Journal Sonntag, 23. Juli 2017 – Persönlichlichkeitsveränderung durch Digitalisierung

Montag, 24. Juli 2017 um 6:48

Morgens/vormittags Brot (Häusemer Bauerekrume) gebacken, das ganz ausgezeichnet gelang.

Wenn man bedenkt, dass das Backtriebmittel dieses Riesenlaibs nur aus 30 Gramm Anstellgut (also Sauerteig) und 2 Gramm Hefe besteht!

Der gewaltige Trieb zeigte sich auch in der Krume, die größere Poren aufwies als die letzten Male.
Aus dem Ofen holen ließ ich das Brot Herrn Kaltmamsell, selbst ging ich vor Ende der Backzeit an die Isar zum Laufen.

Es war bewölkt und angenehm temperiert, ich fühlte mich an Sommer in Brighton erinnert. (Ich vermisse Brighton.)

Wegen einer aktuellen PokémonGo-Aktion drehte ich nach dem späten Frühstück mit Herrn Kaltmamsell noch eine Runde um den Block. Wir schlossen uns sogar einem Raid am Sendlinger Tor an – inklusive Interaktion mit fremden Menschen. Diese Persönlichkeitsveränderungen durch Digitalisierung: Es ist alles wahr.

Nachmittags ließ Herr Kaltmamsell am Balkon einen neuen Meisenknödel springen. Er war noch nicht wieder im Wohnzimmer, als schon ein Kleiber dran hing und zwei Meisen anflogen.

Nachtmahl war Salade niçoise mit Ernteanteilanteil, während draußen das regnerische Wetter einsetzte, das die Wettervorhersage für die nächsten Tage angekündigt hatte. Als Gärtnereimitbesitzerin kann ich ja jetzt sagen: Wir Bauern brauchen den Regen.

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Es ist schon ein bisschen her, dass in meinem Internet ein indischer Ariel-Werbungespot diskutiert wurde, in dem es vordergründig um die Beteiligung von Männern im Haushalt geht. Wie fundamental die gezeigten Bilder von der indischen Realität abweichen, setzt Mademoiselle ReadOn auseinander, die in Indien gelebt hat:
„’A maid’s load oder Haushaltsschatten.’“

was in diesem Video völlig fehlt ist das Rückgrat jeder indischen Familie, die zur unteren, mittleren oder oberen Mittelschicht gehört. Jede indische Familie der Mittel- oder Oberschicht hat „Help.“ In jeder dieser indischen Familien sind mindestens drei Personen beschäftigt. Oft aber noch viel mehr.

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Extreme Ernährungsideologien nenne ich schon lange halb scherzhaft “Essstörungen”. Beispiel für: Moanst du sogst wos Bleeds – triffst’!
“‘Clean eating is ugly, malevolent, and damaging!, says eating disorder specialist”.

“At best, clean eating is nonsense dressed up as health advice. At worst, it is embraced by those with underlying psychological difficulties and used to justify an increasingly restrictive diet — with potentially life-threatening results,” he writes.

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Florian Zinnecker hält sich für verschroben, weil er gerne in die Oper geht, vor allem in Festspiele:
“Persönliche Noten”.

Es ging damit los, dass ich als Kind in den Kessel mit dem Zaubertrank gefallen bin: »Tannhäuser«, Bayreuther Festspiele, ein Tag im August, ich war acht Jahre alt, Sommerferien. Ich war nie ein großer Freibadgänger. Und die Festspiele waren einfach da: Ich bin in Bayreuth aufgewachsen, aus meiner Achtjährigensicht gehörte es selbstverständlich zum Erwachsensein dazu, sich bei den Festspielen regelmäßig einer dieser Fünf-Stunden-Opern auszusetzen. Also saß ich da, ein Achtjähriger in einem kleinen Anzug, die Musik kam von allen Seiten und hörte einfach nie auf, mein Vater, der neben mir saß, schaute gelegentlich, ob ich schon schliefe, aber wer schläft denn in der Achterbahn?

Quirkiness ist doch super! Andere interessieren sich für Autos!
Ich freue mich ganz besonders, dass Tannhäuser der Auslöser von Zinneckers lebenslange Begeisterung war. Weil ich’s genau andersrum erlebt habe: Mit zwölf nahmen mich die Opern-begeisterten Eltern einer Mitschülerin mit in die Münchner Staatsoper. Da hatte ich erst kürzlich durch die Schule klassische Musik für mich entdeckt und war schwindlig vor Vorfreue. Ich war sicher, dass mir ein erhebendes Musikerlebnis bevorstand: ECHTE! OPER! Und dann fand ich’s ganz schrecklich. Konnte nichts damit anfangen. War befremdet. Fand die Musik doof, das Stehen unbequem. Und das, obwohl ich von meinem Platz aus links ganz oben sogar in den Orchestergraben sehen konnte.

Ich war am Boden zerstört und nahm zum ersten Mal eine schmerzhafte Konstante in meinem Leben wahr: Dass ich nicht so war, wie ich gerne gewesen wäre, dass mein ideales Selbstbild sehr weit entfernt von der Wirklichkeit war. Während meiner Gymnasialzeit beteiligte ich mich noch öfter an den Opernfahrten, die unser Musiklehrer organisierte, und lernte dabei einiges. Doch die erhoffte sublime Erfahrung blieb mir verwehrt.

Selbst verbrachte ich als Studentin heiße Sommertage nie im Freibad, sondern besonders gern in klimatisierten Kinos: Back to the Future 1-3, Highlander 1-3, alle bis dahin erschienenen Star Trek-Kinofilme liefen bevorzugt in der cineastischen Saure-Gurken-Zeit des Hochsommers.

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Journal Sonntag, 23. Juli 2017 – Persönlichlichkeitsveränderung durch Digitalisierung“

  1. KochSchlampe meint:

    Ich bin anscheinend mit einer anderen Definition von ‘Clean Eating’ vertraut:

    Eat meat and vegetables, nuts and seeds, some fruit, little starch and no sugar. Keep intake to levels that will support exercise but not body fat.

    Mit dem Zusatz, dass die Nahrungsmittel möglichst wenig stark verarbeitet sein sollen. Und auch wenn ich dem so nicht folge, falsch finde ich es als Methode nicht.
    Und ja, ich kenne es auch, dass viele (insbesondere Frauen) ihr gestörtes Essverhalten hinter Ernährungsreligion verstecken. Früher viel hinter vegetarisch/vegan/makrobiotisch und heute hinter einer bunten Vielfalt an Optionen. Allerdings gehört da meiner Meinung nach Eigenverantwortung zu. Nur weil es einen einfachen Weg in die Orthorexie gibt, muss ich dem ja nicht folgen. So wie ein Alkoholiker idR nie wieder Alkohol trinken sollte, so darf jemand mit einer Geschichte an gestörtem Essverhalten sich nicht in eine neue Restriktion begeben.

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