Archiv für Januar 2009

Mordmotiv: Gesprächspausenfüller

Freitag, 30. Januar 2009

Eine mittel- oder noch weniger wichtige Besprechung, die Überlegungen stocken. Und dann spricht garantiert jemand eines der folgenden Worte:
– „Keine Ahnung”
– „Tja, wie gesacht“
– „Hm, ehmt“
– „Ja, ja, so ist das alles“

Eher im privaten Bereich anzutreffen, aber ebenso aggressivierend:
– „Wos wuist macha?“
– „Ah ja“

Mehr Theater

Donnerstag, 29. Januar 2009

Gestern Abend Hiob in den Kammerspielen, eine weitere Romandramatisierung (Joseph Roth). Es gibt nicht nur keine Theatervorhänge mehr, Pausen wurden anscheinend gleich mit abgeschafft. Nicht dass ich je zu den Sektnippern in Foyers gehörte – als Kind und frühe jugendliche Theatergeherin war Alkohol außer Diskussion, meine Mutter reuten zudem die ihrer Meinung nach unverschämten Preise; als Studentin hatte ich selbst kein Geld für sowas. Auch meine Blase habe ich, kinogeübt, unter Kontrolle. Doch die Enge im Zuschauerraum der Kammerspiele, kombiniert mit der emotionalen Anstrengung und Konzentration, die viele Theaterstücke fordern, lassen mich ab einer Stücklänge von über 80 Minuten wehmütig die klassische Pause vermissen. (Ich habe in den 80ern mit einem kettenrauchenden Feuilletonchef zusammengearbeitet, der ohne Ausnahme jede pausenlose Inszenierung verriss. Ob die so Verrissenen überhaupt ahnten, womit sie sich das eingehandelt hatten?)

Es kostete mich ohnehin sicher eine halbe Stunde, um in diese sperrige Inszenierung einzuschwingen, vor allem in die Darstellungsweise von André Jung als Hauptfigur Mendel Singer: Doch sein Ähen, Haspeln, In-sich-hinein-Betonen des Textes erzeugten mit der Zeit einen so intensiven Zugang zu der dargestellten Person, wie man ihn sonst vielleicht zu einem eigenartigen Kollegen hat, mit dem man seit Jahren zusammenarbeitet. Und genau diesen Wahrnehmungsprozess gibt es nur im Theater: Eine Fernseh- oder Filmkamera würde zu viele lenkende Elemente hinzufügen, der Blick aus dem Zuschauerraum auf die Bühne ist einzigartig. Meinen Augen, meiner ganzen Person stehen so viele Ausweich- oder Fokussierungsmöglichkeiten zur Verfügung, die mir der Sog einer Kinoleinwand, eines Fernsehbildschirms verwehrt. Am nächsten kommt dieser Wahrnehmung vielleicht das Hörspiel.

Eine weitere Äußerlichkeit, die ich aus dem gestrigen Abend heim nahm: Es wird nicht immer mit Mikrophonen gearbeitet. In den vier Stücken, die ich davor gesehen hatte, trugen die Schauspieler hautfarbene Gesichtsmikrophone (gibt es dafür einen Fachausdruck?). Das eröffnet zwar ganz neue Möglichkeiten, mit Ton, Musik, Stimme zu arbeiten, befremdete mich aber doch.

Eine Neuerung, die ich wiederum sehr begrüße: Die Kammerspiele stellen Trailer zum Stück auf YouTube.

Wenn es eine wirklich unauffällige Möglichkeit gäbe, twitterte ich ja direkt aus dem Theater. Doch ich fand bereits meine Sitznachbarin merkwürdig, die das ganze Stück hindurch Bleistiftnotizen machte.

Stricken revisited

Dienstag, 27. Januar 2009

Nach fast 15 Jahren stricke ich mir wieder einen Pullover. Die Strickleidenschaft, die ich als echtes Kind meiner Generation (Jahrgang 1967) in den 80ern ausgelebt hatte, war wie bei den meisten dieser Generation lange eingeschlafen. Das lag zum einen daran, dass gekaufte Strickpullis in den vergangenen 20 Jahren erheblich besser aussahen als die selbst gestrickten und zudem erheblich preisgünstiger als schöne Wolle waren. Zum anderen hatte ich keine Lust auf Handarbeit.

Doch es scheint eine neue Strickwelle zu geben, die ich in München an der wachsenden Zahl von interessanten Wollgeschäften festmache. Und die auch über mich schwappte.

Vieles an meiner neuen Strickphase ist noch genau wie früher:

    – Die Wahl einer lauten Farbe für einen Pulli sollte mit Vorsicht getroffen werden. So gefiel mir das kräftige Rot wirklich von allen Mohair-Tönen am besten. Doch ich hatte außer Acht gelassen, dass ich es beim Stricken mehrere Wochen vor Augen haben würde – bis der Pulli fertig ist, kann ich die Farbe vermutlich nicht mehr sehen.
    – Stricken führt zu Verkrampfung. Nach zwei Stunden an sich gemütlichen Strickens auf dem Sofa brauchen Nacken und Schültergürtel eigentlich eine professionelle Massage. Keine Schmerzen hatte ich meiner Erinnerung nach nur in den Anfangsjahren meiner Strickerei; ob die vielen Liter aromatisierten Schwarztees (Pfirsich-Maracuja, Kaminfeuer, Wildkirsche – Sie erinnern sich?), die mich im Alter von 13 bis 17 beim Stricken begleiteten, irgendwas damit zu tun hatten?
    – Wolle sieht man den Preis an (Sockenwolle mag eine Ausnahme sein, mit der kenne ich mich nicht aus). Es gibt immer noch vergleichsweise erschwingliche Ware, sie schaut aber auch immer noch genau so billig aus.

Manche Dinge aber haben sich mit dem Alter geändert. So ist es mir ganz selbstverständlich, im Wollgeschäft mit der Inhaberin zu fachsimpeln und mich beraten zu lassen – als Jugendliche war schon das Betreten eines Fachgeschäfts eine Überwindung, da darin das Hauptziel eines Einkaufsbummels, nämlich unbeachtet herumzuschauen, unmöglich erreichbar war. Meine aktuelle Entdeckung: Strickeria (der Name ist allerdings sehr 80er). Wunderschöne Wollen und Garne, leidenschaftliche Beratung, außerdem hängen inspirierende Strickbeispiele herum, die genau das Gegenteil von Tante Ernas Weihnachtsgeschenken sind.

Die schönste Änderung: Ich kann mir schöne Wolle leisten. Als Jugendliche strickte ich so manches Stück auf Bestellung gegen reine Materialkosten – nur um mit den besonders luxuriösen Wollen mal arbeiten zu können. (Hach, das Jäckchen aus schwarzem, hundertprozentigen Angora! Die Wolle kam in schwarzen Schachteln, in 20-Gramm Knäueln.) Und so darf der aktuelle Pulli auf etwa 100 Euro kommen.

Wie gut es zu dieser neuen Strickphase passt, dass ich gerade Elizabeth Gakells Cranford lese!

Wie bestellt: Süddeutsche über Wasserverschwurbelung

Sonntag, 25. Januar 2009

Andere Leut‘ richten Bestellungen ans Universum, ich bestelle hin und wieder Artikel bei der Süddeutschen. Innerlich, natürlich. Die Trefferquote kann es vermutlich mit den Weltaufträgen recht gut aufnehmen. Und dann freue ich mich zum Beispiel an einem wohlfundierten Aufreger1 über die von Eigenheimen zerfressene oberbayerische Landschaft, inklusive harter Zahlen über die wachsende Bodenversiegelung und Luftverschmutzung durch auch noch steuerlich geförderte Land-Stadt-Pendler.

Dieses Wochenende erfüllt mir die Wochenendbeilage der Süddeutschen einen weiteren unausgesprochenen Artikelauftrag, nämlich über den Blödsinn, den Lifestyler und Esoteriker mit Wasser treiben: „Aqua Gaga“2, leider (noch?) nicht online.

Im Angebot sind derzeit unter anderem: japanisches Quellwasser, norwegisches Gletscherwasser, tasmanisches Regenwasser, esoterische Vollmond-Abfüllungen für den harmonisierenden Schwingungsabgleich, billiges Tafelwasser in absurd teuren Designer-Flakons, teures Südsee-Vulkangesteins-Wasser in billigen Plastikflaschen (mit Kieselsäure zur Stärkung von Bindegewebe und Knochenaufbau), Brunnenwasser aus Tennessee, das vor Ort für 9,25 Dollar 12-Liter-Kasten zu haben ist, in einem mit modischen Glitzersteinchen verzierten Fläschchen dann aber 65 Dollar kostet und gerne in den Händen von Klatschspalten-Größen abgelichtet wird, und schließlich noch französisches Mineralwasser im Zerstäuber für die erfrischende Gesichtsdusche

Nun gönne ich ja (fast) jedem, mit der Dummheit und den Ängsten der Menschen Geld zu machen. Eine ganze Generation von Web-Fachleuten lebt zum Beispiel von nichts Anderem – und schafft ungewollt Leuten wie mir Arbeit, die ich den verschüchterten Unternehmenskommunikatoren die Blog-, Twitter- und Podcast-Flausen wieder argumentreich ausreden muss. Hossa, wie bin ich jetzt hierher gekommen…?

Zurück zum Wasser. Hier ist das Geldverdienen mit Dummheit in meinen Augen eine andere Nummer. Zwar tragen Leute, die an „lebendiges Wasser“ glauben oder gar an „Menschenwasser“ durchaus zu meinem Amüsement bei. (Ich bin allerdings stolz darauf, wie unkommentiert ich den Moment passieren ließ, in dem der neue Finanzbereichsleiter mit seiner eigenen Flasche „lebendiges Wasser“ zu einer langen Besprechung antrat.) Die zum Beispiel teure Plexiglasstäbe zur Vitalisierung ihres Leitungswassers kaufen. Doch, wie die SZ-Geschichte so passend erwähnt:

Ob Wasser überhaupt eine Ware sein kann, oder ob der Zugang zu sauberem Trinkwasser nicht eher als Menschenrecht zu gelten hat, das ist seit längerem ein heiß umstrittenes Thema diverser UN-Gremien, Welthandelsorganisationen und NGOs.

Was Verschwurbelung in diesem Fall zynisch macht. (Schrieb die Frau, die es immer noch nicht geschafft hat, im Restaurant explizit einen Krug vom hervorragenden Münchner Leitungswasser anstelle der Flasche zu ordern.)

  1. Weiß jemand eine bessere Übersetzungen für das schöne englische rant? []
  2. Die Namensgleichheit ist rein zufällig. Oder? []

20 Jahre später

Samstag, 24. Januar 2009

Auf meinem Einkaufsweg durchs sonnige München überkam mich heute die Frage, wie ich mich wohl in 20 Jahren auf solch einem Weg fühlen würde. Würde ich ihn mit 61 überhaupt noch in München gehen? Hätte ich im Kopf, dass ich in wenigen Jahren in Rente gehen würde? Könnte ich so schnell und wendig gehen, wie ich wollte? Ob ich mich immer noch auf Sport freuen würde? Wären mir Form und Oberfläche meines Körpers endlich wirklich egal und keine Belastung mehr? Die Zahl meiner mir bekannten weiblichen Familienmitglieder ist überschaubar, und keine davon ähnelt mir – schade, ich hätte gerne eine 61-Jährige zum naheliegenden Vergleich.

Die richtigen Prioritäten

Donnerstag, 22. Januar 2009

Die Fug-Damen haben die Vereidigung des neuen US-amerikanischen Präsidenten aus der Stil-Perspektive analysiert, und zwar hier.

Die Kehrseite von Foodie-Geschenken

Dienstag, 20. Januar 2009

Und sie sagte noch: „Du wirst verfluchen, dass ich sie dir mitgebracht habe. Weil du keine Chance hast, an mehr zu kommen.“ Und da hatte Frau Delicious ja sowas von recht: Auch wenn sie laut Website eigentlich zur Rettung der Welt und für ewiges Leben produziert wurden, schmecken diese Sweetriot-Schokoladenkrümel unaufhörbar. Mag sich nicht irgendeine Pappbecher-Kaffee-Kette für den Deutschlandimport melden?


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