Wandern

Journal Samstag, 1. November 2025 – Abschluss der Wandersaison in neuen Stiefeln von Starnberg über Andechs nach Herrsching

Sonntag, 2. November 2025

Nach guter Nacht von heller werdendem Himmel geweckt, das war besonders schön.

Die drei Zehen junger Knoblauch vom Abendessen brachten sich mit einem Geschmack in Erinnerung, der auf tödlichen Atem hinwies.

Herbstlicher Küchenblick.

Reichlich Zeit für Wäschewaschen und Bloggen vor Aufbruch zur Wanderung. Die Anreise nach Starnberg (ich wollte von dort über Andechs nach Herrsching am Ammersee gehen), soviel hatte ich bereits recherchiert, würde durch Bauarbeiten kompliziert, aber wann sollen sie das machen, wenn nicht an einem Feiertagswochenende.

Nach dem Umsteigen in Pasing hatte ich einen bequemen Sitz, mit genügend Lesestoff bekümmerte mich die verspätete Abfahrt nicht.

In Starnberg hatte ich einen Cappuccino am netten italienischen Kiosk rechts geplant, doch bei Ankunft war mir überhaupt nicht danach. Schade. Steuerte ich also gleich die Masinger Schlucht an.

Neben Abschluss der Wandersaison (und Vergnügen) war ja Zweck der längeren Strecke, die neue Wanderschuhe in den Praxiseinsatz zu bringen. Das war dann seltsam: Schon beim Reinschlüpfen fühlten sich die Stiefel zu klein an, die linke kleine Zehe drückte, bis ins erste Viertel meiner Route mehrmaliges Ausziehen, Sockenrichten, Anziehen, Umschnüren, weil sich immer irgendwas nicht richtig anfühlte – dabei war ich doch schon einen Tag lang in den Stiefeln herumgelaufen. Ich kam zu dem Schluss, dass ich gestern einfach keine Wanderfüße hatte. Und als ich abends schmerzende Stellen untersuchte, nahm ich mir fürs nächste Mal eine andere Verteilung der Schnürfestigkeiten vor (z.B. Schaft lockerer).

Dazu litt ich unter Schwindel – ich hatte die drei mächtigen Zehen Knoblauch vom Vorabend im Verdacht, große Mengen Knoblauch senken meinen Blutdruck massiv. Doch die abwechslungsreiche Strecke bot so viele schöne Ansichten, nach dem Maisinger See auch nur wenig gestört von Mountainbiker*innen, dass ich die Wanderung genießen konnte.

Es blieb sonnig und so mild, dass ich über Mittag eine Stunde lang nur in T-Shirt unterwegs war. Erst auf dem letzten Drittel zog der Himmel zu, am Ammersee wurde es schwül.

Landmarke an dem Wegstück in Starnberg, auf die ich mich immer freue (und auf den Zustand gespannt bin).

Werden und Vergehen – mit Überraschung bei Letzterem.

Masinger Schlucht.

Maisinger See.

Hinter Aschering Richtung Andechs.

Mittagspause nach knapp drei Stunden: Es gab Äpfel und Roggenvollkornbrot vom Bäcker Wimmer.

Kloster Andechs wie erwartet am Feiertag gut besucht (aber kein Vergleich zu einem Feiertag im Sommer). Von dort stocherte ich in verschiedene Wege: Ich wollte nicht über die kürzeste Strecke durchs Kiental nach Herrsching, sondern noch eine schöne Stunde am Seeufer entlangwandern. Die gewohnte Route fand ich nicht (ich war so überheblich gewesen, keinen GPS-Track runterzuladen – das würde ich doch wohl sehen), kam aber auf einem anderen schönen Weg ans Seeufer.

Und bekam bei einem vergeblichen Versuch einen neuen Blick auf den Turm der Klosterkirche.

Am Ammersee wurde mit Alpenblick gechillt.

In Herrsching dito, aber mit einem Aperitif in der Hand, angeboten von einigen urigen Strandbars.

Am Bahnhof Herrsching hatte der Bewegungs-Tracker meines Handys 22 Kilometer in sechs Stunden gemessen. Und ich hatte gut daran getan, früh aufzubrechen: Um halb fünf wurde es bereits grenzwertig dämmrig zum Wandern.

Die Rückfahrt ebenfalls mit Umsteigen in Pasing und Verzögerungen. Auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause wurde ich angetröpfelt.

Zum Abendessen kochte ich mir Pasta e lenticchie (Linsen!) aus der Lameng, der Ernteanteil lieferte dafür ein paar Karotten und eine halbe Zwiebel.

Während das garte, entkernte ich vier Granatäpfel: Erst hatte Crowdfarming von meinem adoptierten Granatapfelbaum gemeldet, die Ernte davon sei dieses Jahr zu schlecht, ein anderer Landwirt übernehme die Lieferung (sowas passiert in echter Landwirtschaft, und im Gegensatz zu einem Supermarkt bin ich flexibel). Dann war mein Versuch gescheitert, die Lieferung zu terminieren: Hinter dem Link stand die Information, es gebe dieses Jahr gar nichts, ich bekäme den bereits bezahlten Betrag gutgeschrieben. Doch vor zehn Tagen wurde ich nochmal aufgefordert, meine Granatapfellieferung festzulegen – und jetzt gab es nur noch einen Termin für beide 2,5-Kilo-Kisten. Die kamen am Freitag, und nun muss ich fünf Kilo Granatäpfel wegbekommen. Da ich gleichzeitig erstmals sehr viel Crowdfarming-Werbung auf instagram sehe, vermute ich eine grundlegende Änderung im Hintergrund, die ziemlich viel durcheinanderbringt – und das Wohlwollen selbst überzeugter Kundinnen wie mir ganz schön belastet. (Die ich weiterhin bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf Crowdfarming als Quelle hinweise, erst kürzlich jemanden, die Mangos liebt, aber Bedenken wegen der langen Transportwege äußerte. Und die genausowenig wie ich seinerzeit wusste, dass Mangos auch in Europa angebaut werden, gerade Saison haben, und unter anderem wegen billiger Konkurrenz aus Südamerika nicht in unseren Supermärkten auftauchen.)

Sehr gutes Abendessen, ich kann’s doch noch. So gut, dass ich mich nur durch dringliche Ermahnung (du willst doch noch Granatapfel und Schokolade, und dann geht’s dir nicht mehr gut!) von einem dritten Teller voll abhalten konnte. Der Rest war als Sonntagabendessen geplant, darauf freute ich mich schon.

Früh ins Bett zum Lesen.

§

Vielleicht nur interessant für Menschen, die so positiv phasziniert sind von Hazel Brugger wie ich (umschrieb sie ihr Fangirltum): In seiner Show “Missverstehen Sie mich richtig” spricht Gregor Gysi mit ihr auf der Bühne.

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https://www.youtube.com/watch?v=cLjpUvSb3hE

Journal Samstag, 11. Oktober 2025 – Herbstwanderung am Starnberger See

Sonntag, 12. Oktober 2025

Schön lange geschlafen. Wir hatten Wanderpläne, aber keine Eile, also bloggte ich gemütlich, trank Kaffee, Wasser, Tee.

Unser Wanderziel war der Starnberger See, ich wollte nochmal mit Herrn Kaltmamsell die Runde linksrum über Berg und Bismarckturm Assenhausen machen. Das Wetter war wie vorhergesagt trocken und nicht kalt, ich hoffte sogar auf den einen oder anderen Sonnenstrahl.

Erstmal musste ich mich allerdings über die Süddeutsche ärgern:

Deren Anzeigenabteilung verkauft weiterhin diese aufgeklebten Postkarten, die entweder redaktionellen Text auf der Titelseite verdecken oder durch Entfernen redaktionellen Text der ersten beiden Seiten vernichten. Mag eine Juristin vielleicht eine Argumentationslinie finden, mit der das gegen die presserechtliche Trennung von Anzeige und redaktionellem Inhalt verstößt? Ich würde mich sehr freuen. (Und merke mir den Absender dieser konkreten Postkarte, um niemals auch nur versehentlich bei ihm zu kaufen.)

Die zerfetzte Zeitung steckte ich als Reiselektüre in meinen Wanderrucksack, als Jacke sollte die Fleece-Version reichen (tat sie).

Vom Stachus aus brachte uns eine S-Bahn nach Starnberg.

Dort erstmal sehr guten Cappuccino am italienischen Kiosk, Herr Kaltmamsell frühstückte Canolo.

Es wurde eine schöne Wanderung, erstmal anderthalb Stunden am östlichen Ufer entlang bis ans Ende von Leoni.

Dabei vorbei an einer schönen historischen Leuchtreklame.

So wertgeschätzt, dass sie kürzlich gemalt imitiert wurde.

Die Votivkapelle am Todesort Ludwig II.

Schöne Häuser in Leoni.

Wir stiegen hoch zum Bismarckturm, genossen die Kombination von blauem Himmel und herbstbuntem Laub.

Ausblick in die eine Richtung.

Ausblick auf den Starnberger See.

Bismarckturm von hinten.

Kurz vor zwei Pause und Brotzeit (ich hatte zwei Birnen dabei) auf einem Bankerl mit dieser Aussicht; wir sahen zu, wie zwei Pferde Gassi geführt wurden. Ohnehin gibt es in dieser Gegend immer mehr Pferdehöfe, wie überhaupt Pferdezucht und -haltung in Bayern deutlich ansteigen – wohl ein weiterer Versuch, irgendwie von Landwirtschaft zu leben. Kann ich auf eine daraus folgende Wiederbelebung der Pferdemetzgerei hoffen?

Zeitgenössische Volksfrömmigkeit.

Bei Martinsholzen war ich zuletzt falsch abgebogen; diesmal sah ich rechtzeitig auf den GPS-Track.

Zurück am See, nach viereinhalb Stunden Gehen immer noch frisch.

Unser Wanderziel (-> Das Ziel ist das Ziel.) war noch vor halb fünf der Tutzinger Hof in Starnberg mit seinem hervorragenden Brotzeitbrettl.

Wir bestellten diesmal nur eines, dazu aber eine Extraportion Obatzten, der hier mein liebster ist. Dazu gab es dunkles Bier. Alles sehr gut.

Zurück daheim servierte ich abends einige frische Feigen (an der Sonnenstraße am Standl gekauft) und Schokolade zu einer Folge Mad Men, außerdem Schnaps. Den trinken wir eigentlich beide sehr gern, haben (meist als Geschenke) auch eine Auswahl vorrätig, doch Einsatz ergibt sich eigentlich nur, wenn wir Gäste haben und ihn abschließend anbieten. Gestern schnapselten wir einfach allein, ich hatte Heuschnaps, Enzian, Limoncello aus elterlicher Produktion (nicht wirklich Schnaps, ich weiß).

§

Damit’s nicht untergeht: Herr Kaltmamsell war so freundlich, das Rezept für seine hervorragenden Süßkartoffel-Mac-and-Cheese in meinem Rezeptblog zu hinterlegen.

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In der gestrigen Wochenend-Süddeutschen, dem unzerrissenen Teil, eine schöne Reportage über ein ikonisches Lied meiner Jugend, auch in meinen Kreisen als Geheimtipp durchgereicht: “Am Fenster” von City. Raphael Geier hat Toni Krahl, eines der vier Band-Mitglieder, auf Zypern besucht (€).
“Sieben Minuten für die Ewigkeit”.

Ein Freiheitsliedchen, über die Mauer nach Süden geflogen: Wie vier Typen aus Ostberlin ohne ihr Wissen in Griechenland zu Stars wurden …
… und warum „Am Fenster“ von „City“ dort immer noch ein Radio-Klassiker ist.

Journal Mittwoch, 8. Oktober 2025 – Am Tegernsee kann man auch wandern

Donnerstag, 9. Oktober 2025

Wandertag also. Nach guter Nacht stand ich zu vielversprechendem Himmel auf.

Es wurde richtig sonnig, entgegen der Vorhersage einer geschlossenen Wolkendecke. Und schon wusste ich nicht recht, was ich für meine Wanderung entlang dem Tegernseer Höhenweg anziehen sollte, vorhergesagte Höchsttemperatur 16 Grad. Ich entschied mich für ein langärmliges Sport-Shirt und meine Superduper-Wanderjacke, vorsichtshalber band ich mir noch ein Nickitücherl um den Hals.

Zum Bahnhof brach ich recht früh auf: Herr Kaltmamsell hatte uns fürs Abendessen einen Tisch reserviert, ich wollte mit genügend Sicherheitsabstand zurück daheim sein. (Deutschlandticket ist super.)

Wandertag war es überraschenderweise auch für echte Schulklassen (Herr Kaltmamsell klagt hin und wieder, dass er das mit seinen Klassen schon seit vielen Jahren nicht mehr machen kann): Die Bahn war berstend voll, unter anderem mit mehreren Schulklassen, als weitere Überraschung auch mit weiteren Wandergruppen (durchaus nicht nur im Rentenalter – haben die alle Urlaub?).

Auch in meinem Zielort Gmund schien die Sonne von nahezu wolkenlos blauem Himmel – damit hatte ich anhand der Wettervorhersage wirklich nicht rechnen können. Ich vermisste eine Sonnebrille, öffnete schon bald meine Jacke, auf dem zweiten Teil des Höhenwegs band ich sie mir um den Bauch.

Erstmal steuerte ich den Käse-Automaten an, den wir bei der jünsten Wanderung hier entdeckt hatten, ich wollte Nachschub besorgen.

Der Automat wurde gerade nachgefüllt, ich kam ins Gespräch mit der Nachfüllerin – und erfuhr viel spannenden Hintergrund. Hiermit sei empfohlen: Käse von der Naturkäserei Tegernseer Land aus dem Automaten in Gmund am Anfang des Tegernseer Höhenwegs (solange der Automat noch was hergibt, denn dann haben diese Sorten saisonale Pause – wie jeder handwerklich erstellte Käse), bringen Sie Bargeld mit. Neben dem Weissacher vom letzten Mal (schmeckte besonders gut zu Tomate, die Nachfüllerin empfahl auch Pfannenbraten) ließ ich mir einen Blauberger mit Edelschimmel aus dem Automaten. Diese Käserei, so fand ich daheim heraus, ist eine Genossenschaft – wir mögen Genossenschaften.

Es blieb sonnig, ich wanderte fröhlich – und konnte mein Wetterglück auch diesmal schier nicht fassen.

Nach einer guten Stunde war ich am Ende des nördlichen Tegernseer Höhenwegs in Tegernsee.

Mittagscappuccino am Bahnhof.

Brotzeit machte ich um halb zwei auf einem Bankerl am See am Rand von Rottach-Egern: Ernteanteil-Äpfelchen (super!) und eine Nussschnecke.

Nach knapp viereinhalb Stunden und etwa 16,5 Kilometern war ich wieder am Tegernseer Bahnhof. Erst kurz davor sah ich nach Rückfahrten, ging eh alle halbe Stunde ein Zug. Außer. Außer es fällt einer aus, wie in diesem Fall. Nun, ich hatte genug zu lesen dabei, das Wetter war weiterhin stabil, las ich also bis zur Rückfahrt 50 Minuten auf einer Bank am Bahngleis.

Der reservierte Abenbrottisch stand im Lokal Prygoshin im nördlichen Bahnhofsviertel: Auch wenn der Name es nicht vermuten lässt, hatte Herr Kaltmamsell auf der dortigen Speisekarte Arepas entdeckt, südamerikanische gefüllte Maisfladen. Die hatte er schonmal selbst zubereitet, wollte sie aber professionell gemacht probieren.

Wir tranken beide MargaritasCaipirinhas (sehr gut! und ich hatte mitten unter der Woche Lust auf Alkohol gehabt, wahrscheinlich ein Urlaubs-Symptom), die Arepa von Herrn Kaltmamsell und meine Cachapa (eine andere Art von Maisfladen, eher Pfannkuchen-groß) schmeckten gut und sättigten.

Und ich saß mit Blick aufs legendäre Café Kosmos.

Zurück daheim gab’s zum Nachtisch Trifle und Schokolade.

Ich sah nach, warum ein Lokal mit venezolanischen Spezialitäten solch einen russisch klingenden Namen trug – und stieß auf ein SZ-Interview von 2023 mit dem Wirt Michael Frimpong und die kuriose Geschichte dazu (€):
“Wenn die Bar wie der russische Söldner-Chef heißt”.

Weil hinter Bezahlschranke, hier die Kurzfassung: Namensgeber ist der “belgisch-russische Chemie-Nobelpreisträger, Schriftsteller und Philosoph Ilya Prigogine, gesprochen wie Prigoschin”, weil Frimpong dessen Buch “Order Out of Chaos” so gut gefiel. Der schon vorher Pech mit Namensideen für sein Restaurant hatte:

Wir hatten das Lokal 2017 übernommen, und weil im Freundeskreis einige zu dem Zeitpunkt Onkel geworden waren, hatte ich die Idee, den Namen “Onkelz” zu nehmen.

Die Folgen können Sie sich denken.

§

Morgens nutzte ich eine Gelegenheit, Goggles “KI”-Funktion zu verwenden: Ich wollte herausfinden, worum es sich eigentlich bei dieser Skulptur am Isarwerkkanal in Thalkirchen handelte.

Und so befragte ich Google Lens (das mir bei Produktsuchen, also Schuhen, Kleidung, anhand von Fotos schon nützlich war). Das Ergebnis:

Sie wurde 1987 aufgestellt und zeigt Sisyphos, wie er einen Felsblock den Berg hinaufdrückt.

unweit der Brudermühlbrücke

und

Die Figur besteht aus Bronze und der Fels aus Stein.

waren offensichtlich falsch, den angeblichen Künstler “Peter H. Mette” fand ich nirgends, also ging ich den Quellen nach.

Google hatte sich nach eigenen Angaben auf der Website Stadtgeschichte München bedient. Und hier stand mit Links und Foto, dass es sich um die Skulptur “Die gebändigte Kraft” von Peter Winter-Heidingsfeld handelte, übergeben 1920. Nur falls Sie dazu neigen, bei Google-Suchen die “KI”-Zusammenfassungen, die seit einiger Zeit ganz oben erscheinen, ernst zu nehmen.

Ich zitiere aus dem Interview mit Informatikprofessorin Katharina Zweig, das die Süddeutsche am Montag veröffentlichte (€):

Sprachmodelle wurden mit vielen Texten darauf trainiert, das nächste Wort vorherzusagen, das in einem bestimmten Kontext wahrscheinlich ist. Sie sind nicht so konstruiert worden, dass sie irgendetwas wissen. Wenn sie vorher sehr viele Sätze gelesen haben, die alle korrekt sind, kann die Maschine eine Variante von diesem Satz erschaffen, die inhaltlich korrekt ist. Genauso gut kann der Satz völlig in die Hose gehen.

Beim Abendessen überlegte ich mit Herrn Kaltmamsell, warum Google nicht die Fakten in seiner Quelle genannt hatte. Wir konnten nur raten: Weil sie sich nicht gut lasen? Kein so schöner Text waren wie zusammengesetzte Fragmente viel vagerer und weniger passender Quellen?

Will heißen: Werkzeuge wie ChatGPT sind verlässlich, wenn es um Sprachliches geht (deswegen eine wunderbare Hilfe bei Formulierungen und Zusammenfassungen) – die darin enthaltenen Fakten müssen immer überprüft werden. (Sonst siehe “Deloitte muss Australien Geld zurückgeben, weil Bericht voller KI-Halluzinationen war”.)

Journal Samstag, 27. September 2025 – South Downs Way Tag 7: Von Alfriston nach Eastbourn

Sonntag, 28. September 2025

Das Wichtige vorab: Bin gesund und munter (!) am Ende des South Downs Way angekommen.

Gut im sehr kalten Zimmer geschlafen, es hatte eine Weile gedauert, bis es mir unter dem leicht klammen Bettbezug warm geworden war. Vor Wecker aufgewacht, sehr munter.

Erstmal ans Fenster, eh.

Zum zweiten Mal konnte ich mich an einer luxuriösen Kaffee- und Teeküche bedienen (inklusive einem Mikro-Kühlschrank für mein Kännchen Frischmilch): Mein erster Kaffee aus der French Press (Parameter vorher natürlich online recherchiert: Wie geht das, damit guter Kaffee rauskommt) – ja, schmeckt wie guter Filterkaffee. Dann noch zwei Tassen Schwarztee.

Aber es war so kalt! Bloggen in dicken Socken, Fleecejacke, Janker. Meine letzte Wanderetappe trat ich entsprechend durchgefroren an, so sollte das eigentlich nicht sein. Als ich mich von der Gastgeberin verabschiedete (danke nein, ich nahm lieber doch nichts mit als Brotzeit, das hätte offensichtlich Umstände verursacht), bemerkte ich sehr wohl ihren dicken Wollpulli mit Steppweste drüber, so wohnt man hier halt.

Ich war früh dran und sah mich ein wenig im (übersichtlichen) mittelalterlichen Alfriston um.

Herzstück: Die Kirche St. Andrews aus dem 14. Jahrhundert.

Aus Feuerstein (flint) gebaut.

Eine Runde durch die morgenleeren Gässchen, die ungefähr lediglich doppelt so viel Fläche belegten wie der Touristen-Parkplatz – letzterer aber mit einem sehr willkommenen Klo.

Ich nahm den South Downs Way wieder auf, letzte Etappe, die Küsten-Variante über die Seven Sisters (es gibt auch eine Streckenführung weiter im Inland).

An einem Samstag war ich durchaus auf Ausflüger*innen auf der Strecke gefasst gewesen. Auch dass aus der einen Charity-Wanderung (rosa T-Shirts) zwei geworden waren (grüne T-Shirts, und davon viele, viele Gruppen und einzelne), verarbeitete ich ganz gut. Doch dass es auf den Seven Sisters zuging, wie ich mir Wandern auf dem Nanga Parbat vorstelle (minus Leichen), überraschte mich dann doch. Offensichtlich handelt es sich um eine international abzuhakende Sehenswürdigkeit, ich war von so vielen chinesischen Touristen umgeben wie zuletzt auf dem Jungfraujoch (minus Kurzatmigkeit wegen Höhe). Dafür aber nur ganz wenige Mountainbiker.

Erstmal am River Cuckmere entlang.

Hier in Litlington hatte ich am Vorabend gegessen.

Im ersten Abschnitt der gestrigen Wanderung hörte ich noch regelmäßig Fasane: Die kennen Sie sofort, klingen wie eingerostete Gockel. Mit nahender Küste dominierten immer stärker Möwen.

Beginn des Seven Sisters Country Park an der Mündung des Cuckmere (riesiger Parkplatz, einige Reisebusse); der Weg führt links hinter mir die Klippen entlang.

Die Beschäftigung zweier Rucksack-unterm-Arsch-Trägerinnen (das hat man noch?) erinnerte mich an das Wichtigste beim Besuch von internationalen Attraktionen: Selfies.

Jetzt endlich hatte ich das Meer in der Nase; zu meiner Überraschung roch es nach Meer im Sommer.

In Birling Gap, das derzeit aufwändig vorm Wegbröseln bewahrt wird, bekam ich im großen und rege besuchten Visitor’s Center des National Trust diesmal erst nach drei Stunden Wanderung meinen Mittagsmilchkaffee.

Zurückgeblickt auf Birling Gap.

Leuchtturm unter Beachy Head.

An einem Café dort machte ich in der wärmenden Sonne Brotzeitpause: Restliche Äpfelchen (ich will mehr davon!), Nüsse, Trockenfeigen und -pflaumen.

Wenig später schob sich mein Ziel in den Blick: Eastbourne. In Sonne hatte ich den Küstenort noch nie gesehen, bei den mindestens zwei vorherigen Besuchen mit Herr Kaltmamsell hatte es geregnet. (Der zusätzliche Pfeil am Wegweiser-Pfosten gilt einer der Charity-Wanderungen.)

Fertig!

Weil ich wieder früh dran war, spazierte ich noch ein wenig in Eastbourne (was ich am nächsten Tag ja eher nicht machen würde, weil ich dann meinen großen Koffer selber transportieren musste).

Blick zurück.

Edle Badehäuser – es wurde auch im Meer gebadet! Und auf den Pfählen im Wasser saßen reichlich Kormorane.

Samstags wird geheiratet, im Hintergrund der Pier.

Das waren dann gut sechs Stunden mit zwei langen Pausen für 23 Kilometer (davon gehen aber mindestens zwei auf die Extrarunde in Eastbourne).

Insgesamt bin ich den vergangenen sieben Tagen laut meinem Handy 175 Kilometer gegangen (etwas mehr als die offiziellen 100 Meilen des South Downs Way, die umgerechnet knapp 161 Kilometer sind). Fast schon unheimlich: alles ohne einen Tropfen Regen, die meiste Zeit sogar mit Sonnenschein. Das hatte ich noch bei keinem Wanderurlaub. Vermutlich noch nie habe ich mich so richtig darüber gefreut, eingepackte Kleidungsstücke gar nicht getragen zu haben (superduper Regenjacke, Regenhose).

Mein Körper hat ganz erstaunlich gut mitgemacht, da bin ich schon aus mancher übersichtlichen Tageswanderung kaputter rausgekommen. Und nach dem kleinen Durchhänger an Tag 6 bereitete mir gestern auch das Gehen wieder ausgesprochen Freude, die gleichmäßige, aber durchs Hoch und Runter nicht zu gleichmäßige Bewegung entspannte mich.
Positive Überraschung: Nahezu keine Wanderkrätze, nur am Abend des zweiten Wandertages sah ich ein wenig der typischen gesprenkelten Rötung. Ich würde sagen: Bei mir persönlich kann man “große Anstrengung” als Ursache schonmal ausschließen.

Mein gestriges B&B (die linke Hälfte).

Das Zimmer schön und mit Aussicht (und sonnenwarm), aber zu klein (kein Tisch, kein Stuhl, kein Platz für Koffer). Der Check-in lief per Telefon über Lautsprecher bei Hausklingel, das war ein wenig seltsam.

Sinkendes Herz beim Stiefelausziehen: Jetzt löst sich auch die zweite Sohle von den guten alten Stiefeln. Diesmal muss ich in mich gehen, ob mir nach knapp 30 Jahren eine weitere Neubesohlung (kostet mittlerweile 100 Euro) das Geld wert ist (das ist der aktuelle Nachfolger, hm, hm). Und wenn nicht, ob ich die kaputten Stiefel dann überhaupt zurück nach Hause trage.
Mein anderes Paar von Meindl muss ja auch zur Reparatur eingeschickt werden: Zwei Nähte (nicht mehr nur eine) lösen sich. Ach meia.

Zum Abendessen hatte ich mir den ganzen Tag schon Fish & Chips eingebildet, auf dem Weg zur Unterkunft bereits ein vertrauenswürdiges Etablissement gesehen. Dort saßen dann tatsächlich locals, und ich beobachtete, dass die alten davon Tee zu ihren Fish & Chips bestellten. So weit ging ich nicht.

Am besten schmeckten mir die extra bestellten Mushy Peas, nämlich so richtig nach Erbsen – ich hätte die Mengen zwischen Kartoffeln und Erbsen gerne getauscht. Aber: Hiermit sind Fish & Chips abgehakt, die schmecken halt nie nach viel. Zurück im Zimmer gab’s als Nachtisch Schokolade.

Da ich am heutigen Sonntagmorgen ja eher Zeit rumbringen muss (Bezug Ferienwohnung in Brighton nach 15 Uhr), verschob ich die Bildbearbeitung und Finalisierung des Blogposts darauf – und nutzte die übrige Energie für Lesen.

Vielleicht fällt ja jetzt der Druck ab? Wenn ich es erstmal nach Brighton und in die Wohnung schaffe?

§

Mal wieder Tanz!

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https://youtu.be/7nJRGARveVc?si=YFrr5LGAXsxCvM-m

via @goncourt

Journal Freitag, 26. September 2025 – South Downs Way Tag 6: Kingston nach Alfriston

Samstag, 27. September 2025

Nicht so lang geschlafen, wie ich hätte können vor der vorletzten, lächerlichen 18-Kilometer-Etappe, ab vier Uhr ging nur noch Dösen – und natürlich Weiterärgern; unter anderem stellte ich mir vor, jemand kommt auch noch regennass von einer Wanderetappe in diesem fensterlosen Winzelzimmer an, ohne Chance, irgendwas zum Trocknen aufzuhängen.

Aber wieder brach der Tag trocken an, blieb auch den ganzen sechsten Tag in Folge trotz mancher wirklich bedrohlich dunkler Wolken trocken – wahrscheinlich hat den englischen Regen einfach Frau Brüllen bei ihrer archäologischen Grabung in der Schweiz abbekommen.

Auch ohne Frühstück hatte ich Gelegenheit, mit der Gastgeberin zu plaudern, nämlich wartend an der Haustür: Das Taxi kam diesmal 20 Minuten später als vereinbart, da hatte man sogar meinen Koffer bereits abgeholt. Die Rückfahrt nach Kingston war nur ein Drittel so lang wie die Hinfahrt am Vorabend – als ich mich sehr gewundert hatte, dass der Taxifahrer (Typ alter Depp)1, mich durch halb Lewes kutschiert hatte, durch winzige Gässchen, am Bahnhof vorbei. Die Fahrt zurück zum gestrigen Ausgangspunkt entsprach meinen Recherchen für Fußweg zur Not.

Die Wanderung führte mich gestern vor allem über baumlosen Hügelrücken, meist im Wind, aber nicht so unangenehm wie am Vortag. Es gab nicht Detail-Sehenswürdigkeiten, wohl aber Ausblicke. Im ersten Teil waren um mich zwei Wandergruppen: Eine ca. zwölfköpfige auf charity walk, eine zweiköpfige. Beide traf ich über meinem Mittagscappuccino wieder (Pause wieder früher als geplant, weil Wandercafé!), doch dann ließ ich sie für den Rest des Wegs hinter mir. Insgesamt merkte ich, dass ich langsam durch bin mit Wandern für dieses Mal.

Erstmal ein bisschen Kingston.

Über dem Ort startete gerade ein Paragliding-Tandem (sehr wahrscheinlich mit einem ein ganz anderen Verhältnis zu dem blöden Wind als ich).

Typischer Bauernhof in dieser Gegend (laut meiner langjährigen Wandererfahrung in den South Downs von Brighton aus).

Mittagsmilchkaffee, als Cappuccino verkauft.

Ausblick auf Newhaven.

So sah mein Weg gestern mit wenigen Varianten die meiste Zeit aus.

Auch Mittagspause machte ich eine halbe Stunde früher als eigentlich geplant. Zum einen war ich schon weit auf meiner Tagesetappe, zum anderen kam ich an einem Parkplatz vorbei – und wir haben ja gelernt: Wo Parkplatz, da Bankerl mit Aussicht – schlicht eine andere Bankerlkultur als bei uns. Diese musste ich ein wenig suchen, doch sie stellten sich sogar als nur zwei von vieren heraus. Es gab wieder Äpfelchen, Nüsse, Trockenpflaumen und -feigen. Dazu kalten Wind, ich blieb dennoch eine Weile sitzen, u.a. weil guter Handy-Empfang.

Die Stein-Ernte scheint dieses Jahr gut gewesen zu sein.

An meinen Zielort Alfriston gelangte ich nach fünfeinhalb Stunden und gut 16 Kilometern. Das stellte sich als ganz entzückender alter Ort mit viel touristischer Infrastruktur heraus, ich bekam sogar endlich wieder Schokolade zu kaufen!

Die Entzückung hielt an, als ich an meine Unterkunft kam (ich war misstrauisch gewesen, weil ich wieder ans Ende einer Ausfallstraße geschickt wurde und kein Abendessen angeboten wird): Neben dem Weingut Rathfinny (Schild “Beware harvest in progress”) lag das historische Riverdale B&B.

Der freundliche Gastbeger hieß mich meine Wanderstiefel an der Tür ausziehen (es war sogar für einen Stuhl gesorgt), fragte meine Frühstückswünsche ab (Sandwich bekomme ich hier wohl keines zum Mitnehmen, er bot mir Brot an?) und brachte mich auf dieses wundervolle Zimmer: Wenn ich sofort aus dem Fenster fotografieren möchte, ist alles in Ordnung. Der Herr gab mir ein paar sehr brauchbare Tipps für ein Abendessen unweit.

Im schönen Bad entdeckte ich eine Badewanne: Das war meine große Hoffnung gewesen, der Wind hatte mich am Ende doch ganz schön durchgekühlt. Doof allerdings: Auch hier wird noch nicht geheizt, Ende September ist wahrscheinlich in Europa eine dafür ungünstige Reisezeit, weil vielen Gastgebern noch nicht kalt ist. Also heißes Bad in kaltem Badezimmer, besser als keines.

Zum Abendessen folgte ich der Gastgeberempfehlung ins Nachbardorf Litlington – die Orte heißen hier im Grunde so geradeaus wie im Oberbayerischen, aus dem ich komme (Manching, Gaimersheim, Lippertshofen). Nur halt auf Englisch. In Alfriston hätte es schon auch zahlreiche Lokale gegeben, aber zum Plough & Harrow in Litlington hatte er ergänzt, man brauche auch gestern am Freitagabend keine Reservierung. Und Dorfpub fand ich ohnehin sehr attraktiv.

Die 15 Minuten Fußweg dorthin waren die Entscheidung allein schon wert.

Verwunschener Weg quer durchs Tal.

Bach Cuckmere (tihihi) im Abendlicht – die Farben waren genau so.

Witzelvorlage am Wegesrand.

Im Pub erkundigte ich mich:
“Do you have any local ales on tap?”
“All of them.”
<3
Ich ließ mir eines empfehlen.

Nach nicht mal 15 Minuten hatte die eine Barmaid mich bereits “love” genannt, die andere über meinen blöden Witz gelacht – ich fühlte mich adoptiert. Mit mehr oder anderer sozialer Energie hätte ich einen denkwürdig geselligen Abend verbringen können: Ich bekam mit, dass es gestern ab spätestens acht live Musik gab.

Sehr wahrscheinlich die letzte Gelegenheit heuer für richtiges Pub Food: Ich bestellte, was Herr Kaltmamsell bestellt hätte, also Steak, Onion & Guiness Pie (den ich durchaus auch selber mag).

Kam mit einer ernst zu nehmenden Portion Brokkoli, hatte eine wundervoll blättrige Hülle und enthielt wie erwartet nur wenige Stücke Rindfleisch. Nachtisch:

Dreimal Sticky Toffee Pudding in sechs Tagen – was aufs Jahr gerechnet einer alle vier Monate ist – finde ich in Ordnung. Und wenn’s als positive Verstärkung für die Anbieter dient. Dieser war der am wenigsten gute (aber immer noch deutlich besser als kein Sticky Toffee Pudding), dafür mochte ich das Eis dazu besonders.

Rückweg im fast Stockdunklen, jetzt verstand ich die Empfehlung in meinen Wanderunterlagen, fürs Abendessen eine Taschenlampe mitzunehmen. Ging schon, vor allem genoss ich die Nachtdüfte, in Dunkelheit bin ich sonst nie auf dem Land.

Zurück im Zimmer noch ein wenig Schokolade, Bildbearbeitung, Lesen.

VG Wort hat den Ausschüttunngsbrief für 2024 geschickt: Mittlerweile gibt es pro Post (zur Erinnerung: Geld gibt es, wenn eine bestimmte Textlänge und ein Mindestzugriffszahl erreicht ist – hier habe ich das mit der VG Wort genauer erklärt) nur noch 19,73 Euro, vergangenes Jahr waren es noch 25 Euro. Damit werde ich meine Rente also auch nicht wirklich aufbessern können.

  1. These: Das eher früher geläufige “alter Dep” ist ein heutiger Alter Weißer Mann mit gleichem Anspruchsdenken, nur ohne Machtposition. []

Journal Donnerstag, 25. September 2025 – South Downs Way Tag 5: Upper Beeding nach Kingston

Freitag, 26. September 2025

Ein Scheißtag, so. Denn: Ende scheiße, alles scheiße. Und an diesem Ende wartete ich über eine Stunde aufs bestellte und bestätigte Taxi, fühlte mich scheiße, weil ich telefonisch mehrfach nachfragte, recherchierte bereits alternative Wege zu meiner Unterkunft per Linienbus und zu Fuß (umständlich, aber in einer zusätzlichen Stunde machbar). Das ist genau die Art Stress, von der ich Urlaub brauche, danke schön.

Schließlich tauchte das Taxi fünf Minuten vor Abfahrt des Linienbusses auf (der Fahrer legte sich unterwegs auch noch mit einer Autofahrerin an, die ihm seiner Meinung nach Platz machen sollte!), das brachte mich zu einer Unterkunft am Rand des Industriegebiets von Lewes – wo mein Zimmer das kleinste der bisherigen Reise war (und ich hatte schon an beiden Vortagen um meinen Koffer klettern müssen) und nicht mal ein Fenster hatte.

Um das Foto aufzunehme, musste ich auf den Gang treten.

Das letzte Mal, dass ich im Urlaub in einem fensterlosen Zimmer schlief, war nach dem Abitur in Sevilla – als meine Freundin und ich unseren Camping-Versuch abbrachen und einfach nach der billigsten Übernachtung suchten, die in einem Haus angeboten wurde. Ich glaube, das hier sind einfach Privatleute, die das doofste Zimmer ihres Hauses vermieten.

Zum nächsten Abendessen wären es 15 Minuten zu Fuß gewesen (das wusste ich bereits aus den Unterlagen), aber durchs Industriegebiet, ich passte. Zum nächsten Supermarkt war es noch weiter. Lewes ist eine schöne alte Stadt, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es hier keine besseren Zimmer gab – und beginne, der bislang so geschätzten Wander-Agentur zu unterstellen, dass sie mehr Geld für sich rausschlagen wollte. Es ist nie gut, wenn mir im Urlaub einfällt, wie viel ich dafür gezahlt habe. (Inklusive 78 Euro Single-Zuschlag pro Übernachtung.)

Und wenn wir schon bei scheiße sind: Ausgerechnet gestern wich der GPS-Track deutlich von der ausgeschilderten Strecke ab. Das konnte ich bei angekündigten 29 Kilometern Distanz, unter Druck weil Deadline Taxi, überhaupt nicht brauchen.

Auf der Positivseite (jajaja): Wieder ein komplett regenfreier Tag mit schönem Wetter. Wobei. Schon an Tag 4 hatte der Wind angefangen an mir zu nagen. Und auch heute wurde mir das unaufhörliche scharf Angeblasenwerden unangenehm und nervte; ich hätte eine Mütze über die Ohren vertragen und wünschte, ich hätte die neue Fleecejacke dann doch mit Kapuze gekauft (“ist doch bloß alberne Deko”).

Los ging es früh in Upper Beeding (ohne R nach dem B): Ich fühlte mich trotz der zusätzlichen halben Stunde für Taxi-Verabredung unter Druck. Der Wirt überreichte mir statt Frühstück wie vereinbart ein Cheese Sandwich, fragte mich nach meiner Tagesetappe: “Oh, that’s a big one.” Ich startete zum ersten Mal zu einer Atemwolke vor dem Mund.

Hier hatte ich übernachtet, rechtes Fenster oben.

Bitte beachten Sie den Dampf über dem Pferdemisthaufen.

Trotz Druck nahm ich mir die Zeit zum Äpfelpflücken: Am Vortag hatte ich in der Nähe ein Grundstück passiert, das mit handgemaltem Schild einlud, sich an den Apfelbäumen darin zu bedienen.

Apfelernten hatte ich ja im Kartoffelkombinat gelernt: Wenn sich bei leichtem Drehen der Frucht der Stiel vom Ast löst, ist sie reif. Ich nahm vier Äpfel mit und freute mich sehr. Danke, unbekannte Schenker*innen!

Ab dann legte ich das Tempo vor, mit dem ich sonst in die Arbeit marschiere, gönnte mir fast kein Stehenbleiben und Gucken, schon gar keinen Umweg.

Von Bankerln machte ich immer Fotos (hier hinter mir natürlich ein Parkplatz), sollte es ein nächstes Mal geben, nutze ich die Geo-Koordinaten zum Einplanen.

Upper Beeding von oben.

Kühe mit der Silhouette von Brighton. (Per E-Mail letzte Abmachungen mit dem Ferienwohnungsvermieter dortselbst, mal sehen, ob meine Bitte um Waschmittel erfüllt wird.)

Allerdings war fast zu meiner geplanten ersten Pause ein Café am Weg eingezeichnet. Wenigstens einmal wollte ich doch wohl an diesen sieben Tagen unterwegs eingekehrt sein, also gab’s Pause bereits nach zwei Stunden Wanderung.

Ein alter Wohnwagen mit Theke davor, auf der eine Siebträgermaschine betrieben wurde, außerdem gab es Kuchen und WLAN (totales Funkloch). Der Cappuccino erfreute mich sehr, es war viel los auf den wild zusammengewürfelten Tischen und Stühlen vor dem Wohnwagen. Ich traf wieder auf das australische Wander-Quartett (sie erzählten, sie hätten eine Abkürzung genommen und seien nicht den ganzen Weg gegangen – ich hatte mich schon gewundert, dass sie vor mir lagen). Und es gab ein Klo! Einmal Waldpinkeln weniger.

Wundervolle Beschallung von dem Rotkehlchen auf der Mauer neben mir.

Kirche in Pyecombe, Church of the Transfiguration – die ist echt alt aus dem 12. und 13. Jahrhundert.

Auch mal Pferde.

Menschen: „Katzen können wirklich in jeder Haltung schlafen.“
Kuh so: „You were saying?“

GPS-Anzeige, während ich

vor diesem South-Downs-Way-Schild stand. Nach einer Weile folgerte ich, dass die tatsächliche Strecke ein Stück kürzer war als der Track – und fuhr mein zackiges Marschtempo ein wenig herunter. Brotzeitpause kurz vor zwei.

Äpfelchen vom selben Tag (köstlich!), Cheese Sandwich – ich hatte schon wieder vergessen, dass man hier den Käse dafür nicht in Scheiben schneidet, sondern raspelt. Schmeckte mir sehr gut, machte mich wieder etwas müde.

Word of the day an der Autobahn-Fußgängerbrücke: Fly-tipping, also wörtlich Auskippen im Fliegen, heißt offensichtlich illegale Müllentsorgung. (Hebe ich mir auf für metaphorische Verwendung.)

Weg zwischen Autobahn und Bahntrasse.

Unter den Bahngleisen durch.

Zurück ins nervig Windige, eine gute Stunde hatte ich Pause gehabt.

Jetzt zweigte ich vom Wanderweg zum Treffpunkt mit dem Taxi in Kingston ab.

Zu diesem Zeitpunkt war ich erleichtert, weil alles geklappt hatte. Am Rand von Kingston naschte ich von einem unerwarteten Erdbeerbaum – wie vor einem Jahr auf Mallorca!, nahm mir zwei Äpfel aus einer Schüssel vor einem Einfamilienhaus. Es waren dann gemessene 26 Kilometer, drei weniger als angekündigt – aber sonst hätte ich die Strecke auch nicht in knapp acht Stunden geschafft.

Doch dann, siehe oben. Bei Ankunft in dem Minizimmer wäre ich original fast in Wuttränen ausgebrochen, sah mich aber zu Freundlichkeit gegenüber der sehr, sehr freundlichen Gastgeberin verpflichtet.

Abendessen war also, auf dem Bett sitzend (in Pulli und Jacke, Zimmer auch noch nicht heizbar) und aufs Nachkastl bröselnd: Äpfelchen, Käse (ein Stück, das ich genau für diesen Notfall bei Ankunft am Samstag im Supermarkt besorgt hatte), Trockenfeigen – und die drei Kekse, die beim Wasserkessel auf dem anderen Nachkastl gelegen hatten.

Abendbeschäftigung Bloggen, mir fehlte ja die gute Stunde, die ich mit Warten aufs Taxi verbracht hatte. In Funkloch ohne Internet. Weswegen ich für die Telefonate mit dem Taxidienst auf der Jagd nach dem zweiten Balkon 5G herumlief. Zefix. Aber ich komm vor lauter Wandern ja eh zu nix. In Brighton wird gegammelt und gelesen. Und gefernseht und gegessen. Sonst nichts.
(HAHAHAHAHA!)

§

Vanessa Giese wird ja nun nicht Bürgermeisterin von Haltern am See – ich finde dennoch sehr interessant, welche Konzepte sie für eine Verbesserung des Lebens in ihrer Heimatstadt hat (und danke fürs Ausführen):
“Ideen für die Stadt”.

§

Ähnliches Thema, aber bereits in der Praxis im österreichischen Trofaiach, Steiermark:
“Wo Frauen sich wohlfühlen, ziehen Familien hin – und Gemeinden gewinnen”.

§

Neues von ChatGPT:
“Das mit den Gemsen kann er ja nicht wissen”.

Journal Mittwoch, 24. September 2025 – South Downs Way 4: Amberley nach Upper Beeding

Donnerstag, 25. September 2025

(Amberley war doch dieser eine Song von Roger Whittaker?)

Nach guter Nacht etwas zu weit vor Weckerklingeln aufgewacht. Eigentlich lag dieses Pub/B&B am hintersten Ende des Dorfes in der kompletten Stille, wegen der Stadtleute Urlaub auf dem Land machen – doch irgendein Stück Haustechnik brummte durchgehend, ich verdächtige eine Bad-Lüftung.

Aussicht!

Gestiefelt und gepackt setzte ich mich sogar in den Frühstücksraum auf eine Tasse Tee, plauderte mit einer vierköpfigen Wandergruppe in meinem Alter, die mich am Vortag beim Ankommen angesprochen hatte (Ich so: “So are you from around here?” “We‘re from Australia.” “Well it doesn‘t get any further from around here than that, does it.” Smalltalk kann ich.) Keine Bitte um Sandwich, unter anderem weil ich schnell dem Raum mit dem dauerkläffenden Hund eines Übernachtungsgasts entkommen wollte.

Außerdem telefonierte ich tapfer: Heute werde ich am Ende meiner Etappe in Kingston von einem Taxi abgeholt und zur Unterkunft in Lewes (kenne ich bereits von Brighton-Urlauben) gefahren, die Unterlagen der Agentur betonten, dass ich diese Abholung rechtzeitig telefonisch bestätigen müsse. Ich nutzte die Gelegenheit, die Zeit des Treffpunkts um eine halbe Stunde nach hinten zu schieben: Die Tagesetappe umfasst sportliche 29 Kilometer, ich möchte mich nicht hetzen müssen.

Da die gestrige Strecke mit nur 21 Kilometern angekündigt war, nahm ich mir in deutlicher Morgenfrische Zeit, mich in Amberley umzusehen und den überall empfohlenen Dorfladen zu besuchen. Ersteres tatsächlich entzückend (und offensichtlich teuer), letzteres enttäuschend: Angeboten wurde in verwinkelten Regalen lediglich Supermarkt-Ware (ich fragte vergeblich nach lokalen Äpfeln: Die würden alle für Cider verwendet), manche davon (Schokonüsse und weitere Süßigkeiten) halt umverpackt in Tütchen mit hübsch gestalteten Etiketten “Amberley”.

Die typischen Stroh-gedeckten Häuser der Gegend – in anderen Gebieten Englands werden verschiedene andere Materialien fürs thatching verwendet.

Am spannendsten fand ich in den Unterstand der Gemeinde mit Schwarzem Brett (dort erfuhr ich, dass das Pub/B&B The Sportsman Inn, in dem ich untergekommen war, verkauft wird: Um es als unabhängiges Community Pub zu erhalten und selbst zu kaufen, wird Geld in Form von Anteilen gesammelt, “Own a piece of the pub!”), Büchertauschkiste – und dem Pendant zur deutschen Tafel: Eine Kühlbox für Lebensmittelspenden für Bedürftige. (Für Herrn Kaltmamsell machte ich noch Fotos von vielen weiteren Details und Plakaten im Häusl. Große Vermissung, England ohne ihn ist seltsam – ich habe das Gefühl, die Hälfte an Interessantem zu verpassen, weil sein doch anderer zusätzlicher Blick fehlt.)

Amberley von oben.

Die gestrige Etappe führte mich mal unter dunklen Wolken, mal in Sonne vor allem Hügelrücken entlang, mit weiten Ausblicken in beide Richtungen – und ordentlich Wind (vierter Tag in Folge ohne Regen! so ein Scheißglück!). Sonne naturgemäß bei einer Wanderung Richtung Osten nur von einer Seite – auch wenn ich mich täglich mit LSF 50 eincreme, fürchte ich am Ende des Wegs etwas einseitige Braunfärbung meines Gesichts.

Ich kam unter anderem durch das Weingut Wiston Estate, von dem am Vorabend die Rede gewesen war, kreuzte zweimal die Wege mit dem australischen Wander-Quartett (lachender banter). Das Highlight aber war gegen Ende die piggery: Frei gehaltene Schweine in einer Form, die ich aus Deutschland überhaupt nicht kenne.

Weit vor dem Weingut der ersten Weinberg am Wegesrand auf sehr Kalk-haltigem Boden – das edle Restaurant zum Weingut heißt Chalk.

Päuschen nach zweieinhalb Stunden auf einer recht gemütlichen Wiese.

Die Unterlagen der Agentur legten dringend nahe, etwa in der Mitte der Wanderung einen Umweg zu machen, um das gefährliche Kreuzen von und Entlangehen an einer mehrspurigen verkehrsreichen Straße zu vermeiden. Dem folgte ich gerne, zumal ich dadurch durch ein weiteres Dorf kam: Washington.

Vor dem Übergang über die schlimme große Straße: Pferde bitte schieben.

Kirche von Washington: Ich ging hinein um herauszufinden, ob sie so alt war, wie sie tat – nee, Imitation aus dem 19. Jahrhundert.

Typischer hiesiger Stein.

Brotzeitpause mit ersten Ausblick auf Brighton: Äpfelchen, Nüsse, Trockenfeigen und -pflaumen (schmeckt mir weiterhin richtig gut).

Und dann kamen die Schweine, mindestens 500 Meter lang links und rechts des South Downs Way, laut quiekend und riechend. (Viele Schilder “Don’t feed the pigs!”)

Bei den Ferkeln (alle mit Ringelschwanz) massenhaft Vögel: Krähen und Dohlen, die vielen Stare kletterten sogar auf den Schweinderln herum. Neuzugang bei der Vogelsichtung: Bachstelze. Außerdem neben Schwalben besoners viele Falken gesehen, im Wind rüttelnd.

Menschen: Gestern vor allem Mountainbiker mit Motor, allein und in Gruppen. Aber insgesamt immer noch ein Bruchteil der Begegnungen von vergangenem Jahr auf Mallorca!

Zurück am river Arun.

Die Weißdorne, die ich ja schon mal blühend auf unserer ersten Wanderung in den Cotwolds erlebt habe, tragen reiche Frucht, ebenso Schlehen und (seltenere) Kornelkirschen.

Diesmal lag meine Unterkunft in Upper Beeding nur zehn Minuten vom Wanderweg entfernt: Ankunft nach gut 20 Kilometern in knapp sechseinhalb Stunden. Füße mittelmüde, mein Körper verlangte insgesamt nach Erholung. Mal sehen, wie fit er auf der heutigen zweitlängsten Etappe ist. Äuglein leicht gerötet nach all dem Wind.

Im zugehörigen Pub (am Wochenende mit live Musik) mit gemütlichen locals bekam ich wieder gutes Abendessen: Ich musste kein Fleisch bestellen, sondern konnte zwischen verschiedenen Gemüse-Optionen wählen. Das Veggie-Chilli stellte sich als bunter Gemüseeintopf mit Bohnen auf Reis heraus, super. Dazu ein Pint Ale, danach noch ein Apple Crumble (fast so gut wie meiner).

Nebenbei hatte ich erfahren, dass ich der einzige Übernachtungsgast war. Ich dachte rechtzeitig daran, mich fürs Frühstück abzumelden (nicht dass jemand wegen mir umsonst früher aufstand) und um ein Sandwich zu bitten.

Früh zurück auf mein Zimmer – das sogar geheizt war! Die drei vorherigen Abende auf dem Zimmer musste ich zu den vorsichtshalber eingesteckten dicken Socken greifen und mich mit Jacke wärmen.

Das Zimmer lag der Geräuschkulisse nach direkt überm Pub, ich hörte dumpf Gesprächsgeräusche. Süße Erinnerungen an meine Studienzeit und die Wohnung über einer Kneipe. Zum Glück wurde es nicht lauter: Die Unterkunft liegt auch an der tagsüber vielbefahrenen Einfallskreuzung des Dorfs mit großer Tankstelle schräg gegenüber. Doch nachts verschwand hier der Verkehr.

Lichtaus sehr früh wegen großer Müdigkeit.