Confession time: #Aufschrei

Montag, 28. Januar 2013 um 12:30

Ich bin kein Opfer ich bin kein Opfer ich bin kein Opfer ich bin kein Opfer ich bin kein Opfer – diese essenzielle Selbstdefinition funktioniert auch bei mir. Hey, ich gehe auch mal in einer milden Spätsommernacht allein quer durch den Englischen Garten, wenn das eine Abkürzung auf meinem Heimweg ist und ich mich auf die Gerüche und weiten Blicke dort freue!
Hatte ich nicht gerade erst geschrieben, dass ich Belästigungen praktisch nicht kenne? Das hätte mir so gepasst, vor allem hätte es zu meinem Selbstbild als starke, selbstbestimmte Frau gepasst. Nur dass mir bereits als ich den “Veröffentlichen”-Knopf zum vorigen Text klickte, sehr wohl etwas einfiel, was ich wohl weit weg geschoben hatte. Weil mir sowas doch nicht passiert. Und selbst jetzt hätte ich es fast nicht aufgeschrieben: Unangenehm, nicht wichtig genug, Bagatelle, aber vor allem – da war ich doch selbst schuld.

Als 25-jährige Studentin jobbte ich auf einem kleinen Filmfestival: Ich sollte einen älteren Regisseur aus einem lateinamerikanischen Land betreuen; wahrscheinlich hatte den Ausschlag gegeben, dass ich fließend Spanisch und Englisch sprach. So begleitete ich ihn, dolmetschte, besorgte, organisierte, unterhielt mich viel mit ihm. Der Herr war sehr galant und wurde immer galanter: Er bat mich um meine Meinung zu Fachthemen, sorgte dafür, dass ich besonders interessante Menschen aus seiner Bekanntschaft kennenlernte, erzählte von seiner berühmten Familie, machte mir Komplimente, bemerkte kleine Details (“Oh, du hast heute ganz kurze Fingernägel.”), bat mich um Rat beim Aussuchen der Mitbringsel für seine Frau, eine in seinem Heimatland bekannte Fernsehpersönlichkeit. Ich fühlte mich geschmeichelt und dachte noch: “Ah, so macht also ein Herr der alten Schule jemandem den Hof.”

An einem Tag regte er an, ob wir nicht mittags im chinesischen Lokal um die Ecke Essen gehen wollten. Ich war bereits etwas irritiert, als er sich direkt neben mich setzte und fühlte mich augenblicklich befangen und unwohl. Dann legte er auch noch den Arm um mich – ich versteinerte. Doch er begann auch noch mich zu küssen, ich schüttelte mich innerlich vor Ekel. Dennoch sprang ich (wir erinnern uns: eine selbstbestimmte, eigenständige Frau) keineswegs sofort bestürzt auf und lief weg. Statt dessen schob ich mich ganz vorsichtig weg und entwand mich unter einem höflichen Vorwand seinen Arm – auch wenn in mir alles schrie. Ich war mit der Situation völlig überfordert: Zum einen arbeitete ich ja für ihn, und zum anderen fürchtete ich ernsthaft ihn zu verletzen. Ich redete mir ein, ich sei als junge Frau in der überlegenen Position und könnte den grauhaarigen Herren durch eine Abfuhr kränken. Wie das Mittagessen endete, weiß ich nicht mehr, meine Scham hat alles weitere ausgeblendet.

Nein, das erzählte ich danach niemandem. Ich machte nur ein paar Andeutungen in der Richtung, dass der Herr mich schon sehr umworben habe. Denn ich war ja wohl ganz klar selbst schuld gewesen, hatte mich zunächst von seinen Komplimenten geschmeichelt gefühlt. Wenn ich schon die ersten Aufmerksamkeiten abgewiesen hätte, so war ich überzeugt, hätte er sich mir nicht weiter genähert.
Sie merken vielleicht, meine Herren, woher die schroffe Reaktion mancher Frau bereits auf ganz schlichte Komplimente kommen kann: Sie hat möglicherweise Ähnliches erlebt und schützt sich in der Folge schon ganz weit im Vorfeld vor einer Wiederholung. Weil sie überzeugt ist, dass sie selbst die Grenzüberschreitung herbeigeführt hat.

Heute ist mir klar, dass nichts an des Mannes damaliger Grenzüberschreitung freundlich oder aufmerksam war. Unklar ist mir, was er sich bloß dabei gedacht haben mag.

Doch auch jetzt, 20 Jahre nach dem Vorfall, ist er MIR peinlich. Fast hätte ihn auch hier nicht erzählt. (Sooo schlimm war’s ja auch nicht.) (Ist ja auch gar nichts passiert.) (Und außerdem war ich doch eigentlich selbst schuld.)

§

Oder leider auch vor erst einem Jahr: Die beiden Männer auf der Bank an der Isar, die mich heranjoggen sahen und dann feixend mit den Händen vor ihrer eigenen Brust die Bewegung meiner Brüste beim Laufen imitierten.
Ich hielt an und erklärte den beiden Männer in einfachen Worten aber ausführlich, warum dieses Benehmen komplett unangemessen war und wie sehr sie damit nicht nur mich, sondern auch sich selbst herabsetzten. Sie wurden im Lauf meiner Ausführungen immer ernster und stiller. Bevor ich weiterlief, versprachen sie mir, das nie, nie wieder zu tun.

HA. HA. Weil die Kühe so schön fliegen.

Tatsächlich brüllte und fuchtelte ich sie im Vorbeilaufen unflätig an. Was das Feixen der Männer nur verstärkte. (Tja, schließlich hatte meine Mutter mich doch angewiesen, Provokationen zu ignorieren statt sie durch meine Reaktion auch noch aufzuwerten. Mein Impuls war aber, meine schlagartige heiße Wut dringend rauszulassen.) Doch ich habe bis heute niemandem von dem Vorfall erzählt. Auch wenn ich jedesmal daran denke, wenn ich an dieser Bank vorbeilaufe. Weil ICH mich schäme.

§

Um mein Selbstbild als Herrin über mein Geschick zurechtzurücken, und zu beweisen, wie selbstbestimmt ich bin, gebe ich hiermit gleich mal eigene Grenzüberschreitungen zu; eine Zeit lang war ich nämlich zu meiner heutigen Beschämung stolz darauf, selbst ganz gut den Macho geben zu können.

In meinem Berufsteam gab es einen besonders attraktiven (und zudem sympathischen) Mitarbeiter. Gerade im internationalen Firmennetz fiel auf, dass Kolleginnen seine Aufmerksamkeit suchten, ihn zum Beispiel versuchten zu einem Auslandseinsatz bei ihnen zu überreden. Und mir als seiner Chefin fiel nichts Besseres ein, als ihn deshalb als “unser Coca-Cola Boy” zu titulieren. (Außerdem fürchte ich, habe ich in seiner Gegenwart einmal zu Dritten eine anerkennende Bemerkung über seinen Po gemacht.)
Das tut mir heute sehr leid.

Zudem ist mir heute klar, dass ich bei dieser Begebenheit zurecht ein schlechtes Gefühl hatte: Ich hatte den jungen Mann aus reiner Witzelsucht in Verlegenheit gebracht. Das gehört sich nicht.

§

Nachtrag: Seit vergangenem Wochenende gibt es eine Sammel-Site für diese Geschichten: alltagssexismus.de Damit niemand mehr von Einzelfällen sprechen kann.

die Kaltmamsell

39 Kommentare zu „Confession time: #Aufschrei“

  1. Feathers McGraw meint:

    Bei den Kommentaren zu dem Originalartikel wird mird jetzt ein ganz kleines bisschen bluemerant. Der junge Mann war tatsaechlich noch nicht ganz so weit, und das war ihm wirklich unangenehm. Maennern passiert sowas wirklich eher selten und da ist man dann tatsaechlich etwas ueberfordert damit.

    Sowas ist mir letztes Jahr erstmalig passiert. Mitbewohnerinnen von mir hatten eine (etwas aeltere) Freundin eingeladen, viel Wein wurde konsumiert, ich streunerte so gegen Ende dazu, wollte nur mal Hallo sagen und verschwinden. Doch die Dame liess sich (etwas angetrunken) von mir gar nicht mehr losreissen. Dabei bin ich fuer das weinliche Geschlecht eigtl. gar nicht verfuegbar (aehem) – und das wussten auch alle. Aber sie hatte schon zu viel Wein intus und da war es ihr egal. Es waren dann doch irgendwann zu viele Komplimente und Gestreichel, und ich bin nach hastiger Verabschiedung in mein Zimmer verschwunden. Nach kurzer Zeit fing der Gast dann an laut nach mir zu rufen und die Zimmer zu durchsuchen – was dann auch den Gastgebern zu viel wurde und sie gemeinsam den Gast zum gehen (bzw weitertrinken anderswo) ueberredeten. Eigentlich ist natuerlich nix passiert, aber die Situation ist mit bis heute unangenehm im Gedaechtnis geblieben.

  2. ubarto meint:

    Ich komme echt nicht drüber weg, WIE WICHTIG ich es finde, dass wir endlich über sowas reden. Dass wir solche Situationen endlich, endlich mal ans Tageslicht zerren. Dass wir sagen “nein, sowas ist NICHT normal” und “nein, es war nicht meine Schuld” und “es darf nicht sein, dass unserer Gesellschaft sowas toleriert und normal findet”.

    Danke an Sie und an alle, die den Mut finden, darüber zu schreiben. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie viel mir das bedeutet zu wissen, dass ich nicht allein bin.
    <3

  3. sospirati meint:

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    Gerne gelesen

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  4. noschoko meint:

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    Gerne gelesen

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  5. Mogi meint:

    wunderbar getroffen! nein, ich bin kein opfer, mir passiert sowas nicht. und wenn doch, dann erzähl ichs keiner und keinem, weil ich ja selbst schuld bin. Danke, du hast so treffend formuliert.

  6. Montez meint:

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    Gerne gelesen

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  7. Dompteuse meint:

    Ich finde das “rauslassen” einfach nur gut. Überleg mal, seit 20 Jahren ist das präsent. Egal wie doll man die Augen und Ohren zukneift, es zwickt im Bewusstsein. Klassiker, oder? Eine junge, top-ausgebildete Frau begegnet einem Mann auf professionell-freundschaftlicher Ebene (und der Kerl erzählt noch von der Ehefrau! Gnah!!) und der springt sie in aller Öffentlichkeit fast an. Und egal wie man reagiert, man ist gezwungen, überhaupt zu reagieren – und übernimmt gleich noch das Gefühl, das eigentlich das Gegenüber haben sollte (Scham) – das ist doch der Knackpunkt.

    Außerdem ist es auch mal nicht schlecht, sich ein wenig selbst zu reflektieren. Wobei ich die Bitte nach einem Lächeln jetzt nicht wirklich schlimm finde ;-)

  8. Miriam meint:

    Diese vielen Berichte, meine TL und mein Feedreader sind voll davon. Das erschüttert mich, weil wirklich JEDE Frau davon betroffen zu sein scheint. Das darf jetzt nicht verpuffen!!! Und neben den vielen erschütternden Berichten in den Blogs in scheinbar allen weiblich bevölkerten Ecken dieses Internets, die ich sehr sehr wichtig finde, weil sich diese Welle dadurch immer weiter fortsetzt und eine unglaubliche Reichweite erreicht, glaube ich aber, dass es wichtig ist, dass diese Berichte auch zentral gesammelt werden, um sie geballt diesen IgnorantInnen wie Jauch, Karasek, Westerwelle, Kubicki, Niebel, Bruhns um die Ohren hauen zu können. Deshalb wäre es eine Überlegung wert, ob diese Berichte nicht auch bei alltagssexismus.de gut aufgehoben wären.

  9. die Kaltmamsell meint:

    Danke für den Hinweis, Miriam: Ich hatte bereits alltagssexismus.de befüllt, den Verweis darauf aber noch vergessen. Hole ich gleich nach.

  10. Mareike meint:

    Ich habe den vorherigen Artikel mit “Genau” aus dem Kommentaromat kommentiert und bin seither im Geiste dabei, eine Art Kommentar zum Kommentar zu formulieren.

    Ich finde, die beiden Positionen (“es geht nicht um mich” und “ja gottverdammt, JEDE Frau ist betroffen” (frei nach Miriams Kommentar)) stimmen. Die distanzierte Perspektive hilft dabei, die politische Dimension zu erfassen und zu leben. Die individuelle Perspektive hilft dabei, Dringlichkeit und Notwendigkeit zu spüren und danach zu handeln.

    Ich arbeite seit Jahren mit meiner Eigenbetroffenheit (sowohl “privat” als auch beruflich). Ich finde, es geht um mich, aber es geht auch um “mehr”; darum, dass jedes “wir” (Gesellschaft) aus vielen “ichs” besteht. Also nicht um ein “mehr” im Sinne von Wertigkeit sondern Größe oder Menge.
    Und gleichzeitig geht es vielleicht auch um “weniger”: Achtung, Respekt und Würde.

    Im Film “We want Sex” (über die britische Arbeiterinnenbewegung) sagt (nein: schreit) eine Darstellerin “Rechte sind keine Privilegien”. Dieser Satz hat mich umgehauen. Ich will mich nicht wehren müssen. Ich will mich nicht verteidigen oder rechtfertigen müssen. Ich will nicht, dass irgendjemand auf der Welt sich wehren muss.
    Ich will Achtung, Respekt und Würde. Dass sie mir entgegengebracht werden und ich will sie anderen entgegenbringen.

  11. Mareike meint:

    Ah, und noch ein Veranstaltungshinweis:

    14.02.2013
    One Billion Rising – weltweite Protestaktion
    gegen Gewalt an Frauen
    für Gleichbehandlung und Gleichberechtigung

    Ganz sicher auch in München und auch sonst in Deutschland verteilt.
    http://www.onebillionrising.de/

  12. Angel meint:

    Ja, hier auch: Ich bin kein Opfer. Ich gehe und radle nachts durch alle Bereiche Münchens und fahre auch (fast) unbeschwert zu jeder Nachtzeit mit der Ubahn. Ich kann mich (auch körperlich) verteidigen, wenn es sein muss. Ich bin ein “Gestandenes Weibsbild”, wenn Sie so wollen.

    Und ja, ich dachte: Nein, hier geht es nicht um mich. *Mir* ist sowas noch nie passiert.

    Und nun, beim Mit- und Nach- und Querlesen: Oh, das war ja auch. Und Dieses. Und Jenes. Und Anderes. Und keinen der Vorfälle habe ich bisher *jemals* *irgendwem* erzählt. Weil es mir so unbehaglich war und ich gar nicht recht weiss, wie ich meine Passivität da erklären soll/kann/muss?

    Ich formuliere seit Tagen im Kopf. Ob ich das auch ausserhalb in Worte fassen mag, weiss ich noch nicht. Feigling ich, die ich mein Selbstbild so mag.

  13. Susann meint:

    Aber, liebe Leute, hier wird schon wieder der Bereich
    a) Frauen müssen sich wehren
    massiv gepusht. Das ist ja gut und richtig, aber was ist mit Bereich

    b) Männer müssen sich ändern?

    Mein obskures Hobby ist ja das Lesen von Katholikenblogs, und was da an Uneinsichtigkeit durch die Blogosphäre schwirrt (Brüderle nicht ganz okay. “Quotentussen” sollen sich nicht als Opfer inszenieren etc. etc.), ist echt erschütternd. Das ist lieb, wenn wir hier alle erzählen, wann uns irgendein schmieriger Typ betatscht hat, einfach, weil wir zur Vergleichsgruppe mit den Brüsten gehören (*vor Ekel schüttel), und akademisch gebildete Mitteleuropäer denken sich “hysterische Quotentussen” und “sollen sich mal nicht so aufspielen” zucken die Schultern und gehen zur Tagesordnung über.

    Männer. Müssen. Einfach mal 10 Sekunden lang versuchen, sich in so eine Situation reinzuversetzen. Dann noch mal. Dann noch mal. Dann noch mal. Bis es “klick” macht und weh tut.

    Aber ob sie das auch tun?

  14. FrauPeine meint:

    Danke für alltagssexismus.de

  15. Susann meint:

    Grad wieder in einem Blogeintrag gelesen, dieser Kommentar zur Dirndlausfüllkompetenz wäre ja eigentlich ein Kompliment und irgendwie superlieb.

    Es ist zum Kotzen.

  16. trippmadam meint:

    Danke für den Hinweis auf http://www.alltagssexismus.de. Habe meinen Senf dazugegeben. Was ich hier bei Ihnen und anderen von mir geschätzten Bloggerinnen immer wieder lese: auch wir starken, selbstständigen, tapferen, schlagfertigen Frauen sind nicht vor sexueller Gewalt gefeit, und wir überlegen uns anscheinend alle, ob wir nicht ein kleines bisschen Mitschuld haben…zum Kotzen (mit Verlaub). Schönen Abend trotzdem!

  17. Gabriel meint:

    Sehr guter Blog-Artikel.

    Beleuchtet die ganze Problematik von beiden Seiten.

  18. lihabiboun meint:

    Sehr nachdenklich. Auch ich fahre nachts durch dunkle Parks und fürchte mich nicht. Auch ich dachte OPFER????? ICH???? Aber je mehr ich nachdenke, um so mehr Kleinigkeitendinge fallen mir ein … der englische Dozent, der zu deutlich handgreiflich wurde, der Chef im Semesterjob, der mich “onkelhaft” belangte … etcetcetc. MINDESTENS fünf Beispiele, eher mehr. Alle abgelegt unter “phff, macht mir doch nix”
    aber wie gesagt – es geht nicht um mich (allein). Und was alles so wieder hochkommt …

  19. mo jour meint:

    danke für den beitrag.
    als eine, die schon als baby … neinnein ich bin kein opfer
    und als fünfjährige … neinnein ich bin kein opfer
    und als 16jährige … neinnein ich bin kein opfer
    und im alltäglichen alle tage … neinnein ich bin kein opfer
    … mit überleben beschäftigt ist.
    weil ich eben sehr² verletzt wurde
    aber opfer darf eine nicht sein und sich aufregen und wehren
    weil dann hat sie nicht nur den lebenslangen schmerz&ekel sondern auch noch den spott und die häme und das opfer-abo.
    vielen dank.
    und ist obendrein eine männderhassende spaßamherrenwitzverderberin.
    .
    das macht mir was.

  20. engl meint:

    genau den dreh hatte ich auch neulich. ich doch nicht, hätte ich mit einigen anderen singen können. hab ich aber dann nicht, und das war gut so. denn dann kamen die erinnerungen, kleine fetzen hier und da.

    das fazit heute: es gab also diesen kurzen moment in meinem leben, da hat mir ein wildfremder kerl etwas irgendwo in meinem körper gesteckt, das ich da ganz sicher nicht haben wollte.

    und ich sage jetzt nicht: es war ja nur kurz, sicher kaum mehr als eine sekunde, bis ich mich gewehrt habe. also alles in ordnung, halb so schlimm.

    das war es nicht. das ist es nicht. nie!

  21. Julia meint:

    ******************KOMMENTAROMAT**********************

    Gerne gelesen

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  22. Barbara meint:

    Ja, das Bekenntnis berührt und beschäftigt mich, wie auch der gesamte #Aufschrei. Ebenso sehr beschäftigt mich aber auch der “Coca-Cola-Boy”, denn der lässt mich mein eigenes Verhalten und meine durchaus vorhandene Vorliebe für solcherlei Humor sehr überdenken und konkretisiert etwas, was mir in den Diskussionen oft gefehlt hat. Danke für diese Anregung.

  23. Sebastian meint:

    @susann Es gibt eine Möglichkeit für Männer sich in die Situation zu versetzen, auch weit länger als zehn Sekunden, zumindest ist es mir so ergangen und es war auch mehr als ein hineinversetzen: schwul ausgehen.

    Ich bin mit Schwulen im engen Kreis aufgewachsen und war ab und zu Besuch in der Szene. Da zwar anders als viele Männer vertraut mit meinen Freunden und grade deswegen auch oft für schwul gehalten, aber anders als viele Frauen überhaupt nicht vertraut mit Anstarren, Anflirten, Anmachen. Danach habe ich immer gedacht und auch mal zu vertrauten Frauen gesagt: “Wow, ist das für Euch immer so?” Sie haben nie viel dazu gesagt.

    Eine Frau, mit der ich zusammen war, hat mal ganz viel gesagt und mir dann auch jedes Mal davon erzählt, wenn was war, in der U-Bahn, an der Ampel, im Restaurant – was für mich verdammt schwer war als Partner; bis heute denke ich drüber nach, war es großes Vertrauen oder auch was Anderes, warum sie das getan hat? Und habe kein gutes Gewissen dabei.

    Mir selbst sind in den letzten Tagen zwei Brüderle-Situationen (wieder) eingefallen. Eine war längst vergessen und ist beim Lesen von #aufschrei wieder aufgetaucht, ein Satz nur, aber in einer Situation und unter Personen, das war krass und ich damit ein klarer Fall fürs Mittelfeld von #aufschrei Beim anderen Mal hätte es mehr werden können, bisher habe ich mir gesagt, dass die Frau und am Ende auch ich klug genug waren, dass es das nicht wurde. Bin mir jetzt nicht mehr so sicher, ob es damit vor allem nur für mich mit der Zeit kein Problem mehr war; abgesehen davon, dass es nicht Sache der Frau war, klug zu sein, sondern meine, nicht so blöd zu sein.

    Und dann war da noch der Mann auf der Zeil, an den ich als Teenager stieß und dessen Hand plötzlich in meinem Kragen war. Und der Mathenachhilfelehrer im katholischen Jungeninternat, der seine Hände nicht bei sich lassen konnte und der völlig vergessen und bei der Missbrauchsdiskussion plötzlich wieder da war, mit aller Macht. Obwohl doch eigentlich kaum was war. Bei mir zumindest. Wir haben dann immer drüber gelacht. Aber wer weiß, was bei manchen dahinter war?

    Ok, vieles auf einmal und hin und her, aber so ist es ja auch.

  24. Susann meint:

    @Sebastian
    Entschuldigung, Sebastian, ich möchte nicht implizieren, dass Männer nicht in der Lage sind, sich in die Situation hineinzuversetzen – ich bin nur sehr frustriert, dass anscheinend viele gar nicht Lust haben, das zu versuchen.

  25. stefanolix meint:

    Die Begebenheit mit der Bank scheint mir deshalb so gravierend, weil sie mit dem Verlust der Beherrschung in einer unangenehmen Situation verbunden ist. Ich wurde als Läufer mal von einer rücksichtslosen Autofahrerin abgedrängt und in Gefahr gebracht. Ich habe sehr laut und nicht druckreif reagiert. Dieser Verlust an Beherrschung und Distanz ist sofort wieder präsent, wenn ich diese Ecke quere. Ich werde innerlich rot. Ich will nicht so reagiert haben.

    Beim Laufen und Joggen werden aber auch Männer bespöttelt. Irgend etwas zum Lachen findet sich immer, wenn der Läufer an spazierengehenden Gruppen (männlich, weiblich, gemischt) vorbeikommt: zu schnell, zu langsam, zu enge Hosen, zu weite Hosen, zu sportlich angezogen, zu schlabberig angezogen, roter Kopf, wirre Haare […].

    Wer allein läuft oder joggt, ist der spazierengehenden oder sitzenden Gruppe unterlegen, weil sich diese Leute in dem Moment nicht anstrengen. Sie können sich den Ball (des Spotts) gegenseitig zuwerfen. Ähnlich überlegen war mir die Autofahrerin: Sie saß in einem Blechkasten, wäre nicht verletzt worden, und war wesentlich weniger erschrocken als ich.

    Das Bespötteltwerden beim Laufen ist mir selbst schon passiert und ich habe es auch bei anderen Personen beobachtet. Es kommt aber praktisch nur bei allein Laufenden vor. Wenn mindestens zwei Personen gemeinsam laufen, nimmt die Spottlust sofort ab. In einer vernünftigen Welt würden sich alle um die eigene Sportlichkeit oder Unsportlichkeit kümmern …

  26. Modeste meint:

    Es ist erstaunlich: Es fällt mir beim Lesen Tag für Tag mehr wieder ein. Fetzen von sehr, sehr früher. Hände. Das Umschlagen von Situationen auf einer Party. Ein paar Worte, auch ein paar sehr handfeste Situationen, und ich frage mich bisweilen, ob es den Männern, die diese Erinnerungen auslösen, auch so geht. Ich glaube nicht. Ich denke, sie haben alles vergessen.

  27. Orangerie meint:

    Alles jaja !
    Aber ich befürchte, die gleichen Personen, die sich so schön ausdrückend hier kundtun, k ö n n t e n z.B. ganz lieblich unbefangen ihr Gänsestopflebertellerchen abfotografiert ins Blog stellen, die Kollegin X mobben…

  28. Rano meint:

    eins vorab: Ich finde es gut und richtig und wichtig, dass dieses Thema endlich mal auf die Agenda gekommen ist. Denn ich habe – als Mann – in den 20 Jahren im Job zu viele Dinge gesehen, gehört und erzählt bekommen, die definitiv die Grenze überschritten hatten.

    Aber ein Gedanke hämmert dann doch die ganze Zeit in meinem Kopf: Ich bin nett und höflich, behalte meine Finger und Augen bei mir und mache höchstens mal ein nettes und zurückhaltendes Kompliment über die Frisur oder ein schickes Outfit. Ich kann gut kochen und sogar bügeln, kann zuhören und spiele mich nicht auf. Ich verdiene auch sehr gut, gebe aber nichts auf Statussymbole. Und was ist das Resultat? Keine Frau guckt mich auch nur mit dem ***** an, während die Macker und notorischen Fremdgeher mit ihren Statussymbolen, ihrer Angeberei und ihrem schlechten Benehmen regelmäßig umlagert sind. Mit den dann üblichen Folgen, womit wir dann wieder beim Thema wären.

    Das ist dann irgendwie schon ein wenig traurig, soll aber keinesfalls in die Rubrik “ihr seid es ja selber schuld” fallen. Denn, wie gesagt, die Zahl der Täter ist groß und ihr Verhalten absolut inakzeptabel.

  29. Brigitte Novacek meint:

    @Rano: genau so einen hab ich mir ausgesucht als Freund. Es gibt uns also doch :.)

  30. Sebastian meint:

    @rano Was Frau Novacek sagt. Und trotz oder gerade wegen oben würde ich das auch von mir sagen (wollen) – denn diese Art half und hilft am Ende weit mehr, von den Richtigen wahr- und angenommen zu werden.

    Nicht? Auf jeden Fall steuert man da sich selbst statt sich nach anderen auszurichten. Aber die…? Na , ich weiß nicht, ob die Macker und ihre Zulieferinnen (bzw. die Zicken und ihre Sklaven) wirklich das bessere Los gezogen haben oder ob man nicht froh sein kann, bei diesem Spiel nicht dabei sein zu müssen. Sieht immer sehr anstrengend aus.

  31. trippmadam meint:

    @rano: Aber wollen Sie die Frauen, die vor den Mackern Männchen (bzw. Weibchen) machen? Vielleicht schauen Sie selbst auch manchmal in die falsche Richtung (das soll keine Kritik sein).

  32. Sabine meint:

    Eins muss ich jetzt auch dann loswerden, wenn es gar nicht um mich geht: Ich denke jetzt seit fast einer Woche intensiv darüber nach, ob mir nicht auch mal etwas #aufschrei-würdiges passiert ist, und es ist mir immer noch nichts eingefallen. Allgemein misogyne Kommentare will ich nicht dazuzählen, davon hat mich noch keiner verletzt.

    Warum gebe ich meinen Senf also dazu? Um zu sagen: hey, es geht doch. Es gibt viele Männer (ich scheine zufällig nur solchen begegnet zu sein, oder ich bin den anderen halt nicht aufgefallen), die sich zivilisiert, freundlich und frei von latentem Frauenhass durch die Gegend bewegen. Der Sohn scheint sich auch in diese Richtung zu entwickeln. Es gibt Hoffnung.

  33. philine meint:

    Es tut mir für alle leid, die da sexuell belästigt wurden. Ich empfand die Hand meines Chefes auf meiner Schulter nicht sexuell belästigend. Ich bin nicht betroffen. Sehe aber Jugendliche, Junge Erwachsene und Schülerinnen, die mit weiten Decoltés, Bauchfrei, Miniröcken, etc. etc. durch die Welt laufen, die Blicke auf die Männerwelt sind weitestgehend provozierend. Wie kann ein Mann mit Testoteron in jungen Jahren oder auch älteren Jahren sich dieser jungen Provokation zurückhalten? Nicht immer kann sich dann ein Mann alles verklemmen, wenn er so provoziert wird.
    Ich beobachte seit Jahren junge Frauen die in sommerlichen Temperaturen sich sehr spärlich anziehen und auf Männer ergo provozierend wirken müssen. Sie, die Frauen laden ein, sie wollen es offensichtlich, oder sie rechnen nicht mit der Psyche der Männer.
    Ein Mann, wenn er ein Mann ist, reagiert auf kurze Röcke, dargestellte sexuelle Reize einer Frau, das ist normal. Da kann ich mich als Frau nicht beschweren, wenn er reagiert.
    Junge Frauen provozieren ihre sexuellen Reize und wenn Männer darauf reagieren, sind sie
    schnell bei der Hand und reklamieren Übergriffe. Was haben sich die Frauen gedacht? Wahrscheinlich herzlich wenig.
    Genau da ist der Punkt. Eine Frau muss auch wissen, wie sie mit ihren sexuellen Reizen umgeht, was das für Reaktionen bewirken kann und auf wen und wie. Da muss Frau bewusst damit umgehen und es kann nicht angehen, dass das dann alles die Schuld der Männer ist. Wir Frauen sind auch verantwortlich dafür, was wir bewirken wollen und können.

  34. die Kaltmamsell meint:

    Ich widerspreche energisch, philine, und halte Ihre Weltsicht für männerverachtend. Männer sind Menschen, nicht Tiere. Sie verlieren ihre Zivilisiertheit nicht, wenn Sie hungrig sind und ein Gericht vom Nebentisch verlockend herüberduftet – man hört aus guten Gründen nicht von Fällen, in denen ein Mann dann einfach zugegriffen hat. Wieso sollten Sie also welchen Frauen- (oder Männer-)Körper auch immer als ihre Verfügungsmasse ansehen? Die Überzeugung, Männer könnten sich aus hormonellen Gründen nun mal nicht zurückhalten und es sei an den Frauen, sich davor zu schützen, klingt sehr nach der Haltung von Wibke Bruhns, die Antje Schrupp hier analysiert hat:
    http://antjeschrupp.com/2013/01/30/wibke-bruhns-oder-die-verpasste-veranderung/

  35. Sebastian meint:

    @philline
    Sexuelle Reize sind was Schönes, ich mag sie sehr und reagiere auch gerne darauf. In der Liebe, soweit wie wir es beide mögen. Aber auch ohne dies muss ich mich im Zusammenleben mit Frauen nicht zurückhalten oder verklemmen, um nicht zu wörtlichen oder tätlichen Übergriffen provoziert zu werden.

    Dass sie mir das als Mann oben unterstellen, finde ich verallgemeinernd und beleidigend – weit mehr als den ganz großen Teil dessen, was ich unter #aufschrei gelesen habe. Und ich glaube auch, dass nur ein kleiner Teil der Frauen dort Ihrem Bild der Provokateurin entsprechen.

  36. Sebastian meint:

    Ergänzung @philline
    Und selbst die Ihrem Bild entsprechen müssen es nicht erfüllen und schon gar nicht so behandelt werden.

  37. Viktoria meint:

    @ Philine

    Sie sagen: “Genau da ist der Punkt. Eine Frau muss auch wissen, wie sie mit ihren sexuellen Reizen umgeht, was das für Reaktionen bewirken kann und auf wen und wie.”

    So wie eine Frau auch wissen muss, was das mit ihr selber macht, wenn sie Männer vor Frauen in Schutz nimmt. Das ist nicht gut für die Selbstachtung. Weder für ihre, noch für die des Mannes.

    Es geht aber um viel mehr. Es geht um die sexuelle Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen, in denen sich Frauen aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Wehr setzen können, ohne einen Nachteil zu haben. Entweder glaubt man ihr nicht, oder bagatellisiert oder sie verliert ihren Job. Wenn der massenhafte #aufschrei hier zu mehr Bewusstheit geführt hat, sind wir schon ein Stück weiter.

  38. Angelika meint:

    @Mareike : “we want sex” ist die mE sexistische deutsche übersetzung, unter der dieser film in deutschland vermarktet wird. der engl. originaltitel ist “made in debenham”.

    @Kaltmamsell : danke, ich lese fast alles, was sie bloggen und das meistens gerne. sic.

    misogynie = frauenverachtung – sowie wenn frau dies verinnerlicht hat, weil frau ebend androzentrisch-heteronormativ im herrschenden patriachat sozialisiert wird/wurde
    sexismus = institutionalisierte misogynie

  39. philine meint:

    @Kaltmamsell@ Sebastian: ich unterstelle nicht grundsätzlich jedem Mann, daß er übergriffig wird. Ich unterstelle es den Männern, die aufgrund ihrer Labilität, Unbildung dazu in der Lage wären.
    Mir ging es auch im Kommentar nicht um Abhängigkeitsverhältnisse wie Job etc. , sondern im Allgemeinen

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