Journal Freitag, 6. Oktober 2023 – Erste Begegnung mit § 177 StGB, Muttergeburtstag am asiatischen Buffet

Samstag, 7. Oktober 2023 um 8:53

Wieder ein Tag, der sich stressig anfühlte: Abends war ich schon seit vielen Wochen zum Geburtstagfeiern meiner Mutter verabredet, doch dann hatte sich ein Einsatz als Schöffin von nächster Woche auf gestern vorgeschoben – noch dazu ab 13 Uhr, ich konnte nur hoffen, dass die Verhandlung sich nicht lang hinziehen würde.

Der Wecker klingelte nach unruhiger Nacht, in der sich die leichte Erkältung mit Schluckbeschwerden bemerkbar gemacht hatte und ich mich mehrfach selbst durch Schnarchen weckte (oh nein: es wird doch nicht die Lebensphase starten, in der ich wegen altersbedingt erschlaffendem Rachengewebe schnarche und als extrem empfindlich auf Schnarchgeräusche reagierende nie wieder richtig schlafen werde?). Derzeit lieber mal wieder täglicher Corona-Test.

Wegen des Gerichtstermins nahm ich das Radl in die Arbeit, Schal, Mütze, Handschuhe brauchte es morgens unbedingt.

Bürokleidung war gestern Kaschmirpulli über Bluse und dicke Turnschuhe zu Jeans. Kalte Hände hatte ich trotzdem, zum Warmwerden musste ich rausgehen – ich beginne mich wieder vor dem Winter zu fürchten.

Als ich meiner Mutter telefonisch zum Geburtstag gratulierte, überraschte sie mich mit der Information, sie richte gerade die Übernachtungsgelegenheit für Herrn Kaltmamsell her, der werde ja Samstag an einer Veranstaltung in Ingolstadt teilnehmen. Gleich korrigierte ich sie, das müsse sich um ein Missverständnis handeln. Rückfrage bei Herrn Kaltmamsell ergab aber: Doch, genau so war es vereinbart, er hatte es mir lediglich nicht erzählt. Als lang zusammenlebendes Paar vergisst man manchmal, dass der/die andere Informationen nicht osmotisch aufnimmt (ist mir selbst oft genug passiert).

Frühe Mittagspause (Äpfel, selbstgebackenes Butterbrot), um rechtzeitig zum Justizzentrum am Stiglmaierplatz zu radeln. Mittlerweise war es mild geworden, ich brauchte nur meine Jacke.

Der Fall, der verhandelt wurde, brachte mich erstmals in Kontakt mit dem 2016 geschärften Vergewaltigungsparagraphen 177 StGB („nein heißt nein“). Das nahm mich zum einen (wie jede andere Verhandlung auch mehr oder weniger) emotional mit, es bereicherte mich aber auch wieder intellektuell, Jurist*innen bei der Arbeit damit zu beobachten. Wir kamen nicht bis zu einem Urteil: Nach zwei Stunden wurde die Sitzung unterbrochen, es wird mindestens einen weiteren Termin geben.

So konnte ich nochmal an meinen Arbeitsplatz zurückkehren, schaffte ein wenig weg.

Zum Bahnhof nahm ich die U-Bahn – völlig unbelastet von Menschen auf dem Weg zum Oktoberfest, das war schön. Herr Kaltmamsell stieß dazu, wir nahmen eine knallvolle Regionalbahn nach Ingolstadt; meine Eltern holten uns ab, wir fuhren gemeinsam ins Gewerbegebiet zu einem großen asiatischen Restaurant und trafen dort auf den größten Teil der Bruderfamilie.

Weiteres erstes Mal: All-you-can-eat am Asia-Buffet. Ich probierte mich durch Sushi, ein wenig Salate, live gebratene Meeresfrüchte, chinesisch zubereitete Fleisch-, Tofu- und Gemüsegerichte, durchs Nachspeisenbuffet mit Schokobrunnen. Leider fühlte ich mich recht durch, freute mich aber sehr über Urlaubs- und Studiumsstartgeschichten, werde allerdings ein hoffentlich baldiges weiteres Treffen benötigen, um mich auf den aktuellen Stand der Familie zu bringen.

Meine Eltern fuhren mich zum Bahnhof, ich erwischte gerade einen verspäteten Zug, der mir längeres Warten ersparte. Neue Lektüre unterwegs und später im Bett: Helen Rebanks, The Farmer’s Wife: My Life in Days, hatte ich als eBook gekauft, weil ich es so gerne jetzt schon lesen wollte.

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Martin Gommel hat für Krautreporter ein Interview zur Coachingmode geführt, mit dem eigenen “inneren Kind” zu arbeiten. Eckhard Roediger ist Neurologe, Psychiater und Arzt für psychotherapeutische Medizin und nimmt das Konzept auseinander, argumentiert dabei vor allem neurologisch:
“Es gibt kein inneres Kind”.
(Als Krautreporter-Zahlerin darf ich Ihnen diesen Artikel schenken.)

Da schiebt sich eine Vergangenheit in die Gegenwart. Und das kann nicht funktionieren. Was die Patienten lernen können, ist: „Was du jetzt fühlst, sind eingefrorene Tiefkühlerbsen. Sie sehen zwar neu aus, aber die sind steinalt. Öffne dich für den Gegenwartsmoment. Was kannst du jetzt als erwachsene Person machen, um mit der aktuellen Verlassenheitssituation klarzukommen?“

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Freitag, 6. Oktober 2023 – Erste Begegnung mit § 177 StGB, Muttergeburtstag am asiatischen Buffet“

  1. Sandra meint:

    Danke fürs Geschenk. Zumal ich heute Geburtstag habe! Mein erstes Geschenk heute ist von Ihnen. Ich fühle mich durch den Artikel bestärkt, Coaching bisher richtig kritisch einsortiert zu haben. 2 Bekannte sind neuerdings Coach. Die eine PTA ist jetzt Gesundheitscoach, die andere hat einen kaufmännischen Beruf gelernt und ist jetzt Familiencoach. Es fällt mir besonders bei letzterer schwer, sie noch ernstzunehmen, denn ich bin überzeugt davon, dass viele Familien eine psychotherapeutische Betreuung brauchen könnten und ich hoffe, dass ein Coach das rechtzeitig erkennt und dann aber auch bereit ist, seinen Fall abzugeben und damit auch sein Honorar…

  2. Flusskiesel meint:

    Danke für das Interview mit Eckhard Roediger! Mich hat schon immer sehr geärgert, wie unkritisch und plakativ die Sache mit dem ,,inneren Kind” (das eigentlich mehr eine Hilfskonstruktion in der Therapie ist ähnlich dem im Interview erwähnten ,,inneren Kritiker”) verwendet und verbreitet wird.

  3. Anke meint:

    Vielen Dank für das Geschenk – ich bin zwar selbst Zahlerin, hatte den Artikel aber noch nicht gesehen.
    Viele interessante Gedankenanstöße, und auch vielleicht die Erklärung dafür, warum ich es so störend finde, dass heutzutage gefühlt überall an Menschen herumtherapiert wird, ohne dass die Handelnden eine fundierte Ausbildung dafür haben.

  4. Karin meint:

    Menschen, die ein inneres Kind haben, besuchen dieses gern im“Café am Ende der Welt“. Ich mag weder das eine noch das andere und fühle mich durch den Artikel darin bestärkt. Grundsätzlich leidet ein Teil unsrer Gesellschaft an zu viel Nabelschau.
    Ich möchte übrigens betonen, dass ich die Existenz von psychischen Erkrankungen mitnichten leugne und der Meinung bin, diese sollten ebenso wie somatische Erkrankungen behandelt werden. Also von Experten, nicht von „Coaches“.

  5. engl meint:

    WAS? es gibt eine innere, kleine susanne? das wüsste ich aber!

    (neinnein, das weiß ich natürlich, alles im leben ist metapher.)

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