Journal Sonntag, 3. Juli 2016 – Donna Tartt, The Secret History

Montag, 4. Juli 2016 um 7:09

Gleich nach dem Aufstehen Donna Tartts The Secret History weiter- und dann ausgelesen. Ich war sehr gefangen (was erst mal nichts heißen muss, außer dass es mich nicht durch schlechte Sprache, durch Klischees oder Unwahrscheinlichkeiten aus der Spannung riss) von dem Roman über sechs Altphilologie-Studenten an einem Ostküsten-College – die einen der ihren ermorden, damit beginnt die Geschichte. Erzählt wird sie von einem weiteren der sechs, einem Kalifornier aus einfachen Verhältnissen.

Mir gefiel besonders gut, wie vage Donna Tartt die zeitliche Verortung lässt. Wir bekommen zwar immer wieder recht klare Zeitbezüge, aber sie passen nicht zusammen. Mal könnten wir in den 50ern sein (der Rom-Aufenthalt von Henry und Bunny rief bei mir durchwegs Bilder aus The Talented Mr. Ripley hervor), dann wieder heißt es beim Anruf bei einer Fluglinie, dass dort in einem Computer nachgesehen wird. Doch niemand von den Studenten scheint einen Computer zu benutzen, nur ein paar mechanische Schreibmaschinen werden erwähnt. Im Kino laufen sowohl Stummfilme also auch typische Muster der 70er. Zum Telefonieren geht der Ich-Erzähler in eine Telefonzelle, doch eine Kommilitonin ist mit ihrer Kunst im ausgehenden 20. Jahrhundert angesiedelt.

Der äußere Mittelpunkt der Gruppe sind die Griechischstunden bei Julian, einer heiter-schillernden Figur Lehrerfigur, an der ich mir immer wieder eine Toga wegdenken musste (weitere zeitliche Verwirrung: George Orwell wird mit einer Einschätzung seines Charakters zitiert). Die Gruppe befasst sich so intensiv nicht nur mit griechischer Mythologie und Philosophie, sondern auch mit der Sprache, dass sie sich draußen darin unterhalten kann – als Geheimsprache unter ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen.

Und meine Güte: wird da gesoffen, geraucht, gedrogt! Während ich bei der Lektüre von Tartts The Goldfinch noch sehr beeindruckt war, welche Drogenkenntnisse die Autorin sich anrecherchiert hatte, dachte ich mir bei dieser Wiederholung: Da kennt sich aber jemand richtig gut mit Drogen aus.

Die Geschichte ist ausgezeichnet konstruiert. Der Bogen, den die Enthüllung am Anfang spannt, wird etwa in der Mitte geschlossen – dennoch ist der Rest nicht weniger aufregend. Der Roman ist getränkt in westlicher Literatur aus 2000 Jahren, in deren Bildern, Mythen, Zitaten. Ein wenig augegerollt habe ich innerlich lediglich bei der Beschreibung der Obsession des Erzählers mit der einzigen Frau in der Studentengruppe: Sie ähnelte für meinen Geschmack zu sehr der Obsession von Theodore mit Pippa in The Goldfinch.

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Währenddessen Brot gebacken.

Das Wetter war kühl, Wolken und Sonne wechselten sich ab – ideales Laufwetter. Herr Kaltmamsell übernahm wieder das Brotrausholen aus dem Ofen, ich nahm eine U-Bahn zum Odeonsplatz, weil ich nach dem Monopteros in Renovierung sehen wollte.

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Er ist inzwischen nur noch von Paravents umstellt. (Davor eine Sportgruppe, die sich nach chinesisch klingenden Anweisungen aus einem Lautsprecher bewegte.)

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Es war ein ganz wunderbarer Lauf.

Den ganzen Nachmittag über buk ich Kokosmakronen und Chocolate Chip Cookies, bereitete Hummus und Obatzta zu. Denn: Ich gebe am Montag meinen Kolleginnen und Kollegen zu meinem Einjährigen einen aus.

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Was Fußball mit meiner Twittertimeline anrichtet, Teil 2.

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Auch sonst bestand die Timeline stundenlang zu 99% aus Fußball, und das, wo ich die entsprechenden Hashtags bereits weggefiltert hatte. Nächstes Jahr muss ich unbedingt mit #tddl17 zurückschießen.

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Sonntag, 3. Juli 2016 – Donna Tartt, The Secret History

  1. MissJanet meint:

    Ich frage mich immer, ob es nicht eine Beschwerdestelle über schlechte Bücher gibt. Nach 100 Seiten dieses ähh, “Dings”, weiß ich Folgendes: Dass die Heldin, die weiß ist, aber alle afrikanischen Sprachen spricht, weil sie die nämlich innerhalb von 8 Stunden erlernen kann, von ihrer Umgebung für einen Mann gehalten wird, was ihrer Tarnung zugute kommt, die Gründe für ihre Tarnung liegen in ihrer dunklen, unklaren Vergangenheit

    Sie hat eine Kampfausbildung, die sie quasi unsterblich macht, entkommt von einem Schiff, das Waffen schmuggelt und dabei von somalischen Piraten gekapert wird, einfach, indem sie im Kugelhagel in eins der Piratenboote umsteigt. Dabei denkt sie an den offenbar sehr coolen Geliebten, der irgendwo im Untergrund lebt, den sie nebenbei anschmachtet. Sie ist natürlich bloß auf dem Schiff, weil sie die Frau von einem Unterweltgangster sehr nett findet, dieser Gangster sie deshalb für einen Mann hält, der seine Frau verführen will (was sie natürlich nicht will, denn sie ist 100% straight, aber amüsiert zur Kenntnis nimmt) und sie deshalb zwingt, dort mitzufahren. Sie kann noch heim gehen und ihre Sachen holen, offenbar verlassen sie hier ihre Superkräfte und der gesunde Menschenverstand plotbedingt kurz mal, sie hätte einfach nicht zur Anlegestelle gehen brauchen, wo sie doch superkräftebedingt schon weiß, dass diese Aktion übel enden wird.

    Okay? Nicht okay! Wie konnte mir das passieren, 100 Seiten lang gebe ich nicht auf – immerhin hat sich ein Verleger gefunden, vielleicht wird es ja noch besser…

    Schlechte Bücher sind eine Pest. Besonders gruselig: Dieses Werk wird von vielen Lesern als VIERTES einer Serie hoch gelobt – da kriegt man doch Angst.

  2. Joel meint:

    @MissJanet
    Aua. Das tut schon in kurzen Zusammenfassung weh. Verraten sie uns doch bitte Titel und Autor/in damit wir uns das ersparen….

  3. MissJanet meint:

    “Mission Munroe, Die Spezialistin” von Taylor Stevens
    Realistisch betrachtet, hätte mich schon der Titel in die Flucht schlagen müssen.

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