
Eigentlich waren wir damals zu Angies Haferl marschiert, um Bücher loszuwerden. Die gemeinsame Bibliothek quoll über, und ich hatte mich mit Mitbewohner gegen den Kauf eines neuen Regals entschieden, statt dessen für Ausmisten. Kriterien für die Deklaration als Unkraut waren:
– Habe ich noch nie gesehen, oder
– kann mich nicht im Geringsten an den Inhalt erinnern, oder
– fand ich vergessenswert.
Die so gejäteten Bücher füllten zwei große Rucksäcke, mit denen wir zu unserer liebsten Buch- und Möbeltandlerin wanderten. Wir wollten nicht mal Geld für die Bücher, Angie sollte sie nach Belieben weiterverkaufen. Vor dem kleinen Trödelladen in der Augsburger Jakobervorstadt aber wartete eine Falle: Mehrere Körbe voller alter englischer Taschenbücher. Ich weiß nicht mehr genau, ob wir die ausgemisteten Bücher bereits losgeworden waren oder ob wir mit noch gefüllten Rücksäcken an diesen Körben hängenblieben. Deutlich sichtbar enthielten sie nämlich eine Sammlung von etwa 20 Perry Mason Romanen.
Wir kamen mit fast ebenso vielen Büchern zurück, wie wir eben gejätet hatten.
Damals hatte ich gerade eine Reihe noirester Krimis hinter mir und war leichte Beute des einfachen Blümchenoptimismus’ in Erle Stanley Gardners Perry-Mason-Reihe. Ich war hingerissen von dem ewig männlich-herben, nicht mehr ganz jungen Perry, von seiner immer jugendlich-frischen und überaus schlauen Assistentin Della Street. Zumal jedesmal und verlässlich das Gute am Ende siegte. Da mein Mitbewohner ein geborener Sammler ist, ruhte er nicht eher, bis wir alle Krimis der Reihe besaßen, so um die gut 90.
Die Konsequenzen:
– Ich kenne mich im kalifornischen Rechtssystem der 40er bis 70er Jahre besser aus als im heutigen deutschen (inklusive spezifischem Vokabular).
– Ich fühle mich darin bestätigt, dass Populärliteratur ein echterer, weil impliziter Spiegel von Zeitgeschichte ist als so mancher Intellektuellenroman, der Zeitgeschichte zum Thema hat.
– Ich habe ein Faible für alte billige Paperback-Titelillustrationen.
Die schönsten Titelseiten unserer Perry-Mason-Sammlung hat mein Mitbewohner sauber gescannt, einige davon zieren als Ausdrucke unsere Wände.
Da ich dieses Vergnügen gerne teilen möchte, werde ich sie in unregelmäßiger Folge auf die Vorspeisenplatte stellen. They don’t make them like that anymore…