Journal Donnerstag, 5. Dezember 2024 – Dementor Erwerbsarbeit

Freitag, 6. Dezember 2024 um 6:31

Gut geschlafen, hätte mehr sein dürfen. In der letzten Stunde vor Weckerklingeln ließ mich die Erinnerung an zwei Dinge, die ich nicht vergessen durfte, nicht mehr ganz einschlafen (Plastikkiste für Ernteanteil mitnehmen / Maschine helle Wäsche programmieren – meine Probleme möchten Sie haben).

Zu meiner Überraschung wurde es zu klarem Himmel hell, ich genoss den Marsch in die Arbeit.

Am Schreibtisch legte ich umgehend los – mit einem nahezu fröhlichen Chopchop. Doch dann musste ich schon wieder schöne Spontanjobs ablehnen, weil ich bis Freitagabend durchgebucht war.

Am späten Vormittag war ich noch so gut im Plan, dass ich für Markteinkäufe (Äpfel) und Mittagscappucino ausstempelte.

Doch zurück im Büro erwischte mich ein massiver Querschuss, der mich ungeplante anderthalb Stunden beschäftigte. Das war’s mit Mittagspause, kurz vor zwei zwang ich mich zumindest, den mitgebrachten Linsen-Bete-Salat zu essen.

Der Nachmittag war brutal, und ich leide derzeit unter Schwierigkeiten, für die ich nichts kann, die ich auch nicht beseitigen kann, die aber mittelfristig desaströs verlaufen. Mir dämmerte immer mehr (nicht erst seit gestern), dass das so auf Dauer nicht weitergehen kann. Wenn die Erwerbsarbeit wie so ein Dementor wirkt, der allen (ohnehin eher spärlichen) Lebenswillen, alle Kreativität und Energie absaugt, stimmt doch was nicht? Wobei mir ja inzwischen klar ist, dass auf mich jede Erwerbsarbeit ein wenig diese Wirkung hat – was es schwierig macht zu erkennen, ab wann ich Alarm schlagen muss.

Zu spät durfte es gestern nicht werden, ich war dran mit Ernteanteilabholung. Und davor musste ich Milchnachschub besorgen.

Auf dem Heimweg war ich so erledigt, dass ich eigentlich nur “So kann das nicht weitergehen” in Variationen dachte. Milch und Ernteanteil heimgebracht, Herrn Kaltmamsell angeschnaubt, dass ich möglicherweise unfreundlich zu ihm sein würde. Dabei gibt es bei ultra-grottiger Laune doch nur einen Menschen, an dem man sie auslassen kann, der keine Chance hat davor wegzulaufen: Man selbst.

Eine halbe Stunde Yoga-Gymnastik wirkte schon mal besänftigend – obwohl einige Übungen dabei waren, die mein Körpervermögen weit überschritten (so weit, dass ich es lustig fand).

Für die Brotzeizvorbereitung hatte ich zwei Sorten Sojajoghurt in der Hand (ich musste einmal umständhalber von meiner üblichen Marke abweichen).

Zutatenliste der Ausweichmarke (10 Posten).

Zutatenliste von Sojade, das ich am liebsten kaufe (2 Posten). Einer von diesen beiden Herstellern scheint handwerkliche Probleme zu haben. Preis übrigens identisch.

Herr Kaltmamsell hatte bereits Spannung aufs Nachtmahl aufgebaut: Es werde etwas ganz Besonderes um den Ernteanteil-Lauch geben.

Auf gedecktem Tisch eine gestürzte Tarte mit Lauchscheiben und Salbeiblättern

Eine Ottolenghi-Rezept: Leek nut roast tatin. Sehr gut, lauchig-nussig-pilzig-fruchtig – über die letzte Geschmackskomponente rätselten wir, tippten als Ursache auf Granatapfel-Melasse sowie die Pastinake, die Herr Kaltmamsell aus Ernteanteil zusätzlich reingeraspelt hatte.

Nachtisch Schokolade.

Mit neuem Buch ins Bett: Matt Haig, The Midnight Library, fing einladend an. Doch dann fiel mir ein, dass ich Nikolaus vergessen hatte und Herr Kaltmamsell am nächsten Morgen mit bebender Lippe vor keinem Schokoladennikolaus stehen würde – ach Männo.

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 5. Dezember 2024 – Dementor Erwerbsarbeit“

  1. Defne meint:

    Da ich eine eifrige Zutatenlistenleserin bin habe ich die Produkte von “alpro” schon länger für mich ausgeschlossen, also nur im äußersten Notfall.
    alpro verlangt für ihre schlechtern Produkte ja durchaus einen hohen Preis.
    Sojade “auf Basis von gentechnikfreiem Bio-Soja, das zu 100 % aus Frankreich stammt” (aus der Firmeninformation).

  2. Rainer meint:

    Als langjähriger Mitleser kommentiere ich einmal:

    “Wenn die Erwerbsarbeit wie so ein Dementor wirkt, der allen (ohnehin eher spärlichen) Lebenswillen, alle Kreativität und Energie absaugt, stimmt doch was nicht? ”

    Richtig, da stimmt etwas nicht! Das geht dann (nicht mehr so) langsam in Richtung Burnout.

    Als jetzt (hoffentlich für immer) Nicht-mehr-Angestellter kenne ich die Erwartungsmechanismen von Arbeitgebern ganz gut. Muss nicht einmal bewusst so gewollt sein, das ist häufig systemimmanent.

    Und immer gibt es das “fleißige Lieschen” (bitte alle anderen Varianten dazudenken), das brav mitmacht.

    Das Mitmachen ist der Punkt, an dem man ansetzen kann.

  3. Thankmar meint:

    Ich habe für mich festgestellt, dass Erwerbsarbeit (in einem wie auchbimmer gearteten Angestellteverhältnis) eine narzisstische Kränkung ist.

  4. Corsa meint:

    Ich bin gespannt, wie Sie die Midnight Library finden. Bei dem Anfang (bin bis zum Wiedersehen mit der Bibliothekarin gekommen), fragte ich mich, ob das für meine trübe Jahresendstimmung gerade das richtige ist …

  5. Birte meint:

    Die Midnight Library hat mir gut gefallen. Ist schon etwas her, dass ich sie gelesen habe.
    Ich bin im Moment immer so erledigt, dass ich kaum noch die Tagesschau überstehe und meistens dabei schon weg ratze.
    “So kann es nicht weitergehen” denke ich auch immer wieder in Variationen. Der Streß ist das eine, die mangelnde Wertschätzung das andere. Als Assistenz halte ich so vieles am Laufen, will nur keiner sehen. Aber für Konsequenzen bin ich zu feige. Einfach was neues anfangen, dafür fehlt mir der Mut, vor allem finanziell.

  6. Norman meint:

    Ich nehme das Waschmaschinenproblem, meine ist kaputt.

  7. Lovegoodbooks meint:

    Meinem Eindruck nach sind Sie sehr fix und sehr effektiv in der Arbeit. Aber die Arbeit ist zu viel für eine Person!
    Der Arbeitgeber ist über Sie froh, vermutlich hatte er noch nie eine Assistenz, die derartig viel und qualifiziert weggeschafft hat!
    Es ist an Ihnen, dies zu äußern und eine weitere Assistenz einzufordern. Übermenschliches müssen Sie nicht leisten, und das von sich selbst zu verlangen, ist auch ziemlicher Quatsch.
    Je mehr Sie so prima schaffen, desto mehr wird Ihnen aufgebürdet. „ Das lässt sie nicht auf sich sitzen, dass sie das nicht auch noch schafft.“ Diesen Eindruck haben haben offenbar Ihre Vorgesetzten und Mitarbeiter von Ihnen. Wollen Sie den wirklich vermitteln?
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