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31.12.2003 10:34 AM CET
Field of Dreams, DVD

FOD1 (65k image)

Gestern in der prächtigen DVD von Field of Dreams rumgeguckt. Der Film selbst geht ein wenig an mir vorbei, auch wenn ich das Drehbuch für exzellent halte. Das beste an der DVD ist aber der riesige Haufen Zusatzmaterial. Fast 90 Minuten Doku über die Entstehung des Filmes zum Beispiel. Drehbuchautor und Regisseur Phil Alden Robinson berichtet minutiös, der Autor der Romanvorlage W.P. Kinsella und alle zentralen Darsteller kommen zu Wort. Diese Interviews halte ich für besonders interessant, weil sie auf dem Film-Set selbst stattfanden, die Schauspieler also noch nicht wissen konnten, dass das Endprodukt ein großer Erfolg werden würde. Darunter wieder bemerkenswert die Aufnahmen von creepy Ray Liotta, der außerhalb seiner Rolle rüberkommt wie eine billige 80er-Schwuchtel, sich zudem als Baseball-Hasser bekennt (da mag ein Zusammenhang bestehen?). Sehr nett auch der Darsteller des Mark, Timothy Busfield, der im Interview Burt Lancester nachmacht.

Eines der zauberhaften Details, die man in dieser Doku erfährt: Der Rasen des Baseball-Feldes ist grün lackiert. Da der aufgesetzte Fertigrasen keine Zeit hatte richtig anzuwachsen, war er von Vorneherein tot. Deshalb wurde er eben jeden Morgen neu angemalt.
Rührend auch die Beschreibung, wie die letzte Einstellung gedreht wurde, in der eine scheinbar endlose Schlange von Autos in der Abenddämmerung zur Farm fährt: Die Crew organisierte tatsächlich über tausend Iowaner, die koordiniert von einem lokalen Radiosender zur Farm fuhren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das heute (Field of Dreams kam 1989 raus) noch jemand von Hand macht.

Die DVD enthält zudem das Drehbuch in Endfassung (das versuche ich mir dann aber doch zum Lesen auszudrucken), über 220 Stills und umfangreiches Material über den historischen Hintergrund von Shoeless Joe Jackson.


29.12.2003 10:25 AM CET
Blog Awards

Apropos Großbritannien. Über englisches Radio und Fernsehen singe ich sicher noch an anderer Stelle Loblieder. Meine Begeisterung für britische Tageszeitungen (Broadsheet) hatte allerdings eben einen Dämpfer bekommen, als der Independent am 21.12. mit einer angeblichen Schwangerschaft der toten Lady Diana aufmachte. Ganzseitig.
Doch dann fand ich hier einen Hinweis auf die British blog awards 2003 des Guardian.

So weit ist also die öffentliche Präsenz des Bloggens wo anders. Über die vergangenen zehn Jahre hatte ich immer stärker das Gefühl, dass Deutschland verschnarcht. Dieses Gefühl hatte ich bislang niedergekämpft, weil es gar zu sehr wie das tatsächlich typische deutsche Nölen klingt. Nur dass ich auch bei aktiver Suche immer weniger Aspekte finde, in denen Deutschland Trends setzt.


28.12.2003 10:10 AM CET
Excuse me?

Ich hatte mich so darauf gefreut: "Das Jahr des Inneren Englands" kündigte die Wochenend-Beilage der Süddeutschen Zeitung als Essay an. Und dann dieser Blödsinn.

Zwar sind alle England-Klischees bedient, die der Deutsche landläufig so hat (halt! Zwei fehlen: das angeblich so schlechte Essen und das angeblich ständig schlechte Wetter.). Aber der Essay enthält nichts von dem, was Großbritannien so angenehm und teilweise vorbildlich macht. Die Klasse, aus der sich die ausgeweideten Klischees speisen, ist die Middle Class, eher Upper Middle Class. In der auf dem Land gelebt wird, in Clubs gegangen, sich in Tweed gewandet wird, in der die Eigenheime Swimming Pools haben. Pssssst! Das ist eine sehr kleine Minderheit in England! Doch es ist die Mehrheit, die mich bei jedem Besuch wieder umhaut.
Tatsächlich erhellende Lektüre ist zum Beispiel Anke Gröners Bericht ihres ersten London-Besuchs. (Leider kein direkter Link möglich, also bitte ins Archiv klicken und dort Oktober 2003 wählen.)

Es ist der alltägliche Umgang mit der Umwelt, den die Briten meiner Meinung nach perfektioniert haben. Das fast völlige Fehlen des Nölens – einfach weil es unhöflich wäre. Die Kunst, in jeder Situation mit jedem anderen Konversation machen zu können – unabhängig vom Temperament, sogar sehr schüchterne Briten sind dazu fähig.

Es gibt allerdings Seiten am alltäglichen Großbritannien, die Schulbücher und Reiseführer hartnäckig verschweigen. Zum Beispiel die weit verbreitete weibliche Aggression auf Partys oder in Clubs. Britinnen in Feierlaune stellen für männliche Wesen eine sehr ernst zu nehmende Gefahr dar. Diese geht von derber verbaler Anmache bis zum energischen Griff ans Gemächt. And they WON'T take "No" for an answer! Glücklicherweise sind entsprechende Damen leicht und schon von ferne zu erkennen, da sie immer in Pulks auftreten und gerne glitzernde Erkennungszeichen tragen (überdimensionale Diademe, Engelsflügel, Faschingsuniformen). Bei meinem letzten Brighton-Besuch* sah ich sogar die ersten Schilder an Bars, die damit warben, dass sie KEINE solche "Hen Nights" zulassen.

Aber an sich ging es ja um die vorbildlichen Seiten Großbritanniens. Die Freundlichkeit der Menschen reicht bis in die Bürokratie. Zwar funktioniert genauso wenig wie bei uns, nur viel entspannter: Niemand nörgelt oder beschwert sich, niemand wird laut. Statt dessen bekommt man beim Rennen von Pontius zu Pilatus regelmäßig einen Stuhl und eine Tasse Tee angeboten. Ich kriege einfach den Eindruck nicht los, dass die Leute einander wohl gesonnen sind.
Mir gefällt ehrlich gesagt auch der niedrigere Lebensstandard in England. Ich bilde mir ein, dass daraus ebenfalls eine bestimmte Gelassenheit resultiert.

Ein sehr schönes Beispiel für diese Lebensart und Grundhaltung ist meiner Meinung nach der britische Koch Jamie Oliver, respektive seine Kochbücher und seine Website. Einfach mal ein bisschen lesen und blättern: Ich kenne eine Menge Briten, die so drauf sind.

Nein, mit der brutalen, imperialistischen und national-chauvinistischen Geschichte Großbritanniens kriege ich das beim besten Willen nicht zusammen. Aber muss ich das?

*hier jetzt aber endlich mal der Link zu meinem definitiven Lieblingshotel: Hotel Pelirocco (Achtung Flash!)


27.12.2003 7:19 PM CET
Familiengeschichten

Blog und Journalismus: Ich sehe die Vorspeisenplatte als Raum für Gedanken und Geschichten. Letztere haben meist viel mit der so genannten Realität zu tun, werden aber immer mehr oder weniger stark kosmetisch bearbeitet – damit sie überhaupt eine Geschichte ergeben. Von journalistischer Sorgfalt keine Spur; das ist ja das Entspannende. Never let the truth interfere with an good story.

Dazu ist Weihnachten bekanntlich da: Dass man danach Familiengeschichten erzählen kann. Die Amis mussten irgendwann zu viele Religionen unter einen Hut bringen und haben deshalb lieber Thanksgiving erfunden, für denselben Zweck. Europa ist mehrheitlich christlich geprägt (sorry), also muss Weihnachten herhalten.

1. Weihnachtfeiertag bei den Eltern meines Mitbewohners. Dieser hat einen Zwillingsbruder, der ihm überhaupt nicht ähnelt (man würde die beiden vermutlich nicht mal überhaupt für Brüder halten) und einen zehn Jahre jüngeren Bruder. Dieser jüngere nahm das Familientreffen zum Anlass zu verkünden, er habe seiner Lebensgefährtin "einen Verlobungsring geschenkt". Genau so sagte er das.
Hä? Meist bevorzuge ich präzisere Informationen. Also stocherte ich nach, was das denn nun heiße. Gedehntes Grinsen des Verlobungsringschenkers: "Na ja, Termin für die Hochzeit haben wir nicht."
Aha. Ob er die Dame überhaupt gefragt habe, ob sie ihn heiraten wolle?
"Hm, nee, also wir haben doch einen gemeinsamen Adventskalender. Und in ein Päckchen habe ich den Ring getan."
So. Und als Frau Mitbewohnerin ihn auspackte, habe er die Frage aller Fragen gestellt?
(sehr gedehnt) "Neeee."
Ja was dann? Habe er statt dessen erklärt: "Das ist übrigens ein Verlobungsring!"?
Der junge Verlobungsgeber wollte einfach nicht mit der Sprache rausrücken. Verwirrenderweise deutete er noch dazu an, die Beschenkte habe das Ganze "wohl erheblich romantischer gesehen" als er. NU WAS?
Ich werde diese Brauthormon-gesteuerten Rituale nie ganz kapieren. Vorsichtshalber versicherte ich dem jungen Mann also, dass ich ihm und seiner Lebensgefährtin ganz echt ehrlich glaube, dass sie zusammen bleiben wollen. Und dass sie keineswegs heiraten müssen, um diesen Eindruck zu festigen.

2. Weihnachtsfeiertag dann bei meiner Familie. Da ging es dieses Jahr so richtig derb international her. Weil nämlich (jetzt gut aufpassen, es könnte anstrengend werden):
- Mein Vater ist spanischer Einwanderer erster Generation, mit 18 per Zug nach Nürnberg gereist, einen Arbeitsvertrag mit M.A.N. als Elektriker in der Tasche.
- Meine Mutter ist polnischer Abstammung, allerdings zweiter Generation. Ihre Mutter, also meine polnische Großmutter, war im Krieg aus Südpolen zur Feldarbeit ins Schwäbische verschleppt worden. Da sie direkt nach dem Krieg mit einem polnischen Soldaten zwei uneheliche Töchter bekam, traute sie sich nicht mehr zurück nach Polen. (Dieser Herr ließ sie wenige Jahre später sitzen, hatte aber noch Zeit, in Augsburg mit einer anderen Frau eine weitere uneheliche Tochter zu zeugen.)
- Die Schwester meiner Mutter – also die oben erwähnte zweite Tochter, die berüchtigte Tante Barbara – heiratete später einen Italiener, mit dem sie in die italienische Provinz Latio zog. Aus dieser Verbindung habe ich zwei erwachsene Kusinen.

Zur gestrigen Gansvernichtung füllten das elterliche Reihenhaus also neben Papa und Mama die Tante Barbara mit ihren beiden Töchtern, mein Bruder mit (deutscher) Frau samt zwei winzigen Söhnen, meine polnische Großmutter, (deutscher) Mitbewohner und ich. Hallooo!!

Laut sind wir bis auf Oma und Mitbewohner alle. Und zwar gestern in drei Sprachen. (Die vierte, Polnisch, ist mittlerweile aus der Sippe verschwunden. Meine Mutter hatte es mit meiner Oma in meiner Kindheit immer gesprochen, wenn die Informationen nicht für meine Ohren bestimmt waren, also wenn es zum Beispiel um ungewollte Schwangerschaften in der Nachbarschaft ging.)

Verkehrssprache war Deutsch. Meine Tante Barbara hat in 37 Jahren Italien allerdings ihr Deutsch reichlich verlernt und spricht die Reste in Intonation und begleitender Gestik ohnehin wie Italienisch. Vor allem die überleitenden Geräusche sind entschieden undeutsch, zum Beispiel "Eh" am Ende einer Aussage, begleitet von Zustimmung heischendem Senken des Kopfes.
Meine ältere Kusine aus Italien hatte mal ein paar Jahre Deutschunterricht, aber das ist lange her. Mit ihr habe ich einen eleganten Modus der Verständigung gefunden, seit wir feststellten, dass sie Deutsch recht gut versteht, ich wiederum mit italienischen Aussagen durchaus etwas anfangen kann: Sie spricht langsam und einfach Italienisch, ich antworte langsam und einfach Deutsch. Funktioniert!
Meine jüngere italienische Kusine kann gar kein Deutsch. Sie lässt sich von ihrer Schwester die interessantesten Passagen der Konversation - da, wo am meisten gelacht wird – dolmetschen. Sie lacht dann halt zeitversetzt.

Ich hatte schon ganz vergessen, dass meinen beiden Kusinen ihre vulgäre Mutter durchaus peinlich ist. Aber sie lieben sie. Deshalb halten sie sich möglichst immer in ihrer Nähe auf, um sie vor dem Schlimmsten zu bewahren. Wenn sich die wieder ein Stück massiger gewordene Tante leger auf einen Beistelltisch setzen will, ist flink eine ihrer Töchter an ihrer Seite, um sie am Setzen zu hindern und den Tisch vor bleibendem Schaden zu bewahren. Wenn die Tante ihrer Nichte und jungen Mutter radebrechend Vorträge hält, wie sie ihren Sohn von den Windeln loskriegt ("hab ich meine Tochter soooo Hintern versohlt, wenn sie hat Windeln voll gemacht!"), schneiden die beiden besänftigende Grimassen.

Spanisch ist eine weitere Sprache, die gestern ertönte. Zum einen weil mein Vater sich nach wie vor einbildet, er müsse seine Muttersprache lediglich italienisch intonieren sowie hin und wieder eine italienisch klingende Endung anhängen – dann spreche er Italienisch. Die Wörter "mangare" und "parlare" kann er tatsächlich, deshalb verwendet er sie so oft wie möglich. Lustigerweise habe ich gestern festgestellt, dass meine ältere italienische Kusine diesen Trick mittlerweile auch umgekehrt anwendet – um aus ihrem Italienisch Spanisch zu machen. Bühnenreif...

Spanisch ist auch deshalb mit von der Partie, weil mein Bruder versucht, seine beiden Söhne zweisprachig zu aufzuziehen. Allerdings ist er vom muttersprachlichen Spanisch meilenweit entfernt. Also schalten sich regelmäßig mein Vater oder die klugscheißerische Schwester meines einzigen Bruders ein, um ihn zu korrigieren. Ich bin schon mal gespannt, welchen Sprachschaden meine Neffen sich da holen werden. "Pseudo-Zweisprachigkeit durch nichtmuttersprachliche Elternteile und ihr Einfluss auf Massenmorde" mag in 15 Jahren eine interessante Fallstudie für Didaktik-Lehrstühle und Psychiatrien sein.

Was soll ich sagen? Insgesamt habe ich mich prächtig amüsiert! Mein Vater war zwar die Hälfte der Zeit in der Küche und hat Geschirr gespült. (Oh doch, meine Eltern besitzen eine funktionierende Geschirr-Spülmaschine. Die benutzen sie aber so gut wie nie. Das lohnt sich nach Aussage meines Vaters nicht, "weil die eh nie voll wird". Ich frag mich, warum wohl...?) Meine Schwägerin dozierte darüber, was sie ihren Söhnen dereinst alles verbieten werde. Meine Tante kennt auch an Weihnachten nur eine Körperhaltung, in der sie Essen in sich schaufelt (den mächtigen Busen auf den Tisch, mit dem linken Unterarm diesen Busen an den Körper geschoben, Teller davor, Kopf über den Teller gebeugt, und jetzt mir Gabel oder Löffel in der Rechten SCHAUFELN!) Aber es war so richtig schön turbulent.


26.12.2003 9:21 PM CET
Tobey

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Zu Weihnachten mal wieder Spider-Man auf DVD. Tobey Maguire war ja schon in The Cider House Rules phantastisch, aber für seine Besetzung als Spider-Man hätte die Casting-Agentur einen Oscar verdient, den es nicht gibt.


25.12.2003 9:00 AM CET
24.12.2003, München

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Spaziergang "Wir suchen das Christkind", Blick auf Isar samt Deutschem Museum.


24.12.2003 10:02 AM CET
Große Klappe

Menschen, die wie ich eine große Klappe haben und diese auch noch ständig aufreißen müssen, leiden an mangelnder Anerkennung. Nämlich für ihr Schweigen. Ich bin so stolz, wenn ich es mal schaffe, die Klappe zu halten, nicht meinen Senf zu einem Thema zu geben, Nörgeln oder Besserwisserei nicht zu äußern. Aber das merkt ja niemand!

Das ist einer der wenigen Momente, in denen ich mich mit meiner Mutter, ebenfalls eine enorme Klappe vor und nach dem Herrn, so richtig innig verstehe: Wenn sie mir erzählt, was sie am Vorabend in Gesellschaft NICHT gesagt hat. Da kann ich ihr mit echtem Verständnis anerkennend auf die Schulter klopfen.

Nun, wenn man etwas haben will, kann man diesen Wunsch ja zumindest mal äußern. Ich werde also als Zwischenlösung zumindest das Thema angeben, zu dem ich gerade nichts sage. Derzeit sage ich hier zum Beispiel am meisten nichts über Lord of the Rings. Glaubt mir, das ist ganz schön anstrengend.


23.12.2003 1:39 PM CET
Kulinarische Gehversuche

Daheim habe ich eigentlich nicht Kochen gelernt. Meine Mutter war viel zu hektisch und ungeduldig, als dass sie mich in der Küche geduldet oder eingewiesen hätte. Solange ich zu Hause wohnte, konzentrierte ich mich aufs Backen und überflügelte darin meine Mutter schnell.

Das eigenständige Kochen begann ich also erst, nachdem ich mit 19 von Zuhause ausgezogen war. Für die erste große erwachsene Einladung (Arbeitskollegen der Lokalredaktion) suchte ich mir etwas scheinbar Einfaches aus: Cocido madrileño. Es war ein schweißtreibender Kampf, denn ich hatte damals, wenige Wochen nach dem Auszug, kaum Küchenutensilien. Das Suppenhuhn musste ich zum Beispiel mit einem kleinen Gemüsemesser zerteilen - es sah danach mehr nach Unfallopfer aus als etwas, was es offiziell zu kaufen gibt.

Wenn ich mich recht entsinne, war der Abend trotzdem ein Erfolg.


22.12.2003 10:04 AM CET
Schwere Kette Heimat

Düstere Beschreibung einer trostlosen Erscheinung.

Meine Eltern wohnen in Sichtweite. Gestern habe ich sie besucht, bin an dem Gebäude vorbeigefahren. Und mir wurde wieder übel, so übel wie beim Lesen des Textes.

Ich weiß nicht so genau, was mir meine Heimatstadt so unverhältnismäßig verhasst macht. Allein der Gedanke an die Vergangenheit dort nimmt mir den Atem. Die Erinnerungen legen sich wie Tentakeln um meinen Hals und würgen mich, die Bilder, die Namen fühlen sich wie Kerkerketten an meinen Knöcheln an.

Diese Stadt wird mir immer der Inbegriff dessen sein, was mich hindert meine Flügel auszubreiten und abzuheben. Wird mein ganzes Leben das "schon immer" sein. Der Käfig, der nur mit extrem viel gutem Willen golden aussieht.

Barockfassaden versuchen sich dort als Sahnehäubchen auf den dominierenden Militärbauten aus vier Jahrhunderten. Erfolgreiche Industrieansiedlung hat zur richtigen Zeit enorme Geldsummen in die Stadtkasse gespült, so dass die Fußgängerzone zwar exakt so aussieht wie alle weiteren 387 Fußgängerzonen der Republik – dafür aber eine der ersten war.

Oder sind es doch die Menschen dort? Die ihre Scheuklappen so eng eingestellt haben, dass sie, wie gestern meine Schwägerin, bereits ein boshaftes Glitzern in den Augen bekommen, wenn sie auch nur mein ausgefallenes T-Shirt sehen?

Mein Bruder ist dorthin zurück gekehrt, hat alle Waffen gestreckt, ist Familie und Bausparer geworden. Ausgerechnet er, der sich zu Schulzeiten bereits öffentlich mit dem damaligen Vorsitzenden des Bayerischen Philologenverbandes anlegte. Jetzt legt er sich garantiert mit niemandem und nichts mehr an. Aber im Grunde ist er nur einer von vielen, die die Fahrkarte in die große weite Welt schon fest in der Hand zu haben schienen und sich dann doch von den Kerkerketten unten halten ließen.

Seit Jahren war ich in dieser Stadt nicht mehr an Plätzen oder zu Gelegenheiten unterwegs, die mich unter Leute gebacht hätten. Ich habe mich in den 21 Jahren vor Ort zu bekannt gemacht, als dass ich mich konsequent wegducken könnte. In Städten von dieser Größe ist es so einfach aufzufallen.

Der Sprössling im erwähnten Text ging wohl in der Unterstufe in meine Parallelklasse. Hat's dann aber doch nicht geschafft und wechselte die Schule. Ich habe keine Ahnung, warum ich das überhaupt WEISS! Diese Stadt und ihre Geschichten verfolgen mich unerbittlich.

Manchmal fürchte ich mich fast vor seinen Geschichten. Und ich kann einfach nicht verstehen, wie er den Fluch dieser Stadt so gut erfasst – und dennoch dagegen resistent zu sein scheint.


21.12.2003 8:35 AM CET
Perry Mason

DUBIOUSBRIDEGROOM (35k image)

Krimis sind überhaupt ein höchst interessantes Genre, wenn man es - wie ich - mit Erzähltechniken hat. Umberto Eco hat in verstreuten Essays fast alles Wichtigte darüber geschrieben. Eine Lücke besteht aber weiterhin, die ich in meinem nächsten Leben als bezahlte Literaturwissenschaftlerin zu füllen gedenke: Krimi-Serien. Hier werde ich erst mal generell die ohne Zeitfortschritt unterscheiden von denen mit Zeitfortschritt, also die mit alternder Besetzung und die ohne. Als Paradebeispiele habe ich dabei Perry Mason für die erstere Form im Sinn (mit der zusätzlichen Note, dass der historische Hintergrund, vor dem oder sogar in dem die Fälle spielen, sehr wohl fortschreitet), für die letztere den Privatdetektiv Carvalho, erfunden vom Katalanen Vázquez Montalbán.


20.12.2003 9:49 AM CET
essneun

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Gestern Abend noch gegen meine Weihnachtsdepression mit Mitbewohner ins Münchner Restaurant essneun (Vorsicht Flash!) gegangen. Dort wird dezidiert abenteuerlich gekocht. Und da ich auf Speisekarten ohnehin gerne die Gerichte wähle, unter denen ich mir am wenigsten vorstellen kann, bin ich hier richtig.

Das Interieur des sehr kleinen Raums ist stylisch ruhig, der Service einfach umwerfend. Alles sehr junge Männer in sehr legerer Kleidung - beim ersten Besuch ist mir durchaus die linke Augenbraue hochgeschossen. Wodurch ich umso angenehmer von ihrer Beratungs-Kompetenz und Liebenswürdigkeit überrascht war. Vor allem der Maitre, der auch die Reservierungen entgegen nimmt, vermittelt glaubwürdig den Eindruck, dass er alle Restaurantbesucher als seine persönlichen Gäste sieht. Im Sommer war er wohl grade in der Küche, als ich nach ausgiebigen Genüssen mit meiner Begleitung das Lokal verließ. Ich stand noch vor der nächtlichen Auslage eines benachbarten Goldschmieds, als der junge Mann aus dem Restaurant schoss, sind panisch umschaute und ganz erleichtert war, als er meiner ansichtig wurde: Er war einfach nur bestürzt gewesen, dass er sich nicht persönlich von uns verabschiedet hatte, und holte das jetzt nach.

Im essneun gibt es immer ein dreigängiges Tagesmenü, doch auch diesmal standen auf der kleinen Speisekarte noch viel spannendere Gerichte.

Zunächst ließen wir uns einen Apperitiv empfehlen. An der Bar arbeitet ganz offensichtlich der Dalí unter den Mixern. Als wir uns einmal bereit erklärten, einen am selben Tag erfundenen Drink zu probieren, kam er anschließend an den Tisch, um mit uns darüber zu fachsimpeln und unsere Meinung zum künftigen Namen der Kreation einzuholen. Gestern war es ein
Martini Barbarella
auf der Basis von frischer Ananas, die mit Salbeiblättern zerstoßen war. Das funktioniert!

Zum Einstieg gab es ein paar Naschereien:
Olivengrissini, Tandoori-Grissini (natürlich beiden selbst gemacht), dazu in zwei Schnaps-Stamperln Topinambur-Püree und Blaukraut-Apfel-Püree (das sogar einen Hauch von Gans hatte), dazu je zwei herzhafte Vanillekipferl und zwei Kokosmakronen auf Nachos.
(Notiz: Unbedingt selbst mit Topinambur rumprobieren!)

Zur Vorspeise wählten wir:
- Maracuja-Enten-Döner mit Gambas (Ente hätte etwas kleiner geschnitten gehört, aber sonst sehr leckere Kombination)
- Papaya-Erdnuss-Pulpo mit Rote Beete und Entenstreifen (der Pulpo kam in einem kleinen fritierten Teig-Sackerl und war schön saftig – bis auf den einen fritierten Arm, der aus dem Sackerl herausragte und recht hart und trocken geworden war)

Hauptgang wurden:
- Eisbein-Christstollen mit Kabeljau und Gemüse (Urteil des Begleiters: sehr nett, lebt aber hauptsächlich von seiner Originalität)
- Kalbslatschen mit Kokos-Gnocchi (die Kokos-Gnocchi waren fantastisch, eine hervoragende Kombination von Kartoffel und sehr viel Kokos als Rolle nochmals in Kokos gewendet)

Zu unserer beider Erstaunen waren wir dann schon so satt (und müde, zumal das Lokal gestern gerammelt voll war), dass wir auf den Nachtisch verzichteten. Eigentlich unverzeihlich, zumal es Nougat-grüner Pfeffer-Irgenwas gegeben hätte.

Die Weine kosteten wir diesmal nicht aus, wir waren einfach zu fertig für echtes Rundum-Schwelgen. Dabei ist das Angebot wirklich sorgfältig gewählt, auch die wenigen offenen Weine. Und auch bei den Weinen hat der Oberkellner immer eine wunderbar passende Empfehlung parat.


19.12.2003 12:54 PM CET
Sprachfaschismus

Mag von mir aus schon wieder eine Alterssache sein. Aber mittlerweile nerven mich Leute, die so diskutieren, erheblich mehr als der Verursacher des ` in Uschi`s Frisiersalon. Ich halte sie nämlich für korinthenkackende Sprachfaschisten. Korinthenkackend deshalb, weil sie denselben lächerlichen Eifer an den Tag legen, mit dem ihre Kollegen darauf hinweisen, dass Schwarz keine Farbe sei. Sprachfaschisten, weil sie sich durch ihre Fertigkeiten im Umgang mit der Sprache für etwas Besseres halten.

Sprache ist etwas Lebendiges, Sprache verändert sich, Sprache ist nicht logisch. Über allen Rechtschreib- und Grammatikregeln steht das Postulat der Verständigung zwischen Menschen.

Es ist völlig in Ordnung, wenn jemand auch bei Fremdwörtern den Plural nach deutschen Regeln bildet, zum Teufel! Wer verlangt, dass der deutsche Durchschnittsbürger (und den meinen wir Demokraten ja, GELL!) die lateinischen Deklinationsarten drauf hat, um die Mehrzahl von Status zu bilden, ist nicht ernst zu nehmen, halten zu Gnaden! Warum denn nicht Statusse? Oder Vitas? So, Visa ersetzt langsam Visum für den Singular? NA UND?!

Gleichzeitig habe ich ein sehr großes Herz für verschwindende Wörter und Grammatikregeln. Ich kenne viele davon und verwende sie gerne, einfach um sie am Leben zu erhalten und um ein bisschen mit ihnen anzugeben. Mit gleich gesinnten Freunden habe ich mir schon wahre Schlachten in indirekter Rede geliefert, da hat’s vor Potentialissen und Konjunktiven nur so gekracht! (Und wir fingen nicht mal mit „Hagenbuch hat jetzt zugegeben“ an.)

Dass die korrekte Pluralbildung von Fremdwörtern das armseligste (ärmstselige? da geht’s schon los) Argument für das Lernen alter Sprachen ist, ereifere ich mich an späterer Stelle noch konkreter.

Und sollte ich mal wieder Gift und Galle spucken, weil ich in einem Text „CD’s“, „Problematiken“ oder „gedownloaded“ redigieren muss, will ich das da oben alles nie behauptet haben.

(Meine persönliche Korinthe: Es heißt „wider besseres Wissen“. Nicht anders. Ganz bestimmt.)


19.12.2003 10:08 AM CET
Search

Ich will. SOFORT!!!! Nach Manhattan.
Da gibts wohltrainierte strickende junge Männer im Bus auf dem Weg zum Kino.


19.12.2003 8:19 AM CET
Clicktip

The Comfort of Strangers.
Maybe I really should go a out a little bit more.


18.12.2003 5:35 PM CET
Zum 75. Geburtstag von Joachim Kaiser - anders

Habe eben die Laudatio von Fritz Raddatz in der SZ gelesen. Wissen Sie, Herr Kaiser, wie ich Sie kennen gelernt habe? Als Beleidigung. "Was? Du willst dich für Literatur interessieren - und weißt nicht mal, wer Joachim Kaiser ist?!" Ich war 18, und der Beleidigende war meine große Liebe: sieben Jahre älter und Hospitant am örtlichen Theater. Eine weitere Ohrfeige von ihm, mit solch einer Verachtung erteilt, dass ihm schier die Schneidezähne bloßlagen unter der hochgezogenen Oberlippe.

Ich hoffe, Herr Kaiser, dass Sie sich der Privilegien Ihrer Herkunft bewusst sind, und ihnen ein klitzekleines Bisschen demütig dankbar. "Wenn da einer Kultur als tiefe Prägung erfahren hat", lobt Raddatz, "dann er." Glück gehabt, Herr Kaiser!

Schaun Sie, ich bin in einer Einwandererfamilie groß geworden, für die allein schon das Lesen von Büchern ein Verstoß gegen die absoluten Werte Fleiß und Leistung war. Meine Prägung musste ich mir selbst holen. Ich war es, die mit 14 dafür gesorgt hat, dass überhaupt eine Zeitung ins Haus kam. Ich war es selbst, die sich für ein humanistisches Gymnasium entschied, trotz der Warnung der Eltern, dass das "aber schwer" sein könnte. Natürlich war es die bräsige Lokalzeitung, nicht die SZ, über deren Feuilleton Sie damals regierten. Woher hätte ich denn, da draußen in der bayerischen Provinz, mit 18 wissen sollen, wer Sie sind? Ich hatte gerade mal angefangen, die Zeit zu kaufen. Und das nur, weil mir mein Griechisch-LK-Lehrer einen Cartoon daraus ausgeschnitten hatte. Auf meinem Feuilleton-Olymp thronten Raddatz und Benjamin Henrichs. Sie, Herr Kaiser, kannte ich tatsächlich nicht. Und kassierte eine der prägendsten Ohrfeigen meines Lebens.

Keine Angst, Ihre letzte Jahre in der SZ-Redaktion habe ich noch mitbekommen. Dem Olymp saß in meinem hungrigen Gehirn jahrelang ein Triumvirat vor: neben den beiden erwähnten Herren Raddatz und Henrichs saßen Sie. Daraus folgerte ich übrigens, dass ein "ich" in einer Rezension Zeichen für die Erlangung der Ressortleitung war.

Ich glaube aber, ich habe Sie nie richtig schätzen gelernt. In Ihren Theaterbesprechungen standen mir ein paar zu viele "Ich"s. Und wenn Sie es mit der Musik hatten, fühlte ich mich wie beim Lesen von Thomas Manns Doktor Faustus: Musik mit chirurgischer Präzision in Worte zu übersetzen, hat mein Lesen nicht überlebt. Tut mir leid.

Eine Ahnung davon, was Sie anderen Rezipienten möglicherweise haben geben können, bekam ich, als ich auf einer Autofahrt im Radio auf Sie stieß. Sie verglichen verschiedenen Aufnahmen, die Maria Callas von Norma gemacht hat, einschließlich Hörbeispielen. Ich habe Sie verstanden, war sehr beeindruckt und habe viel gelernt.

Mögen Sie mit mir tauschen? Meine Jugend von 36 Lebensjahren gegen Ihre Vergangenheit?


18.12.2003 9:30 AM CET
Ehrlich währt am längsten?

Mag schon sein - wenn man endlich bei „ehrlich“ angekommen ist. Doch das ist nicht so einfach.

Sucht man nach Tipps, den Staat - also die gesamte Bevölkerung - übers Ohr zu hauen, bekommt man Hilfe von allen Seiten. „Steuern sparen“ - also so geschickt lügen, dass man alle Begünstigungen mitnimmt - dafür gibt es sogar Software. Dass das ab einer bestimmten Größenordnung „Steueroptimierung“ heißt, habe ich erst kürzlich gelernt. Genaue Kenntnisse von Abgabepflichten und den zugehörigen Gesetzen haben ganz offensichtlich nur die, die sie umgehen wollen. Und zumindest einen Kontakt zu einem Schwarzarbeiter hat nun auch wirklich jeder. „Kavaliersdelikt“ ist selbst bereits ein Euphemismus, nämlich für Kleinkriminalität.

Jetzt habe ich da aber eine Freundin, die verzweifelt versucht, gestohlenes Geld nachzuzahlen - allerdings ohne andere mit hineinzuziehen. Sie hat Geld geerbt, für meinen kleinstbürgerlichen Horizont sogar ziemlich viel Geld. Nun kommt dieses Geld aber aus einem Ausland, in dem die Erbschaftssteuer niedriger ist als in Deutschland. Nach dem offiziellen Transfer ins Inland wird demnach die Differenz zum deutschen Erbschaftssteuersatz nachgezahlt. Hört sich eigentlich einfach an.
Das fanden allerdings nicht die direkten Erben, Verwandte der Freundin. Die schaffen das ererbte Geld seit einigen Monaten schrittweise in bar aus besagtem Ausland heraus und zahlen nicht nach. Als Bargeld haben sie einen beachtlichen Teil des Erbes an meine Freundin weitergegeben. (Ob das dann wieder so was wie „Schenkung“ ist und noch mal Steuern kostet, weiß ich nicht.)

Diese Freundin freut sich über das Geld, heißt das Procedere aber nicht gut. Sie möchte bitteschön die gesetzlichen Steuern zahlen. Nicht so einfach, denn sie möchte die anderen direkten und indirekten Erben nicht denunzieren. So begann sie sich also in ihrem Bekanntenkreis zu erkundigen, bei Leuten, die sich immer als interessiert und kundig in Gelddingen gezeigt hatten. Die konnten ihr zwar Tipps geben, auf welchen Umwegen sie das bare Schwarzgeld waschen kann (sehr nett, wie das reflexartig immer als Erstes aus den Befragten rausbricht, in vielen Facetten). Doch als sie insistierte, sie wolle es gesetzeskonform legalisieren, verstummten sie alle. Komplette Ratlosigkeit. Der einzige brauchbare Vorschlag: Vielleicht mal unter falschem Namen beim Finanzamt anrufen und nachfragen, wie tief die Beamten bei einer offiziellen Anmeldung des Geldes nach der Quelle forschen? Doch genau genommen ist das ja schon wieder gelogen.

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Unterm Strich fällt mir auf, dass ich auf der Vorspeisenplatte eigentlich nie meine Stimmung beischreibe. Mit einer vorsichtigen Ausnahme, weil ich sehr gereizt war. Ort für Stimmungsäußerungen ist mein Tagebuch, das ist seit dem 9. Lebensjahr führe und nach fast zwei Jahren Pause vor kurzem reaktiviert habe. Wenn ich hier mit Stimmungsäußerungen anfinge, zum Beispiel schriebe, dass ich gerade in dem für Depressive typischen Morgentief sitze - wäre mir das zu intim?


17.12.2003 4:54 PM CET
Christbaumloben

Ganz sicher bin ich mir ja immer noch nicht, ob ich nicht einfach einem Scherz aufgesessen bin. Denn diese Woche erzählte mir eine Kollegin aus Biberach (westlich von Augsburg) vom angeblich uralten Brauch des Christbaumlobens.

Christbaumloben geht laut dieser Kollegin so: An Heilig Abend besuchen sich bei Einbruch der Dunkelheit Freunde, Nachbarn und Verwandte, um - tja, um den geschmückten Christbaum zu besichtigen und laut zu bewundern. Der so Gelobte revanchiert sich mit Schnaps. Das war’s dann eigentlich schon.
Kichernd erzählte die Kollegin, dass die Besucher gerne schon an der Haustüre, viele Meter und Zimmerecken vom Weihnachtsbaum entfernt, in „Oooooh!“ und „Aaaah!“ ausbrechen, um keinen Zweifel am Grund ihres Besuches zu lassen.

Es gibt durchaus Versuche, Kriterien fürs Christbaumloben aufzustellen.

Hier finden sich Bilder, wie so was dann aussieht. Allerdings habe ich in der Navigation dieser Website auch das Stichwort „Ostereierloben“ gefunden. Ich glaube, darüber will ich jetzt lieber nicht nachdenken.

Heilig Abend ist ja in Deutschland hauptsächlich ein großes Fressen, aber kein traditioneller Anlass, sich zu betrinken. Vielleicht hat eine kleine Region in Deutschland einfach einen offiziellen Vorwand dafür geschaffen. Bei Google gibt das Stichwort 63 Treffer.


17.12.2003 8:09 AM CET
Wichteln auf brasilianisch

Aus dem Monatsbericht der brasilianischen Niederlassung meines Arbeitsgebers:

Christmas in Brazil
It is a tradition in Brazil that friends or colleagues in companies make for Christmas the so called "hidden friend". For your "hidden friend" you have to buy a gift, which is delivered to him during a party or lunch just before Christmas. It is always funny to discover who was your "hidden friend" and what he bought for you. The value of the gifts is fixed previously, in order to make the joke not too expensive, and enable everybody to participate.

Das sollte doch jetzt bitte völkerverbindend wirken.


16.12.2003 2:28 PM CET
Matt Ruff: Set This House in Order

houseOrder (6k image)

Andy Gage's psyche was destroyed at age three by his abusive stepfather, and from its fragments arose a crowd of personalities vying for control of his body. When the novel opens, the body has just been taken over by 26-year-old Andrew. Shy, intelligent Andrew, the narrator, is now trying to give Andy Gage a normal life. He finds a job at a software company in Seattle and makes friends with his sympathetic boss, Julie. This stability is threatened, however, when Andrew meets self-destructive Penny, whose own multiple personalities are in a state of chaos.

Endlich wieder ein Buch, das ich vorbehaltlos empfehlen kann. Selbst Leuten, die Matt Ruff nicht von Fool on the Hill (1988) oder Sewer, Gas & Electric: The Public Works Trilogy (1997) mögen.

„Ganz anders“, hatte mein Mitbewohner, ein Ruff-Fan der ersten Stunde, schon im ersten Buchdrittel von Set This House in Order (erschienen 2003) geurteilt. Finde ich gar nicht mal so. Was in Matt Ruffs ersten beiden Romanen draußen oder in der Zukunft stattfand, passiert jetzt in den Protagonisten selbst.

Die menschliche Psyche findet eine unglaubliche Vielfalt von Auswegen, um mit tiefen Verletzungen fertig zu werden. Zum Beispiel, indem sie ihre verschiedenen Facetten voneinander abkoppelt. Die Medizin beschreibt das (umstrittene) Phänomen mit MPD - Multiple Personality Disorder. Andrew, die Hauptperson, hat sich damit arangiert. Er tritt nicht als heilungsbedürftiger Psychopath auf, sondern als jemand, der seine Persönlichkeiten gut organisiert hat und so den Alltag meistert. Wie diese psychische Störung ohne Ordnung einen Menschen zermürben kann, wird an Penny vorgeführt.
Matt Ruff macht die Hintergründe und Zusammenhänge dieser Form des Überlebens so einleuchtend, dass die beiden nicht krank erscheinen. Verrückt, ja. „Complicated“ ist aber die am häufigsten verwendete Bezeichnung.

Die Geschichte - spannend und mit Elementen von Queste / Road Movie - erfasst viele Aspekte psychischer Verwerfungen - auch die der Verantwortlichkeit. Andrews Haltung ist klar: Psychische Verletzungen können Vergehen erklären, doch aus Schuld und Verantwortung entlassen sie nicht.

Matt Ruff schreibt seine Charaktere auch in Set This House in Order mit großer Fürsorge und Liebe. Möglicherweise ist er der einzige Romanautor, der die Guten interessanter zu gestalten weiß als die Bösen. Zu dieser Fürsorge gehört auch Humor: Wenn auf einer langen gemeinsamen Autofahrt die multiplen Persönlichkeiten zweier Menschen außer Kontrolle geraten, dann IST das einfach komisch. Gerade hier zeigt sich die Stärke von Matt Ruffs Sprache: Sie tritt nie in den Vordergrund, ist immer nur Werkzeug. Dadurch bekommen Charaktere und Ereignisse allen Raum.

Auf Deutsch scheint es Set This House in Order noch nicht zu geben. Hoffentlich findet sich dafür ein so guter Übersetzer wie bei Fool on the Hill.


16.12.2003 9:26 AM CET
Wunschzettel

Liebes Christkind,

ich wünsche mir eine Verbindung zum Citrix-Server, die nicht täglich mehrmals abstürzt. Ach, weil Weihnachten ist, wünsche ich mir doch gleich eine Serververbindung, die nie abstürzt.
Bis das funktioniert, wünsche ich mir, dass die Verbindung mir bitte Bescheid gibt, dass sie jetzt gleich abstürzen wird und mir den Tipp gibt, offene Dateien lokal zu speichern.
Dann bräuchte ich mir nicht mehrmals am Tag meinen virtuellen Schreibtisch so zu sortieren, dass alles in Reichweite liegt (Reihenfolge: Lotus Notes, dann Explorer groß und mit „Details“ in der Ansicht, dann Word, dann Internet Explorer). Dann würde die Bookmark-Funktion ihren Zweck erfüllen und ich müsste mir nicht parallel jede URL, die mir nützlich erscheint, auf einen Zettel abschreiben - weil neue Einmerker bei jedem Absturz wieder weg sind.

Dann wünsche ich mir noch, dass die Server-Verbindung so flott ist, dass nicht jeder Wechsel von Fenster zu Fenster sekundenlang dauert. Dass Eingaben nicht mit einer sehr spürbaren Zeitverzögerung auf dem Bildschirm erscheinen. Ich gebe zu, mittlerweile mache ich mir einen Spaß daraus zu testen, wie viele Zeilen ich schreiben kann, wie viele Befehle ich eingeben kann, bis sie tatsächlich erscheinen oder ausgeführt werden. Aber ich bin mit der Begabung auf die Welt gekommen, mir aus allem einen Spaß zu machen.

Nein, Christkind, bitte spar Dir den Tipp, die IT-Abteilung um Hilfe zu bitten. Die arbeiten an dem Problem und haben versprochen, dass sich nach den Weihnachtsferien durch eine neue Server-Software alle Probleme in Wohlgefallen werden aufgelöst haben. Sieh diesen Wunschzettel einfach als Backup.

Im Gegenzug verspreche ich, künftig wieder so von der hiesigen IT-Abteilung zu schwärmen, wie ich es in den ersten Monaten dieses Arbeitsverhältnisses getan habe. Und vor lauter Ärger und Ungeduld auf meine Tastatur eindreschen und wie eine Furie an der Maus rütteln werde ich auch nicht mehr. Ehrenwort.


15.12.2003 2:48 PM CET
Also gut

Ganz aufgeregt hasten und wirbeln sie, mal hierhin, mal dort. Dass sie noch ganz junge und damit unerfahrene Schneeflocken sind, sieht man schon an ihrer Größe. Deshalb treten sie wohl auch in dieser größeren Gruppe auf. Dass überhaupt welche den Boden erreichen, erscheint fast unmöglich: Sieht man genau hin und konzentriert sich auf eine einzelne der Nachwuchsflocken, ist ganz klar eine Aufwärtsbewegung erkennbar. Vielleicht haben sie ja die Orientierung verloren?
Etwas zur Ruhe kommen sie kurz vor meinem Bürofenster. Als nehme ihnen mein Anblick ihr Lampenfieber, halten sie kurz inne - um dann entspannt auf’s Fensterbrett zu trudeln.


15.12.2003 10:56 AM CET
Nikolaus auf Reisen

Vor Jahren schrieb ein Praktikant Geschichte, weil er sich innerhalb einer Woche den Titel "Liebling der Massen" verdiente: Alex. Dem Praktikantendasein längst entwachsen, erwies er sich eben ein weiteres Mal dieses Titels würdig: Er schickte mir ins Büro einen Lindt-Schokoladennikolaus. Das allein wäre eine heimliche Träne der Rührung wert gewesen. Aber dann hing auch noch ein goldener Stern um Nikolausis Hals, auf dem neben lieben Grüßen stand: "Der Schokonikolaus würde übrigens sehr gerne einmal Rohrpost fahren. Kannst Du ihm diesen Wunsch erfüllen?"
ABER SICHER!!

An sich hatte ich ihm noch einen Helm aus einem halben Überraschungsei basteln wollen. Dann fiel mir ein, dass ich das Ei schon weggefressen hatte. Nikolaus musste also auf sich selbst aufpassen.
Er kam in die High-Tech-Patrone.

Niko (19k image)

Vor der Reise gab ich ihm noch ein wenig Gelegenheit, das Medium Rohrpost zu begutachten.

Nikolaus1 (27k image)

Aber dann ging es ab.

Nikolaus2 (25k image)

Mittlerweile ist er natürlich ebenfalls weggefressen.


14.12.2003 4:50 PM CET
Englisch mit der Kaltmamsell

Den ganzen Tag freue ich mich schon an dem bunten Himmel über München. Die Sturmböen mischen klares Blau, gelb angeschienene Wolkenbänder, Zirrus-Federn und Haufen in allen Grautönen durcheinander. Im Moment eingefasst von einem verboten zarten Violett.
Auch dieser Sonntag soll genutzt haben:

DARINGDECOY (32k image)

Wir lernen
decoy
1) someone or something used to trick someone into going where you want them to go, so you can catch them, attack them etc.: Police have been using mocked-up patrol cars as decoys to make drivers slow down.
2) a model of a bird used to attract wild birds so that you can watch them or shoot them.


13.12.2003 4:06 PM CET
Brauthormone

Lyssas Geschichte hat mich wieder daran erinnert: Es gibt da draußen noch einen Nobelpreis für Medizin zu gewinnen – für den wissenschaftlichen Nachweis von speziellen "Brauthormonen". Anders lassen sich eine ganze Reihe von Erscheinungen in der Frauenwelt nicht erklären.

Zum Beispiel der Umstand, dass auch noch so realitätsverwurzelte Frauen von "Traumhochzeit" sprechen. Gerne in der Kollokation "seit ich ein kleines Mädchen war". Lange dachte ich ja, das wollten uns lediglich blöde amerikanische Fernsehserien einreden, doch mittlerweile habe das ein oder zwei Mal zu oft selbst gehört. In echt.

Dazu gehört anscheinend ein Heiratsantrag. Es reicht diesen Damen keineswegs, mit dem Partner ihrer Wahl die Eheschließung zu vereinbaren. Nein, es muss ein "Heiratsantrag" her. Im schlimmsten Fall heißt das dann auch noch "Verlobung" und wird mit einer Anzeige in der Lokalzeitung sowie einem Familienfest gefeiert.
Zuständig für diesen "Heiratsantrag" ist in einer heterosexuellen Beziehung offenbar unbedingt der Mann. Der Ärmste ist möglicherweise bis in diese Phase der Liebschaft von einer gleichberechtigten Partnerschaft ausgegangen und weiß nicht einmal, was von ihm erwartet wird: Inszenierung einer romantischen Situation, Oscar-reifer Text, überraschende Details, gerne auch Kniefall, Ring im Wert eines dreiwöchigen Urlaubs nicht vergessen. Es scheint komplett ausgeschlossen, dass eine Frau die ersehnte "Traumhochzeit" selbst herbeiführt.

Oder die Tatsache, dass ein relevanter Anteil der weiblichen Bevölkerung jedes Stilgefühl oder auch nur Modebewusstsein verliert, wenn es um die Auswahl eines Hochzeitskleides geht. In den größten Fettnapf bin ich dazu auf einem Polterabend getappt. Die Braut kannte ich als leidenschaftliche Motorradfahrerin, was sich in ihrem praktisch-eleganten bis sportlichen Kleidungsstil spiegelte. Ich saß also gerade mit dieser Braut über dem vielduzendsten Glas Sekt zusammen, als ich mich prustend über Frauen lustig machte, die sich an ihrem Hochzeitstag in Sahnebaiser verwandelten. Das Gesicht der Braut erstarrte, ihre Lippen wurde schmal: "Ich habe mein ganzes Leben von einem Sisi-Kleid geträumt."

Es gibt meiner Meinung nach nur eine Erklärung für die absonderliche Verwandlung, die in diesen Frauen vorgeht: ein eigenes Brauthormon. Es ist möglicherweise gekoppelt an den Fortpflanzungstrieb, denn die Damen, an denen ich es diagnostiziert habe, wurde binnen Jahresfrist nach der Hochzeit schwanger.

Sollte also ein mitlesender Mediziner nach einer Möglichkeit zur Erlangung von Ruhm und Ehre suchen: bitteschön.


13.12.2003 10:17 AM CET
Kurz was auf der Metaebene – ausnahmsweise

Ich habe sehr gerne Gäste. Ich freue mich hier über Kommentare – sonst würde ich sie nicht ermöglichen. Das bedeutet aber auch, dass ich mich dafür verantwortlich fühle, was zwischen Gästen und in Kommentaren abgeht. Aus dem Alter, in dem ich mich als Klassensprecherin beherzt zwischen Raufereien geworfen habe, bin ich raus. Wenn also diskretes Ignorieren von Off-topic-Zwist nicht mehr hilft, klicke ich ins Kästchen "No" bei "Allow comments to this entry" meiner Greymatter-Oberfläche. Sehr unelegant. Ich hasse unelegant.


12.12.2003 1:08 PM CET
Weihnachtsgeschenk

Sportjesus (35k image)

Hier gibt's noch viel mehr davon. Aerobics wurde wieder mal übersehen.
via Jens


12.12.2003 11:35 AM CET
Liebe Dienstleister,

wenn Ihr mit einem prospektiven Großkunden zusammensitzt und Euch stundenlang briefen lasst. Wenn Ihr sogar die ersten Ansätze für eine ganz spezielle Zusammenarbeit entwerft. Wenn Ihr den Kunden so weit habt, dass er Euch um ein konkretes Angebot zu dieser Zusammenarbeit bittet.

Dann gibt es einen ganz sicheren Weg, jede Chance aus dem Fenster zu schießen: Ihr braucht einfach nur ein 08/15 Standardangebot rausschicken, das sich in keinem Detail auf das Vorhergegangene bezieht.

gez.
Die Entscheiderin


11.12.2003 3:28 PM CET
Um Gottes Willen, holen Sie einen Arzt!

Wichtige Info: ER macht wegen der Fußballspiele am 3.12. 03 und am 10.12.03 eine Pause. Weiter gehts am 17.12.03 um 20:15 Uhr!
Reichlich spät dran mit der Info, HERR Pro7!


11.12.2003 2:08 PM CET
Mode marginal: Stepford Husbands

Wieder mal hinreißend: Die Style-Beilage der New York Times. Diesmal mit einer Titelgeschichte von Ira Levin zur Modestrecke Stepford Husbands.

Stepford (36k image)

(Wer nicht mitkichern kann, bitte unter Stepford Wives nachblättern.)


11.12.2003 8:38 AM CET
Englisch mit Kaltmamsell

PMBonanza2 (34k image)

Neue Vokabeln lernt man ja am besten in der praktischen Anwendung. Deshalb heute anhand eines bezaubernden Perry-Mason-Titels (wir schalten im Kopf die Titelmelodie der gleichnamigen Fernsehserie zu):
bonanza
a lucky or successful situation where people can make a lot of money: 2003 will be a bonanza for the Chinese shipbuilding industry.

Zur Vertiefung: Zehn sinnvolle englische Sätze mit dem Wort bonanza bilden.


10.12.2003 5:28 PM CET
Diätterror - die Serie (5): Aktueller Kampfeinsatz

Die kranke Cosmopolitan ruft auf: "Lassen Sie die weihnachtlichen Versuchungen links liegen und bringen Sie Ihren Körper mit einem Molketag wieder in Form." Hätte ich dort nicht einige ausgesprochen knuddlige Redakteurinnen kennen gelernt, wäre dieser Frevel Anlass genug, das Münchner Verlagshaus beim Hauptbahnhof mit kistenweise frischen Plätzchen zu stürmen.

Glücklicherweise kommt akkurat da Hilfe im Kampf gegen den Diätterror, und zwar der alternative Kalorienzähler von miss.understood. That's the right spirit!


10.12.2003 9:08 AM CET
Diätterror - die Serie (4): Zu Risiken und Nebenwirkungen

Dicksein, der Fett gewordene Widerstand gegen den Diätterror, bringt einen Berg von Schuldgefühlen mit sich. Das birgt große gesundheitliche Risiken, denn: Wer dick ist, fühlt sich an allen körperlichen Beschwerden selbst schuld.
Wenn ich zum Beispiel eine Entzündung im Nabel bemerke, gehe ich damit sicher nicht zum Arzt: Das kommt ja wahrscheinlich eh nur von dem vielen Speck, in den der Nabel seit Monaten gebettet ist. Seit einiger Zeit kann ich morgens nach dem Aufstehen kaum laufen, weil mir die Achillessehnen so weh tun? Klar, müssen ja auch fast 20 Kilo mehr stemmen als noch vor zwei Jahren. Die Haut wird immer schlechter und pickliger? Kann ja wohl nur vom Übergewicht kommen.
Wäre es denn möglich, dass Übergewicht DESHALB als Gesundheitsrisiko in Statistiken auftaucht?

Eine Nebenwirkung des Diätterrors ist zumindest bei mir auch eine gewisse Perspektivenlosigkeit im Leben. Als Kind und Jugendliche hatte ich eine klare Vision vom Dasein als erwachsene Frau: endlich schlank und schön sein. Vermutlich war deshalb mein 20. Geburtstag der bislang schlimmste. Vom Standpunkt der Teenager-Kaltmamsell waren 20-Jährige immer erwachsene Frauen gewesen. Nun war ich 20 - und weder schlank noch schön; Lebensziel verfehlt. Mittlerweile war ich sogar mal zehn Jahre schlank und konnte empirisch feststellen, dass das keinerlei Heilung für mein kaputtes Körpergefühl inklusive Selbsthass bedeutet. Dennoch: Seit diesem 20. Geburtstag ist mir kein neues Ziel eingefallen, das ich mit derselben Leidenschaft herbeisehnen könnte.


9.12.2003 3:53 PM CET
Heilige Fluchten

Da! Da war sie. Am Telefon. Die befürchtete Frage der Frau Mamá: „Wisst Ihr schon, wo Ihr an Heilig Abend seid?“

Weil nämlich: Ich mag Weihnachten, so richtig. Vor allem die Adventzeit. Alles glitzert und ist geschmückt, abends hilft mir die weihnachtliche Beleuchtung, einen Sinn in den kurzen Tagen zu finden. Auch die Weihnachtsmusik, die mir als Innenstadt-Bewohnerin selbst beim Klopapier-Einkauf um die Ohren spült, erfreut mich. Die hastenden Einkäufer, die gestressten Verkäufer - gehört alles zur größten Show des Jahres. Selbst Weihnachtsgeschenke ausdenken und einkaufen stresst mich zwar ein bisschen, aber nicht bedeutend.

Stress ist seit ein paar Jahren der Heilige Abend. Da ich sehr internationaler Herkunft bin, musste ich mich früher nie mit Verwandtschaft an Weihnachten rumschlagen: Außer meiner polnischen Großmutter mütterlicherseits, die in meiner bayerischen Geburtstadt wohnt, leben die lieben und ordnungsgemäß verstrittenen Verwandten alle viel zu weit weg für eine Zusammenkunft. Puh.

Jetzt hat aber mein Bruder eine Familie inklusive Kindern, mein Mitbewohner hat neben Eltern zwei erwachsene Brüder. Alle wohnen in einem Umkreis von 100 Kilometern. Das bedeutet insgesamt eine nervenzermürbende Terminplanerei, die mich ungeheuer aneiert.

Dazu kommt, dass meine Mama bei ihrem gestrigen Anruf ankündigte, dass ihre Schwester aus Italien mit meinen beiden Kusinen zu Weihnachten anreisen werde. Oh mein Gott: TANTE BARBARA!!! Groß, fett, unverschämt, blondiert, laut, vulgär, ungebildet, unrasiert, egozentrisch, wehleidig. Tante Barbara. Je älter sie wird (jetzt Mitte 50), desto mehr wirkt sie wie ein schlecht alternder Transvestit. Sie ist die einzige Frau, an der ich je echte Tuntengestik beobachtet habe. Inklusive gespitzter Lippen für die vermeintlich damenhafte Aussprache. Heilig Abend bei Elterns ist also out. Absolut gestrichen.

Familie Mitbewohner habe ich mal zu Heilig Abend ausprobiert. Zwar hatte es geheißen, dass in dieser Familie Weihnachten nicht sehr gewürdigt werde, aber mir war zu dieser Gelegenheit ein traditioneller Familienstreit versprochen worden - nicht unbedingt laut und mit Türenschlagen, aber doch ein konstantes Sticheln, das möglicherweise sogar in Tränen enden würde. Und: Nix war. Da brauch ich nicht noch mal hin.

Also doch wieder zu zweit? Bringen wir die Energie für einen ordentlichen Heilig Abend auf? Denn dann muss schon auch ein Christbaum her, es braucht feinstes Fresschen, Musik, festliche Gewänder. Sonst werde ich traurig.

Ich überleg noch ein bisschen.


8.12.2003 3:15 PM CET
Aleschia? Ich kenne kein Aleschia.

kaltmamsellos (10k image)

von Comedix

Und das mir. Nein, ich hatte nicht gewusst, dass es im Asterix-Universum eine Figur namens Kaltmamsellos gibt. Auch nicht in Die Lorbeeren des Cäsar. Das musste mir erst so ein klugscheißerischer Hamburger stecken (knufft ihn liebevoll in die Seite).

"Kurzschluß! Kuhurzschluß!" mit Blümchen in der Sprechblase: Ja.
"Zuckerpüppchen von Tifus": Ja.
"Latürnich": Ja!!!

Aber der Kaltmamsellos war mir komplett durchs Gedächtnissieb gefallen. Davon erhole ich mich nicht so schnell.


8.12.2003 12:26 PM CET
Spracherwerb

Bei manchen Wörtern weiß ich noch ganz genau, wie und wo ich sie gelernt habe.
Als ich mich mit meinem Mitbewohner (mit dem mich übrigens neben Wohnung und Bibliothek unter vielem anderen auch ein Trauschein verbindet) kürzlich über die Weihnachtsbastelei unserer Kindheit unterhielt, fielen uns diese Scherenschnitt-Häuser ein. Schwarzes Karton-Papier, aus dem man Häuser mit Fenstern schnitt. Die Fenster wurden dann mit buntem durchsichtigen Papier hinterlegt. Das ganze klebte Mama als Häuserzeile ins adventliche Kinderzimmer-Fenster.
Wie diese Papiersorten heißen, fällt mir gerade auf, habe ich mir ganz offensichtlich NICHT gemerkt. Aber ich wusste sofort wieder, dass ich anlässlich dieser Bastelei das Wort „Giebel“ gelernt habe.


7.12.2003 7:12 PM CET
Radio

Gestern während einer langen Bahnfahrt hatte ich Bayern 3 auf den Kopfhörern. Hatte ich schon ewig nicht mehr gehört, weil ich es weder in meiner Augsburger noch in meiner Münchener Wohnung ordentlich reinkriege. Die Musik ist immer noch komplett nix, wie ich es vom letzten Zuhören in Erinnerung hatte. Aber die professionelle Moderation genieße ich wie bei allen öffentlich-rechtlichen Sendern sehr. Zumal ich am Tag davor beim Kochen den Münchener Sender Radio Charivari eingeschaltet hatte, und dort der Nachrichtensprecher die aktuellen Unglücke mit einem Verve verkündete, das ich sonst nur bei den Sonderangebots-Ansagen im Edeka kenne: "Die Zahl der Todesopfer stieg nach Angaben des Geheimdienstes auf VIERZIG!"

Beim Bayern-3-Hören musste ich dann auch sehr schmunzeln: Deren Adventskalender scheint darin zu bestehen, dass jeden Tag ein anderer Moderator ein Weihnachtslied singt, so richtig mit Musik und ordentlich abgemischt. Finde ich angenehm rührend.

Radiowerbung hingegen ist auf allen Frequenzen gleich erbärmlich. Ich bin versucht, alle Hersteller, Marken und Geschäfte zu boykottieren, die mir ihre Werbung im Radio antun.

Unterm Strich trauere ich immer noch gutem journalistischen Radio hinterher, wie ich es noch Ende der 80er kannte. Bayern 3, Morgentelegramm fällt mir da zum Beispiel ein. Wie da regelmäßig Politiker und Behördenchefs aus dem Bett geholt wurden, um ihnen nach allen Regeln der Kunst auf den Zahn zu fühlen... Ich fürchte, irgendwann steht auf der Vorspeisenplatte ein breit angelegter und detaillierter Jammerer über das deutsche Radio heutzutage an. Unter Berücksichtigung meiner persönlichen Beiteiligung daran.


6.12.2003 9:42 AM CET
Im Geiste Robert Gernhardts

Ich schreib sowas nicht leichtfertig: Aber hier und hier sieht es aus, als hätte Robert Gernhardt einen Ziehsohn. Grenzt an gruslig, ich freue mich aber trotzdem sehr.


6.12.2003 9:38 AM CET
Böser Verdacht

Auch nach sieben Jahren in der so gennanten freien Wirtschaft komme ich nicht darüber hinweg, wie sehr Chefs und Oberchefs ihre persönlichen Befindlichkeiten regieren lassen.
Dass ein Herr Maltke aus dem Posteingang beleidigt ist, wenn man ihn und seine Leute „vielleicht etwas langsam“ nennt und dafür sorgt, dass als „persönlich“ gekennzeichnete Sendungen nicht ankommen - ja mei. Aber ganz offensichtlich bin ich immer davon ausgegangen, dass in höheren Etagen die Vernunft siegt. Oder das Unternehmenswohl. Umso verdutzter bin ich, wenn ich feststelle, dass Herren sehr weit oben auf der Karriereleiter rachsüchtig wie kleine Kinder sein können: Du hast meinen befreundeten Grafiker kritisiert, also sorge ich dafür, dass Dein befreundeter Grafiker keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt. Das ist doch so ungeheuer dumm!

Nennt mich naiv, aber mich kann man damit so richtig frustieren.

Wobei mir ein böser Verdacht kommt. Ich musste ja feststellen, dass die Herren Oberwichtig fast durch die Bank als Partnerinnen hirnlose Bimbos haben (leider kann ich keine weibliche Vergleichsgruppe unter Führungskräften heranziehen, ich müsste zu lange suchen): Sehr hübsch, gerne mit einem Schuss Exotik, gebärbereit, aber zu keiner Konversation fähig, die über das Niveau der Blumenzwiebeln in ihrem Eigenheimgarten hinaus geht. Im schlimmsten Fall machen sich die Herren Oberwichtig sogar noch öffentlich über den mangelnden Horizont ihrer Gefährtinnen lustig.
Will heißen: Diese Welt außerhalb der Arbeit bietet den Herren nichts und kann damit für sie kein Quell von Bestätigung und Anerkennung sein. Die haben tatsächlich ihr ganzes Leben IN der Arbeit. Wenn sie hier nicht die Obermacker sind, sind sie es nirgends.

Vielleicht sollte künftig zum Anforderungsprofil von Führungskräften gehören: Beweis eines echten Lebens neben der Arbeit. Kann ein Hobby sein, kann eine Partnerin / ein Partner sein, die der Kandidat natürlich zum Bewerbungsgespräch mitbringen müsste.


5.12.2003 11:25 AM CET
Perry Mason

BIGAMOUSSPOUSE (30k image)

Eigentlich waren wir damals zu Angies Haferl marschiert, um Bücher loszuwerden. Die gemeinsame Bibliothek quoll über, und ich hatte mich mit Mitbewohner gegen den Kauf eines neuen Regals entschieden, statt dessen für Ausmisten. Kriterien für die Deklaration als Unkraut waren:
- Habe ich noch nie gesehen, oder
- kann mich nicht im Geringsten an den Inhalt erinnern, oder
- fand ich vergessenswert.

Die so gejäteten Bücher füllten zwei große Rucksäcke, mit denen wir zu unserer liebsten Buch- und Möbeltandlerin wanderten. Wir wollten nicht mal Geld für die Bücher, Angie sollte sie nach Belieben weiterverkaufen. Vor dem kleinen Trödelladen in der Augsburger Jakobervorstadt aber wartete eine Falle: Mehrere Körbe voller alter englischer Taschenbücher. Ich weiß nicht mehr genau, ob wir die ausgemisteten Bücher bereits losgeworden waren oder ob wir mit noch gefüllten Rücksäcken an diesen Körben hängenblieben. Deutlich sichtbar enthielten sie nämlich eine Sammlung von etwa 20 Perry Mason Romanen.
Wir kamen mit fast ebenso vielen Büchern zurück, wie wir eben gejätet hatten.

Damals hatte ich gerade eine Reihe noirester Krimis hinter mir und war leichte Beute des einfachen Blümchenoptimismus' in Erle Stanley Gardners Perry-Mason-Reihe. Ich war hingerissen von dem ewig männlich-herben, nicht mehr ganz jungen Perry, von seiner immer jugendlich-frischen und überaus schlauen Assistentin Della Street. Zumal jedesmal und verlässlich das Gute am Ende siegte. Da mein Mitbewohner ein geborener Sammler ist, ruhte er nicht eher, bis wir alle Krimis der Reihe besaßen, so um die gut 90.

Die Konsequenzen:
- Ich kenne mich im kalifornischen Rechtssystem der 40er bis 70er Jahre besser aus als im heutigen deutschen (inklusive spezifischem Vokabular).
- Ich fühle mich darin bestätigt, dass Populärliteratur ein echterer, weil impliziter Spiegel von Zeitgeschichte ist als so mancher Intellektuellenroman, der Zeitgeschichte zum Thema hat.
- Ich habe ein Faible für alte billige Paperback-Titelillustrationen.

Die schönsten Titelseiten unserer Perry-Mason-Sammlung hat mein Mitbewohner sauber gescannt, einige davon zieren als Ausdrucke unsere Wände.

Da ich dieses Vergnügen gerne teilen möchte, werde ich sie in unregelmäßiger Folge auf die Vorspeisenplatte stellen. They don't make them like that anymore...


5.12.2003 9:24 AM CET
Duschen durch Deutschland

Eine hilflose kleine Zwangshamburgerin ist Opfer ihrer agressiven Dusche geworden. Gerade in der Vorweihnachtszeit kennt die Hilfsbereitschaft keine Grenzen, und so rief die selbstlose Bloggerwelt die Aktion "Duschen durch Deutschland" aus. Hier in München biete ich zahnbelagfarbene Kacheln und einen Kronleuchter. Bitteschön, jederzeit.

DuscheKaltmamsell (28k image)

(Vor dem Dusch-Besuch würde ich natürlich die Glühbirnen des Leuchters komplettieren, hüstel.)


4.12.2003 4:18 PM CET
Engelchen

Und dann kommt der Moment, in dem Quizilla mich DOCH noch überrascht.

ang
You are Form 2, Angel: The Pure.

"And The Angel rose as holy protector for
all that was created. She fought with honor
and valor to serve the good of the world. But
the coming of the mankind was her downfall; and
end to purity."

Some examples of the Angel Form are Michael
(Christian) and Hercules (Greek).
The Angel is associated with the concept of virtue,
the number 2, and the element of wind.
Her sign is the zenith sun.

As a member of Form 2, you are a person of your
word. You generally keep your promises and
give everything you do your best. Although
some people see you as overbearing sometimes,
you know that you have to stay true to yourself
and do what's right. Angels are the best
friends to have because they are brutally
honest.

Which Mythological Form Are You?
brought to you by Quizilla

Und als "best friend" kann ich mich nun wirklich nicht empfehlen, siehe unten.


4.12.2003 10:04 AM CET
Ex-Freunde

A. hat es ein weiteres Mal versucht: Gestern fand ich eine Mail von ihr im Posteingang. Wie es mir denn gehe. Und dass sie mich sehr gerne mal wieder sehen möchte.
Wie macht man mit Freunden Schluss? Ich wiederum will sie nämlich nicht sehen. Nicht in dem Maß, dass ich eine Begegnung absichtlich verhindern würde. Aber für mich ist diese Freundschaft bereits seit vielen Monaten beendet. Wie die Freundschaft zu U., L., und G. Ich habe genau genommen mit einem ganzen Freundeskreis Schluss gemacht.
Eigentlich hatte ich gehofft, das würde sich dadurch erledigen, dass ich an keinem Treffen mehr teilnehme und auch sonst einfach von der Bildfläche verschwinde. Das hätte möglicherweise auch geklappt, wenn nicht mein Mitbewohner ein Teil dieses Freundeskreises wäre. Er versteht sich mit den Vieren weiterhin sehr gut und trifft sich regelmäßig mit ihnen. Dadurch bin ich wohl indirekt immer noch präsent.

Es handelt sich ja auch keineswegs um ein Zerwürfnis. Ich habe mich lediglich von diesen Menschen weg gelebt. Angefangen haben die Freundschaften zu Studienzeiten. Da war der Kreis auch erheblich größer - und nicht wirklich ein Kreis. Die Leute waren jeweils mit allen anderen einzeln befreundet. Wir trafen uns fast ausschließlich zu zweit oder zu dritt. Im ganzen Jahr gab es vielleicht drei bis vier Gelegenheiten, zu denen alle an einer Stelle versammelt waren: Partys, große Gelage, Grillen am See.

Der Großteil dieses Freundeskreises verstreute sich nach dem Studium naturgemäß über die Republik, auf andere Kontinente, in Familiengründung. Eine Folge war, dass sich der Rest eher zu offiziellen Gesamttreffen verabredete. Das spontane Bierchen starb aus. Diese Gesamttreffen langweilten mich aber immer mehr: Wie Familientreffen liefen sie nach dem immer gleichen Muster ab, bis in die Gesprächsthemen hinein.
Dazu kam, dass sich mein Leben in den vergangenen Jahren sehr verändert hat. Für dieses veränderte Leben fühlte ich mich immer mehr angefeindet. Als ich mir dessen bewusst wurde, erschreckte mich am meisten, dass mir diese Ablehnung egal war: Die Leute waren mir egal geworden. Also beschloss ich auszusteigen - auch wenn ich wusste, dass ich dadurch meinen Mitbewohner in eine unangenehme Situation bringen würde.

Aber dazu gehe ich doch nicht hin und sage: „Übrigens, ich bin ab jetzt nicht mehr Eure Freundin.“ Das macht man zur Beendung von Beziehungen. Die basieren ja meist auf einer gewissen Ausschließlichkeit und bedürfen der klaren Definition „wir sind ein Paar“ oder eben „wir sind als Paarteil verfügbar“. Freundschaften laufen halt aus. Ich will doch auch niemanden verletzen. Und ich habe überhaupt gar keine Lust auf eine Diskussion, auf Rechtfertigungen oder Erklärungen.

Das heißt ja dann wohl, dass ich die Mail von A. einfach unbeantwortet lösche, oder?


4.12.2003 7:56 AM CET
Feierabend-Killer

Nein, ich bin keine guten Fernseherin und werde es wohl auch nie werden. Es gibt in der ganzen Woche nur einen Termin, an den ich mich überhaupt erinnere, und den ich auch einhalte: Emergency Room mittwochs um 20.15 Uhr auf Pro7. Dafür veranstalte ich dann auch alles, was sich für anscheinend für einen Fernsehabend gehört: bequeme Schlumpfkleidung, in Decke auf's Sofa mummeln, Tasse Tee mit Nachschub in Reichweite, Telefon ausgestellt. Ich habe mittlerweile auch gelernt, dass Pro7 keineswegs die Wettervorhersage der ARD-Tagesschau abwartet, bevor die mit ER anfangen, und dass ich deswegen besser schon vor dem Wetter umschalte.

Als ich das gestern tat, war da aber keine Notaufnahme. Sondern eine superputzige Meg Ryan und ein auf Schnuffi(TM) getrimmter Tom Hanks in Schlaflos in Seattle. Hektisches Rumsuchen im Videotext erbrachte gar nix: Keiner der beiden Hauptdarsteller ist überraschend gestorben, noch konnte ich Hinweise auf eine einstweilige Verfügung finden, die dem Sender die Ausstrahlung der Serie verboten hätte.
Kurz: Der Abend war im Eimer.

Die Ratlosigkeit und Enttäuschung halten auch heute an. Nach der Ausstrahlung von Schlaflos in Seattle drohte Pro7, nächsten Mittwoch ein ähnlich dubioses Werk der Filmhistorie zu senden, nämlich Bodygard. Obwohl deren hauseigene Programmübersicht mir bis zur Stunde verspricht, dass auf diesem Sendeplatz ER kommt. Diese Ungewissheit bringt mich um!


3.12.2003 5:09 PM CET
Meerschaumpfeifen (Verb)

Beispielsatz: "ich kann noch meterlang so weiter über alte Serien meerschaumpfeifen"

Hey, Zeichnen können sollte Ihnen eigentlich genügen, Sven K. Das mit den Wörtern dürften Sie mir überlassen!


3.12.2003 8:22 AM CET
Sticheln gegen Akupunktur

Da seien wir den deutschen Krankenkassen aber mal dankbar: Beim Versuch, die Wirksamkeit von Akupunktur wissenschaftlich zu beweisen, um auch damit Geld zu machen, haben sie ein kolossales Eigentor geschossen. Die Wissenschaftsseite der heutigen Süddeutschen Zeitung (gefällt mir übrigens sehr gut, dass es statt des wöchentlichen Wissenschaftsteils jetzt tägliche Einzelseiten gibt) vermeldet: "Studien zur Wirksamkeit der alternativen Behandlungsmethode nicht aussagekräftig“.

Die Kernaussagen:
Schaut man sich die Studie mehrerer Krankenkassen allerdings genauer an, bleibt von den handfesten Beweisen wenig übrig. Stattdessen wird klar, dass bei der Untersuchung nicht nur wissenschaftliche sondern auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle gespielt haben. (...)
„Über die Wirksamkeit einer Therapie sagt diese Massenuntersuchung aber fast gar nichts aus“, erklärt Yngve Falck-Ytter, Statistiker am Cochrane-Institut in Freiburg. So ist der Einfluss vieler Faktoren bei der Untersuchung nicht berücksichtigt worden : etwa zusätzliche Therapien der Patienten oder das Eigeninteresse der Ärzte am Erfolg ihrer Behandlung. (...)
Sie hatten (...) jeweils den Erfolg einer klassischen mit einer vorgetäuschten Akupunktur verglichen, bei der die Ärzte die Nadeln nicht in die vorgeschriebenen Punkte gestochen hatten. Die Wirksamkeit der Alternativ-Therapie konnte dadurch nicht bewiesen werden: Wo die Nadeln gesetzt wurden, machte bei Rücken- und Kopfschmerzpatienten keinen Unterschied.

Aber klar kennt jeder Einzelfälle, in denen Akupunktur anscheinend gewirkt hat. Einzelfälle sind aber kein nachprüfbarer Beweis für einen kausalen Zusammenhang (mir hat ja auch schon mal gegen meine Nackenverspannung geholfen, Bachs Brandenburgische Konzerte zu hören).

Es ist der Wettbewerbsdruck, der Krankenkassen und Ärzte dazu bringt, Akupunktur anzubieten, nicht die Wirksamkeit. Das Misstrauen gegen Wissenschaft und damit auch gegen wissenschaftlich basierte Medizin ist in dieser unserer Gesellschaft groß. Populäre Blätter von Bild bis Frau im Spiegel propagieren Akupunktur, Frauenzeitschriften und anti-aufklärerisch eingestellte Romantiker dito. Dabei ist das gesamte Gebiet der so genannten alternativen Heilmethoden in erster Linie ein riesiger Markt, mit dem sich ein mords Geschäft machen lässt. Vor allem weil es sich ja auf den ersten Blick gegen die bösen, nur kommerziell ausgerichteten Pharmaunternehmen richtet.

Lesen Sie in der nächsten Folge: Die Wirksamkeit von Homöopathie ist bereits seit vielen Jahren widerlegt.


2.12.2003 1:38 PM CET
Helvetophilie

Der Tag ist gerettet! In den Gesprächsfetzen steht ein Link zu den besten Helvetismen.
Wobei mir eine Schweizerin ja mal zugeraunt hat, die Schweizer kämen mit den Bayern vor allem deshalb gut aus, weil die Bayern die Schweizer so süß finden.


2.12.2003 9:21 AM CET
Schlammschlacht

Gleich eine Telefonkonferenz mit Teilnehmern aus drei Nationen. Und schon jetzt ist klar, dass das eine einzige Schlacht wird. In der es keinem der verantwortlichen Oberwichtigs mehr darum geht, ein gutes Ergebnis, eine Lösung zu schaffen. Jeder wird sich nur auf scheinbare Angriffe der anderen stürzen, wird nach bösem Willen suchen, an vorhergegangene Auseinandersetzungen erinnern. Wird auf Details nur deshalb beharren, weil er sich irgendwann mal dafür ausgesprochen hat: „Und wenn wir jetzt nachgeben, tanzen die da drüben uns auf der Nase rum!“

Ich weiß, ich weiß, so ist der Mensch nun mal gestrickt: Eitelkeiten und Profilneurosen sind die stärksten Abtriebskräfte. Und doch fühle ich mich so müüüüüüde....


2.12.2003 7:58 AM CET
Heimlich stolz

Ich möchte dringend mit etwas ganz Bestimmtem angeben, aber ich weiß nicht recht, wie. Dabei bin ich darauf so stolz, dass ich gestern spät nachts noch jemand anrufen musste, nur zum Angeben.

Weil: Es gibt da seit einiger Zeit eine wöchentliche Kolumne in meiner Leib- und Magenzeitung. Weil sie mir sehr gut gefiel und ich mit dem Autor etwas gemein habe, schickte ich ihm zu einer bestimmten Folge der Kolumne eine E-Mail. Darin dankte ich ihm für das Lesevergnügen und schob ergänzende Details zum Thema der Folge nach. Der Autor antwortete; er schien sich nicht nur über das Lob zu freuen, sondern auch über die Information. Ob er die wohl mal verwerten dürfe? Aber sicher!

Die jüngste Folge der Kolumne hat - nach über einem Jahr - genau diese meine Information zum Thema. Ich bin sehr stolz und winke dem Herrn Autor schüchtern nach Berlin zu.

Klingt nicht sehr beeindruckend, ich weiß.


1.12.2003 8:53 AM CET
Interviews

"Wir drehen uns im Kreis, Herr Kutter."
Treffendes zur Lage der deutschen Interview-Kultur: ein Interview.


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