Journal Donnerstag, 27. November 2014 – Radlschrauberjagd

Freitag, 28. November 2014 um 7:11

Ein konsequent nebliger Tag. Jetzt ist aber wieder gut.

Stündchen auf dem Crosstrainer, Bürotag.

Mittags radelte ich zu meinem Radlschrauber, auf dass er nun bitte mein Radl winterfest mache (Achter aus Felgen entfernen, Gangschaltung checken) und die Vorderbremse repariere, der eines der beiden Seile gerissen ist. Da der Schrauberladen am Montag geschlossen ist, sonst um 10 und damit eine Stunde nach meinem Arbeitsbeginn öffnet, um 18 Uhr schließt, also zu meinem frühesten Arbeitsende, blieb mir nur die Mittagspause. Doch ich auch das klappte nicht: Von 13 bis 14 Uhr ist ebenfalls geschlossen. Ich werde nicht drumrum kommen, den Mitbewohner zu schicken.

Nach Feierabend in der Haustür des Bürohauses einem Bewohner mit Fahrrad begegnet. Angesichts der Plastikkiste auf seinem Gepäckständer gefragt: “Ernteanteil?” Als er bejahte: “Kartoffelkombinat?” Jawohl, er war ein Co-Genossenschaftler. Dem ich gleich mal erzählen konnte, dass ich eben einen Tweet gesehen hatte, laut dem gute Aussichten auf eine neue Gärtnerei bestehen.

Zum Nachtmahl Postelein und Kresse als Salat, Topinambur und Kartoffeln als sahniger Gratin, Lende und Rib-Eye-Steak aus der Pfanne – alles vom Mitbewohner zubereitet und sehr köstlich (das alte SZ-Magazin liegt noch rum, weil ich etwas daraus zitieren will).

141127_Nachtmahl

§

Max arbeitet in einer großen Firma. Die Firma hat zehn Abteilungen und sechs Dependancen in ganz Deutschland. Jede dieser zehn Abteilungen hat eine Abteilungsleiterin. Die Dependancen haben ebenfalls je eine Leiterin.

Frau Nessy spielt durch, was ich seit meiner Kindheit gerne mache: Gewohnte Szenarien mit vertauschten Geschlechtern.
“Max Mustermann wundert sich”.

(Kommentare besser meiden, dort haben sich die ewig gleichen Scheingegenargumenten eingenistet, u.a.: Frauen drücken sich vor harten Berufen / also in meiner Firma gibt es diese Ungerechtigkeit nicht.)

§

Für UK hatte ich ja letzthin auf die Studie der London School of Economics and Political Science hingewiesen. Jetzt findet die Bertlesmann-Stiftung im Auftrag der Stiftung vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) die Stiftung vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der der Bertelsmann-Stiftung dasselbe für Deutschland heraus:
“Zuwanderung entlastet deutschen Sozialstaat”.

Jeder Ausländer zahle pro Jahr durchschnittlich 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als er an staatlichen Leistungen erhalte. Das Plus pro Kopf sei in den vergangenen zehn Jahren um über die Hälfte gestiegen.

Die Rechnung sei dabei noch vorsichtig, heißt es in der Studie, da nur Menschen ohne deutschen Pass berücksichtigt wurden. Erfasse man auch Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit, so “würde der fiskalische Nutzen mit großer Wahrscheinlichkeit noch höher ausfallen, da dieser Personenkreis im Durchschnitt ökonomisch erfolgreicher ist als die Gruppe der Ausländer”.

Hier die Studie selbst als PDF.

Zwei Drittel der Deutschen sind laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung davon überzeugt, dass Zuwanderung nach Deutschland zulasten der Sozialsysteme erfolgt. Die Frage steht also im Raum: Sind Ausländer tatsächlich eine Belastung für den deutschen Sozialstaat?

Ein Blick auf die Fakten schafft hier Klarheit. Die vorliegende Studie von Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) belegt, dass Ausländer den Sozialstaat entlasten, das heißt, sie tragen mehr zu den öffentlichen Haushalten bei, als sie von diesen in Form von Transferleistungen empfangen. Rechnet man alle Sozialtransfers inklusive der Ausgaben für Bildung und Bildungsförderung, die die 6,6 Mio. in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer 2012 erhalten haben, gegen die Steuern und Abgaben, die diese Gruppe im gleichen Jahr dem Staat überwiesen hat, bleibt dem Staat ein Nettogewinn von 3.300 Euro pro Kopf. 22 Mrd. Euro haben Ausländer im Jahr 2012 insgesamt beigetragen; Deutschland profitiert finanziell also beachtlich von seiner ausländischen Wohnbevölkerung.

(…)

Geht diese positive Rechnung ebenfalls auf, wenn man berücksichtigt, dass die bei uns lebenden Ausländer älter werden und damit künftig mehr Sozialtransfers in Anspruch nehmen sowie weniger Steuern und Beiträge zahlen werden? Um diese Frage zu beantworten, hat das ZEW Generationenbilanzen berechnet, die für jeden Geburtsjahrgang die bei unveränderten wirtschaftlichen und fiskalpolitischen Rahmenbedingungen noch bis an das Lebensende anfallenden Steuern, Beiträge und Transfers aufaddieren.
Im Ergebnis bleibt für die 2012 in Deutschland lebenden Ausländer das Bild auch bei dieser vorausschauenden Generationenrechnung positiv. Durchschnittlich werden sie in ihrem Leben pro Kopf 22.300 Euro mehr an den Staat überweisen, als sie an Transfers von diesem erhalten. In Summe wird der Sozialstaat demnach in einer Größenordnung von 147,9 Mrd. Euro von den hier bereits lebenden Ausländern profitieren.

Damit die Regierungsparteien der letzten Jahre nicht auf die Idee kommen, das als ihren Erfolg zu verbuchen:

Doch es wäre falsch, diese Momentaufnahme als Ergebnis einer rechtlich und kulturell klug gestalteten und konzeptionell langfristig ausgerichteten deutschen Migrationspolitik zu interpretieren. Vielmehr profitieren wir momentan von den ökonomischen Krisen anderer, vor allem südeuropäischer Industrieländer. Wenn Deutschland aber dauerhaft ein begehrtes Zielland für qualifizierte Einwanderer werden will, muss es auch für Fachkräfte aus Drittstaaten attraktiv werden und dafür seine gesamte Migrationsarchitektur konzeptionell neu überdenken.

(…)

Eine moderne Migrationspolitik muss Zuwanderer gewinnen, hier halten und zu selbstbestimmten Mitbürgern machen – unabhängig davon, ob sie als Hochqualifizierte, Familiennachzügler oder Flüchtlinge ins Land kommen.

Amen.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 27. November 2014 – Radlschrauberjagd“

  1. richard meint:

    Als ich Berichte über die Studie in verschiedenen Medien gelesen habe erinnerte ich mich an einen Ansatz der hier in diesem Blog immer wieder vermittelt wird: wer war Auftraggeber? “Die Bertelsmannstiftung” nun ja neutraler vielleicht als Hans Böckler Stiftung. In gewisser Weise hat es meine häufig als Minderheitsmeinung in Diskussionen gewertete Argumentation, die Gesellschaft habe Vorteile durch Einbindung von Migranten in die Arbeitswelt, bestätigt.
    Ergänzend ist auch zu Beachten wieviele Arbeitsplätze für Sozialarbeiter, Juristen Streetworker und ähnlicher Anforderungsprofile geschaffen werden.
    Häufig sind diese Stellen von gut ausgebildeten Deutschen bzw. integrierten Nichtdeutschen besetzt und tragen auch ihren Beitrag zu den Sozialsystemen.

  2. Lempel meint:

    Die Bertelsmann-Stiftung und unabhängig? Wohl kaum eine Stiftung in Deutschland verfolgt so sehr Eigeninteressen wie diese Einrichtung. Getragen wird die Stiftung von der Verleger-Familie Mohn. Studien, die von der Bertelsmann-Stiftung kommen, beachte ich grundsätzlich nicht mehr. Zu erwartbar sind die Aussagen zum Thema Bildung, die beinahe alle auf eine Forderung hinauslaufen: die verstärkte Privatisierung im Bildungsbereich.

    Hat die Werkstatt Ihres Fahrradladens nicht auch samtags auf? Das bekommen sogar hier die Läden in der Provinz hin und würde ich von einem Geschäft in München eigentlich erwarten.

  3. Millflint meint:

    Immer wieder bin ich beeindruckt von Ihrem Interesse für Forschung und die kenntnisreiche Darstellung für Nicht-Forscher. Chapeau.

    @Lempel: Obwohl ich Ihnen darin zustimme, dass Beauftragungen durch die Bertelsmann-Stiftung deutlich mit Vosicht zu behandeln sind, muss ich hier für die Unabhängigkeit des ZEW plädieren. Man kann sich nämlich eher fragen: Hätte die Interessenslage der Bertelsmänner (z.B. hinsichtlich der genannten Privatisierung im Bildungsbereich) nicht ein anderes Ergebnis erwarten lassen müssen, nämlich dass man sich um Ausländer kümmern und entsprechende Maßnahmen/Programme vorhalten muss?

    @kaltmamsell: Kleiner Dreher im zweiten Satz des Absatzes zur Studie, richtig müsste es heißen:
    Jetzt findet das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung dasselbe für Deutschland heraus:

  4. die Kaltmamsell meint:

    Danke für die Korrektur, Millflint! Da hatte ich den Zeit-Artikel missverstanden, der schrieb: “Die Untersuchung wurde für die Stiftung vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) erstellt.”

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