Auszeitjournal Montag, 17. September 2012 – gebackene Kälberfüß

Dienstag, 18. September 2012 um 7:57

Boah, war das Schwimmen diesmal anstrengend. Es fühlte sich an, als durchpflügte ich einen nassen Lehmacker, nicht Wasser. Und die Schwimmbrille zwickte derart auf er Nase, dass ich davon Kopfweh bekam. Und ich schluckte so viel Wasser, dass meine Wasserflasche für danach praktisch überflüssig war – schlechte Wasserlage? Aufgewühltes Becken? Und dann waren auch noch fünf der zehn Damenduschen kaputt. Wo simmer denn?!

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Zum Mittagessen mit dem Mitbewohner im Sedlmayr verabredet: Petra Hammerstein hatte wiederholt von den raren bayerischen Gerichten geschwärmt, die dort serviert werden. An einem Tisch mit drei fröhlichen und kontakfreudigen Rentnern (repräsentativ für das Publikum) aß ich gebackene Kälberfüße mit Remoulade und Kartoffelsalat. Ja, die Kälberfüße bestehen schlicht aus Glibber mit knuspriger Panade drumrum – wirklich köstlich.

Der Mitbewohner hatte gegrilltes Kalbsherz und war ebenfalls sehr zufrieden damit (es gab dazu einen Gurkensalat).

Während wir aßen, ließen sich in Sichtweite drei Leute nieder, die durch ihre Jugend auffielen (höchstens Ende 20): zwei Männer in legerer Kleidung, eine sehr gepflegte Frau des Typs Prima Ballerina (wie lange mal wohl braucht, um lange blonde Haare selbst zum Dutt hochgesteckt so kräftig und glänzend aussehen zu lassen?) mit Smartphone. Sofort begannen wir zu rätseln, was es wohl für eine solche Frau hier zu essen geben könnte (insgeheim hoffte ich, dass meine Vorurteile durch ihren Verzehr einer ordentlichen Portion Nierchen konterkariert würden). Als aufgetragen wurde, waren wir schlauer: Es gibt also auch beim Sedlmayr Salat in Hauptgerichtmenge.

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“Grüß Gott. Was darf’s denn sein?”
“Grüß Gott. Bitte ein Kilo Renekloden.”
Standler packt Tüte, tritt an die Waage: “200 Gramm mehr?”
“Nein, bitte ein Kilo. Und ein Pfund Aprikosen.”
Standler packt Tüte, tritt an die Waage: “600 Gramm?”
“Nein, bitte ein Pfund.”
Einer der vielen Gründe, warum ich so ungern auf dem Vikutalienmarkt einkaufe.

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Die Kastanien vor dem Balkon sind ja dieses Jahr besonders von der Miniermotte ausgemergelt – so übel, dass eine jetzt verzweifelt in einen zweiten Frühling ausbricht.


(Foto von Mitbewohner, der eine mächtige Kamera für sowas hat.)

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Gebügelt, erste Schritte zu einer Geburtstagstorte gemacht. Beim Stricken ein Radio-Interview der BBC mit Salman Rushdie zu seiner Autobiografie angehört. Interessante Hintergründe über Rushdies Art zu schreiben und zu seiner rückbickenden Einschätzung der Mechanismen hinter der Fatwa gegen ihn und zu den Veränderungen, die sie in der Verlagswelt ausgelöst haben. Das Interview war aufgezeichnet worden, deshalb fehlt leider Rushdies Blick auf die gegenwärtigen Ausschreitungen in der arabischen Welt wegen des Mohammedfilms.

die Kaltmamsell

10 Kommentare zu „Auszeitjournal Montag, 17. September 2012 – gebackene Kälberfüß“

  1. Petra meint:

    Ich glaube, das Phänomen “….dürfen es 100 Gramm mehr sein? – Nein, bitte 1 Kilo….” gibt es nicht nur auf dem Münchener Viktualienmarkt, sondern auch hier auf unserem Provinz-Markt. Letztens ähnliches erlebt.

  2. die Kaltmamsell meint:

    Klar kenne ich das “deaf’s a bissal mehra sei?”, Petra – aber gleich mal 20 % draufschlagen? Immer? Ich erkläre mir das damit, dass die eh nur auf Touristen eingestellt sind: Bei denen ist der schlechte Eindruck wurscht, und die sagen schneller verschüchtert “Ist ok”.

  3. Clemens P. meint:

    Tja…auf dem Markt wird halt gehandelt, was das Zeug hält. Irgendwer wird schon ja sagen ;-)

    Zudem zwingt einen die wirtschaftliche Lage, hach ja, die wirtschaftliche Lage, ständig dazu jemandem mehr aufschwatzen zu wollen :)

  4. Marlies meint:

    Langsam werde ich neugierig, was die Kaltmamsell strickt…

  5. montez meint:

    Oh. Das ist ein perfider Trick. Ich dachte immer, das ist lediglich fehlendes Augenmaß, ich argloses Ding. Und ich kenne das von Überall: Metzger, Markt, Antipasti, Gemüse.

    Ab jetzt werd’ ich auf der Hut sein.

  6. die Kaltmamsell meint:

    Wenn Sie gesehen hätten, montez, dass der Standler zwei Hände voll Renekloden wegnehmen musste, um auf 1 Kilo zu reduzieren, hätten Sie nicht mehr an fehlendes Augenmaß geglaubt. Das mit den 1200 Gramm statt einem Kilo hatte er bereits bei der Kundin vor mir gemacht – mit Erfolg.

    Das Gestrick ist ein Geschenk, Marlies – deshalb geheim.

  7. Petra meint:

    Freut mich, dass es beim Sedlmayr geschmeckt hat. Meine zwei Lieblinge dort, Kälberfüße gebacken oder Kalbsherz vom Gill, mache ich nie daheim und ich esse fast immer eines von beiden. Obwohl es ja gelegentlich ein hervorragendes Tatar und auch die Nierchen gibt…. Liebe Grüße Petra

  8. Sabine meint:

    Schon gesehen?

    http://www.thedailyshow.com/full-episodes/tue-september-18-2012-salman-rushdie

  9. die Kaltmamsell meint:

    Vielen Dank für den Hinweis, Sabine!

  10. Sebastian meint:

    Uh, Kälberfüße. Habe ich mal in der Anfangszeit hier in München beim Augustiner in der Neuhauser gehabt und als eines der ganz wenigen Essen im Leben zurückgehen lassen. Bezahlt natürlich, denn alles war korrekt gemacht, nur eben nichts für mich. Und ich hab sogar Ochsenaugen im Weißen Bräuhaus gegessen! Aber das ist eine andere Geschichte.

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