Archiv für Februar 2008

Was ist weiblich?

Donnerstag, 28. Februar 2008

Wir Frauen mit Erfolg im Berufsleben sind ja beherrscht von einer Angst: unsere Weiblichkeit zu verlieren (oder sie möglicherweise nie so richtig gehabt zu haben). Der große Haken: Welche Kriterien sollen wir dafür verwenden?
Deswegen sind wir abgrundtief dankbar, wenn uns jemand mit ganz Konkretem unter die Arme greift. Dank also an Hans-Peter Siebenhaar, der gestern im Handelsblatt Prof. Dr. Renate Köcher portraitierte und eine ganze Liste von echt Weiblichem an ihr identifizierte:

Die Demoskopin vom Bodensee betont bei ihren Treffen mit den Mächtigen in Politik und Wirtschaft durchaus das Feminine. „Frauen sollten nicht zu ,vermännlichen’, um beruflich ihren Weg zu gehen“, rät Köcher. Sie selbst legt auf elegante Kleidung wert. Und ihre Hände schmücken zahlreiche Ringe. Auch die Einrichtung der eleganten Räume in der Konstanzer Villa tragen ihre Handschrift. Hier gibt es nicht das übliche schwarze Business-Leder mit kalten Stahlrahmen, sondern ein hellbraunes Ledersofa mit Holzlehnen. Der Kaffee wird in China-Porzellan samt versilberten Löffeln serviert.

Ganzer Artikel.

Hier also zum Abhaken:
1 – „Frauen-können-Weiblichkeit-verlieren“-Ansichten (Nein.)
2 – elegante Kleidung (Ja.)
3 – zahlreiche Ringe (Nein.)
4 – Abwesenheit von schwarzem Leder und Stahl (Ja.)
5 – helles Leder und Holz (Nein.)
6 – China-Porzellan und versilberte Löffel (Nein.)

Nur zwei von sechs! Oh mein Gott – brauche ich Östrogen-Spritzen? Oder würde eine zweitägige Klausur mit einem Stapel Frauen- und Klatschblättern helfen?

Arrakiri

Mittwoch, 27. Februar 2008

Eben hat der Mitbewohner einen Cocktail erfunden, der sehr gut schmeckt:
4 cl Arrak
2 cl Triple Sec
1,5 cl Limettensaft
auf Eis in Shaker, schütteln, in Cocktailglas strainen. Vorher nach Belieben Salzrand an Glas machen.
(Na kommen Sie, Sie wissen, wie das geht: Glasrand mit Limettenhälfte anfeuchten, in Salz auf Teller stippen.)

Den Namen habe ich erfunden. Und Kalauerverbot dafür kassiert.

Angerührt

Mittwoch, 27. Februar 2008

Solange die SZ immer wieder Artikel wie diesen enthält, der mich zu Tränen rührt, verzeihe ich ihr fast allen Blödsinn:
Evelyn Roll (die immer ein Grund ist, die SZ zu mögen) schreibt auf der Drei über Saša Stanišić: „Wort für Wort ankommen“ – leider nicht online, wie auch die anderen beiden Male, als ich hier auf einen exzellenten Text von ihr hinweisen wollte. Hat Frau Roll vielleicht die Online-Veröffentlichung ihrer Geschichten untersagt?

Aktueller Blödsinn:

Manchmal riecht Geschichte nach dem Duft leicht geöffneter Rosenknospen, der den Steingeruch alter Klostermauern umschmeichelt.

Franziska Brüning im heutigen SZ-Feuilleton, hämisch aufgespießt heute morgen vom Deutschlandradio.

Nachtrag am 28.2.: Ein Kommentator, der anonym zu blieben wünscht, hat den Artikel bei der SZ-Tochter jetzt.de online gefunden: Hier lang.

Angsthasen auf Hotelsuche

Dienstag, 26. Februar 2008

Eigentlich sollte der diesjährige Englandaufenthalt mit dem Mieten eines Autos und einer kleinen Rundreise durch Nordengland und Wales beginnen, bevor wir uns an die Woche Entspannung in Brighton machen würden. Doch als es konkreter wurde, kniffen sowohl der Reisebegleiter als auch ich: Wir haben zu viel Angst, links zu fahren und rechts zu lenken. Zumal wir beide Autolose so oder so keine geübten Fahrer sind. Irgendwann kam ich zwar auf die Idee, wir könnten ja als Erstes an einer Fahrschule bei Heathrow eine Fahrstunde nehmen, aber da hatten wir schon umgeplant und Flüge gebucht. Nächstes Jahr also.

Jetzt werden wir nach Edinburgh fliegen, dort ein paar Tage verbringen und dann mit dem Zug nach Brighton fahren. Brauchen wir nur noch eine angenehme Unterkunft in Endinburgh. Bevor ich in den haltlosen Weiten des Internets zu fischen beginne: Weiß uns jemand ein Hotel, ein B&B zu empfehlen? Zentral gelegen, mit schöner Aussicht, individuell gestaltet, liebvoll geführt? Gerne auch historisches Gemäuer und nicht zentral, dafür aber gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar? Darf auch um die 100 Pfund fürs Doppelzimmer kosten.

Was Schönes für den Sonntagmorgen

Sonntag, 24. Februar 2008

Da war nämlich der Journalist, der George Clooney zu sich nach Hause zum Abendessen einlud. Und dann kam der wirklich!
(via Gedankenträger)

Andererseits: Das könnt ihr doch nicht mit mir machen! Was das mit meiner unzügelbaren Phantasie anrichtet! Die mir umgehend Szenarien zufüttert, wie ich beim Laufen an der Isar von einem englischsprachigen anderen Jogger nach dem Weg zurück zum Hilton am Englischen Garten gefragt werde. Der sich als Herr Clooney entpuppt und sich natürlich von mir in ein Gespräch verwickeln lässt. Mich nach kurzem Austausch bittet, ob ich ihm nicht ein bisschen München zeigen könnte. Aber bitte in der Spätnacht, damit er kein Aufsehen erregt. Was ich selbstverständlich gerne tue.

(Und wie sehen Ihre Clooney-Phantasien aus?)

Hauptsache weg

Samstag, 23. Februar 2008

Gestern schrieb ich einem Unbekannten, der in derselben Stadt geboren ist wie ich, und der es dort lebenswert genug zum bewussten Bleiben findet, warum ich mit dieser Provinzstadt sehr bewusst nichts mehr zu tun haben will:

Diese Stadt bedeutet War, kein bisschen Wird.

Diese Stadt bedeutet Berechenbarkeit.

Diese Stadt bedeutet die Nägel, die die Flügel des Weiterdenkens am Boden festtackern.

Diese Stadt bedeutet die Abwesenheit jeder Art von Verheißung.

Diese Stadt bedeutet die völlige Vorhersagbarkeit.

Diese Stadt bedeutet die graue Vertrautheit einer 40-jährigen Zweckehe.

Diese Stadt bedeutet die Unmöglichkeit von Anonymität.

Diese Stadt bedeutet Artenarmut.

Diese Stadt bedeutet rein biologische Lebensplanung: Nestbau, Brutpflege, Arterhaltung.

Diese Stadt bedeutet einen alles dominierenden Fabrikmoloch.

Diese Stadt ist gemeint in John Cales “Smalltown”:
“There is only one good thing about small town
You know that you want to get out.”

Wobei mir durchaus klar ist, dass man all das – bis auf den letzten Punkt – attraktiv finden kann. Mich würgt es.
Selbst wenn ich den einen großen Ortswechsel nicht mehr in Angriff nehme: Ziemlich sicher wird mir immer echte Großstadt am liebsten sein.

Was Bücher tun

Freitag, 22. Februar 2008

Lolita lesen in Teheran tut weiter Dinge mit mir. Dass ich das überhaupt aufschreibe, gehört zu diesen Dingen.

Unter anderem geht es in dem Buch um ein Literaturseminar, das die Ich-Erzählerin, eine Literatur-Professorin, wöchentlich mit ausgesuchten Studentinnen in ihrer Wohnung in Teheran abhält. Darin werden nicht nur Romane besprochen: Die Kursteilnehmerinnen haben auch den Auftrag, ein Tagebuch darüber zu führen, wie sich die Lektüre und die Gespräche darüber auf ihr Denken, Fühlen, Wahrnehmen, Handeln auswirken.

Bis dahin hatte ich mich immer ein bisschen dafür geschämt, wie stark mein Geschichtenlesen mich beeinflusst. Ich sah mich in einer Reihe mit der brunsdummen Schwägerinschwester, die von dem Fernsehabend mit einem der Herr-der-Ringe-Filme erzählte und die mit Inbrunst zusammenfasste: „Und da hab ich richtig gespürt – für meine Kinder würde ich auch alles tun.“ Genau die romantische Haltung, die Romantik in Verruf gebracht hat. Die eigentlich bereits Jane Austen mit ihrem köstlichen Northanger Abbey hinreichend bloßgestellt hat (von 1752 zum Thema, aber weniger bekannt ist The Female Quixote von Charlotte Lennox – auch gut, wenn auch weniger zeitlos witzig).

Aber der Einfluss von Büchern auf meinen Alltag fängt nicht da an, wo ich an einer Zahlendiskussion in der Finanzabteilung vorbeilaufe und zwangswitzle „Zweiundvierzig!“. Und er hört nicht auf, wenn ich mich in schwarzen Jeans und schwarzem T-Shirt mit V-Ausschnitt immer wie John Irvings Ruth aus A Widow for one Year fühle. Geschichten aller Art, Perspektiven anderer Menschen – und das können auch Blogger sein – beeinflussen mich selbstverständlich. So funktioniert doch menschliche Wahrnehmung und Informationsverarbeitung.

Doch erst durch die Geschichte des Literaturseminars in Teheran erlaube ich mir, die Bedeutung von Fiktion in meinem Leben wissenschaftlich ernst zu nehmen. Die Abgrenzung zu billiger emotionaler Manipulation sollte mir ja nicht schwer fallen.