Berlinjournal Sonntag, 3. Mai 2015 – Aufgenommene Fäden

Montag, 4. Mai 2015 um 9:07

Frühstücksverabredung im Mauerpark – in einem wunderschönen Haus, mit dem allein ich mich schon hätte stundenlang beschäftigen können.

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Viele Jahre habe ich den Kontakt mit Vertrauten meiner Studienjahre von mir geschoben – ich war sicher gewesen, dass sie (und ich) ganz andere Menschen geworden sind und dass ich die Vorläuferversion ihrer selbst zu sehr vermissen würde. Ich hatte die Liebe nicht eingerechnet, die sich in Freundschaften wenig um Veränderungen kümmert. Und die gerade mit der Zeit und mit großem Abstand problemlos Wichtiges von Unwichtigem unterscheidet. Jetzt habe ich im April in London eine große Liebe meines Lebens wiedergefunden, gestern in Berlin. (Meine Güte: Diese Frau hat mir Welten an Musik, Kultur und zwischenmenschlichem Umgang eröffnet, ich habe schon auf der Beerdigung ihrer “kleinen Mutti” Kaffee gekocht – wie konnte ich nur zweifeln?)

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Ich spazierte im Sonnenschein zur Museumsinsel. Beim Planen der Berlinreise hatte ich mir vage das Neue Museum vorgenommen – und wenn ich schon mal hier war… Meine Einschätzung, ich könnte nach den Eindrücken der Wiederbegegnung vom Vormittag noch aufnahmefähig sein, stellte sich als Irrtum heraus: Das war ich definitiv nicht. Dieses Museum mit seinem Ritt durch mehrere Jahrtausende und Kulturen machte mich ratlos: Was will es mir eigentlich erzählen? Laut Website:

Das Museum vereint räumlich und inhaltlich aufeinander bezogene Exponate aus drei Sammlungen: dem Ägyptischen Museum und Papyrussammlung, dem Museum für Vor- und Frühgeschichte und der Antikensammlung. Diese übergreifende Präsentation ermöglicht es den Besuchern, die Entwicklung der vor- und frühzeitlichen Kulturen vom Vorderen Orient bis zum Atlantik, von Nordafrika bis Skandinavien in einer noch nie da gewesenen Breite und Fülle nachzuvollziehen.

In einer aufnahmefähigen Stimmung hätte ich mir einen Audioguide geliehen und mich über Einzelstücke informiert, weil sie halt da sind, so aber erschien mir das Nebeneinander von Berliner Archäologie, römischer Antike und Ägyptischem quer durch die Dynastien zusammenhanglos, den “räumlichen und inhaltlichen Bezug aufeinander” sah ich nicht.

Sehr viele aufmerksame und schöne Eindrücke vom Neuen Museum finden Sie ab hier bei Gaga Nielsen. Wenn Sie vielleicht für eine tatsächliche Würdigung von Gebäude und Exponaten rüberklicken wollen?

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Zurück in Schöneberg begenete ich auf dem Weg in meine Unterkunft einer türkischen Hochzeit: Zu Musik (Schalmeien, Trommeln) wurde gerade eine Braut aus dem Haus geführt und in das Hochzeitsauto gesetzt.

Nachmittag mit Zeitung- und Internetlesen, Filmchengucken. Abendessen im Papaya am Winterfeldtplatz, das mir der Vermieter empfohlen hatte (gut!).

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Kann es sein, dass ich schon seit Tagen nichts mehr über unseren Lieblingsschäfer @herdyshepherd geschrieben habe? Verzeichung. (Den lass’ ich so.) Hier ein Interview im Guardian:
“Shepherd James Rebanks: ‘My ambition is to be a really good nobody’”.

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Nur falls Sie gestern im verlinkten Interview mit Robert McLiam Willson nicht dem Link zu seinem Artikel im New Statesman gefolgt sind, meine Empfehlung: Tun Sie es.
“If you don’t speak French, how can you judge if Charlie Hebdo is racist?”

Charlie is often vulgar, puerile and slightly nauseating. But everyone endures the brunt of this approach: right, left and in-between. They are not always funny (they are French, after all). But sometimes, that is because they are doing 4-page spreads on the reality of Roma camps in France or doggedly chronicling the gross extremes of France’s lurch to the right.

They have a weekly space for animal rights stories, for Chrissakes!!! Run by a woman who calls herself Luce Lapin. With the best will in the world, even if Lucy Rabbit wanted to be a racist or a fascist, how good at it would she be with a name like that? What would all the other racists and fascists think? The truth about the Charlie people is that they’re …well…just a little bit geeky.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Berlinjournal Sonntag, 3. Mai 2015 – Aufgenommene Fäden“

  1. Trippmadam meint:

    Danke für den Link zu dem Artikel über Charlie Hebdo. Er zeigt sehr schön, dass nicht nur sprachliche, sondern auch landeskundliche Kenntnisse vonnöten sind, um die Karikaturen einschätzen zu können.

  2. Elbwiese meint:

    Das ist so schön mit den Lieben und Freundschaften und ich freue mich sehr mit.

  3. Gaga Nielsen meint:

    Das Neue Museum ist neben vielen einzigartigen Kostbarkeiten darin, das eigentliche Exponat. Ich denke, dass man es mit anderen Augen sieht, wenn man tief in die Geschichte dieses Stülerbaus mit seiner einstigen Opulenz, der tiefgreifenden Zerstörung, dem siebzigjährigen Dornröschenschlaf und der Wiederauferstehung als Phönix aus der Asche unter der architektonischen Leitung von David Chipperfield eintaucht. Man sollte es filmisch betrachten und erleben. Ich gebe zu, dass mich dieses Eintauchen einige Zeit gekostet hat, die nicht jeder aufwenden kann. In meinem Fall ist es auch eine Herzenssache und gewissermaßen Heimatkunde. (hier sind alle meine Alben zum Neuen Museum versammelt, ein Link zum zugehörigen, hoffentlich erhellenden Blogeintrag ist jeweils in den Alben)

  4. Steffie meint:

    Was ist denn das bloß auf der Fliese??

  5. die Kaltmamsell meint:

    Das ist ein versteinerter Urzeitkrebs aus Sollnhofen, Steffie.

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