Journal Mittwoch, 30. April 2025 – Balkoneröffnung

Donnerstag, 1. Mai 2025 um 8:06

Nach tiefem Schlaf hätte ich bei Weckerklingeln sehr gern weitergeschlafen, auch wenn der Himmel draußen bereits hell leuchtete, wolkenlos.

Trotz deutlicher Morgenkälte marschierte ich jackenlos in die Arbeit: Dann fror ich halt eine halbe Stunde ein wenig, aber beim Heimweg würde mir so keine Jacke im Rucksack Platz für Einkäufe wegnehmen.

Große begrünte Straßenkreuzung in Morgensonne unter blauem Himmel mit weißen Wolken, gegenüber im Sonnenlicht ein Gründerzeitbau mit Backstein und Türmchen

Von oben aufgenommene hellblaue Turnschuhe an Füßen, die auf sonnigen Pflastersteinen stehen

Waren: Alte Aerobicschuhe. Sind: Meine neuen Sommersneakers. Und schaun Sie mal, WIE SAUBER die sind!

Am Schreibtisch nach Öffnen des Postfachs gleich mal beherzt losgearbeitet, gut vorangekommen.

Schon um halb elf traf die SMS des Radlschraubers ein, dass ich ab 12 Uhr mein Rad abholen könne und es 99,95 Euro koste – bitte bar mitbringen.

Im Vordergrund Cappuccino auf weißer Tischplatte, im Hintergrund Glaswand mit offener Tür, die auf eine Terrasse führt, darauf sitzen unscharf zu sehen zwei Personen mit hellem Oberteil unter einem Sonnenschirm

Mittagscappuccino bei Nachbars, aber dann noch eine Runde um den Block (Westendstraße, Trappentreustraße) – Wetter und Luft waren zu herrlich.

Mittagessen Apfel, Granatapfelkerne, Eiweißriegel.

Knackiger Arbeitsnachmittag, ich hatte einen Feierabendtermin anzuzielen: Beinenthaarung. Nach Lebensmitteleinkäufen unterwegs erzählte die Enthaarungsfachfrau wieder eine Menge, und ich bekam Beine wie Delphin. Beflügelter Heimweg mit Freude auf vier freie Tage am Stück (1. Mai, St. Brück, Wochenende).

Zu Hause stellte ich nur kurz meine Einkäufe ab – und freute mich ungeheuer über Duft und Anblick:

Fliederstrauß in Glasvase vor weißer Wand auf dunklem Holztischchen

Fliederstrauß in Glasvase vor Fenster, durch das man sonnige grüne Laubbäume sieht

Nach Wochen vergeblicher Suche hatte Herr Kaltmamsell mir Flieder erkämpft, ich werde nie verstehen, wovon der Verkaufszeitpunkt abhängt: Vor Jahren hatte es geheißen, man bekomme ihn kurz bevor er in den Vorgärten sichtbar werde, aber dieses Jahr begann diese Sichtbarkeit ja schon vor zwei Wochen.

Das Radlabholen wurde durch ein unerwartetes Straßenfest erschwert: Der Teil der Hans-Sachs-Straße zwischen Müllerstraße und Ickstattstraße war gesperrt, dort wurde laut Plakaten “Maikönigin” gefeiert, und zwar mit Diskomusik und sehr viel Volk. Inklusive Zaun mit Taschenkontrolle, mein hilfloses “Ich will doch bloß mein Radl abholen” bewahrte mich nicht davor. Auch Herr Radlschrauber war davon überrascht worden und ungehalten. Als ich ihm nach Übergabe des Radls fröhlichen Tanz in den Mai wünschte, betonte er energisch: “Des is so gar net meine Welt.”

Daheim Pilates mit Gabi Fastner, die anstrengende 45-Minuten-Kraft-Folge (ich hatte schon wieder die abschließenden Bauchübungen mit gestreckt kreisenden Beinen vergessen). Mit immer wieder Fliederduft in der Nase.

Für den Abend war ich mit Herrn Kaltmamsell auf dem Balkon verabredet. Der war noch nicht grundgereinigt, weil vom frühen Sommereinbruch überrascht (außerdem: Faulheit) – ich fegte einmal durch und wischte die Möbel ein wenig ab, das musste reichen.

Balkon von innen und im Gegenlicht, darauf Holzbank und Holztisch, auf dem Tisch zwei große Gläser mit Aperol Spritz

Wie gewohnt Aperol Spritz als erster Balkondrink.

Herr Kaltmamsell bereitete auch das gewohnte erste Balkonabendessen vor: Salade niçoise. Allerdings hatten wir so lange auf dem Balkon aperitiviert, dass wir doch lieber drinnen aßen. Nachtisch Osterschokolade.

§

Politischer Aktivismus leidet in den vergangenen Jahren immer wieder unter Polarisierung in Details – und davon abgeleiteten vehementen Hasskampagnen, die Menschen und Organisationen zerstören können. Feministin Kristina Lunz wurde Ziel einer solchen und analysiert die Mechanismen:
“Nichts darf jemals digitale Hetzjagden rechtfertigen: Wie digitale Lynchjustiz Menschen und Demokratien zerstört”.

(via Antje Schrupp, die hier schildert, wie sie selbst Ziel einer solchen Kampagne aus eigentlich eigenen Reihen wurde)

Ich will das an einer aktuellen Studie aus Großbritannien der Organisation More in Common verdeutlichen, die sich in mehreren Ländern für gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Stärkung demokratischer Kulturen engagiert. Darin wird gezeigt, dass sogenannte progressive activists dazu neigen, in ihren Kampagnen eine vollständige ideologische Übereinstimmung zu verlangen. Da die öffentliche Meinung selten entlang festgelegter ideologischer Linien verlaufe, fielen viele mögliche Allianzen in der Sache aus. Dieser Starrsinn führe dazu, dass progressive Bewegungen kaum anschlussfähig und oft durch interne Konflikte lahmgelegt seien. Oder, um es mit Rutger Bregman zu sagen: „Auf diese Weise erhalten Sie eine Bewegung, die zu 100 Prozent rein, aber zu 0 Prozent effektiv ist.“ Eine Organisation wird also so zur Zielscheibe, wenn sie nicht ausschließlich und exakt so arbeitet, wie es eine selbsternannte Führungsriege von progressive activists fordert.

Kristina Lunz schildert sorgfältig und detailliert, wie weit Menschen mit Vernichtungswillen zu gehen bereit sind – und welche Anstrengungen es erfordert, sich immer wieder gegen Falschbehauptungen zu wehren, vor allem wenn Sie auf Social-Media-Plattformen erhoben und verbreitet werden.

Das Steinewerfen gegen uns ging weiter: Immer neue, haltlose Anschuldigungen tauchten in Form nichtssagender Instagram-Kacheln auf. Wir hätten Angestellte wegen ihrer pro-palästinensischen Haltung entlassen. Investigative Journalist:innen, die diesen Vorwurf sowie einen vermeintlich „offenen“, tatsächlich aber anonymen, Brief prüften, recherchierten vermeintlich Betroffene. Doch es fand sich niemand. Im Rahmen der juristischen Auseinandersetzung habe ich diese neuen Behauptungen durch eidesstattliche Versicherung als auch Personal- und Vertragsunterlagen klar widerlegt. Doch all das hatte für die Anarchie von Social Media keine Relevanz. Der Mob zog einfach weiter, hin zu anderen Themen und Eskalationen. Einer der Hauptakteure, ein hasserfüllter, junger Mann hetzt(e) und postet(e) weiter, zu viele taten und tun es ihm gleich. Eine Handhabe gab und gibt es nicht. Der Hass schwappte von kleinen Accounts auf größere über, Personen mit zehntausenden Followern griffen die Diffamierungen auf, teilten sie in ihren Instagram-Stories. Organisationen riefen auf der Grundlage der Falschinformationen zum Boykott gegen uns auf, Geldgeber beendeten Projekte. Der substanzielle finanzielle Schaden war das Eine, das Andere noch schlimmer: Wir mussten sofort zwei Projektmanagerinnen entlassen, deren Gehalt vollständig über eines dieser Projekte finanziert war.

Lunz spricht auch einen Punkt an, der mir besonders große Angst macht:

Wenn Menschen erst einmal öffentlich „fertiggemacht“ wurden, beginnt ein weiterer Prozess: Je öfter falsche oder überzogene Anschuldigungen inszeniert werden, desto größer wird die Skepsis gegenüber tatsächlichen Fällen von Gewalt und Diskriminierung. Das schwächt nicht nur die demokratische Kultur, sondern trifft besonders feministische und antirassistische Bewegungen – jene, die auf Differenzierung, Glaubwürdigkeit und den Schutz von Betroffenen angewiesen sind. So droht eine gefährliche Verengung des demokratischen Spektrums.

(…)

Es stellt sich zunehmend heraus, dass Menschen nicht zwingend Wert darauf legen, ob die Informationen, die sie lesen und weiterverbreiten, tatsächlich richtig sind. Sie wollen bestimmten Quellen – so auch Influencer:innen – glauben. Und deren wünschenswerte Charakteristik ändert sich: Vertrauen wird in der Gegenwart oft nicht mehr durch journalistische Sorgfaltspflichten oder faktenbasierte Recherche definiert, sondern durch persönliche Bindung und emotionale Übereinstimmung.

tl;dr Beteiligen Sie sich nicht an Hass und Hetze, auch nicht wenn bestimmte Reizwörter heftige Gefühle bei Ihnen auslösen.

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Journal Mittwoch, 30. April 2025 – Balkoneröffnung“

  1. Jürgen Plieninger meint:

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    Made my day

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