Archiv für November 2017

Journal Mittwoch, 8. November 2017 – Morgengold über der Theresienwiese

Donnerstag, 9. November 2017

Ein wunderschöner Gang in die Arbeit, endlich wieder in Luftlinie.

Erst um die Mittagszeit entdeckte ich im Klospiegel, dass ich mich versehentlich nur halb geschminkt hatte: Lidstrich und Lippenstift. Den Mittelteil, also Kajal und Wimperntusche, hatte ich vergessen – ich kann mich nicht erinnern, dass mir das je zuvor passiert ist.

Twitter hatte die Höchstzeichenzahl auf 280 erhöht. Mal sehen, ab wann ich nicht mehr automatisch immer nur die ersten beiden Zeilen lese. Sie werden es vermutlich daran merken, dass auch Langtweets unter meinen Twitterlieblingen auftauchen.

Abends Treffen mit ehemaliger Arbeitskollegin in Neuhausen zu einem georgischen Abendessen: Gutes Essen, gute Gespräche.

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In der taz schreibt Ebru Tasdemir über:
“Internationaler Tag der Putzfrau
Die mit dem Staub tanzt”.

Ich habe je schon selbst als Jugendliche mit Putzen Geld verdient, doch ich glaube nicht, dass das der Grund dafür ist, dass für mich Putzpersonal noch nie unsichtbar war. Dann wiederum haben mich damals mit 17 die Kolleginnen schon sehr tief beeindruckt, mir vielleicht sogar eine positive Voreingenommenheit eingepflanzt, die mich den Kontakt zur Putztruppe immer hat aktiv suchen lassen. Außerdem haben diese Kolleginnen und Kollegen ja gerne mal hochinteressante und große Geräte in den Händen, die mich faszinieren (BOHNERGERÄT!).

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Herzwärmende Geschichte über einen unwahrscheinlichen Deutschlehrer:
“Integration von Flüchtlingen in Berlin
‘Komm rein und lern Deutsch!'”

Becks pädagogisches Markenzeichen ist die geöffnete Tür. Läuft einer am Raum 78 vorbei, winkt Beck ihn heran. „Hallo, kannst du mich verstehen? Nein? Dann bist du hier richtig. Komm rein und lern Deutsch.“

(…)

Resonanz nennt man in der Physik die Fähigkeit eines Systems, mit einem anderen Körper mitzuschwingen. Beck hat Resonanz. Für einen Syrer, durch Granatensplitter im Auge erblindet und immer an der Hand seines Bruders, organisierte Beck einen Termin beim Spezialisten. Als dieser sagte, dass die Lage aussichtslos sei, weinte Beck, sodass der Bruder des blinden Syrers ihn in den Arm nahm.

(…)

Klare Forderungen und Erwartungsmanagement. Für Beck gehört das genauso zum Umgang mit Flüchtlingen wie Empathie. Er staunt darüber, wie schwer sich Deutsche damit tun, eine Balance zwischen diesen Polen herzustellen. Er selbst hat sich schon einmal zwei Übersetzerinnen in den Unterricht geholt. Er bat sie, jedes Wort zu übersetzen, dann legte er los: „Ich habe die Nase voll von euch. Ihr kommt zu spät, macht nur an euren Handys rum und müllt alles voll. Ständig redet ihr von Respekt, aber selbst habt ihr null Respekt. Was denkt ihr eigentlich, wer ihr seid?“ Die Übersetzerinnen zögerten: Sie als Frauen könnten Männern doch nicht … Beck unterbrach sie. „Meine Verantwortung.“ Als die Übersetzerinnen fertig waren, herrschte Stille. Dann begannen die Flüchtlinge zu applaudieren.

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In einem Googledoc kann man nachvollziehen, wie ein Vortrag von Kathrin Passig entsteht:
“Poet in Residence Duisburg-Essen: ‘Abgabetermin, später'”.

Kalendersprüche und Management Bullshit

Mittwoch, 8. November 2017

Kalendersprüchen gegenüber bin ich ebenso misstrauisch wie gegenüber Buzz Words: Meist sind sie lediglich eine verführerische Vereinfachung von etwas Komplexem, das man differenziert sehen sollte.
Eine Sonderform der Kalendersprüche sind Tipps fürs berufliche Fortkommen / für Erfolg / fürs Glücklichsein.

1. leaving your comfort zone
Mir ist immer noch nicht klar, was mit dem ständig geforderten Verlassen der comfort zone erreicht werden soll. Ich glaube, dass ich bislang von einem gewissen Trainingseffekt ausgegangen bin: Wenn man nur oft genug die eigene comfort zone verlassen hat, fällt es immer leichter. Dieser Effekt tritt bei mir ganz bestimmt nicht ein; im Gegenteil: Die Sehnsucht nach Rückkehr in Entspannung und Freiheit wird immer größer, das Rausgehen fällt von Mal zu Mal schwerer. Früher(TM) bin ich noch begeistert in jedes kalte Wasser gesprungen, das die Möglichkeit von Spannendem enthielt. Und erschrak immer erst ganz kurz vorher: Bin ich eigentlich bescheuert? Was tue ich mir hier an! Mittlerweile fällt mir sofort ein, was ich mir damit antäte, ich kenne zudem die sinkende Wahrscheinlichkeit, dass ich Spannendes geboten bekomme (oder habe einmal zu oft erlebt, dass ich derart beschäftigt war mit reinem Überleben, dass ich vom Spannenden nichts hatte). Kann es sein, dass dieses Rauszwingen aus der comfort zone in Wirklichkeit oft Selbsttraumatisierung ist? Was ist nochmal schlecht an der comfort zone? An einer Umgebung, in der ich frei und unbefangen bin, mich wohl fühle, mich entfalten kann?

2. thinking outside the box
Sehr wahrscheinlich handelt es sich hier lediglich um ein ungeschickt gewähltes Bild, aber es wird derart darauf herumgeritten1, dass ich es ernst nehme. Und dann halte ich viel mehr davon, sich erst mal über die Box zu unterhalten. Sind wir überhaupt alle in derselben? Wie sieht sie für dich aus? Was ist bei mir in der Mitte, was in den Ecken? Und bei dir? Haben wir in unseren Boxen vielleicht schon längst, was wir zur Lösung brauchen – sehen es aber nicht, weil wir ständig außerhalb suchen sollen?
(“Hmmmm – so what’s in the box you want to keep us from thinking about?”)

3. positive thinking
Zum Glück erkennen immer mehr Menschen, sogar im Management, wie schädlich das konsequente Unterdrücken negativer Gefühle sein kann. Und was berufliche Umgebung betrifft: Es gibt viele Techniken in Besprechungen, Workshops etc., grundsätzliche Apokalyptikerinnen und Miesmacher abzulenken (denen gerne pauschal verordnet wird, sie sollten doch bitte mal positiv denken). Zum Beispiel indem die Leitung den Prozess strukturiert: Jetzt überlegen wir uns erst mal, was alles durch diesen Vorschlag besser werden könnte. Dann sehen wir uns mögliche Hindernisse dafür an.

Die Empfehlung, von den Erfolgreichen und Glücklichen zu lernen, kommt mir vor wie einem Kranken zu empfehlen, von Gesunden zu lernen. Sie setzt eine Kausalität zwischen imitierbarem Handeln und Erfolg voraus, die bei genauerem Hinsehen gerne mal reine Korrelation oder oft sogar umgekehrte Kausalität ist: Weil sie erfolgreich war, konnte sie so handeln / weil sie ein glücklicher Mensch ist, fällt ihr dieses und jenes leicht.

4. Eine Sonderform des Management Bullshits sind Technik-Schlagwörter. Am meisten stößt mir hier in letzter Zeit der Ruf nach “Disruption” auf.2 Zunächst wurde durchaus interessant analysiert, dass es immer wieder disruptive technische Entwicklungen gibt, die mit ihrer Durchschlagskraft ganze Branchen überflüssig machen. Doch jetzt wird das als Geschäftstipp gehandelt: Entwickelt doch mal was Disruptives, damit wir ganze Märkte ersetzen können. Das halte ich für vielfach bescheuert.

Sehr gut formuliert hat das Prof. Marion A. Weissenberger-Eibl, Inhaberin des Lehrstuhls Innovations- und TechnologieManagement iTM am Karlsruher Institut für Technologie KIT, in einem Interview mit der deutschsprachigen HuffPost:3
“Über disruptive Entwicklungen: ‘Unser Ziel sollten Innovationen mit nachhaltigen Auswirkungen sein'”.

Es kann nicht im Sinne der Innovationspolitik sein, Disruptionen anzustreben, um quasi „über Nacht” möglichst viele Scherben zu hinterlassen. Das Interesse der Innovationsforschung sollte darin liegen, es nicht erst soweit kommen zu lassen! Gute Innovationspolitik und ein effektives Innovationsmanagement kann Unternehmen dauerhaft und kontinuierlich zu Innovationen befähigen, so dass diese nicht von völlig unerwarteten Innovationen überrascht werden. Innovationsmanagement kann frühzeitig den Wandel mitgestalten und diese Entwicklungen antizipieren, um so zu verhindern, dass Technologien, Plattformen oder Dienste unbrauchbar werden.

  1. Hihi: Metaphernpolizei! []
  2. Während das Schlagwort “Digitalisierung” bei mir Daueraufstoßen verursacht: Der allgemeine Sprachgebrauch ist hier so vage – alles mit Computer? alles mit Internet? alles Elektronische? -, dass ich empfehle, das Wort einfach durch “technischer Fortschritt” zu ersetzen. []
  3. Ja, ich habe mich über diese Kombination Thema-Medium auch gewundert, zumal das eine ganze Interviewreihe ist, jedesmal lohnende Lektüre. []

Journal Dienstag, 7. November 2017 – Haare schneiden

Mittwoch, 8. November 2017

Früh aufgestanden, in kaltem Nieselregen zum Langhanteltraining gegangen. Angestrengt und Spaß gehabt.

Nach der Arbeit Friseur; diesmal hatte ich so bald nach dem vorherigen einen Termin vereinbart, dass ich mich nicht schon total eingewachsen fühlte.

Vorher.

Nachher mit Friseurmeister – Stylist to the nerds!

Journal Montag, 6. November 2017 – Befreite Theresienwiese

Dienstag, 7. November 2017

Hurra: Die Theresienwiese ist nach vier Monaten Oktoberfestsperrung wieder passierbar. Morgens ging ich noch den Umweg drumrum, sah aber, dass der Bauzaun entfernt worden war. Und so führte mich mein Heimweg endlich wieder in Luftlinie quer über die Theresienwiese, an den bereits errichteten Tollwood-Zelten vorbei. Hin- wie Rückweg unter Schirm weil Regen, abends war es zudem eklig kalt geworden.

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Weiteres Nachdenken über It von Stephen King; ich suchte ein wenig nach Rezensionen, fand auf die Schnelle aber kaum etwas aus der Zeit. Hier die Besprechung aus der New York Times, die damals zu dem Ergebnis kam:

It tries too hard; it reaches for too much; it’s too damn complicated.

Zudem nehme ich an, dass ein als “Horror” verkaufter Genre-Roman 1986 nicht oft im seriösen Feuilleton besprochen wurde. Doch ich fand Besprechungen des Wiederlesens nach 30 Jahren. Am besten nachvollziehen konnte ich die in der Los Angeles Review of Books von Adrian Daub:
“Where ‘It’ Was: Rereading Stephen King’s ‘It’ on Its 30th Anniversary”.

Wie ich hat Daub It seinerzeit auf Deutsch gelesen, und er ist von derselben Szene am Ende des Buchs verstört.

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Jo Lendle war in Teheran auf Lesereise und stieß auf Unerwartetes:
“Iran”.

Journal Samstag/Sonntag, 4./5. November 2017 – Wieder wahlgeholfen

Montag, 6. November 2017

Am Samstag waren wir bei meinen Schwiegereltern in Augsburg zum Mittagessen eingeladen. Nach Ausschlafen, Bloggen, Zugfahrt durch sonnige Landschaft gab es köstlichen Lammbraten in anregender Gesellschaft (neben Schwiegers auch meine Eltern und eine liebe alte Freundin der Schwiegereltern).

Zurück in München ging ich am frühen Abend mit Herrn Kaltmamsell in den nächstgelegenen Einrichtungsladen. Wir hätten nämlich gerne ein Sofa, auf dem wir aneinander gekuschelt lesen und fernsehen können (das vorhandene Sofa ist dafür nicht geeignet), das aber kein Möbel der Sorte Sitzelement ist. Im Internet hatte ich mich bereits umgesehen, fühlte mich aber unterinspiriert. Im Möbelladen war zwar auch nichts perfekt, aber das Probesitzen auf Exponaten machte uns den einen oder anderen Wunsch klar.

Daheim It von Stephen King ausgelesen: Ausgezeichnet konstruierter und vielschichtig erzählter Roman. Es geht um sehr viel mehr als Grusel: Außenseiter, Kindheit, Gruppendynamik, freier Wille. Mir war auf den 1100 Seiten nie langweilig geworden; zwar hätte man die eine oder andere Detailausschmückung streichen können, doch vielleicht hätte das Gesamtwerk darunter gelitten. Leider gibt es typischerweise nur eine weibliche Figur, Beverly, die in der Kindergruppe der sieben “Losers” halt “the girl” ist.
Große Leseempfehlung.

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Am Sonntag früh aufgestanden, weil ich als Wahlhelferin des Bürgerentscheids “Raus aus der Steinkohle” fungierte, diesmal als Schriftführerin. Auch diesmal hatte ich es nicht weit, zur Einsatzschule ging ich morgens nur zehn Minuten.

Bürgerentscheide sind vermutlich immer eher ruhig, der Abstimmungsanlass war zudem auch kein sehr emotionales Thema. Daher blieb viel Zeit zum Ratsch mit Mitwahlhelfenden, wieder lernte ich sympathische und interessante Menschen kennen. Von einer, einer Erzieherin, erfuhr ich unter anderem, dass es YouTube-Stars mittlerweile zu einem eigenen Panini-Sammelalbum geschafft haben, das unter den von ihr betreuten Schulkindern heiß umkämpft ist. (Falls ein Feuilletonautor weitere Belege für den Untergang unserer Zivilisation durch das Internet braucht. Und als Hinweis für uns Rest, welchen Stellenwert Webstars heute bei der Jugend (TM) haben.)

Als Sonntagsessen hatte ich mir wieder etwas von Herrn Kaltmamsell gewünscht: Rindergulasch mit Böhmischem Knödel.

Es war köstlich.
Ruhiger Nachmittag mit Siesta und Lesen, im kräftigen Regen der zweiten Tageshälfte ging ich zum Stimmauszählen.

Abendessen war eine Quitte aus dem Ofen (hätte in ihrer Alufolie ruhig noch länger als die 60 Minuten garen können, war noch ziemlich knackig) mit Sahne und Honig.

Journal Freitag, 3. November 2017 – Ich kann Kürbissuppe

Samstag, 4. November 2017

Auch wenn es der Freitag einer nur zweitägigen Arbeitswoche war, freute ich mich sehr, dass er die Arbeitswoche beendete.

Ich ging so früh heim, dass ich das Abendrot noch mitnahm. Beim Umrunden der Theresienwiese hoffte ich wieder vergebens auf das Verschwinden des Bauzauns um die Oktoberfestbauten, der ein Queren verhindert. Vier Monate Sperrung and counting.

Herr Kaltmamsell war aushäusig verabredet, ich machte mir aus dem Ernteanteil-Butternut Kürbissuppe – die überraschend gut wurde. Deshalb die Zubereitung (aus der Lameng) hier festgehalten:

Den mittelgroßen Kürbis in Spalten bei 200 Grad eine halbe Stunde in den Ofen.
Während er bis zur Anfassbarkeit abkühlt
1 Zwiebel
2 Zehen Knoblauch
1 Walnuss-großes1 Stück Ingwer schälen und hacken. Im Suppentopf in ordentlich Rapsöl langsam weich schmurgeln.
Währenddessen Kürbis von Schale befreien, ca. 0,75-1 l Gemüsebrühe erhitzen (bei mir gekörnte Brühe – die Bio-Brüh von Erntesegen ist so gut, dass meine Mutter sie nach ihrem letzten Wohnungshüten bei uns gezielt nachkaufte). Kürbisstücke in den Topf kippen, Gemüsebrühe draufgießen. Alles gründlich zerstören, mit Pfeffer und Salz abschmecken.

Erwartet hatte ich eher langweilige Suppe, doch sie schmeckte großartig – und deutlich anders als Hokaido-Kürbis. Ich hatte nicht mal Lust auf Kürbiskernöl dazu.

Im Fernsehen kam der zweite Teil der Hunger Games-Verfilmung. Ich sah ihn gerne und hätte ihn auch bis zu Ende angesehen – wenn ich nicht ständig von langen Werbeunterbrechungen rausgerissen worden wäre. Die Liste von Filmen, die ich im Fernsehen nachholen wollte, aber wegen Werbungsärger nur zu zwei Dritteln kenne, wird immer länger. (Während meine Mutter gerne erzählt, dass sie zahllose Filmklassiker nur zu den letzten beiden Dritteln kennt, weil sie zum Start im Fernsehen nach dem Abendessen noch räumte und abspülte und sich erst mit Verspätung vor den Apparat setzte).

  1. kalifornische Größe []

Journal Donnerstag, 2. November 2017 – Kopfweheelend

Freitag, 3. November 2017

Unruhige Nacht mit Kopfweh, ich stand noch vor dem Weckerklingeln auf. Eine Ibu half zwar gegen das Kopfweh, doch mir blieb elend, ich mochte nicht mal meinen Morgenkaffee trinken und sehnte mich sehr nach Bett – Migränesymptome. Aber ich wollte mich nicht schon wieder in der Arbeit krank melden und beschloss, dass das halt gehen muss.

Tatsächlich wurde das Elend am Vormittag besser: Ich fühlte mich zwar deutlich verlangsamt, sympathisierte aber nicht mit der Möglichkeit, mich für ein paar Minuten unter den Schreibtisch zu legen. Für die Mittagspause hatte ich mir wieder Granatapfeljoghurt mit Mohn mitgenommen, meinen neuen Favoriten.

Es war über den Tag sehr mild geworden, schon saßen Kneipengäste wieder draußen.

Endiviensalat aus neuem Ernteanteil zum Nachtmahl (Gewürzkuchen und Schokolade zum Dessert). Früh ins Bett um zu lesen.

§

Eine selten erzählte Geschichte, eindringlich:
“Über Großeltern und Sucht. (Oder: Ich kann nicht in deiner Nähe leben, weil ich dich liebe.)”