bei Ullstein gut Hand in Hand arbeiten. Ich mein, Ullstein?

    Einziger Fehler: Falsches Buch bzw. falsche Autorin, der ich umso mehr von Herzen wünsche, dass 2. in Erfüllung geht und sie 3. dabei so guten Umsatz macht, dass der ein wenig trösten kann über das böse Marketing. Auf jeden Fall sollten Sie ein ernstes Wort mit Ihrer Agentur reden, die, wenn sie gut ist, sehr wohl weiss, wie das so mit schmissigen Arbeitstiteln werden kann. Sie kann einen nicht immer davor schützen, aber zumindest gleich warnen. Was mich interessiert: Gab es auch (Forderungen nach) Veränderungen im Inhalt in diese Richtung?

    @Mitbewohner Vielleicht meinen die das einfach ernst, was für ein gutes Arbeitsverhältnis spricht. Oder sie haben sich ihren Humor erhalten – ich finde die Antwort schmissig.

  23. silenttiffy meint:

    Ja, inhaltlich hatte ich freie Hand. Wenn ich auch noch im lockeren Plauderton mit meiner Dummheit hätte kokettieren müssen, wie mir dies die Lektüre dieser Bücher nahegelegt hat, wäre ich zorrrrnigst zurückgetreten. Für die Freiheit bin ich Ullstein dankbar. Man hört ja sogar von “echten” Literaten, dass sich ihr Geplotte Lektoratsvorstellungen beugen muss.

  24. Sebastian meint:

    @silenttiffy Ok, dann umso mehr gekauft. Regionaler Buchhändler, ja?

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