Morgen-Grauen

Mittwoch, 31. März 2004 um 10:07

So. Hiermit gestehe ich mir weiterhin Nölen zu, selbst wenn ich an dem Missstand selbst schuld sein sollte (erlaube ich mir normalerweise nicht, weil ich mir sofort mit dem Zeigefinger vor der eigenen Nase rumfuchtel: „Hättest du halt…“).

Aaaaaaaber – wenn der Tag mir schon als allererstes die ZEITUNG vorenthält!!!

Lebensqualität hängt bei mir sehr von einem Leben VOR Arbeitsbeginn ab. Ich nehme sogar die Kosten einer Zweitwohnung in Kauf, um mich vom Pendeln nicht zu morgendlicher Eile zwingen zu lassen.

Mein Wecker schellt 80 Minuten, bevor ich das Haus verlassen muss. In dieser Zeit
– stehe ich auf,
– ziehe mir Schlumpfklamotten oder einen Bademantel an,
– schalte auf dem Weg zur Wohnungstür den Herd mit der Cafetera ein (am Vorabend geladen),
– gehe zu meinem Briefkasten,
– hole daraus die Zeitung,
– fahre mit dem Aufzug zurück in den 3. Stock,
– mache mir Milchkaffee,
– schalte das Radio an (Bayern 5, weil ich Deutschlandradio hier nicht reinkriege)
– setzte mich mit Tasse und Zeitung an den Tisch,
– lese etwa 45 Minuten Zeitung.
Dann erst geht’s ins Bad, zum Anziehen und zum Schminken.

Kann sich IRGENDJEMAND vorstellen (außer Lyssa), was los ist, wenn dieser Tagesanfang an der Stelle „hole daraus die Zeitung“ umkippt? Weil keine Zeitung im Briefkasten ist?
Es geht nicht etwa nur darum, dass ich meiner morgendlichen Lektüre beraubt bin. Ich weiß einfach nicht, was ich mit dieser kostbaren Zeit anfangen soll! Ich MUSS praktisch sofort in die Arbeit gehen.
So stand ich heute morgen sicher eine Minute fassungslos vor meinem leeren Briefkasten. Da soll sich noch irgend jemand wundern, dass ich nach dem perfekten Suizid forsche.

die Kaltmamsell

15 Kommentare zu „Morgen-Grauen“

  1. Distel meint:

    Mein Beileid. Mir wurde erst klar, welchen Stellenwert meine Morgenzeitung bei mir hat, als plötzlich eine Bekannte mich morgens im Zug entdeckte und ab da jeden Morgen neben mir saß und mich zutextete. Nach drei Tagen habe ich ein Abteil ausgewählt, in dem sie nicht war. Am 4. Tag hat sie mich im Zug gesucht. Ab der zweiten Woche habe ich einen anderen Zug genommen, um einen Affektmord zu verhindern.

  2. meike meint:

    meine güte, in bayern scheint die welt noch in ordnung zu sein, wenn du dich über "die morgenzeitung hat heute gefehlt" aufregst. in berlin, frankfurt und hamburg ist es schön, wenn man 3x die woche, die eigene zeitung lesen darf und jede zweite woche die zeit. ich meine, das ist auch irgendwie ok, denn es reguliert das altpapierproblem und man kommt auch mal dazu bücher zu lesen….

    ich schicke dir trotzdem ein paar sonnenstrahlen aus hamburg, liebse kaltmamsell!

  3. Mike meint:

    Ich kann sehr gut nachvollziehen was dann passiert: Man starrt auf die gähnende Leere des Briefkastens und nimmt gar nicht wahr was da passiert ist. Dann bricht eine Unsicherheit aus, die Welt gerät ins Wanken, man fragt sich was als nächstes kommt. In optimistischen Momenten sucht man nochmal kurz die dunklen Ecken im Hausflur ab. Gott sei dank passiert so etwas, wenn es dann vorkommt, nur einmal die Woche. Zeit-Abo.

  4. Wolfgang meint:

    Oh ja, das kann ich gut nachvollziehen. Ich habe mich in meiner Verzweiflung schon mal auf die Lauer gelegt, um den Zeitungsboten abzupassen. Und der sagte doch glatt, dass sie angewiesen seien, regelmäßig die Route zu wechselt – wegen Sitten- und sonstigen Strolchen, die sie sonst auflauern täten. Und deshalb komme die Zeitung halt nicht immer zur gewohnten Zeit.
    Überhaupt nicht glücklicherweise gibt es in Hamburg allerdings keine Zeitung mit regionaler Berichterstattung, für die sich Suizid-Gedanken lohnten…

  5. die Kaltmamsell meint:

    Berlin, Frankfurt, Hamburg haben hiermit enorm an Attraktivität eingebüßt – wenn’s da nicht mal verlässlich Zeitung gibt! Ich zieh nach England.

  6. Wolfgang meint:

    Naja, wenn du nicht gerade da wohnst, wo dir die Zeitung vor deinem Aufstehen aus dem briefkasten geklaut wirst, bekommst du schon eine. Allerdings keine, die das Aufstehen lohnen täte. Also in Hamburg jetzt. Ich hatte ja die Hoffnung, dass der Tagesspiegel seine Hamburg-Seite beibehält. Aber wie das so ist…

  7. Don meint:

    In Berlin geht das sogar noch besser. Da es viele Häuser gibt, die keinen sog. Aussenbriefkasten haben, werden die Zeitungen (also die SZ auf jeden Fall) jeden Morgen vor die Tür gelegt. Ich muss nur mit der Zahnbürste im Mund die Tür aufmachen und mich bücken. Verschwinden tut die SZ nur, wenn es Freitag ist, und das Magazin beiliegt. Aber selten.

  8. die Kaltmamsell meint:

    Oh Don, erinnern Sie mich nicht! In meiner Münchener Wohnung war das auch so. Ich fühlte mich wie im Film-Manhattan.
    (Sie putzen sich für’s Zeitunglesen die Zähne…?)

  9. Don meint:

    Ja, es gibt einen festen Ablauf in meinem Leben.
    Aufstehen -> Wasser trinken -> Aus dem Fenster starren -> Badezimmer -> Zähne putzen -> Teewasser anstellen -> Zeitung reinholen -> Zähne fertig -> Tee fertig -> Zeitung lesen.

  10. die Kaltmamsell meint:

    Danke! Sie werden lachen, aber ich finde anderer Leute Morgenrituale höchst interessant – weil sie so privat sind. Auf Reisen erlebt man ja nicht das eigentliche Verhalten der Leute, und mit einem Mitbewohner muss man recht vertraut sein, bis man den privaten Tagesanfang zu sehen bekommt.

  11. Meike meint:

    auf reisen variiert der tagesanfang ja meist – deswegen finde ich reisen ja auch so anstrengend.

    mein tagesanfang: zum fenster blinzeln, blick auf die uhr, aufstehen, espressomaschine anstellen, bad, anziehen,milchkaffe und müsli machen, müsli essen, lesen und kaffeetrinken, zähneputzen.

    im bad höre ich übrigens einen anderen sender als in der küche. das macht das leben bunt.

    the perfect day: nach-dem-frühstücks-schlaf inklusive

  12. maz meint:

    Bei mir im Haus ist jemand, der gelegentlich den Sportteil klaut.
    Das ist irgendwie fair, denke ich.

  13. Thuner meint:

    Meine grösste Sorge beim Umzug von Zürich in den Kanton Bern war, dass hier die NZZ am Morgen nicht früh genug im Briefkasten ist damit ich sie beim Frühstück lesen kann. Aber das Problem löste sich an meinem ersten Arbeitstag: Ich bekomme die Zeitung im Büro. Jetzt gehe ich halt früher arbeiten, hole mir einen Kaffee, mache die Tür zu, und lese erst mal die Zeitung…

  14. Anke meint:

    Mein Tag fängt ohne Zeitung an (wie schon mehrfach erwähnt — lohnt hier in HH eh nicht). Stattdessen: Wecker, draufhauen, nochmal umdrehen, nochmal Wecker, nochmal draufhauen, nochmal umdrehen, Wecker, Fenster auf, Rechner an, Dusche, Müsli und O-Saft machen, mit iBook ins Bett, Weblog updaten, eine halbe Stunde im Netz surfen und dabei frühstücken, dann Schminken und ab zur Arbeit.

    Neuerdings kommt irgendwo in diese eiserne Abfolge auch noch sowas wie "Kerl knutschen" rein.

  15. die Kaltmamsell meint:

    Ich hatte schon geahnt, dass ich die einzige Sau bin, die sich nicht erst mal sauber macht… Ich rechtfertige das damit, dass ich den Bettzustand dadurch verlängere und dafür garantiert beim ersten Weckerton aufstehe.
    Anke, jetzt kapier ich endlich, wie Du das morgendliche Posten unterbringst.

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