Fotos

Journal Samstag, 11. Mai 2024 – Wahlhilfegeschult in neuer Rolle

Sonntag, 12. Mai 2024

Früh aufgewacht, aber erfrischt, und überhaupt kam mir das sehr entgegen.

Unter anderem kam ich so kurz nach neun los auf meine Laufrunde durch einen herrlichen Frühlingstag, wundervolle klare Luft, mit leichten Beinen. Ich nahm dieselbe Runde wie schon am Donnerstag: Alter Südfriedhof, Westermühlbach, Flaucher, Maria Einsiedel und zurück.

Spielplatz in einem Park mit alten Bäumen, kleinsieht man darin zwei Kinder und eine Erwachsene

Der Nußbaumpark wurde bereits bespielt.

Park-ähnlicher Friedhof im Sonnenschein mit wenigen alten Grabsteinen

Kleineres viereckiges Graffiti an Brückenpfelier, darauf eine Kloschüssel und die Wörter "Dead" und "shit"

Unter der Braunauer Eisenbahnbrücke.

Blick durch Bäume auf sonnenbeschienenen Fluss

Blick auf FLusslandschaft unter einer Eisenbahnbrücke durch, die mit Graffiti bemalt ist, dahinter am Horizont zwei Türme eine Kirche

Ich bog auf dem Rückweg wieder zum Bäcker ab und stellte fest, dass das Glockenbachviertel wuselte: Tag der Hofflohmärkte, das Angebot bordete über und wurde rege angenommen.

Frühstück schon um zwölf: Apfel, Körnersemmel. Die frühe Uhrzeit war meinem Nachmittagstermin geschuldet: Wahlhilfeschulung für die Europawahl am 6. Juni, ich absolvierte zum ersten Mal die Schulung zur Wahlvorsteherin (werde als stellvertretende solche fungieren). Nachdem mich der letzte Einsatz bei der Landtagswahl sehr gestresst hatte, wollte ich mir das ja eigentlich nicht mehr antun. Doch Europawahl ist wirklich die einfachste Wahlhilfe (mit der war ich seinerzeit auch eingestiegen), das ging nochmal.

Die Schulung fand im Gebäudekomplex des KVR statt, ich mäanderte durch den wundervollen Frühlingstag im Schlachthofviertel hin.

In einem Seminarraum Blick auf Leinwand, auf der steht "Herzlich willkommen zur Schulung für Vorstehende im Wahlraum"

Blick aus einem modernen verglasten Treppenaus auf eine alte Häuserzeile

Die Schulung war spannend (auch wenn ich gerne nochmal Schriftführung übernommen hätte: es gibt neue Wahlkoffer, neue Software), ich lernte einiges auf vielen Ebenen, auch auf der menschlichen. Und ich erfuhr, dass die Landtagswahlhilfe vergangenes Jahr nicht nur mich besonders anstrengend war, aus denselben Gründen.

Auf dem Rückweg schlenderte ich und nahm mir die Zeit für Fotos.

Altmodische Ladenfront in Altbau, darüber ates Schild "Obst Lebensmittel Gemüse", davor steht ein Hollandrad

Altmodische Ladenfront in Altbau mit altem Schild "Waschmittel", rechts neben Laden ein roter Kaugummiautomat

Moderne Kirchentür in schlichter Mauer, Schrift "St. Andreas"

Blick in sonnige Stadtstraßenkreuzung mit Radler und weißem Auto, ganz im Hintergrund einer Straße sieht man die Bavaria

Im Nußbaumpark begegnete ich mehr als einer Sorte… ähm… Hörnchen in Bäumen.

Baumstamm mit Eichhörnchen

Baumkuhle mit Ratte

Das untere war nur eines einer Dreier-Gruppe.

Daheim gleich mal Brotteig geknetet – da der Buttermilchbecher nicht mehr voll war, ergänzte ich mehr Wasser.

Während der Brotteig sein Ding machte, also Gehen, setzte ich mich auf den genau richtig temperierten Balkon. Auf dem Weg zur Schulung hatte ich am Volkstheater Werbung für die aktuelle Inszenierung von Dürrenmatts Besuch der alten Dame gesehen – Check ergab einen sehr spannenden Ansatz. Da Herr Kaltmamsell sich in letzter Zeit etwas offener für Theaterbesuche zeigte, fragte ich ihn, ob er mich begleiten würde – und kaufte uns dann gleich zwei Tickets (die allerletzten für die Vorstellung, läuft für’s Volkstheater, was?).

Und weil mich die Empanada so gefreut hatte, schrieb ich das Rezept auf meine Rezeptseite.

Fürs Nachtmahl sorgte Herr Kaltmamsell: Es gab persisches Rhabarberlamm, Rhabarber aus Ernteanteil.

Gedeckter Tisch mit weißem, gefüllte Teller - Reis und Ragout, darüber große Pfanne mit Ragout, kleiner Topf mit Reis

Rhabarber, Lamm und Minze passten gut zusammen, insgesamt ist das aber nicht mein Lieblingsgeschmack. Nachtisch Schokolade.

Das Brot gelang gut:

Aufsicht auf einen schwarzen, eisernen Topf, darin ein beim Backen aufgerissener Brotlaib

Im Fernsehen stolperte ich in den Disney-Trickfilm Vaiana (englischer Originaltitel Moana. Why.). Er gefiel mir so gut, dass ich den Rechner zuklappte und ihn mit ganzer Aufmerksamkeit ansah: Ein pures Märchen mit einigen wunderschönen Ideen – allein die erzählenden Tatöwierungen! Und was die Animation mit dem Protagonisten Wasser gemacht hat, ist atemberaubend.

§

Margaret Atwood ist einem Alter (84), das mich sofort besorgt macht, wenn ich länger nichts von ihr höre. Zu meiner Beruhigung stellt sie sich in dem Interview mit Lisa Allardice im Guardian als quicklebendig heraus:
“‘I can say things other people are afraid to’: Margaret Atwood on censorship, literary feuds and Trump”.

“I’m a kind of walking opinion poll,” she says. “I can tell by the questions that people ask me what’s on their minds. What is the thing they’re obsessing about at the moment.” The backwards turn of women’s rights, with the ruling just this month that the 1864 total ban on abortion be enforced in Arizona, for example, is high on the list. But as always she is careful to stress that there is no one answer to questions about the future for women. “I have to ask which women? How old? What country? There are many different variations of women.”

§

In der vergangenen Zeit berichten Medien immer wieder über “Trends”, von denen ich vorher nichts wusste – und verstehen darunter Themen, die besonders viel durch Social Media gereicht werden. Fachmann Jens Scholz erklärt den Denkfehler des Mechanismus’ in einem Mastodon-Thread.

Journal Freitag, 10. Mai 2024 – St. Brück mit Schwimmen, Balkon, Pediküre

Samstag, 11. Mai 2024

Gut geschlafen, wäre auch über Weckerklingeln um sechs so gewesen, doch ich wollte ja gerne Herrn Kaltmamsell Milchkaffee machen.

Hell wurde es zu einem sonnigen Tag, das freute mich. Für meine geplante Schwimmrunde konnte ich dennoch nicht ins Dantebad, das wird noch bis nächsten Dienstag überholt.

Ich kam recht früh los, ließ mich aber leider durch das Hoppeln von roter Ampel zu roter Ampel auf der Schleißheimer Straße nerven, auch durch Leute, die zu zweit ratschend nebeneinander radelten und Überholen ohne Lebensgefahr unmöglich machten.

ABER! Die Bahnen im Olympiabad waren eher leer, das Schwimmen lief leicht und nahezu schmerzfrei (ein bisschen Schulter und Kreuz ist immer).

Auf dem Heimweg machte ich einen Umweg für Einkäufe auf der Schwanthalerhöhe. Sherry-Essig scheint ganz aus der Mode gekommen zu sein: Die drei (!) Regale mit Essig im dortigen Edeka waren zur Hälfte von schier unendlichen Varianten Aceto balsamico und “Condimento” belegt – aber kein Sherry-Essig.

Bei Ankunft zu Hause packte ich Einkäufe aus – und war erstmal beschäftigt: Ein Becher Buttermilch war zur Hälfte ausgelaufen (ins Badetuch, mir ist ein komplettes Rätsel, wie er sich daran hatte aufpieksen können).

Es war mild genug für Aufenthalt draußen geworden, ich befreite den Balkon mit dem Staubsauger von den gröbsten Spuren der Unwetter an den Tagen zuvor.

An sich hatte ich für den Nachmittag vor meinem Pediküre-Termin noch einen Museumsbesuch unterbringen wollen, entschied mich dann aber gegen potenzielle Hetzerei und für Gammeln. Frühstück um halb zwei: Apfel, Empanada vom Vorabend – der Teig ist wirklich super, schmeckt auch am nächsten Tag noch und ist saftig.

Blick über eine Balkonmauer hinweg, im Vordergrund ein Stück Zeitung auf Tisch, auf dem Balkon grüne Pflanzen, im Hintergrund die Wipfel von sonnenbeschienenen Bäumen.

Ausführliche Zeitungslektüre statt Kunstfoyer der Versicherungskammer (was ich aber hoffentlich noch nachhole).

Irgendwann kam Herr Kaltmamsell aus der Arbeit, erzählte ein wenig, ging an seinen Schreibtisch zum Weiterarbeiten. Ich wiederum spazierte ins Westend zu meiner Kosmetikerin und ließ mir endlich mal wieder die Füße richtig schön machen. Es war mild genug für Jackenlosigkeit – und Sandalen, damit der frische Lack auf den Fußnägeln auf dem Rückweg keinen Schaden nahm. Ich hatte meinen glitzernden Disco-Lack dabei, weil der einfach so viel länger hält als konventionelle Farblacke (und weil er Spaß macht).

Zurück daheim turnte ich eine Runde Yoga-Gymnastik mit viel Dehnung für den durchschwommenen Oberkörper.

Aufs Wochenende wollten wir mit Maibowle anstoßen, seit dem Besuch bei meinen Eltern am Donnerstag hatte ein Sträußchen Waldmeister vor sich in gewelkt. Erst nach gut 24 Stunden hatte er leisen Waldmeisterduft abgesondert – der Waldmeister aus dem Töpferl, den wir in den vergangenen Jahren mehrfach besorgt hatten, war da deutlich schneller und intensiver gewesen.

Herr Kaltmamsell hatte das Sträußchen für anderthalb Stunden in trockenen Weißwein gesteckt, jetzt kam es raus, der Weißwein wurde mit Pizzolato Moscato Spumante Dolce aufgegossen.

Zwei lächelnde Gesichter prosten mit Sektschalen in die Kamera, im Hintergrund sonnige Bäume

Im Alkohol schmeckte man den Waldmeister dann aber deutlich.

Zum Nachtmahl hatte Herr Kaltmamsell die Radieserln aus Ernteanteil verarbeitet. Weil sie mir roh inzwischen nicht mehr bekommen (wie nach dem Essen von Radi muss ich anschließend aufs Unangenehmste Rülpsen und nein, Einsalzen hilft nicht), hatte er Radieschensuppe gekocht.

Gedeckter Tisch, im Vordergrund ein weißer Suppenteller mit einer hellrose Suppe, dahinter eine Glasschüssel mit grünem Salat.

Schmeckte ok, Suppe mit Sauerrahm immer gut. Den restlichen Ernteanteil-Salat hatte ich mit Zitronensaft-Dressing angemacht, dazu gab es je ein weiteres Stück Empanada vom Vorabend. Nachtisch ein wenig Erdbeeren, viel Schokolade.

Herr Kaltmamsell guckte die Promi-Tanzshow auf RTL, ich ließ mich statt davon lieber von Didier Eribons Ausführungen über alte Menschen deprimieren, die am Ende ihres Lebens durch Übersiedlung in ein Pflegeheim endgültig gebrochen werden.

Journal Donnerstag, 9. Mai 2024 – Christi Himmelfahrt mit Empanada-Erfolg

Freitag, 10. Mai 2024

Gut geschlafen, einmal von einem einparkenden alten Dieselauto geweckt worden. Draußen waren die Straßen noch nass, doch der Regen hatte aufgehört.

Abends wollte ich Thunfisch-Empanada machen, noch ein Versuch, diesmal mit diesem Teig aus den Kommenteren. Da ich wahrscheinlich nicht rechtzeitig für Start am Nachmittag daheim sein würde, knetete ich den Teig morgens (Hefe mit etwas Zucker und Wasser einzeln anspringen lassen) und stellte ihn zum Gehen in den Kühlschrank. Ich brauchte schonmal deutlich mehr Wasser als im Rezept angegeben, um zu einer überhaupt knetbaren Konsistenz zu kommen.

Kurz nach Mittag wollte ich zu meinen Eltern nach Ingolstadt fahren, also machte ich mich schon kurz nach neun fertig zu einem Isarlauf; dieser nicht ganz so lang wie sonst, damit ich am Samstag für einen weiteren fit bin.

Es war kühl, also kehrte ich zurück zu langen Laufhosen. Ich lief direkt ab Haustür über den Alten Südfriedhof nach Thalkirchen. Fitness ok, aber das ganz große Vergnügen stellte sich nicht ein.

Parkrand mit blühenden Bäumen, im Hintergrund Straße

Die Robinien blühten, waren aber noch zu regennass für Duft.

Park-artiger Friedhof mit wenigen alten Grabsteinen zwischen hohem Gras und Bäumen

Ausgang eines Fußgängertunnels, aus dem man in eine Grünanlage sieht

Auf einem langen, breiten Fußgänger-Holzsteg mit verschiedenfarbigen Planken, der vor der Fotografin liegt und in Bäume führt

Grüne Flussaue mit Pfaden, blühenden Büschen, rechts der Fluss

Flusslandschaft mit Pfaden, darauf von hinten eine Gruppe Männer in Funktionskleidung, Kappen und Rucksäcken mit zwei Bollerwagen, jeder hate eine Bierflasche in der Hand

Überraschende Begegnung: Bollerwagenmännergruppe mit Bierflaschen in der Hand, noch in der stummen Phase, es ertönte das Gewummer von Oktoberfestmusik aus einem Lautsprecher. (In Bayern eigentlich unüblich.)

Blick auf FLusslandschaft unter einer Eisenbahnbrücke durch, die mit Graffiti bemalt ist, dahinter am Horizont zwei Türme eine Kirche

Blick von Brücke auf Fluss mit trübem Wasser, links am Ufer Bäume, im Hintergrund Türme

Blick von der Wittelsbacherbrücke Richtung Deutsches Museum, man sah der Isar die Regenfälle der Vortage an.

Auf dem Rückweg Semmelkauf. Dabei kämpfte ich mit der Bezahl-App auf meinem Handy, die plötzlich eine PIN haben wollte (zum Glück nach Semmelzahlen), von der ich nichts wusste, dann eine Zwei-Wege-Identifikation, auf die ich mich einließ, doch die angeblich abgeschickte TAN (an die korrekte Handy-Nummer) kam bei mehreren Versuchen in einer Stunde nicht an. Ich gab auf und werde halt vorerst wieder die Maestro-Karte zum Zahlen mitnehmen.

Zum Frühstück schon um zwölf gab es Apfel, zwei weiche Eier, eine Breze – leider hatte die Bäckerei gerade keinerlei Körndlsemmeln gehabt.

Mit einer Regionalbahn fuhr ich nach Ingolstadt (Storchsichtung am Himmel bei Baar-Ebenhausen): Ich brachte meiner Mutter ausgemusterte Sommerkleidung, im Gegenzug wollte ich von dem reichlichen Waldmeister im elterlichen Garten mitnehmen.

Hopfengarten in sonniger Landschaft

Unterwegs Hopfencheck in der Holledau: Er rankt bereits die Drähte hinauf.

Hopfengarten von näher

Das Wetter wurde auf der Fahrt nach Norden immer schöner und sonniger. Beim meinen Eltern ließ es sich im schattigen Garten frierfrei sitzen.

Während meine Mutter meine Sommerkleidung durchprobierte, zu unserer beider Freude passten einige Kleider, die ihr auch gefielen, testete ich das zweiteilige Kleid, dass sie mir 1984 für meinen Abschlussball genäht hatte: Ein Kandidat für die Jahrhunderthochzeit im August. Es ließ sich sogar schließen, saß allerdings ausgesprochen prall. Ich bin halt wirklich keine 16 mehr – und unter anderem einige Zentimeter größer.

Nahaufnahme winziger Früchte an einem Baum, im Hintergrund die Terrasse eines Reihenhauses

Der vor zwei Jahren gepflanzte Mirabellenbaum trägt bereits Früchte.

Plaudern mit Mutter im Garten, Besichtigung der Ländereien mit Vater – der Zwetschgenbaum mit den köstlichsten Zwetschgen der Welt sieht leider sehr ungesund aus. Schon nach zwei Stunden spazierte ich zurück zum Bahnhof. Diesmal dauerte die Fahrt deutlich länger als geplant, “Grund dafür sind unbefugte Personen auf der Strecke”, was mir durchaus Gewaltfantasien bereitet.

In München war es immer noch deutlich kühler als in Ingolstadt. Dass das Wetter sich in diesen nur 80 Kilometer voneinander entfernten Städten oft deutlich unterscheidet, ist immer wieder spannend, sie gehören zu verschiedenen Wetterzonen: München ist Alpenrand, Ingolstadt Donaugebiet.

Daheim machte ich mich an die Empanada. Die Füllung aus der Lameng: Ernteanteil-Zwiebeln und Knoblauch in reichlich Olivenöl weich gegart, dazu ein wenig eingelegte geröstete Paprika (waren übrig), gewürzt mit Pimentón de la vera (süß und scharf) und Safran, dazu kamen Dosenthunfisch und Ernteanteil-Spinat (vorgegart und kleingeschnitten).

Der Hefeteig war eine Stunde vorher aus dem Kühlschrank gekommen, war darin schön aufs Doppelte aufgegangen und ließ sich gut handhaben (klebte nicht, war nur mittelmühsam auszurollen).

Zu meiner großen Erleichterung bekamen wir ein sehr gutes Abendessen, und ich habe nach all den Fehlversuchen wieder ein brauchbares Empanada-Rezept (ich weiß einfach nicht mehr, wie ich sie zu Studienzeiten immer wieder mühelos hinkriegte). Jetzt kann ich bei der Füllung nach Herzenslust variieren, Konstante ist eigentlich nur Pimentón de la vera. Nachtisch Schokolade.

Ins Bett mit Freude auf den freien Brückentag.

§

Mit großem Unwohlsein beobachte ich, wie die Einschätzung des aktuellen Nahost-Koflikts auch in informierten und reflektierten Kreisen immer parteiischer wird, in die eine oder andere Richtung. In manchen Social-Media-Accounts sah ich in den vergangenen Wochen live immer engere Filter für Informationen, immer krassere Scharz-Weiß-Zeichnung, bis mich wütende sprachliche Entgleisungen zum Stummschalten brachten.

Avner Ofrath versucht sich in Merkur an einer besonnenen Einordnung und Analyse:
“Anatomie der Gewalt”.

Noch nie in der Geschichte des Israel/Palästina-Konflikts wurden Menschenleben so gleichgültig, so rücksichtslos behandelt wie in den letzten Monaten.

§

Kurze Erinnerung, dass die Forschung zu Transsexualität keine aktuelle Erfindung ist und 1933 erstmal duch Nazis unterbrochen wurde: Am 6. Mai jährte sich die Nazi-Razzia im Institut für Sexualwissenschaft in Berlin, inklusive Vernichtung der Bibliothek:
“Nazis raid Sexology Institute”.

§

Das British Museum nutzt auf instagram die Met Gala für einen Abgleich
“Who wore it better: A-listers versus art history!”

Journal Montag, 6. Mai 2024 – Von Sonnenschein bis Regenfluten

Dienstag, 7. Mai 2024

Diesmal eine ruhigere Nacht. Es wurde hell zu einem schönen Maientag.

Blumen in einem gemauerten Beet vor einer Mauer

Wenige Meter vor der Haustür wunderschöne Blumenbeete.

Große sonnige freie Fläche hinter Baumreihe, ganz am Ende die Bavaria mit Ruhmenshalle

Treppe hinaus aus einem U-Bahnhof, oben blauer Himmel, links eine rot blühende Kastanie

In der Arbeit Turbo-Start ab Sekunde 1, doch ich konnte zielgerichtet und konstruktiv arbeiten. Besprechung 1, Besprechung 2, währenddessen Mails beantwortet, Infos weitergeleitet. Vor dem Weiterarbeiten tauchten plötzlich die eingetippten Buchstaben nur zum Teil auf dem Bildschirm auf, diesmal wusste ich sofort: Batterie der Funktastatur alle (bis ich das beim ersten Mal rausgefunden hatte!). War in diesem Arbeitsdruck ein ganz schlechter Zeitpunkt, aber half ja nichts: Ich schoss los und holte Ersatz im Haus.

Kurz darauf weiteres Losschießen auf einen Mittagscappuccino bei Nachbars.

An diesem turbulösen Arbeitstag wurde das Mittagessen spät und hastig: Apfel, Joghurt mit Quark.

Aber: Ich hörte Bulgarisch! Allerdings zu Buchhaltungsthemen, ich hatte auf vielen Ebenen keine Chance zu Verständnis.

Kurz vor eh spätem Feierabend begann es zu regnen. Na gut, machte ich noch etwas fertig.
Doch aus dem Regen wurde ein dunkelgraues Gewitter mit Sturzregen, ich sah vom Büro aus in der Gewitterdunkelheit die Sheets of rain, wie es das Englische so passend beschreibt.

Ich dachte sofort an die gestern auf den Balkon gestellten Pflanzen: “Und ich sach noch: DAS IST SCHEISSE HIER DRAUSSEN!”

Rausgehen war erstmal außer Diskussion, der Regen drückte sogar ins Gebäude. Meine Helden: Die beiden Tauben, die ich vorm Büro durch die Fluten fliegen sah. Ich gab Herrn Kaltmamsell telefonisch durch, dass ich die angekündigten Einkäufe fürs Abendbrot nicht würde tätigen können.

Als der Wasserguss zu normalem heftigen Regen nachließ, wagte ich den Weg mit Schirm zur U-Bahn. Am Stachus ging ich in den Edeka, kaufte wenigstens ein paar Dinge von der Einkaufsliste. Nach Hause kam ich dann schon in unauffälligem Regen. Herr Kaltmamsell hatte die Pflanzen in den überdachten Teil des Balkons gezogen, sie sahen nur wenig lädiert aus. Der Putzeimer, den der gestrige Putzmann mit den Lappen auf den Küchenbalkon zum Trocknen gestellt hatte, stand zu einem Drittel voll Wasser.

Ich hatte noch Zeit für eine Runde Pilates mit Nicole und lernte, dass das Australische Triphtonge enthält, wie ich sie sonst nur aus dem Oberpfälzischen kenne: “Mäoument.” Die Gymnastik tat sehr gut.

Zum Nachtmahl servierte Herr Kaltmamsell das restliche Thai-Curry vom Sonntag, verlängert mit Garnelen (den geplanten Tofu hatte ich nicht bekommen), und Reis. Nachtisch Schokolade.

Im Bett las ich Nele Pollatschek, Dear Oxbridge: Liebesbrief an England aus.

Journal Samstag, 4. Mai 2024 – Von Starnberg über Andechs nach Herrsching in unerwarteter Sonne

Sonntag, 5. Mai 2024

Mittelgute Nacht, denn ich wachte immer wieder von Hackebeil-in-der-linken-Gesichtshälfte-Schmerzen auf.

Herr Kaltmamsell schenkte mir den Großteil des gestrigen Tags für eine Wanderung. Darum hatte ich ihn schon vor Wochen gebeten, doch er machte mir wenig Hoffnung: Zu viel Arbeit, außerdem laboriert er immer noch wie seit Monaten an einer Kalkferse, die ihm das Tragen geschlossener Schuhe schmerzhaft macht. Umso mehr freute mich, dass er am Donnerstag ankündigte, er wolle eine Wanderung versuchen. Da hatte ich schon für mich allein die Strecke von Starnberg nach Andechs und Herrsching rausgesucht, von der ich auf meinem Regenabenteuer durch die Maisinger Schlucht erfahren hatte.

Und dann war das Wetter auch noch wunderbar sonnig und warm – wo doch eigentlich bedeckter Himmel und mittelkühle Temperaturen angekündigt waren.

Herr Kaltmamell machte ein wenig Druck, damit wir schon einen Zug um zehn nach Starnberg erwischten.

Draußen Cafétischchen im Sonnenschein, daraud Cappuccinotassen, im Hintergrund ein See mit Passagierschiff

Bei Ankunft gab es erstmal Cappuccino am italienischen Standl am See.

Unter einem Nebentischchen sitzt ein Spatz

Mit Spatzenbegleitung!

Links See, rechts in den See ragend ein Fischerhäusel, die Wand mit hellem Graffiti bemalt

Und dann durch Starnberg in die Maisinger Schlucht und an den Maisinger See. Herr Kaltmamsell zitierte Gedichtfragmente, und ich stellte die These auf: So wie es heute Menschen gibt, die die Welt nur durch den Bildschirm ihres Smartphones wahrnehmen, gab es früher(TM) welche, die die Schönheit der Natur und der Jahrezeiten nur durchs Gedichtelesen wahrnahmen und selbst gar nicht rausgingen und hinsahen.

Sonnige Landschaft mit hellgrüner Wiese, hell ergrünten Bäumen, knallbaluem Himmel mit weißen Haufenwolken

Rechts seichter Bach, links Wiese und Weg, umgeben von ergrünten Bäumen

See, in den einige Stufen mit Holzgeländer führen und in dem sich blauer Himmel mit weißen Wolken spiegelt

Vom Maisinger See bogen wir diesmal nicht wie sonst Richtung Pöcking ab, sondern gingen weiter nach Andechs.

Weite Landschaft mit Wiese im Vordergrund und dunstige Alpenkette im Hintergrund, darüber weiß-blauer Himmel

Runder Verkehrsspiegel vor blauem Himmel, in dem sich zwei Wanderer fotografieren

Durch Aschering.

Siedlung in der Sonne hinter Bäumen und einer Wiese

Hinter Rothenfeld (Ableger der JVA Landsberg am Lech) machten wir nach gut zweieinhalb Stunden Pause und Brotzeit.

In der Sonne zwischen zwei Bäumen eine Bank, darauf sitzt ein Wanderer

Es gab Apfel und Käsebrot (aufgetautes selbst gebackenes mit Manchego). In dieser Gegend waren die Bäume und Büsche noch nicht so weit wie in München, ich bekam reichlich Fliederduft – so wie überhaupt herrliche Frühlingsdüfte, Farben (grüner wird’s nicht!) und Anblicke. Die Vogelwelt legte sich ebenfalls ins Zeug: Wir sahen einen Graureiher, Falken, Bussarde, unter anderem. Und viele Hühner: Hinter Maising und vor Andechs passierten wir Wiesen, auf denen fahrbare Hühnerhütten standen, umgeben von Hühner…herden.

Nach Andechs kamen wir aus einem ganz anderen Winkel als gewohnt – aber eigentlich der korrekten Richtung, nämlich entlang dem Pilgerweg mit Kreuzwegkapellen.

Schattiger Wanderweg durch Laubwald

Sonnige Wiese, weit im Hintergrund eine Klosteranlage mit Zwiebelturm

Derselbe Anblick näher, jetzt mit links einem gemauerten Kreuzweghäuschen

Jetzt am Himmel: Reichlich Segelflugzeuge.

Die barocke Klosterkirche im Sonnenschein von außen

Die Aufnahme der Andechser Wallfahrtskirche hat die Perspektive so brutal verzerrt, dass ich sie nicht mehr wegkorrigiert kriege – und sie gleich lasse.

Blick auf einen Aussichtspunkt mit Menschen und einem riesigen christlichen Kreuz, im Hintergrund sonnige Landschaft mit Alpenkette

Nähere Aufnahme dieses Aussichtspunkts, im Mittelpunkt eine Frau mit Fahrradhelm von hinten, die gerade mit ihrem Handy die Aussicht fotografiert

Diesmal gingen wir durch die Kienbachschlucht runter nach Herrsching – und waren pünktlich zur Abfahrt der S-Bahn am Bahnhof.

Blaues Holzhäuschen mit einer Verkaufsluke unter einem blühenden Apfelbaum im Sonnenschein, drumrum Menschen

Nachtrag: Nahezu unerträglich idyllischer Kiosk in Herrsching.

Sonnenbeschienener Hügel mit Bäumen, oben lugt ein Zwiebelturm in den blauen Himmel, unten steht eine Mariensäule

Weiterer Nachtrag: Herrsching.

Das waren etwa 16 Kilometer in knapp fünf Stunden gewesen mit einer ausführlichen Pause, auch Herr Kaltmamsells Körper hatte ohne große Schwierigkeiten mitgemacht.

Ab dann wurde es zäh, am Wochenende hemmen Baustellen an der Stammstrecke den S-Bahn-Verkehr. Hauptspaß war diesmal das Umsteigen in einen Regionalzug in Pasing. Exakt um die Abfahrtzeit schickte uns eine Durchsage zu einem anderen Bahngleis – großes Rennen vieler Menschen. Eine Minute nach Ankunft dortselbst schickte uns eine weitere Ansage zurück zum ursprünglichen Gleis, an dem der erwartete Zug bereits stand. Allgemeines Fluchen und Keuchen, ich leistete mir Amüsement.

Daheim Zeitunglesen auf dem Balkon, eine Folge Yoga-Gymnastik mit Rundum-Stretch. Vom Nußbaumpark tönte Musik: Derzeit finden die Kulturtage Ludwigvorstadt Isarvorstadt statt, der Nußbaumpark ist der Festplatz.

Zum Nachtmahl kochte Herr Kaltmamsell einen Eintopf aus Schwarzen Bohnen (getrocknet vom Kartoffelkombinat-Partnerbetrieb Biohof Lex), Ernteanteil-Lauch, geräucherten roten Paprika, Mandeln, Ernteanteil-Kartoffeln, den er im Guardian als “leek and beans romesco” gefunden hatte – er schmeckte hervoragend (zufällig vegan). Zum Nachtisch gab es erst Brandy Alexander, dann Schokolade.

Im Bett eine neue Lektüre: Nele Pollatschek, Dear Oxbridge: Liebesbrief an England. Zum Schlafen schloss ich dann lieber das Fenster und sperrte die herrliche Frühlingsluft aus: Nach lauter Musik kam lautes Abbauen vom Nußbaumpark und von der Straße vor meinem Fenster.

Journal Mittwoch, 1. Mai 2024 – Diesig, sommerlich, feiertäglich

Donnerstag, 2. Mai 2024

Eine gute Nacht, die für meinen Geschmack allerdings zu früh endete. Auch für den ersten Balkonkaffee, es war noch viel zu kalt. Nun, ich hielt mir das “Mehr vom Tag” vor Augen.

Für den Morgen war ich mit meinem Bruder zum Telefonieren verabredet, ich hatte schon viel zu lange nichts mehr aus seinem Leben mitbekommen. Das war dann ein schönes, ausführliches Telefonat.

Draußen hatte es wie angekündigt sehr schönes Wetter mit Sonnenschein und Wärme, allerdings sorgte wieder Saharasand für einen diesigen Schleier. Als ich zu meinem Isarlauf startete, war es bereits später Vormittag, ich wählte die Strecke direkt von der Haustür aus über Alten Südfriedhof Richtung Wittelsbacherbrücke und Thalkirchen. Ich lief beschwerdefrei, nur das letzte Drittel fühlte sich anstrengend an.

Allerdings war sehr viel los, klar bei diesem Wetter am Maifeiertag. Ich lief also in Schwaden von Grillanzündern und immer wieder Slalom durch Radln, Hunde, sommerlich gekleidete Menschen.

Alter Friedhof mit großen Bäumen, rechts eine kleinere Kirche, davor ist der Weg mit Brettern verschalt

Hinter St. Stephan wird gebaut, aber laut Infotafel nur bis Juli.

Das Grab von Carl Spitzweg, allerdings ein Ersatzstein, wie ich aus einer Friedhofsführung weiß, der originale verschwand in den Wirren der Zerstörung durch Bombenangriffe im Oktober 1943.

Flaucher.

Unter der Brudermühlbrücke entdeckte ich neue Street Art.

Buntes Graffiti auf einem breiten Brückenpfeiler

Buntes Graffiti auf einem breiten Brückenpfeiler

Silbernes Graffiti auf einem Brückenpfeiler

Grafitti in Weiß und Schwarz auf einem Brückenpfeiler

Blick auf einen Fluss, rechts badende Menschen, am Horizont eine Kirche

An vielen Stellen wurde in der Isar gebadet.

Zweischen grünen Bäumen Bierbänke, an denen Menschen sitzen, rechts ein rosafarbener Maibaum

Auf dem Weg zum Semmelholen im Glockenbachviertel schallte mir Blasmusik entgegen: Der Karl-Heinrich-Ulrichs Platz bekam gestern einen neuen schwulen Maibaum, das Rosa Stangerl.

Frühstück um halb zwei: Kürbissemmel, Grapefruit mit Joghurt. Obwohl ich extra nicht so viel gegessen hatte, wurde ich sehr müde – verkniff mir aber die Siesta, weil ich den Nachtschlaf auf den aufregenden Donnerstag nicht gefährden wollte.

Zeitunglesen auf dem Balkon, auf Linde und Ahorn davor eine sehr krähfreudige Krähe. Immer wieder fuhr eine Brise in die Baumkronen. Sie raschelten schon viel routinierter, vor zwei Wochen waren die Lindenblätter gerade erst jung und hell ausgeklappt, ihr Rascheln war noch eine sanfte, weiche Übung.

Neues Buch angefangen: Zoë Beck, Memoria. (The Night Watchman hat mir sehr gut gefallen, ich werde noch ausführlicher darüber schreiben.)

Fürs Abendessen war ich zuständig. Ich hatte mich an einen italienischen Braten erinnert, den ich in der ersten Zeit des Zusammenlebens mit Herrn Kaltmamsell mindestens zwei Mal gemacht hatte.

Mitte der 1990er hatte ich dieses Kochbuch, Das große Buch der italienischen Küche, bei einem meiner damaligen regelmäßigen Fischzüge durch reduzierte Bücher günstig erstanden. Ich fand die Rezepte interessant, glaubwürdig und gut geschildert, kochte viel aus diesem Buch (bevor es durch den GU-Meilenstein Die echte italienische Küche abgelöst wurde). Ein besonders abgefahrenes Rezept war Farsumagru, eine riesige Rinderroulade, die mit gewürztem Rinderhack, Käse, Speck und Ei gefüllt wurde. Meine vertraute Metzgereiverkäuferin damals in Augsburg beim Reiter schnitt die Roulade so aus der Oberschale, dass sie dreimal so groß wurde wie sonst.

Großes Rouladenfleisch

Den Dreh hatte die Fachfrau am Dienstag nicht heraus, ich bekam statt dessen zwei doppelt große und legte sie übereinander.

Aufsicht auf klein geschnittenen Speck, Eierscheiben

Riesenroulade in Pfanne, drumrum bratende gehackte Zwiebel

Während der Braten garte, turnte ich sportliche Yoga-Gymnastik.

Großer Glasteller, darauf Scheiben Riesenroulade und Nudeln

Ich war sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Und dann hörte ich auch noch das Schrillen der Mauersegler am Himmel, lief auf den Balkon: Jawoll, sie sind jetzt auch in der Innenstadt.

Früh ins Bett zum Lesen und mich verrückt Machen wegen Donnerstag, Letzteres gar nicht mal so schlimm.

§

Nele Pollatschek nimmt sich in der Süddeutschen die aktuelle Debatte um Schwangerschaftsabbrüche vor – nein, im Grunde nicht nur die aktuelle, sondern die bereits seit Jahrtausenden geführte: “Höchste Zeit also, mal durchzusortierten.”
“Schwere Geburt”.

Besonders interessant finde ich diesen Gedankengang:

Das eigentliche argumentative Problem der §218-Befürworter ist aber ein ganz anderes, das auch im Bericht der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung deutlich wird. Hier heißt es: “Dem Staat obliegt eine Schutzverpflichtung zugunsten des ungeborenen Lebens, die er letztlich aber nur mithilfe der Schwangeren erfüllen kann.” Die entscheidende Frage ist daher nicht “Was ist (potenzielles) Leben?”, sondern: “Was darf ein Staat einem Bürger antun, um das Leben eines anderen Bürgers zu erhalten?” Hier ist die Antwort, die der Gesetzgeber in allen Fällen außer §218 gibt, erschreckend eindeutig: nichts.

Wo ein Bürger eine Niere zum Überleben braucht und ein anderer Bürger zwei kompatible Nieren besitzt, darf der Staat nicht einfach zugreifen. Wo das Leben eines leukämiekranken Kindes nur durch eine Rückenmarkspende gerettet werden kann, darf der Staat sich nicht gegen den Willen eines kompatiblen Spenders bedienen. Nicht mal einen so minimalinvasiven Eingriff wie eine Blutspende darf der Staat zum Lebensschutz erzwingen. Sogar vor einer posthumen Organspendepflicht schreckt er zurück. So ernst nimmt der Staat das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, dass er es seinen Bürgern erlaubt, ihre toten Körper in Erdlöchern verrotten zu lassen, anstatt mit den Organen anderen das Leben zu retten.

§

Schon mal zum Einmerken:
8. Juni, 16 Uhr auf dem Königsplatz Demo gegen Rechtsextremismus.

§

“Autorin über Nachwendekinder: ‘Ich feiere Nie-Wieder-Vereinigung'”.

Die Aufarbeitung der Vereinigung von Ost- und Westdeutschland fängt gerade erst an. Die gesellschaftlichen und persönlichen Spuren sind tief. Zum Beispiel die von Paula ­Fürstenberg, 1987 in Potsdam geboren.

Meine Urerfahrung von Welt ist: wirklich überall Baustelle. Niemand weiß, wo es langgeht. Diese Straße heißt morgen anders, die Leute haben morgen einen anderen Beruf.

(Ich erinnere mich an eine Mitpatientin der Reha in Bad Steben aus Erfurt, die erzählte, mit welch wackligem Lehrplan und Material ihre Kinder in der Grundschule unterrichtet wurden: Die alten gingen ja wohl nicht mehr, neue waren aber noch nicht beschlossen.)

Journal Dienstag, 30. April 2024 – Metzgerei-Test und Casablanca

Mittwoch, 1. Mai 2024

Die letzten Stunden der Nacht leider unruhig und mit Kopfweh, wo ich doch so wohlig mit den Frühlingsnachtdüften aus dem offenen Fenster eingeschlafen war.

Schon auf dem Weg in die Arbeit war es mild; ich bereute die Jacke, da ich wusste, dass ich sie nach Feierabend würde heimschleppen müsssen.

Die Kastanien im Bavariapark in Blütenpracht.

Ausgesprochen emsiger Vormittag, für meinen Mittagscappuccino huschte ich nur zu Nachbars.

Die Mittagspause nutzte ich, um einer Metzger-Empfehlung nachzugehen, nachdem unser Metzger Schlagbauer in Wohnungsnähe aufgegeben hat. Diese Metzgerei liegt drei U-Bahn-Stationen von der Arbeit entfernt, dort gleich beim Ausgang, ist also gut erreichbar für eine Nutzung alle paar Wochen. Auch diese hat sich vor allem auf das Angebot von fertigen Speisen verlegt, daran stand eine lange Schlange. Doch die Auswahl der Fleischtheke sah ernsthaft aus, ich bekam meine extragroß geschnittene Rindsroulade für den geplanten Farsumagru am Mittwoch. (Nennung mit Empfehlung erst nach mehr Tests.) Allerdings ist die Mittagspausenzeit überreizt, wenn es sowohl hin als auch zurück U-Bahn-Probleme gibt und ich je eine Viertelstunde warten muss, sieht künftig eher nach Feierabendeinkauf aus.

Spätes Mittagessen am Schreibtisch: Mango mit Sojajoghurt und eingeweichten Haferflocken.

Der Nachmittag wurde zackig, ich versuchte, so viel wie möglich für die große Veränderung (meiner Rahmenbedingungen, ich bleibe, wo ich bin) am Donnerstag vorzubereiten, was unter anderem zu einer beachtlichen Zahl auf meinem Schrittzähler führte.

Auf dem Heimweg (ich ließ die Jacke einfach im Büro) noch ausführliche Einkäufe im Vollcorner.

Zu Hause eine Dehn-Runde Yoga-Gymnastik, dann öffnete ich einen Feierabendwein: Meinen ersten georgischen Amphorenwein, Koncho & Co Rkatsiteli Qvevri.

Maischevergoren, doch offensichtlich gefiltert, bernsteinfarben und dennoch trocken, auf jeden Fall ein neuer Weingeschmack mit seiner Sherrynote. Gefiel mir gut, doch mir fällt erst mal keine Speise dazu ein (luftgetrockneter Schinken?).

Als Nachtmahl machte Herr Kaltmamsell aus den restlichen Ernteanteil-Kartoffeln seine ersten Gnocchi (den Rest fror er ein).

Auf der Rbeitsfläche einer Küchenzeile rohe Gnocchi auf Plastikbrettern

Gedeckter Esstisch, im Vordergrund ein weißer Teller mit Gnocchi in Tomatensauce, im Hintergrund Topf und Weinglas

Sie waren ganz hervorragend gelungen, samtig und leicht, kein Vergleich zu dem pomfigen Klopsen aus dem Supermarkt.

Für den Nachtisch nutzten wir endlich die seit Wochen kalt gestellten Dessertschälchen aus der Gefriere und gingen zur nächstgelegenen Eisdiele in der Landwehrstraße – um grade mal noch etwas zu bekommen, die Schildchen an den Eissorten waren bereits weggeräumt: Der Eisdieler schloss gestern vorzeitig, um ein Fußballspiel anzusehen.

Selbst hatte ich mir als Abendunterhaltung Casablanca erbeten: Herr Kaltmamsell kennt den Film im Detail sehr gut, weil er ihn bereits mehrfach im Unterricht zur Vermittlung von Filmtechniken verwendet hat, von Drehbuch und Set über Besetzung und Kamera bis Film- und Zeitgeschichte. Ich aber hatte den Film nur einmal im Leben gesehen und kannte eigentlich nur die kanonischen bis ikonischen Bilder, Szenen, Dialogausschnitte.

Ich genoss ihn bei diesem zweiten Mal sehr, ein einmaliges Meisterwerk – mag die Meisterschaft auch zahllosen Zufällen geschuldet sein (zu den vielen Fans des Films gehört Steven Spielberg, hier erzählt er ein wenig, warum). Allein all die Kriegsflüchtlinge, die hier als Komparsen eingesetzt wurden und deren Vielfalt damit für immer festgehalten wurde!

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“Null Euro Eigenkapital, null Quadratmeter Anbaufläche und null Ahnung vom Gärtnern” – das Kartoffelkombinat wurde gestern 12 Jahre alt und erinnerte sich an seine Anfänge, unter anderem auf instagram (wo inzwischen regelmäßige Einblicke in unsere Gärtnerei gepostet werden, falls Sie mitgucken wollen).

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INTERNET IST TOLL! Ich glaube, ich erwähnte es schon mal. Denn Cordula Schulze hat wirklich gemacht, wovon ich seit Jahrzehnten denke: Man müsste endlich mal, bevor es weg ist. Nämlich Nachkriegsbaulücken mit provisorischer Bebauung festhalten, ich nannte sie immer Bombenlöcherfüller.

Geboren 1967 wurde ich groß mit deutschen Städten, in denen eingeschoßige Flachbauten mitten in viel höheren Häuserzeilen klar signalisierten: Hier stand mal ein Häuserzeilen-hohes Haus, das durch einen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, danach zog jemand schnell ein Provisorium hoch.

Cordula Schulze zeigt hier ihre Sammlung:
“Provisorien in Baulücken: ephemere Dauerhaftigkeit”.

Bei dieser Gelegenheit weise ich immer darauf hin: Es wird uns noch leid tun, wenn wir die Bombenlöcherfüller in den Städten, seien sie eingeschoßig oder höher, alle beseitigt haben, nur weil wir sie in einer späteren Phase hässlich fanden. Ihre sofortige Erkennbarkeit belegte ihren unverwechselbaren Stil – der dann nur noch auf Fotos existiert. Oder wie Cordula Schulze es formuliert:

Aus meiner Sicht eignet sie sich besonders dafür, uns die langfristigen Folgen von Kriegszerstörungen vor Augen zu führen.