Archiv für Februar 2011

Academy Awards 2011

Montag, 28. Februar 2011

Hola lovers!
Dass ich nach dem allen hier direkt in die Arbeit muss, soll uns nicht schrecken, ¿de acuerdo?
Eine große Kanne Tee steht bereit, der Rest wird sich zeigen.

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Schalte den Fernseher zu Helena Bonham Carter ein – ein gutes Omen.
Erster Versuch, dieses Posting ins Blog zu stellen, ist fehlgeschlagen: kein Internet. Ich spare mir weitere Bemerkungen über Omen.
WLAN steht, mehr kann ich von hier aus nicht überprüfen. Für Weiteres müsste ich den Mitbewohner wecken, da der Router in seinem Zimmer steckt. So wichtig ist das Ganze auch wieder nicht. Have you tried switching it off and on again? Probiere ich mal.

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Sandra Bullock schaut gut aus! UND sie war bei einem echten Friseur, das ist eine echte Erleichterung.
UND ich habe Internetzugang!

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Nicole Kidmans Schneider hat seinen Serviettenfaltkurs zu großem Vorteil genutzt. Aha, Dior heißt der Serviettenfalter. War das gerade ein australischer Akzent? (Den kenne ich nicht recht.)

“We have a question from twitter today, we are very modern.” Pah, bei uns lesen sie in der TAGESSCHAU aus Twitter vor!

Uiui, bereitet sich Christian Bale auf eine Neuverfilmung von Rasputins Leben vor? Sein Kopfhaar sieht sehr so aus.

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Hugh Jackman! Hat einen anderen Akzent als Nicole Kidman – klingt eher wie das, was ich mir unter Australisch vorgestellt hatte. Und er tanzt nicht – ich bin immer noch von vorletztem Jahr traumatisiert.

Tom Hanks schaut immer mehr aus wie mein tío Felix, wenn auch mit deutlicherer Aussprache (der Bruder meines Vaters nuschelt immer mehr, je älter er wird. Er sollte sich langsam das Aussehen von Jeff Bridges zulegen).

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Zum Einstieg ein großartiger Zusammenschnitt aller nominierten Filme.
Die Hosts in die nomierten Filme geschnitten – noch viel großartiger.
Anne Hathaway und ihr The dance of the brown duck: definitiv mein Liebling.

Aber schon ihre erste Punchline scheint daneben gegangen zu sein. („It used to be: Get naked, get an Oscar.“ – Und dann wartete sie vergeblich auf irgendwas, vermutlich Lachen.)
Annes Mutter und James’ Großmutter im Publikum dürfen mitmachen – mit mäßigen Gags.

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Tom Hanks präsentiert Art Direction, die meisten nominierten Filme habe ich nicht gesehen. Alice in Wonderland gehört dazu und gewinnt, sieht auch phantastisch aus. Einer der Oscars mit den weniger glamourösen Menschen auf der Bühne.

Gleich daran der Kamera-Oscar: Inception – sehen Sie, bei diesem Film hätte ich gedacht, dass das meiste nach dem Abfilmen passiert ist, nicht beim Aufnehmen. Ich habe halt keine Ahnung.

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Groupon bietet mir vergünstigtes Abnehmen durch Ultraschallbehandlung sowie kräftigen Rabatt auf Tatoo-Entfernung an. Ich beginne, den Erfolgsfaktor des Geschäftsmodells zu sehen.

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Kirk Douglas auf die Bühne – SELBST. Dafür gibt es einmal alle Aufstehen. Er präsentiert Actress in a supporting role: Melissa Leo – Film habe ich nicht gesehen. Aber bei den Vorstellungen war sie definitiv diejenige, die in Echt ganz anders aussah als im Film. Gut für sie. Und ein sehr schönes Kleid, ich mag diese Stehkragenausschnitte. Melissa Leo kämpft mit den Worten, schießt wild Witzeleien durch die Gegend (I can relate to that.) Soll ich The Fighter anschauen?

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Justin Timberlandlake ist der nächste Presenter. Den muss man mir immer zeigen, denn für mich sieht jeder zweiter Mann seiner Generation wie er aus. (Ich bin alt.) Animated Short Film: The Lost Thing. Trockene Dankesrede.
Animated Feature Film: Toy Story 3. „I can‘t believe I‘m saying this: Thank you to the Academy.“ Hatte er Händel mit der Academy – oder ist das einfach der Satz, der den Oscargewinn bezeichnet?

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Schnell ein Stück Topfbrot (ja, auch ich) und Butter in der Werbepause holen.
Javier Bardem in weißem Smoking – GAAHHH! Adapted Screenplay: The Social Network. Interessiert mich immer noch nicht.
Original Screenplay: The King’s Speech – beginnt jetzt der Award-Regen für diesen wundervollen Film?
Und was sagt es über die Show aus, dass die freundlichen Jokes der Gewinner besser sind als die durchgeplanten der Inszenierung?
Dankesrede nimmt den Preis entgegen „on behalf of all the stutterers all over the world“.

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Anne Hathaway singt, und zwar ziemlich überzeugend.
Helen Mirren, awwwww. Foreign language film: In a Better World, Denmark. Gab es schon mal einen dänischem Oscar?

Reese Witherspoon – schönes, schlichtes Kleid, anständige Frisur. Actor in a supporting role: Christian Bale. Na, der war fällig, auch wenn ich lieber Geoffrey Rush auf der Bühne gesehen hätte. Aber: Er ist anständig angezogen.

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Auftritt Academy-Boss, Verbeugung vor dem TV-Partner.
Neues Kleid für Anne Hathaway, auch nicht schlecht.
Hugh Jackman!
Boah, sie fahren ein ganzes Orchester auf die Bühne.
Original Score (Desplat! Nehmt Desplat!): Watt? Ich hab’s nicht verstanden. Ah: Reznor für The Social Network. Hmpf.

Scarlett Johansson hat keine Lust auf Ausschnitt und Oberweite, darf sie. Oder auf einen Friseur: Ihr Kopf sieht aus, als hätte sie mal eine Hochsteckfrisur gehabt, die sich vor dem Zu-Bett-Gehen aufgelöst hat. Sound Mixing: Habe ich jetzt total verpasst, die Frisur hat mich abgelenkt. Sie danken Hans Zimmer, dann wird es wohl Inception gewesen sein.
Sound Editing: Nochmal Inception, der Sound war wirklich nicht schlecht.

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Marissa Tomei, die sähe ich gerne mehr. Kleidwahl sehr repektabel. Ah, sie hat die Technikoscars vergeben (warum werden die nicht übertragen?).

Cate Blanchet. Wunderschöne Frau, grauenhaftes Kleid.

Make up: Wolf Man. Nu, dahinter steckt ganz sicher Meisterschaft.

Costume Design: Alice in Wonderland. Die Gewinnerin liest ab, kann ich gut verstehen.
Bislang eine Routineveranstaltung das Ganze.

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Kevin Spacey singt “Top Hat”, behauptet, er sei George Clooney, kündigt Randy Newman an, der zum 20. Mal für best song nominiert ist.
Den hätte man aber liebevoller abmischen können.

Oh, diesmal alle Songs hintereinander. Lieblos wie die ganze Inszenierung – bislang war die einzige nette Idee der Eingangsfilm. Hat ein Buchhalter den Abend geplant?

Zeit für den nächsten Gang: frische Datteln (sehr tastaturunfreundlich).

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Amy Adams in sehr schönem Kleid (die Halskette braucht es nicht).
Documentary short subject: Strangers no more
Short film (live action): God of love. Oh, ein junger Wuschliger, der ganz atemlos und süß ist.

Anne Hathaway in wieder neuem Kleid, nun ja. Aber sie spielt damit.

Oprah Winfrey in großartiger Robe.
Documentary Feature: Inside Job. Halleluja, endlich eine politische Aussage: Macher Charles Ferguson beschwert sich, dass drei Jahre nach dem Betrug, der zur Finanzkrise führte, immer noch kein Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen wurde.

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Billy Crystal! Der einzig wahre Oscar-Host!
Ausschnitte aus alten Oscarverleihungen. Man könnte doch einfach die alten Bob-Hope-Gags wiederverwenden. Würde keiner merken, und sie waren klasse.

Robert Downey Jr., Jude Law – ganz gut zusammen. Herr Law klingt ja out of character megabritisch. Visual Effects: Inception, aber hallo.
Film editing: The Social Network. Wenigstens die Dankesreden könnten ein bisschen aus dem Buchhalterischem fallen, nein?

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Neues Kleid für Anne Hathaway, auch schön. Jennifer Hudson (muss ich die kennen?) präsentiert zwei weitere Original Songs.
Gwyneth Paltrow singt? Und das ist Country? Wegen der Steel Guitar?
Original Song also: Randy Newman „We belong together“. Als nächstes Lifetime Award für ihn?

Immer noch kein Rückblick, weder auf die Verstorbenen noch auf irgendwas Thematisches aus Filmen. Wird das die originelle Idee des Abends?

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Celine Dion – die kenne sogar ich.
Endlich die Verstorbenen.

Halle Berry schön wie immer.
Anne Hathaway jetzt in Blau. Wenn schon sonst nichts.
Hillary Swank. Möchte nicht wissen, wie viele Wischmops für dieses Kleid ihr Leben lassen mussten.
Direction: The King’s Speech. Müsste jetzt vorne liegen.

Anette Benning (ich mag ihr Kleid nicht) präsentiert Lifetime Achievement.
Dazu ein Stück amerikanischen Apfelkuchen.

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Jeff Bridges mag seinen Bart schon sehr, oder?
Actress: Natalie Portman, keine Überraschung. Sie war aber auch erschreckend gut. Erste Tränen! Lob und Preis der Fortpflanzung („most important role of my life“), ach ja, die Hormone.

Sandra Bullock – das wäre auch eine hervorragende Oscar-Gastgeberin. Sie ist WITZIG.
Actor: Colin Firth. Sowas von verdient. Droht sehr eloquent damit, in einen Freudentanz auszubrechen.

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Anne Hathaway in neuem Kleid – Superschurkin Coal Woman?
Steven Spielberg.
Film: The King’s Speech. Sehr schön, insgesamt vier Oscars also.

Und jetzt Schulkinder auf die Bühne. Toll. Nicht.
Aber das habe ich inzwischen gelernt: Kinder reißen alles raus, immer. Da mag das eine ganz außergewöhnlich uninspirierte Oscarverleihung gewesen sein – schickt Kinder auf die Bühne, jeder findet sie süß, Pheromone werden ausgeschüttet, und alles ist vergeben und vergessen.
(Das nächste Mal Welpen bitte.)

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Jetzt Kaffee, Duschen, Arbeit.
Schreibungen korrigiere ich später.

Nachtrag 1.3.2011: Rolling Stone fasst die unterdurchschnittliche Show zusammen: “Worst Oscars.Ever.” via @videopunk

Was ich getwittert hätte, wenn Twitter mich ließe

Samstag, 26. Februar 2011

Tut mir leid, Klima: Ich habe das Frösteln so satt, dass ich die gesamte Wohnung heute volle Pulle durchheize. Auf T-Shirt-Temperatur.

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Toll: In den drei Wochen Pause das Schwimmen nicht verlernt.

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Wahrnehmung denaturiert: Habe das becremte Fieberbläschen an der Oberlippe der jungen U-Bahn-Passagierin erst für ein Piercing gehalten.

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Twitter spinnt gerade, muss ich die Kleinigkeiten halt hier herein schreiben.

Deferred gratification – denied

Freitag, 25. Februar 2011

Vielleicht haben Sie schon mal vom Stanford marshmallow experiment gehört? Kindern wird ein Stück Süßigkeit vorgesetzt. Man verspricht ihnen ein weiteres Stück, wenn sie das erste nicht essen. In diesem Experiment wird gemessen, wie lange die Kinder der Versuchung widerstehen können.

Hier eine Wiederholung von 2009 (?) des Experiments aus den 1960ern:

Es geht in diesem Versuch um Selbstkontrolle und darum, ob die Kinder die Fertigkeit haben, das Gefühl von Belohnung und Befriedigung aufzuschieben: deferred gratification, also aufgeschobene Belohnung. Vieles weist darauf hin, dass diese Fähigkeit eine grundsätzliche Charaktereigenschaft ist, die sich über den Lebensweg der Probanden hinweg nicht ändert: Entweder ein Mensch springt auf diese deferred gratification an oder nicht, egal, wie alt er ist. (Ob es überhaupt unveränderliche Charaktereigenschaften gibt, ist natürlich wiederum Gegenstand tiefer Debatten in der Philosophie, Psychologie, Neurologie.)

Mich würde allerdings ein nächster Schritt in diesem Experiment interessieren: Was passiert, wenn ein Proband die Selbstdisziplin aufgebracht hat, seine Belohnung zu verschieben – sie ihm dann aber verweigert wird? Wenn er nicht etwa eine zweite Süßigkeit bekommt, sondern ihm sogar die erste weggenommen wird? Wird er dann in einer nächsten ähnlichen Situation die Süßigkeit sofort essen, weil er das Vertrauen in die Welt verloren hat – zumindest aber in jede Art von versprochener Belohnung?

Ohne je den Beweis dafür erbringen zu können, bilde ich mir ein, dass ich als Kind die zweite Süßigkeit bekommen hätte. Ich kann Belohnung ziemlich lange aufschieben und bis dahin Zähne zusammenbeißen, verdrängen, mich zusammennehmen, Reserven aktivieren – wenn ich mich auf eine konkrete Belohung zu einem konkreten Zeitpunkt freuen kann. Aber wenn ich sie dann nicht bekomme, werde ich BÖSE.

Worauf ich hinaus will (Sie wussten, dass ich auf etwas hinaus will): Es sieht so aus, als könnte ich mir den Montag nach der Oscarnacht, also nächsten Montag, nicht frei nehmen. Die letzten Wochen waren beruflich recht belastend, und mein Lichtlein am Ende des Tunnels, meine deferred gratification, waren Oscarnacht, Ausschlafen, Schwimmengehen, großes Café-Frühstück. Aus Gründen, die komplett außerhalb meiner Kontrolle liegen, kann ich entscheidende Entscheidungen nur auf der Basis von Fakten treffen, die erst an diesem Montag vorliegen. Und diese Entscheidungen ziehen mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit zahlreiche berufliche Tätigkeiten nach sich, die ich dann genau an diesem Montag tun muss.

Zefix.

Geschichten aus dem Internet

Mittwoch, 23. Februar 2011

Vor gut einer Woche erfreute Spreeblick mein Herz mit dem Hinweis auf dieses bezaubernde Lied:

Eine US-amerikanische junge Ukulele-Spielerin argumentiert, dass der großartige Stephen Fry seine Gene unbedingt der Nachwelt weitergeben sollte. Sie wisse ja, dass er schwul ist, doch sie hätte da einen Vorschlag: Sie könne doch sein Kind austragen.

Über Stephen Frys Tweets hatte ich mitbekomme, dass er derzeit in Harvard für seine BBC-Doku über Sprache dreht, und dann las ich heute Morgen dies:

Molly Lewis hat ihm tatsächlich ihr Lied persönlich vorgesungen.
Kurz vorher gab sie es auf ihrem Blog bekannt:

Stephen Fry is being honored by the Harvard Secular Society this Tuesday, and I’m completely ecstatic out of my skull to report that I have been invited to perform my song to him in the course of the event.

Gleich danach gab es ein Beweisfoto.

Und jetzt alle: Awwwwww!

Mein 1986 – Teil 2

Dienstag, 22. Februar 2011

Zu Teil 1.

Chortournee Andalusien

Der Jugenchor, in dem ich sang, fuhr im Bus nach Andalusien (1986 wären Flüge viel zu teuer gewesen). Mein Plan: mit einer langjährigen Freundin und Mitabiturientin, die ebenfalls im Chor sang, nicht mit dem Chor zurückfahren, sondern mit einem Interrail-Ticket vier weitere Wochen in Spanien verbringen.

Zwischenstopp auf der Hinfahrt war Tarragona (ich erinnere mich an salziges Wasser in der Hoteldusche), wo wir das Amphitheater besangen.

Schwierige Zimmerverteilung am Zielort Granada. Mein Konflikt: Meine beste Freundin ging natürlich davon aus, dass ich zusammen mit ihr ein Zimmer beziehen würde. Ich hatte den Eindruck, dass sie auf die künftige Reisegefährtin eifersüchtig war und ich ein wenig um sie werben musste. Aber eigentlich hätte ich lieber mit meinem Freund ein Zimmer bezogen, dem Organisator der Tournee. Oder auch nicht, ich war verunsichert und befangen – zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nie eine Nacht mit ihm verbracht. Auch im Nachhinein kann ich mich nicht lustig machen über die innere Qual dieser 18-Jährigen. Die vielleicht viel über Stochastik und Tangenten, über die streikenden Minenarbeiter in Wales und über Thukydides gelernt hatte, aber ganz sicher nicht, sich über eigene Wünsche und Sehnsüchte klar zu werden oder gar darüber zu sprechen.

Ich habe die Tage in Granada tumultös in Erinnerung. Zwar war ich mit der besten Freundin ins Hotelzimmer gezogen, doch es war heiß, die empfindlichen Sopräner vertrugen das fremdartige Essen nicht, ich hatte mich zu naiv darauf gefreut, dass der Organisator mir sein Granada zeigen würde, begriff zwar, dass er dafür eben als Organisator keine Zeit hatte, fühlte mich trotzdem verletzt und schimpfte mich deshalb kindisch und bescheuert.

Zwischen der besten Freundin und mir krachte es auch noch, als ich ihr gestand, dass ich im nächsten Tourneeort das Zimmer mit meinem Freund teilen wollte. Wobei sie sich nicht etwa darüber echauffierte, dass ich das wollte, sonders dass ich ihr gestand, wie schwer es mir fiel, ihr das zu sagen. Wie ich dazu käme, ihr zu unterstellen, sie könne etwas dagegen haben!
Die designierte Reisebegleiterin schien sich auf einmal nicht mehr für mich zu interessieren und widmete sich ausschließlich anderen Chorsängerinnen und Chorsängern. Dazwischen mein geplagter Freund, der Konzerte, Unterbringung, Ausflüge zu organisieren hatte, ständig als Dolmetscher und Reiseleiter gebraucht wurde.
Mit dieser Situation käme ich heute keinen Deut besser zurecht als damals.

Spanienreise
An die anschließenden Wochen in Spanien mit meiner Reisebegleiterin wiederum habe ich sehr angenehme Erinnerungen. Wir harmonierten überraschend gut, die Distanz der Zeit davor war wohl Zufall gewesen. Auf einen Tipp meines Freundes hin begannen wir unsere Abiturreise, denn als solche war sie deklariert, am Meer in Nerja. Wir trafen auf spannende Menschen aus aller Welt, zwei Studentinen aus USA machten uns mit ihrem Reiseführer Let’s go bekannt, aus dem wir uns Übernachtungstipps für unsere nächste Station Sevilla abschrieben.

In Sevilla lernten wir per Zufall einen jungen Gitarristen kennen, der aus unserer Heimatstadt dorthin ausgewandert war. Er nahm uns unter die Fittiche, zeigte uns die Stadt, ihre Speisen (Flamenquínes!) und Getränke.

In Madrid kamen wir ein paar Tage bei meinem Onkel unter, sahen uns die heiße Stadt an, auch eine Monet-Ausstellung, die alle Seerosen-Bilder vereinte (möglicherweise der Anfang meiner Ermüdung mit Impressionismus), ließen uns von meinen Verwandten durchfüttern. Dann ging es raus aufs Dorf zu meinen Kindheits- und Jugendurlaubsfreunden. Ich drückte meine Freundin dem rothaarigsten aller Spanier in die Hand, einem ungewöhnlich freundlichen und behutsamen jungen Mann, mit dem ich mich schon immer am besten verstanden hatte (und der einen sagenhaften Ruf bei den Damen genoss). Wir verbrachten die Abende und Nächte feiernd, tagsüber zeigte ich ihr mein Schulferienspanien – mal in Begleitung meines etwa gleichaltrigen Lieblingskusins und des rothaarigen Freundes, mal lieh uns mein Kusin sein Auto für eigene Erkundungen (fahren ließ ich lieber die Begleiterin, obwohl wir beide einen Führerschein besaßen – das mit dem Autofahren fand ich wohl nie so richtig attraktiv). An Schlaf kann ich mich nicht erinnern, vielleicht hielten wir hin und wieder Siesta.

Die letzten Tage in Spanien hatten wir für Barcelona eingeplant, wohin wir per Zug mit unserem Interrail-Ticket fuhren. Wir suchten uns eine billige Pension in Bahnhofsnähe – und schliefen drei Tage praktisch durch: Die vorherigen Wochen mit Minimalschlaf hatten uns eingeholt. Deshalb kenne ich von Barcelona bis heute nur die kleine Plaza beim Hotel, an der es einen Supermarkt gab sowie ein schraddliges Lokal mit billigen platos combinados und die eine oder andere Nebengasse. In einer davon entdeckten wir diesen Spiegel.

Ferienjob in der Fabrik
Der Sommer war so voll, dass ich die Ereignisse nicht mehr in eine Reihenfolge bringe.
Da war die offizielle Abiturfeier (den Rock, den ich dabei trug, besitze ich noch heute), auf der ich mich bereits eine Ewigkeit von der Schule entfernt fühlte. In diesen Sommer fiel auch der Auftritt mit meinem Chor im Münchner Cuvillies-Theater. Den Anlass und das Programm habe ich vergessen, ich bin mir nur ziemlich sicher, dass es ein Sonntagnachmittag war.

Selbstverständlich nutzte ich die Zeit zwischen Schule und Berufsanfang zum Geldverdienen: Für das Volontariat bei der Zeitung ab September würde ich ein Auto brauchen, das finanziert werden musste, außerdem wollte ich von daheim ausziehen – auch das brauchte Geld. Von selbst verstand sich im Grunde auch, bei welchem Arbeitgeber ich dieses Geld verdienen würde: Mit einer ganzen Hand voll Mitabiturientinnen heuerte ich bei der mit Abstand größten Fabrik am Ort an. Das gehörte in meiner Heimatstadt so rituell zum Abitur, dass es dort sogar einen klassischen Posten für Frischabiturierte gab: die fabrikinternen Kioske.

Wir wurden zunächst als Handlangerinnen auf die fest angestellten Frauen verteilt, die diese Kioske führten, zählten Würstel ab (ich lernte, Wienerlpaare durch Reißen zu trennen, Weißwürste im Gegensatz dazu mit der Schere), schleppten Bierkästen, machten Bekanntschaft mit offiziellen Warenbezeichnungen („Geleefisch“ für einzeln abgepackte Rollmöpse in Aspik) und mit inoffiziellen („Super“ für Exportbier, „Bleifrei“ für alkoholfreies – oh ja, in bayerischen Fabriken wurde damals Bier getrunken, sogar erschreckend viel), konnten bald acht Bierflaschen gleichzeitig tragen, indem wir die Hälse zwischen die Finger steckten, und mit täglichen Bestellungen und Abrechnungen war sogar ein Hauch Buchhaltung dabei. Nach der Einarbeitungszeit führte ich allein einen Kiosk im ältesten Teil des Werksgeländes (der vordere Gebäudeteil bei Ziffer 12).

Ein paar Details sind mir besonders in Erinnerung geblieben:
– Wie ich einmal vergaß, den Wurstkessel runterzuregeln und mir alle Würscht platzten (Fachausdruck: „Wurstsuppe“).
– Wie die zarte, junge Frau, in deren Kiosk ich lernte, mich um mein physisches Format beneidete („Du stellst wenigstens was dar!“).
– Dass alle Kolleginnen ungeheuer nett und geduldig mit uns Abiturientinnen waren.
– Wie mir eine Studentin, die gerade in einer der angrenzenden Produktionshallen jobbte und die ich eben erst kennengelernt hatte (nämlich als Kundin an meinem Kiosk), zu meinem Geburtstag im August ein Blümchen vorbeibrachte.

Zu Teil 3.

Mein Social Media-Dilemma

Montag, 21. Februar 2011

Eine gute Zusammenfassung der Lage von Social Media bei deutschen Unternehmen gibt talkabout – und macht mir mein ganz persönliches Dilemma bewusst.

Heute ist „richtige“ Social Media fast immer im Amateurstatus. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn sie wird von Menschen gemanaged, die mit Social Media aufgewachsen sind, die über Social Media ihre Freunde und Bekannte pflegen. Sie „lieben“ diesen Job. Und sie verstehen sehr viel von den Tools und Techniken im Social Web. Aber es fehlt ihnen oft an der professionellen Ausbildung in Sachen Kommunikation, BWL und Management.

„Social Media“ krankt heute etwas daran, dass die Verantwortlichen, die etwas von betrieblicher Wertschöpfung verstehen, weit entfernt vom Social Web sind. Und die „Digital Residents“, also die Leute, die „im Netz leben“, sind überwiegend ebenso weit entfernt von den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten. Grenzgänger sind selten. Es ist eben noch eine sehr junge Disziplin. 2011 kann das Jahr werden, in dem sich die beiden Parteien annähern. Und wie so oft bei einer Annäherung müssen beide Seiten sicherlich ein Stück ihre Position verlassen: Ja, menschliche Kommunikation sollte nicht von Regeln und Prozessen beherrscht werden. Aber ohne Regeln und Prozesse funktioniert die Welt in Unternehmen nicht. Denn es braucht in Unternehmen auch Zuverlässigkeit und Beständigkeit, und die sind nur schwer zu verwirklichen, wenn die Umsetzung von einzelnen Personen abhängt, und nicht reproduzierbar ist.

In meinem Unternehmen bin ich genau eine dieser Grenzgängerinnen (wenn auch nicht in dafür verantwortlicher Position) und verstehe von beiden Seiten viel. Nur dass sie einfach nicht zusammenpassen wollen. Ich befinde mich ziemlich deutlich auf der Seite derer, die ich als echte Internetnutzer sehe, nicht auf der Seite derer, die Ahoipolloi wunderbar mit diesem Cartoon aufspießt: „Deutsche Social-Media-Revolutionäre in Kairo eingetroffen“.

Das Zitat oben trifft meinen inneren Zwiespalt: Als Digital Resident
– lebe ich mit ständiger Internetverbindung, sie ist praktisch ein weiteres Sinnesorgan,
– verbinde ich digitale Medien mit Vergnügen, persönlicher Nähe, Austausch, Impulsen, Anregung,
– verfüge ich über perfekte banner blindness („Banner-Klicker“ kommt für mich als herablassende Einordnung gleich nach „Internet-Ausdrucker“),
– gehe ich verantwortungsvoll mit meinen Daten um,
– bekomme ich technische Entwicklungen früh und schnell mit,
– habe ich keinerlei Hemmungen, mich im Internet zu äußern,
– freue ich mich an Irrelevanz als großer Freiheit,
– darf ich auf Klickzahlen und Erfolgsrezepte pfeifen,
– kann ich mich von Idiotien über Sinnlosigkeit oder Gefährlichkeit des Mitmachwebs einfach ohne Reaktion abwenden,
– finde ich Suchmaschinenoptimierer eklig und unlauter, weil sie mich als Bloggerin mit Referrer-Spam, Scheinkommentaren und Linktausch-Anfragen belästigen.

Als berufliche Social-Media-Arbeiterin (als Teilaufgabe) aber
– soll ich digitale Medien in erster Linie unter dem Aspekt Effizienz betrachten,
– habe ich diesen Verdacht,
– scheue ich mich, in Person für mein Unternehmen sichtbar zu werden (weil ich mich nicht völlig damit identifizieren lassen möchte),
– muss ich im Unternehmen zu Äußerungen über das Web Stellung nehmen, die Unwissen oder irrationale Aversion verraten, vor allem, wenn sie von Entscheidern kommen,
– werden Prozesse und Strukturen erwartet, die meiner Überzeugung nach mit Social Media unvereinbar sind (Wertschöpfung, Freigaben),
– redigiere ich Banner-Texte,
– habe ich nicht nur erst letzte Woche gelernt, dass Suchmaschinenoptimierer ihr Fachgebiet SEO als Wort und nicht als Einzelbuchstaben aussprechen, sondern muss mich ernsthaft damit auseinandersetzen, was davon dem Unternehmen nützen könnte,
– muss ich mich mit Leuten („Beratern“) beschäftigen, die mir das kleine Social Media-Einmaleins vorrechnen wollen, ihr Internet-Wissen aber aus Büchern haben, persönliche Kontakte im Internet nur als „Networking“ kennen, alles und jeden online zwangsduzen und sich beim besten Willen nicht vorstellen können, dass jemand die zeitgenössischen Funktionalitäten des Internets aus purem Vergnügen nutzt.

Social Media Manager müssen anfangen, in betriebswirtschaftlichen Dimensionen zu denken.

(ebd.)

Genau da bin ich nicht so sicher (was war nochmal der ROI einer Pressemitteilung?). Vielleicht aber sperrt sich etwas in mir, Teil einer professionalisierten Social Media-Welt zu werden.

Manche Tage…

Sonntag, 20. Februar 2011

… brauchen dringend ein bisschen Pipi Langstrumpf. (Heute ist der Schnee zurückgekommen.)