Dampfnudeln nach Fremdarbeiterinnen Art

Freitag, 16. April 2004 um 6:20

Meine Oma mütterlicherseits, Kazimiera, ist Polin und wurde im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen verschleppt, zur Zwangsarbeit im Schwäbischen auf dem Feld. Mit ihr zur Zwangsarbeit verschleppt wurde ihre ältere Schwester Irena. Sie landeten in Burlafingen, Irena bei einem „gute Bure“ (Bauern), meine Oma bei einem „bese Bure“ (meine Oma redet heute noch so, hat in ihren mittlerweile fast 70 Jahren in Deutschland nicht mal halbwegs Deutsch gelernt). Der „gute Bure“ war so gut, dass er meine Oma mit durchgefüttert hat, denn ihr eigener Bauer gab ihr nicht genug zu essen. Dennoch hat meine Oma ihn nicht verpfiffen, als die Amerikaner kamen: Sie erzählt, wie sie ihren Bauern beobachtet hat, als er beim Einmarsch der Amerikaner in der Scheune seine SS-Uniform vergrub. Und weil sie ihn nicht verraten habe, sei er ungeschoren davon gekommen. Wie so vieles an ihren Geschichten ist auch dieses Detail historisch nicht haltbar – aber in ihrer Erinnerung war’s halt so.

Sehr bald nach dem Krieg bekam meine Oma zwei Töchter von einem polnischen Soldaten. (Korrektur: Die erste kam schon 1944 zur Welt, vor Kriegsende.) Er war mit der US Army nach Schwaben gekommen und hat sie nach wenigen Jahren ungeheiratet sitzen lassen. Im Gegensatz zu ihrer Schwester ging meine Oma nie zurück nach Polen. Wenn man sie nach dem konkreten Grund dafür fragt, zieht sie die Augenbrauen zusammen und hebt ein durchdringend nasales „Ahhhhh!“ an, das in einem „Legg m’am Arsch“ endet. (Exakt so reagierte sie auch seinerzeit auf die Frage, ob sie sich für die Zwangsarbeiter-Rückzahlungen melden wolle.)

Spuren haben ihre schwäbischen ersten Jahre in Deutschland nicht nur in ihrer höchst besonderen Sprache hinterlassen, sondern auch in ihren Kochkünsten. Als echtes Kind ihrer Generation tendiert sie zwar zu großer Phantasielosigkeit, aber ein paar Gerichte sind in den Familienschatz eingegangen. Ich werde sie nach und nach unter die Rezepte stellen, heute beginnend mit Dampfnudeln.

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Dampfnudeln nach Fremdarbeiterinnen Art“

  1. marion meint:

    Sie haben ja eine sehr multikulturelle Familie, schön. Und danke für die schwäbischen Dampfnudel.

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