Wie sie wollten gegessen sein

Dienstag, 6. April 2004 um 14:04

Tischmanieren für das Essen in Gesellschaft und für den Fall, dass man mal bei Königs eingeladen ist, stehen unter anderem hier.

Dann aber gibt es noch die ganz privaten Essweisen, die sich höchstens in Gegenwart sehr vertrauter Menschen aus dem Dunkel der einsamen Mahlzeit wagen. Sie sind immer ein wenig mit Spiel verbunden, würdigen aber in idealer Weise nicht nur den Geschmack der Speise, sondern auch Aufbau und Textur.

Obst esse ich am liebsten mit Teller und Besteck. Das hat, glaube ich, schon in meiner Kindheit angefangen, als mir meine Eltern beibrachten, Honigmelonen mit Messer und Gabel zu essen. Das machte mir so viel Spaß, dass ich das auf anderes Obst übertrug. Meist nehme ich das Obst aber in die Hand und zerteile es lediglich mit einem Messer. Orangen schneide ich gerne ungeschält in Schnitzen und esse das Fruchtfleisch von der Schale ab. Das macht auch mit Ananas Spaß. Kiwi werden halbiert und dann gelöffelt, ebenso Papayas. Manchmal löffle ich auch Honigmelonen. Ausnahmen sind Früchte, die ohnehin schon in mundgerechten Portionen wachsen, zum Beispiel Erdbeeren und Trauben. Oder Bananen, die als perfekter Snack samt Verpackung geliefert werden.

Viel Spiel und Spaß bieten Pralinen. Gestern hatte ich mal wieder Mozartkugeln im Haus, die an Ess-Abenteuer kaum zu überbieten sind. Zunächst knabbere ich die Außenhaut aus Schokolade weg – gesamt, denn selbst mir wäre es zuviel der Mühe, die äußere dunkle und dann die hellere Vollmilchschokolade nacheinander zu essen. Den schokoladigen Boden der Kugel lasse ich allerdings dran, weil er durch die Prägung nicht in größeren Stückchen abknabberbar ist und die Brösel eine Sauerei geben. Nun beiße ich senkrecht die Hälfte der Mozartkugel ab und genieße die Mischung von Pistazien- und Mandelmarzipan mit Nougat. Die zweite Hälfte esse ich je nach Laune in einem weiteren Happs oder in den Einzelbestandteilen von oben nach unten.
Schokoküsse wollen ähnlich gegessen werden: Mit den Zähnen vorsichtig die obere Schokoladenschicht abnehmen, dann ringsum wegknabbern. Der Trick ist, möglichst große Stücke der Schokoladenglasur abzunehmen. Das weiße Innere wird mit den Lippen zerteilt mehr gesogen als gebissen. Zum Schluss gibt es den Keksboden, an dem leckererweise noch ein Rand aus dunkler Schokolade hängt.

Noch mal zurück zu Pralinen: Trüffel müssen erst aufgebissen werden, gerade so weit, dass man mit der Zunge das trüfflige Innere auslecken kann. Dann den Rest der möglichst stabilen Außenhülle essen.

Schokoladentafeln behandle ich am liebsten wie Schinkenbrote. Ich beiße kräftig in die Tafel und kaue mit vollen Backen. Ausnahmen sind hier die Rittersport-Sorten Pfefferminz und Joghurt. Die werden in Stücke gebrochen und dann Stück für Stück, aber erst im Mund, in ihre Einzelschichten zerlegt

Nuss- oder Rosinenschnecken (Plundergebäck) werden bitteschön der Reihe nach gegessen, also abgewickelt. Das hat zur Folge, dass ich für den Verzehr dieses Gebäcks immer zwei Hände brauche. Lakritzschnecken erfordern denselben Ablauf, hier genügt mir aber eine Hand.

Hm, mir fällt auf, dass das alles süße Speisen waren. Umso besser, vielleicht muss man ja nur beim Nachtisch auf mich aufpassen. Im Fall einer Einladung bei Königs.

(Pablo Neruda hätte daraus ein Gedicht gemacht.)

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Wie sie wollten gegessen sein“

  1. maz meint:

    Ich, der ich eine gustatorische Niete bin, habe plötzlich Lust auf etwas Süßes.
    In den Kommentaren auf einen Beitrag im eigenen Blog hinzuweisen ist zwar ein bisschen peinlich, dennoch:
    http://maz.blogger.de/stories/39827/
    ;-)
    Auf die Auflösung des Musikquiz wartend…

  2. die Kaltmamsell meint:

    Haben Sie Neruda mal gehört, wie er seine eigenen Gedichte vorliest? Diesen nasalen Singsang um ein blödes Stück Brot fand ich eher zum Abgewöhnen.
    Mir zugänglicher ist die Antipoesía von Nicanor Parra
    , auch so ein Chilene.

  3. maz meint:

    Dummerweise habe ich Neruda noch nicht gehört. Ich weiß aber, dass die Stimmen vieler Dichter ziemlich enttäuschend sind…
    (sogar Bob Dylans Lieder werden von anderen Künstlern schöner gesungen)

  4. typ.o meint:

    ich habe mich richtig gefreut über ihre schöne schilderung. ich konnte mir gut vorstellen, wie sie die negerküsse genießen … dankeschön!

  5. Julia meint:

    Der Klassiker beim sonntäglichen Mittagessen bei meiner Oma war, wenn ich mal das Messer abgeleckt habe: wenn wir bei der Queen dinieren, gehört sich das nicht! Alternative war: So wirst Du nie von der Queen zum Essen eingeladen..
    Ich dachte, diese Sprüche wären unsere eigene familiäre Spezialität. Anscheinend hat meine Oma das abgewandelt und die britische Königin als höchsten Maßstab der Tischkultur eingesetzt…:-)

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