Bücher

Journal Dienstag, 26. März 2024 – Larissa Kikol, Signed

Mittwoch, 27. März 2024

Besser geschlafen, aber zu früh aufgewacht.

Weil es zudem weder etwas zu bloggen noch zu räumen gab, kam ich sehr früh in die Arbeit.

Leider ist wieder Frierwoche im Büro, ich arbeitete im Wolljanker. Nach einigen Besprechungen ging ich raus ins Westend auf meinen Mittagscappuccino.

Später Mittagessen am Schreibtisch: Mandarine, Apfel, Sojajoghurt mit Mango.

Arbeitsnachmittag auch mit Unerfreulichem, ich hielt mich an Symptombekämpfung. Nach Feierabend ging es raus in schöne Luft, aber eher kühl.

Herr Kaltmamsell verbrachte den Abend aushäusig, ich musste schon wieder selbst für mein Nachtmahl sorgen – hatte aber schon Montagabend dafür eingekauft. Erst Wäscheaufhängen, Yoga-Gymnastik (eher verärgernd: ich mag es nicht, vom half moon überrascht zu werden und erst gesagt zu bekommen, dass es dorthin geht, wenn ich bereits ein Bein heben soll), dann briet ich Schalotte, Knoblauch, Champignons mit Thymian, löschte mit Noilly Prat ab, das ergab mit Crème fraîche und Fussiloni ein Nudelgericht – sehr schmackhaft.

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Larissa Kikol, Signed. Unterwegs mit der 1UP-Crew und Moses&TapsTM

Larissa Kikol hat ein Buch über Graffiti geschrieben, den weiterhin illegalen Teil der Streetart. Die Terminologie entnehme ich indirekt, es gibt für die vielen Unterarten von Streetart keine offizielle Terminologie mit allgemein anerkannten Definitionen – das gehört aus meiner Perspektive sogar genau so, wer sollte bitte über die Definitionen bestimmen? The elders of streetart? Ich gucke mir auch legale und offizielle Streetart gerne an, z.B. Murals, die sorgfältig und mit reichlich Zeit entstanden. Aber allein der Zeitdruck und die logistischen Rahmenbedingungen von Graffiti machen halt doch einen Unterschied.

Kikol ist promovierte Kunstwissenschaftlerin, doch das ist weit entlegener Hintergrund ihres Buchs: Im Vordergrund stehen ihre Recherche und die Graffiti-Künstler*innen. Sie schreibt in einem Tonfall, den ich von besonders lesenwerten Blogs kenne und mag. Dazu gehört auch, dass sie sich als Beteiligte sichtbar macht. Und es interessiert mich wirklich, wenn sie sich am Tag einer Aktion mit einer schlecht heilenden Verletzung am Arm rumplagt. Was sie sich als Brotzeit für Aktionen einsteckt. Überhaupt beschreibt sie viele Mahlzeiten detailliert, das mochte ich, Essen und Trinken sind ihr offensichtlich wichtig.

Thema ist auch das Schreiben des Buchs selbst:

Der Lektor hat Unrecht, Kikol hat Recht: Das gnadenlose Zitieren scheinbar langweiliger Dialoge bei Graffiti-Aktionen holte mich in die Schilderung erst richtig rein.

Kikol gibt auch die Teile ihrer Interviews wieder, in denen sie zurückgefragt wird, welche Art Buch das eigentlich werden soll. Sie antwortet, sie sei sich noch nicht sicher. Am Ende des Buchs entscheidet sie sich: „Es sind so viele Kurzgeschichten, eher eine Art Reisebericht.“

Eine persönlich Art von Buch ist es geworden, z.B. taucht zwischen liebevollen Betrachtungen über ihren Herkunftsort Bergisch Gladbach Akademisches über Geheimsprachen auf. Kikol wird als Journalistin sichtbar, als Forscherin, als Berlinerin, als überaus neugierige und wohlwollende Menschenfreundin. Sie schreibt viel über konkrete Begegnungen, nicht nur über die mit Graffiti-Künstler*innen oder Menschen aus der Kunst-Szene.

Das Ergebnis ist eine offene und durch die Geschichten sehr transparente Materialsammlung, keine akademische These. (Es gibt aber saubere Endnoten mit den zitierten Quellen.)

Larissa Kikol beschreibt die vielen, vielen Facetten der Grafitti-Szene – die eben genau keine ist. Die Künstler*innen haben ganz unterschiedliche Beweggründe für ihre Arbeit, von rein ästhetischen über künstlerische bis politische oder gar aktivistische. Und anderen macht es einfach denselben Spaß, mit dem Leute ins Basketballtraining gehen. Manche sind nur in ihrer Wohnumgebung aktiv. Typischer aber ist es, dass sie reisen, teilweise sogar weit. (Dass ich die “Yellow Fists” vor einigen Jahren und bis heute in mehreren Städten sah, ist also kein Zufall: Sie sind alle von Kripoe.)

Eine zentrale und bemerkenswerte Figur ist der Graffiti-Künstler Moses: Besonders in Erinnerung blieb mir, dass er mal eine S-Bahn detailgetreu umlackierte

in einem Rotton, der sich fast nur um eine Nuance von dem Originalrotton unterschied. Dann wartete er ab, wann es jemandem auffiel.

Ein Roman ist das nicht. Aber auch kein klassischer Journalismus. Ich fremdle ja sehr mit den Verbot des “Ich” mit der traditionellen Forderung, Berichterstatter*innen müssten hinter dem Gegenstand ihrer Bericht verschwinden. Das kommt meiner Ansicht nach einer Lüge nahe: Jeder Bericht ist gefärbt durch Wahrnehmung und Hintergrund der Rechercheure. Je ausführlicher diese Recherche, desto relevanter werden meiner Überzeugung nach der Prozess und die Personen dahinter. Zwar tun das manche Journalist*innen seit Jahren, doch ich lese bis heute launiges Kolumnen-Geläster ihrer Kolleg*innen, es gehe denen in erster Linie um Selbstdarstellung.

Egal, es ist halt, was es ist. In Signed hat der Prozess der Recherche denselben Stellenwert wie die Ergebnisse. Und so lernte ich eine Menge, unter anderem über die komplexe Logisitik, die hinter dem illegalen Umlackieren von Bahn- und S-Bahn-Waggons steht, hinter dem Bemalen von Häuserfassadenrändern und Brandmauern. Und über die Internationalität des Sprühens, über die zentrale Rolle der Dokumentation (und mit wie viel Schabernack die teilweise sichergestellt wird), über die engen Verbindungen zur Galeristenszene, auch über die verschiedenen Rollen während einer Aktion.

Das Nachwort enthält einen Schlüsselsatz: „Eine Sache, die mir wichtig war, war, nicht mehr zu schreiben, als ich erlebt hatte.“

Falls das bislang noch nicht klar wurde: Dicke Empfehlung. Und ich gucke mir Tags in München künftig viel systematischer an.

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Beachtenswerter Appell in der taz von Katrin Gottschalk:
“Übersehene Feministinnen”.

Die Omas gegen rechts sind derzeit die größte Frauenbewegung auf der Straße. Zeit wird es, sie auch in die politischen Diskussionsrunden einzuladen

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Einskunstlauf hatte ich schon lang nicht mehr geguckt. Und stellte jetzt fest, dass sich da eine Menge getan hat. Schaun Sie sich mal die atemberaubende Goldmedaillen-Kür von Ilia Malinin in Montreal an.
Was mich besonders fasziniert: Malinin wirkt durchgehend, als hätte er überhaupt keine Körperspannung – was unwahrscheinlich ist. Aber er scheint etwas sehr viel Komplexeres einzusetzen als Kraft.

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Apropos Sport: Wenn Ihr Fitnesstudio was taugt, bietet es auch Training für den Sommerurlaub an.

Journal Freitag, 22. März 2024 – Start ins Strohsingle-Wochenende mit Blütenpracht

Samstag, 23. März 2024

Guter Nachtschlaf, aber beim Weckerklingeln freute ich mich sehr aufs Ausschlafen am Wochenende. Der Tag wurde sonnig, verhangen nur durch leichten Wolkenschleier, und warm.

Traubenhyazinten neben dem Verkehrsmuseum am Bavariapark.

Im Büro lustiger Double Bind der Schmerzen: Im Sitzen tat mir irgendwann der Po weh (also im Grunde die Sitzbeinhöcker, die sich hin und wieder auch beim Joggen melden) inklusive Iliosakragelenk (die Mobilisierungsübungen dafür gehören fast zu jeder Einheit meiner Yoga-Gymnastik – ich möchte nicht wissen, wie es mir ohne Yoga ginge), im Stehen hielt ich es wegen der aktuellen linken Kreuzschmerzen nur wenige Minuten aus. Auf der Arbeitsebene vermittelte ich unter anderem das kleine Einmaleins der Veranstaltungsorganisation.

Das Wetter lockte sehr nach draußen, ich ging auf einen Mittagscappuccino ins Café Colombo.

Zurück am Schreibtisch ein paar Querschüsse, mein Mittagessen (Mandeln, Bananen) aß ich spät.

Mir steht ein Stroh-Single-Wochenende bevor, Herr Kaltmamsell ist auf Deutschlehrer*innen-Ausflug. Mein Plan war unter anderem eine samstägliche Wanderung am Starnberger See, allerdings sah ich immer banger auf die Wettervorhersage, die für Samstag Sturm und Regen prognostizierte. Doch auch so freute ich mich arg auf mehr als 48 Stunden allein.

Überraschend intensiver Arbeitsnachmittag, doch ich machte mich ran, denn ich wollte noch etwas von dem wunderschönen Wetter haben.

Das schaffte ich dann auch, statt wie sonst in zackigem Marschtempo schlenderte ich erst zum Vollcorner, um unter anderem Zutaten für mein Abendessen zu kaufen, dann mit viel Gucken und Schnuppern nach Hause.

Magnolie in der Lessingstraße.

Am Beethovenplatz wurden die blühenden Zierkirschen gewürdigt.

Magnolien in der Nußbaumstraße.

Ärger über das framing der Boulevardpresse: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte entschieden, dass die Stadt München zu wenig tut, um den EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid einzuhalten, unsere Luft hier ist einfach zu schlecht. Dieselmotoren mit hohem Schadstoffausstoß dürfen jetzt voraussichtlich bald nicht mehr in die Stadt fahren.

Eigentlich sollte das Fahrverbot bereits im Oktober 2023 auf Dieselfahrzeuge der Norm Euro 5 ausgedehnt werden. So sah es ein Kompromiss vor, den die Stadt München mit DUH und VCD nach einer früheren Klage ausgehandelt hatte. Im vergangenen Herbst entschied sich der Stadtrat dann aber anders und beschloss, es erst einmal bei der ersten Stufe des Verbots zu belassen – obwohl die Grenzwerte nach wie vor nicht an allen Messstellen eingehalten wurden.

(Quelle)

Und wie macht die Boulevardpresse ihre Schlagzeilen? “Schlappe der Stadt vor Gericht”, “Diesel-Drama”, “Neue Fahrberbote”.

Ich sehe hier dasselbe Muster, mit dem die Klimakatastrophe populistisch behandelt wird: Als Problem geschildert werden nicht die lebensbedrohlichen Auswirkungen des Klimawandels, sondern mögliche Einschränkungen durch Gegenmaßnahmen. Das halte ich für verantwortungslos.

Zu Hause erst mal Fenster und Balkontüren geöffnet, Wäsche aus der programmierten Maschine aufgehängt, eine Runde Yoga-Gymnastik geturnt (zum ersten Mal dieses Jahr noch bei Tageslicht), Wasser des wässernden Stockfischs erneuert. Dann kochte ich Fusseloni, rührte reichlich Joghurtsauce, schnippelte Gurke, rote Paprika, Kirschtomaten, Ruccola und vermischte das (kein Nudelsalat!). Ich aß alles auf. Und schob Schokolade hinterher. Ja, war zu viel, aber ich habe jeden Bissen genossen.

Nichts davon könnte ich oder würde ich nicht auch mit anwesendem Herrn Kaltmamsell tun, doch hin und wieder genieße ich diese andere Art des Entspanntseins, die ich nur allein erreiche.

Und dann ging ich NOCH früher ins Bett zum Lesen! Larissa Kikols Signed über ihre Recherche zu und Begegnungen mit illegalen Graffiti-Künstler*innen ist in einem Blog-Tonfall geschrieben, der mir sehr gut gefällt, und liest sich angenehm süffig.

Journal Mittwoch, 20. März 2024 – Große Pläne im Kartoffelkombinat / Granta 166, Generations

Donnerstag, 21. März 2024

Wieder eine recht gute Nacht. Ich werde wohl bald zu meiner Sommer-Bettdecke wechseln: Das Federbett ist mir zu warm, ich verschwitze den Bezug fast jede Nacht (als geborene Nachtschwitzerin kenne ich den Unterschied zu klimakterischen Schweißausbrüchen). Lieber staple ich bei zu kalt eine Zusatzdecke.

Es wurde zu einem herrlich sonnigen Tag hell, doch auf dem Weg in die Arbeit war ich um meine Handschuhe froh.

Im Büro wurde ich umgehend hektisch: Erst musste ich ein Schlamassel beseitigen, das ich nicht selbst angerichtet hatte (ich hatte sogar in den vergangenen Monaten mehrfach versucht, diese Art von Schlamassel grundsätzlich zu verhindern, indem ich die Verursachenden über Hintergründe informierte – vergeblich). Dann entdeckte ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte, der anderen Aufwand und Probleme bereitet – sowas grämt mich ja tief und lange. (Stellte sich dann heraus, dass der Fehler versehentlich doch nicht so schlimm war, weil ich nicht um eine Ecke, sondern um zwei zu viel gedacht hatte, das hob sich nahezu auf.)

Später Mittagscappuccino bei Nachbars, spätes Mittagessen: eine Hand voll Mandeln (müssen weg), Mango mit Sojajoghurt. Die Kreuzschmerzen ließen nach, plagten mich nur noch bei längerem Stehen.

Mittelaufregender Nachmittag, ich kam fast pünktlich raus – und nahm meinen Arbeits-Laptop mit: Am Donnerstag würde ich von daheim arbeiten (gnarf), weil der Heizungsableser angekündigt war. Zu meiner Überraschung, denn 2023 waren die Messröhrchen an den Heizkörpern durch weiße Kästchen ersetzt worden, von denen ich erwartet hatte, dass sie mit Zuhause telefonieren können.

Heimeranstraße

Auf dem Heimweg Einkäufe im Süpermarket Verdi und im Drogeriemarkt.

Keine Yoga-Gymnastik, weil ich an einer Info-Veranstaltung des Kartoffelkombinats über Zoom teilnahm: Es sind drei große Bau-Projekte geplant (Gebäudesanierung, Regenauffangbecken, Photovoltaik-Anlage), um unsere Gärtnerei zukunftssicher zu machen, also für den Klimawandel zu wappnen; finanziert werden soll das durch Zeichnung von mehr Genossenschaftsanteilen. Details wusste ich bereits aus einer sehr informativen Broschüre zum jüngsten Ernteanteil, gestern beantworteten Kartoffelkombinats-Vorstand Daniel und
-Vorständin Jana Fragen.

Zum Tagesschau-Gong waren wir fertig. Herr Kaltmamsell hatte währenddessen das Weißkraut aus Ernteanteil mit Farfalle zu Krautfleckerl gemacht. Nachtisch Schokolade.

Im Bett mein aktuelles Buch ausgelesen.

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Granta 166, Generations

Nachdem mir der neue Herausgeber von Granta magazine, Thomas Meaney, mit der ersten von ihm verantworteten Ausgabe Deutschland gleichmal das Kraut ausgeschüttet hatte, freue ich mich umso mehr, wie gut mir die aktuelle Ausgabe zum Thema Generations gefiel (angefangen mit dem großartigen Titelbild). Zwar sank mein Herz, als sein Vorwort zunächst die Generationen-Einteilung Boomers, Gen X, Millennials etc. aufgriff (halte ich für unbrauchbar für nützliche Analysen, und die Forschung gibt mir recht), doch dann las ich schlaue Gedanken darüber, welche Einflüsse und Merkmale die zugehörigen Schriftsteller*innen vereinen.

Die Zusammenstellung der Texte für das Magazin selbst spielt das Thema Generations ganz anders und erkenntnisfördernd durch. Unter anderem: Guy Gunaratne gibt einem Einwanderer der ersten Generation in London die Stimme, mit der er seine Tochter anspricht, vor allem darauf, wie anders ihre Einwanderungs-Identität ist. Eine Geschichte, “Isabel” von Lillian Fishman, stellt eine heutige lesbische Beziehung ihrem Vorläufer vor 20 Jahren gegenüber. “Lifetimes of the Soviet Union” von Yuri Slezkine schildert die verschiedenen Generationen politischer Strömungen der Sowjetunion. In “The Full Package” von Zoe Dubno geht eine Teenagerin mit ihrer Großmutter Kleidungkaufen, “Ricks & Hern” von Nico Walker erzählt von zwei Polizisten in New York, einer davon alt, einer jung, in “The Trouble with Old Men” schildert Samuel Moyn, wie verschiedene Kulturen und Zivilisationen durch die Menschheitsgeschichte ihre Ältesten behandelt haben, von Verehrung bis systematischem Mord (Nachtrag: Hier muss unbedingt herbeiassoziiert werden die “Ahndlvertilgung” von Helmut Qualtinger).

Und ich habe den Fotografen Kalpesh Lathigra entdeckt, auf instagram @kalpeshlathigra. (Huch, der folgte gleich zurück!)

Das alles zeichnet ein Bild von der Dynamik unterschiedlicher Generationen, ihrer Wirkung aufeinander – bunt und bereichernd.

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Nein, was derzeit als “Künstliche Intelligenz” bezeichnet wird, hat nichts mit selbständigem, kreativen Denken zu tun. Das wird lediglich seit Entwicklung von Computern (im Sinne von Turing-vollständig) allen Computern prognostiziert – mal enthusiastisch hoffnungsvoll, mal apokalyptisch ängstlich. Dabei ist lediglich die Geschwindkeit der Berechnungen extrem gewachsen. Ich habe mich, musste mich, mittlerweile damit abfinden, dass immer der neueste erstaunlichste heiße Scheiß an Rechner-Fertigkeiten “Künstliche Intelligenz” heißt. Eine Geschichte dieses Begriffs auf Englisch im Guardian:
“Race to AI: the origins of artificial intelligence, from Turing to ChatGPT”.

Darin auch eine schöne Erklärung von deep learning.

Journal Donnerstag, 14. März 2024 – Wolf Haas, Eigentum

Freitag, 15. März 2024

Nicht wirklich gut geschlafen, nach dem späten Heimkommen auch zu früh aufgewacht, benommen aufgestanden. Ich nutzte die zusätzliche Zeit für Bloggen über das Theaterstück am Vorabend.

Strammer Marsch in die Arbeit, ich wurde von der Milde der Luft überrascht.

Zackiges Arbeiten – na ja, die Zackenspitzen ein wenig durch meine müde Benommenheit abgerundet. Immer wieder hatte ich das Bedürfnis nach einem Gegencheck, ob ich nicht gerade Mist gebaut hatte, immer wieder fiel mein Blick verloren auf den Bildschirm: Was wollte ich hier gerade?

Mittagscappuccino bei Nachbars, danach ging das mit der Konzentration eine Weile besser. Auch die paar Schritte durch fast Sonne hatten mir gut getan.

Mittagessen: Bananen, eingeweichtes Muesli mit Joghurt. Jetzt gesellte sich Kopfweh zur Müdigkeit. Dass es auch mit einer Ibu nicht wegging, ließ mich zusammen mit der Benommenheit eine mindere Migräne vermuten (wenn sie nur so aussieht, geht’s ja noch). Im Verlauf des Nachmittags Konzentrationsfähigkeit nahe Null, es mussten dennoch Dinge weggearbeitet werden, zefix. Aber draußen bemühte sich milde Sonne durch den Wolkenschleier, das war sehr schön.

Den Heimweg ohne Mütze und Handschuhe genoss ich, nach Einkäufen in Balkanbäckerei, Drogeriemarkt und Vollcorner öffnete ich auf dem letzten Stück sogar den Mantel.

Bloß weil ich diese Zierkirsche am Bavariaring schon x Mal fotografiert habe, heißt ja nicht, dass ich sie nicht zum x+1sten Mal fotografieren kann.

Zu Hause ein wenig Yoga-Gymnastik, Brotzeitvorbereitung, dann richtete ich das Abendessen her: Salat aus aromatischem Ernteanteil-Feldsalat, Ofen-Feta, ein schöner alter niederländischer Käse aus Friesland (ganz erstaunlich, wie ganz anders als ein lokaler Bergkäse er schmeckte), Balkan-Fladenbrot. Nachtisch Schokolade.

Im Bett begann ich die nächste Lektüre, diesmal wieder auf Papier und mit frisch geladener Halslampe: Granta 166, Generations.

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Wolf Haas, Eigentum könnte wie der autofiktionale Roman von Oskar Maria Graf auch Das Leben meiner Mutter heißen (beides als “Roman” verkauft – warum schämt sich das deutschsprachige Verlagswesen so sehr, ein Buch mit biografischen Erzählungen nicht so zu nennen?). Wie jede Biografie erzählt diese indirekt Geschichte: Weltgeschichte, Gesellschaftsgeschichte, die Geschichte des Erzählers.
Aber weil dieses Buch Haas geschrieben hat und nicht Graf, ist es natürlich ganz anders – unter anderem viel, viel kürzer.

Das Buch setzt drei Tage vor dem Tod der greisen Mutter ein mit der Überraschung des Ich-Erzählers, dass seine Mutter sagt, es gehe ihr gut. Das hat er bis dahin noch nie von ihr gehört, immer war alles schlimm und schlecht.

Die erzählte Zeit bleibt bei den drei Tagen, nimmt sich noch zwei zusätzliche bis zur Beerdigung. Darin wechselt Haas unmarkiert zwischen seinem eigenen Erleben (Besuch der Mutter im Heim, Spaziergänge ins Dorf und zu dem Haus, in dem er aufgewachsen ist) und den Erzählungen seiner Mutter (auch ohne Markierung klar am mundartlichen Duktus erkennbar und an den immer wieder eingeflochtenen “nit” und “gell”). Er gibt ihre Lebenserinnerungen so wieder, wie sie sie wieder und wieder erzählt hat, offensichtlich ohne eigene Nachrecherche oder Verifizierung, oft sagt sie “weiß ich nicht genau”: Arme Kindheit in Österreich unter vielen Geschwistern, Versuch einer Ausbildung, Unterbrechung durch Krieg, danach Beruf, Arbeit in der Schweiz, Schwangerschaft, Rückkehr ins Dorf – vieles kann sie nicht einordnen, kennt keine Hintergründe. Dadurch bleibt viel offen. Klar zutage kommt der schwierige Charakter dieser Frau, ihr Eigenbrötlertum, ihre Menschenfeindschaft. Sich selbst ordnet Haas als Kind darin kaum ein, lässt die Erzählung die Geschichte seiner Mutter sein.

Es ist der erwachsene Haas um die 60, der in der Echtzeit-Erzählebene sichtbar wird: Dessen Gedanken immer wieder zu der blöden Poetik-Vorlesung zurückkehren, die er noch vorbereiten muss. Der sich in linguistischen Überlegungen verliert, sich fragt, warum er eigentlich Bücher schreibt (Außen- und Innencover der Hardback-Ausgabe geben Hinweise, Wolfgang Tischer hat sie für die Besprechung in seinem Literaturcafé fotografiert), der sich nicht allzu ernst nimmt – eine typisch Haas’sche Stimme.

Das Ergebnis ist ein Büchlein, das Zeit einfängt, Orte und ein paar Menschen darin. Und das mir mal wieder bewiesen hat, dass Typisierung und Einordnung von Menschen immer löchriger werden, wenn man sich mit einer ganz konkreten Biografie beschäftigt.

(Und wie wenig ich bei genauerer Betrachtung das Leben meiner Mutter erzählen könnte.)

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Markus Beckedahl verabschiedet sich von der Plattform netzpolitik.org, die er vor 20 Jahren gegründet hat – und damit Internetgeschichte geschrieben:
“Danke, netzpolitik.org!”

Schöne Gelegenheit, mal wieder die Geschichte zu erzählen, wie ich vor 14 Jahren in einem Taxi in Österreich saß, es lief Radio, und die Redakteurin führte gerade ein Interview zu irgendeinem Internetthema – mit Markus Beckedahl. Meine erste Reaktion: Hahaha, jetzt müssen sie schon uns zum Internet fragen. (Im Sinne von: uns komische Blogger*innen.) Dann aber die Einsicht: Einen Besseren als Markus hätten sie nicht fragen können, irgendwer in dieser Redaktion kennt sich offensichtlich aus.

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Auch hier mal ein Gedicht!
“Der Bählauch”.

Journal Montag, 11. März 2024 – Naomi Alderman, The Future

Dienstag, 12. März 2024

Guter Schlaf, einmal unterbrochen durch eine laut und wirr rufende Männerstimme vorm Schlafzimmerfenster.

Der Morgen sonnig und knackig kalt.

Die Magnolien ganz kurz vorm Platzen.

Emsiger Vormittag, die Sonne und der blaue Himmel vorm Fenster machten sich dennoch hervorragend. Mittagscappuccino bei Nachbars.

Zu Mittag gab es dann Hüttenkäse, außerdem Granatapfelkerne mit Joghurt und Mohn. Und ein wenig Nachlesen der Oscarnacht, auch dieses Jahr war mir die Anstrengung des Live-Guckens zu groß im Verhältnis zu den wenigen selbst gesehenen Filmen. Ich freute mich über die Oscars für Poor Things: Hauptdarstellerin Emma Stone, Bestes Szenenbild, Beste Kostüme, Beste Maske – fehlte nur der Oscar für bestes adaptiertes Drehbuch. Allerdings kann ich den Gewinner in dieser Kategorie, American Fiction, nicht beurteilen, weil halt nicht gesehen.

Der Nachmittag wurde ein wenig stressig, weil Dinge kompliziert waren und ich sie nicht allein lösen durfte, sondern abstimmen musste. (Ich erkenne inzwischen SO klar, dass ich keine Team-Playerin bin.) Außerdem ein seltsamer Abschied.

Auf dem Heimweg (immer noch recht frisch, ich war dankbar um Mütze und Handschuhe) ein paar Supermarkt-Einkäufe.

Kaiser-Ludwig-Platz

Zu Hause eine Runde Yoga-Gymnastik, tat sehr gut. Als Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell das Ernteanteil-Blaukraut auf meinen Wunsch zu Rohkostsalat mit Feta verarbeitet (doppelt so viel Blaukraut, doppelt so viel Feta). Ich hatte mich den ganzen Tag schon darauf gefreut, schmeckte auch wundervoll. Nachtisch Schokolade.

Im Bett die nächste Lektüre, wieder eine vorzeitig verfügbare Vormerkung in der Münchner Stadtbibliothek: Wolf Haas, Eigentum.

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“Katja Diehl: ‘Wir zahlen für die Autos der Anderen. Ist das gerecht?'”

Wir müssen dieses Narrativ von „wir müssen alle mitnehmen“ hinterfragen. Mein Eindruck ist: Wir tun so, als wenn der jetzige Zustand der Garten Eden ist, in dem es allen gut geht. Und dann kommen diese Leute und wollen uns die Autos wegnehmen. Das stimmt aber einfach nicht.

(…)

Menschen in Armut spielen immer dann eine Rolle, wenn die Benzinpreise steigen oder ähnliches. Ansonsten kümmert man sich aber nie um sie. Dann hätten wir ja zum Beispiel die Gehälter in der Pflege deutlich erhöht. Warum verdienen Menschen in der Pflege so viel weniger als Menschen, die ein Auto herstellen? Es geht dabei nicht darum, die Armut in Deutschland zu beenden. Wir kümmern uns darum, die Autoabhängigkeit aufrecht zu erhalten.

In den Kommentaren habe ich für Sie schonmal vorgearbeitet.

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Naomi Alderman, The Future.

Der Roman spielt in einer nahen Zukunft, in der die Klimakatastrophe deutlich weiter fortgeschritten ist, und dort zum einen in der Welt der Online-Milliardäre (Amazon, Apple/Microsoft und Facebook/Twitter sind recht klar hinter den drei Techno-Unternehmen mit Weltmacht zu erkennen), zum anderen in der Welt der Prepper, die sich auf ein Überleben der Apokalypse vorbereiten. Die beiden zentralen Figuren sind Martha Einkorn – die engste Mitarbeiterin eines dieser Online-Milliardäre, die als Jugendliche der Weltuntergangs-Sekte entkam, in der sie aufgewachsen war – und Lai Zhen, eine junge Survivaltechnik-Influencerin und -Journalistin, die die Zerstörung ihrer Heimatstadt Hongkong überlebte.

Das Genre ist speculative fiction, das what if lautet:
1. Was, wenn der direkte und indirekte Einfluss von Online-Plattformen auf menschliches Verhalten durch subversive Kräfte konstruktiv und zum Guten genutzt würde?
2. Was, wenn Künstliche Intelligenz durch Zugriff auf wirklich alle Echtzeit-Daten hinter diesen Online-Plattformen zur wichtigsten Lebensrettungstechnik würde?

Das 2. wird am Ende mit einer Pointe beantwortet, die mich besonders amüsierte.

Die Handlung wird nicht chronologisch erzählt: Sie fängt gleich mal mit dem Weltuntergang an und blendet von dort in verschiedene Zeiten zurück. Die Wirkung dieser Nicht-Linearität fand ich anfangs etwas verwirrend, doch damit werden Effekte erzielt, die anders nicht zu erreichen wären.

Die Erzählinstanz ist offensichtlich in der Online- und Computerwelt daheim: Zum einen erinnern viele Passagen, vor allem die mit Action, an Ego-Shooter-Perspektiven. Zum anderen, und das gefiel mir gut, spielen Online-Foren eine große Rolle, aus einem wird immer wieder in eigenen Kapiteln zitiert. Die Schilderung menschlicher Interaktionen in solchen Online-Foren deckt sich mit meinen Erfahrungen: Sie werden mit Respekt abgebildet und ernst genommen. Unter anderem wird realistisch erzählt, wie aus der Mischung aus fachlichem und zwischenmenschlichem Austausch richtig große Dinge entstehen können. Und an einer Stelle sorgen sich Forumsmitglieder um eines, dem es nicht gut zu gehen scheint, jemand kümmert sich und sieht nach – auch das habe ich mehrfach erlebt. Für mich war das der erste Roman, in dem ich diese Realität literarisch verarbeitet las.

Das Ergebnis gefiel mir insgesamt sehr gut, unter anderem weil die Handlung viele spannende Technikeinsätze schlüssig durchspielt. Die Grundidee trägt meiner Ansicht nach allerdings nicht so gut durch einen ganzen Roman wie die von Aldermans Meisterwerk The Power. Und er enthielt mir ein paar besinnliche Belehrungen zu viel.

Ich rate dazu, keine Besprechungen des Romans vor der Lektüre zu lesen: Der Plot enthält einige Überraschungen und Wendungen, die man sich dadurch verderben würde.
Danach empfehle ich die Besprechung von Ian Wang in der New York Times:
“In ‘The Future,’ Earth Barrels Toward Fiery Destruction”.

Außerdem die von Stephanie Merritt im Guardian:
“The Future by Naomi Alderman review – survival of the fittest”.

Und die von Ilana Masad in der Los Angeles Times:
“In ‘The Future,’ as in the present, it’s billionaires vs. cult leaders vs. influencers”.

Hier außerdem ein Feature über Naomi Alderman:
“Novelist Naomi Alderman: ‘When I’m feeling distressed I go very intellectual. Which is a defence’”.
(Das Zitat in der Überschrift? It me.)

Journal Mittwoch, 6. März 2024 – Kalter Regentag, Pizzaabend

Donnerstag, 7. März 2024

Weckerklingeln zu Regengeräuschen.

Fußmarsch in die Arbeit unterm Regenschirm. Den Hauptteil des Vormittags verbrachte ich in einer internen Informationsveranstaltung an anderem Ort, zu dem ich unterm Schirm zu Fuß marschierte (Frischluft!). Nach viel Gelerntem marschierte ich auch zurück, war nur wenige Minuten nach den Kolleg*innen im Büro, die den Bus-Shuttle genutzt hatten.

In meiner Abwesenheit war überraschend viel aufgelaufen, das ackerte ich erstmal weg.

Spätes Mittagessen: eine Portion Eintopf vom Vorabend, ein wenig Weißkraut-Kimchi.

Büronachmittag mit emsigem Abarbeiten, darunter Angst wegen Anfragen, zu denen mir nicht sofort eine Lösung einfiel. Eine musste ich nach ein paar Rechercher-Runden absagen, aber das ist ja auch eine Lösung – am schlechtesten ertrage ich es, in der Luft zu hängen.

Dazwischen Abendessen-Abstimmungen mit Herrn Kaltmamsell: Ernteanteil war weggegessen, schon am Dienstag wälzten wir die Idee, aushäusig Pizza zu essen. Die Wunsch-Pizzeria war bereits ausgebucht, wir würden also einfach mal drauf losgehen. (In München muss man bereits seit Jahren selbst für Kaffee-Verabredungen reservieren, mal sehen, wann nicht mal Döner mehr spontan geht.)

Auf dem Heimweg brauchte ich keinen Schirm mehr, es war ohne Regen kalt und ungemütlich. Lebensmitteleinkäufe bei Edeka und im Süpermarket Verdi. Zu Hause hängte ich nur noch schnell Wäsche aus der programmierten Maschine auf und goss Pflanzen, dann spazierte ich mit Herrn Kaltmamsell Richtung Hauptbahnhof zum Ca D’oro, wo wir vor Jahren schonmal gute Pizza bekommen hatten.

Der Teig schmeckte mir sehr gut, der Belag schon auch – aber die Hälfte davon hätte gereicht. Ich schaffte die Pizza ohne Überfressung, doch es ging keinerlei Schokolade mehr. Dafür gab’s bis zum Einschlafen Basilikum-Rülpserchen.

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Auf Mastodon fand ich einige Hinweise auf diesen Deutschlandfunk-Beitrag von Andi Hörmann:
“Gefallener Engel
Marieluise Fleißer und ihre Heimat Ingolstadt”.

Sehr schön gemacht. Man hört Fleißer auch selbst, aber vor allem viele Menschen, die im heutigen Ingolstadt mit ihr und ihrem Werk zu tun haben. (Nebenbei erfuhr ich, dass die Buchhandlung Gerd Stiebert, an der ich seinerzeit lernte, dass es auch kleine Buchläden gibt, nicht mehr vom Namensgeber geführt wird. Wo hat die Fleißer wohl davor in Ingolstadt ihre Bücher gekauft?)

Das freute mich besonders, weil ich in letzter Zeit oft an die Fleißer denke. Eigentlich seit Jahren jedesmal, wenn die Lebensgeschichte von Künstler*innen erzählt wird, die sich gegen ungeheure Widerstände durchsetzten, “an sich glaubten” und damit Erfolg hatten. Marieluise Fleißer ist die Patronin all derer, die sich irgendwann nicht mehr gegen die Widerstände stemmten, sondern nicht mehr konnten und wollten, die aufgaben. Deren Geschichte wird halt nur sonst nie erzählt. Erst aus diesem Hörstück lernte ich, dass der Fleißer-Preis genau zu diesem Thema ausgeschrieben ist: “Der Marieluise-Fleißer-Preis wird an deutschsprachige Autorinnen und Autoren vergeben, in deren Werk wie bei Fleißer der ‘Konflikt zwischen unerfüllten Glücksansprüchen und alltäglichen Lebenswelten’ zentrales Thema ist.”

Ich seh sie dann immer vor mir, wie sie im Tabakladen ihres Ehemanns mitarbeitet, bis er endlich stirbt und sie sich zu ihren eigenen Interessen zurückziehen kann. Wenn ich mein Ingolstadt erklären möchte, verweise ich immer noch auf Fleißers Theaterstück Der starke Stamm und auf ihren einzigen Roman Eine Zierde für den Verein.

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Gestern Abend erfuhr ich, dass es für “Dankbarkeiten” im kleinsten Theater Münchens eine zusätzliche Aufführung gibt, eine Matinee um 15 Uhr am Ostersonntag, 31. März: Vielleicht bekommen Sie hier noch Karten dafür.

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Man sieht nur mit dem Herzen gut? Uoah – das Herz hat dazu auch eine Meinung.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
https://youtu.be/_i72tIEvFaE?si=fgAPB-dcTvEwedh4

Journal Samstag, 2. März 2024 – Echter Frühling, Manteljagd

Sonntag, 3. März 2024

Gut und lang geschlafen, das war schön.

Der Tag startete trüb, hellte aber bald auf.

Nach dem Morgenprogramm mit Bloggen, Milchkaffee, Wasser, Tee, bereitete ich den Teig für Chocolate Chip Cookies vor: An diesem Wochenende wird für Herrn Kaltmamsells montägliches Kuchen-für-neue-Kolleg*innen-Mitbringen gebacken. Und da Herr Studiendirektor ja wochenends vor allem arbeitet, übernehme ich den Großteil.

Aufs Radl für meine Schwimmrunde im Olympiabad. Unterwegs begnete ich zu meiner Überraschung immer wieder Gruppen junger Leute in Oktoberfest-Verkleidung – dann fiel mir ein, dass Starkbierzeit ist, für Treffen dazu in Wirtshäusern wird sich ja mittlerweile auch verkleidet.

Schwimmen in rege beschwommenen Bahnen, aber mit vernünftigem Umgang. Doch leider auch mit vielfältigen Schmerzen: Die linke Schulter meldete sich wieder gleich zu Anfang, doch diesmal wurde der Schmerz stärker, verbreitete sich über Arm und Nacken, das störte. Dazu kam mal Zwicken links im Kreuz, mal rechts, ständig drohten Krämpfe in den Waden. Leider diesmal kein Schwimmgenuss, trotz Sonne durch die riesigen Fenster der Olympiahalle.

Danach erfreute mich aber, wie schnell das Trockenföhnen der kurz geschnittenen Haare ging. Rückfahrt über Semmel- und Weinkauf, zweimal musste ich schnell vom Rad springen, um mir gegen sehr nahes Martinhorn die Ohren zuzuhalten und gegenzusummen.

Zu Hause kümmerte ich mich erst mal ums Backen der Cookies, zwischen den vier Blechen packte ich aus und frühstückte zwei Semmeln (die Butter vom Käsestand des Donnerstagmarkts schmeckte besonders gut).

Plan für den Nachmittag war ein Einkauf: Mein 20 Jahre alter billiger Wildledermantel verabschiedet sich (von H&M, würde ich mir heute und die vergangenen Jahre aus ethischen Gründen nicht mehr kaufen, doch weil ich ihn halt schon mal hatte, wollte ich ihn zumindest so lang wie möglich tragen): Das zerschlissene Futter, das ich schon einmal für teuer Geld erneuern hatte lassen, ist wieder völlig zerschlissen, das Wildleder an einigen Stellen speckig, Nähte lösen sich.

Draußen wundervoll milde Frühlingssonne, es wurden bereits die Sommerkleider ausgepackt; um drei zeigte das Thermometer im Schatten beim Juwelier Fridrich 13 Grad an.

Nachdem ich mich so über die Kapuze meiner Winterjacke als Schirmersatz gefreut hatte, träumte ich von einem Übergangsmantel mit ebensolcher. Allerdings hatte ich bemerkt, dass seit ca. zwei Jahren leichte Mäntel (die Bezeichnung “Übergangsmantel” ist ausgestorben) praktisch ausschließlich in Form von Trenchcoats angeboten werden, und das auch noch praktisch ausschließlich in Beige. Wollte ich nicht. Zumindest entdeckte ich beim systematischen Abklappern der Bekleidungsläden (Other Stories, COS, Mango, Zara) Trenchcoat-Varianten in Schnitt und Farbe, bei Massimo Dutti aber auch einen Kapuzenmantel. Den kaufte ich.

Es war viel los in der Fußgängerzone, Besucher*innen, aber auch viele Bekehrungskundgebungen: In der Sendlingerstraße ganz klassisch Bekehrung zu Jesus (junger Mann mit Mikrofon: “Ich habe geweint, als ich erfahren habe, was Jesus für mich getan hat.”), aber Richtung Marienplatz auch gegen den Kommunismus in China oder für die Proteste im Iran.

In den Bekleidungsgeschäften, in denen ich gezielt suchte, sah ich faszinierende Menschen vielerlei Alters, für mich am interessantesten die originell und sorgfältig gestylten älteren Frauen (also in meinem Alter und ein wenig drüber). Ich empfehle ein samstägliches Schlendern durch Bekleidungsgeschäfte für Leutegucken – und zur Erforschung der Frage, warum all die Männer, die mit leerem Blick oder gelangweiltem Smartphonelesen irgendwo in diesen Geschäften unbeteiligt rumsitzen, eigentlich mitgekommen sind (ich erlebte durchaus auch sehr engagierte männliche Begleitungen von einkaufenden Frauen: “Sieht gut aus – weil an dir halt alles gut aussieht”, ganz nüchtern geäußert).

Abschließender Edeka-Einkauf restlicher Wochenend-Lebensmittel, dabei Begegnung mit einer besonders entzückenden Kassenangestellten.

Daheim machte ich mich unwillig ans Bügeln, aber wenn ich das jetzt nicht erledigte, würde der Berg unangenehm deutlich höher als eine Stunde. Dabei hörte ich nach Langem mal wieder Musik, über den Mix der Bruderfamilie stieß ich auf die Band Elbow, hörte interessiert das Album “The Seldom Seen Kid” durch.

Mein Körper fühlte sich an, als täte ihm eine Wiederholung der sportlichen Yoga-Folge vom Donnerstag nicht gut. Also ließ ich gestern Yoga bleiben.

Zum Abendessen machte Herr Kaltmamsell auf meinen Wunsch die Ernteanteil-Rote-Bete zu einem Linsengericht, als Topping gebratene Champignons und Petersilie. Dazu ein spontanvergorener Blaufränkisch aus dem Burgenland: Andert-Wein Ke(c)k – schmeckte mir, machte aber nichts mit den Beten und den Linsen. Nachtisch Schokolade.

Start einer neuen Lektüre: The Future, der neue Roman von Naomi Alderman.

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Pah, heute wird Musik ja nur noch von Computern gemacht. FRÜHER! Mit, äh, Nadeldruckern.


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