Krapfenfasching

Dienstag, 8. Februar 2005 um 11:28

Ja, ich hatte durchaus auch meine Phase des Faschingsmuffelns, so im Alter zwischen 19 und 25. Also in der Zeit, in der Privatfeste reine Sitzgelage waren und meine Peer Group sich eher mit dem Wachturm ans Eck gestellt hätte als auf einer Party zu toben und zu tanzen. Doch dann begann ich den bayerischen Fasching zu vermissen, der für mich nie viel mit dem Gaudiwurm (Karnevalszug) auf den Dörfern zu tun hatte, sondern vor allem mit Kostümbällen.

Meine Mutter veranstaltete fast jedes Jahr einen Kinderfasching bei uns daheim, dazu kam mindestens ein Kinderfaschingsball (vorzugsweise der im Spiegelsaal des Kolpinghauses und nicht im Festsaal des Stadttheaters, denn dort konnten wir Kinder ungestört rumtoben und wurden nicht ständig von irgendwelchen Kindergarden und Faschingsprinzenpaaren unterbrochen). Kostümiert wurde ich von meiner Mutter auf’s Kreativste: Biedermeier-Fräulein, Pippi Langstrumpf, Kräuterhexe, Meerjungfrau. Die Kostüme nähte die Mutter alle selbst und sah verächtlich auf die Nachbars-Mütter herab, die ihre kleinen Kinder in Indianer-, Musketier- und Marienkäferkostüme aus dem Kaufhaus steckten.
Es kostete mich viel Protest und Gemotze, bis ich endlich, endlich mal als Prinzessin gehen durfte. Dann allerdings beharrte meine Mutter darauf, dass es wenigstens eine besondere Prinzessin sein musste: Ich war eine Froschkönigin in grün-goldenem Kleid und mit Krönchen (das Wichtigste!), in der einen Hand einen grünen Gummifrosch, in der anderen einen goldbemalten kleinen Ball (get it?).

Der nächste Entwicklungsschritt waren die Schülerbälle im Festsaal. Anfang der 80er gab in meiner Geburtstadt noch jedes der fünf Gymnasien seinen eigenen Ball, dazu kam der BDKJ-Ball, auf dem es so richtig abging (Bund der deutschen katholischen Jugend, kein Witz). Zu dieser Entwicklung gehörte dann auch der Kampf mit den Eltern, auf wie viele von diesen Bällen ich gehen und wie lange ich bleiben durfte. Die Wahl des Kostüms schwankte zwischen den beiden Zielen, möglichst unerkannt zu bleiben und so attraktiv wie möglich zu wirken. Der jahreszeitliche Vorteil: Zu Fasching ließ die gestrenge Frau Mama tatsächlich mehr nackte Tochterhaut zu als im Hochsommer. Nur dass ich auf die daraus resultierenden Avancen der jungen Burschen komplett hilflos reagierte (da ich Gekicher oder Zickerei saudoof fand, verlegte ich mich auf normale Konversation – ein echter Abturner, wie sich herausstellte).
Als ich dann ins Alter für die erwachsenen Faschingsbälle kam, war ich zum einen bereits von der Muffelei infiziert, zum anderen hatte der Niedergang der Faschingskultur eingesetzt. Meine Eltern erzählen, dass heute von den einst Dutzenden Faschingsbällen in allen tanztauglichen Sälen der Provinzstadt noch genau einer übrig ist.

Seit einigen Jahren trauere ich dem hinterher. Die eine Faschingsparty, die ich vor Jahren unter dem Thema „Zirkus“ veranstaltete, ging komplett daneben. Zwar kamen die Gäste brav im Kostüm, aber dann saßen sie halt als Löwe und Dompteur, als Zirkusdirektor und als Clown plaudernd herum. Irgendwann schaffte ich es auch auf einen der einst berühmten Münchner Rundfunkbälle, doch zu zweit wurde es nicht so richtig fröhlich. Zum Mitgehen in größerer Gruppe finde ich niemanden, da meine Umgebung weiterhin aus Faschingsmuffeln besteht.

Das einzige Ventil für meine latente Faschingsfreude ist der Verzehr von Krapfen, ab dem Faschingswochenende und in großen Mengen. Dieses Jahr war ich endlich so weit, mich auch auf die exotischen Krapfenkreationen einzulassen, um die ich bislang naserümpfend einen großen Bogen gemacht hatte. Ich hatte ja bereits verächtlich auf Bäcker herab gesehen, die statt dem authentischen Hiffenmark für die Füllung Himbeer- oder gar Aprikosenmarmelade verwenden. (Ganz die Mama, das mit der Verachtung.)

Vanillekrapfen, so stellte ich fest, sind wirklich in Ordnung. Der lockere Hefeteig harmoniert sehr gut mit der Puddingfüllung, insgesamt ergibt sich eine angenehme Bienenstich-Anmutung. Das selbe in gelber und leicht alkoholisch ist dann ein Eierlikör-Krapfen: Geht schon mehr in Richtung Torte als Kuchen, aber lecker. Mit Schokopudding innen wird ein ebenfalls akzeptabler Nougatkrapfen draus, in alkoholisierter Variante ein Baileys-Krapfen.
Überhaupt nicht geht, was gestern der Mitbewohner zum Nachtisch servierte: weder grüne Schoko-Minz-Sahne als Füllung samt grünem Zuckerguss mit After-Eight-Garnitur noch „Pina-Colada“-Füllung unter Kokos-Zucker-Panzer. Mutig, aber verfehlt.
Nur vom Hörensagen kenne ich Apfelmus als Füllung, kombiniert mit Zitronenguss; stelle ich mir sehr lecker vor. Wie wäre es zudem mit einer schaumigen Quarkfüllung?

Dass die klassischen Krapfen seit einiger Zeit mit Traubenzucker statt mit normalem Puderzucker bestäubt werden, lehne ich allerdings weiterhin ab.

Vielleicht finde ich ja bis nächsten Fasching unvermuffelte Balltänzer.

die Kaltmamsell

8 Kommentare zu „Krapfenfasching“

  1. Isabo meint:

    hebt vorsichtig die Hand

  2. kid37 meint:

    Nächstes Jahr machen wir Blogger-Fasching. Als virtuelle Netzparty. Jeder verkleidet sich als sein Lieblingsblogger.

  3. Stefan meint:

    Gibts ein Foto von dem Biedermeier-Fräulein? Das würde mich ja mal interessieren …

  4. die Kaltmamsell meint:

    Ha nee, kid, aber Bloggerfasching ging mir auch grade durch den Kopf. Als erstes Kennenlernen in Person wären Kostümierung, Alkohol und Tanz auf einem Faschingsball ein wunderbar sanfter Übergang.

    Isabo, sowas merk ich mir fei.

    Stefan, in diesem Biedermeier-Dings war ich sogar in der Zeitung, mit einem Nachbars-Prinzen namens Stefan tanzend. Der dumme Redakteur missdeutete das Kostüm allerdings im Bildtext als Prinzessin. Nach einem Foto müsste ich bei meinen Eltern wühlen; vielleicht nächstes Jahr.

  5. Lisa Neun meint:

    Hmm, nein, irgendwie hab ich ein Faschingstrauma seit mein Vater mal als Punkrocker gegangen ist. Aber Krapfen ess ich gerne, wenn ich auch Purist bin was das Hiffenmark anbelangt. Allerdings hat mir heute jemand einen Champagnerkrapfen untergejubelt, der hat mir geschmeckt.

  6. blue sky meint:

    Spendiert hier in Franken jemand eine ganze Palette Faschingskrapfen, so muss einer der Anwesenden ja damit rechnen, in einen Krapfen mit Senf zu beißen. Urgh. (Bislang hatte ich Glück.) Ich steh ansonsten auch eher auf die klassische Version (Foto siehe bei mir) – lediglich für Erdbeer-Sahne-Krapfen kann man schon mal eine Ausnahme machen. Find ich.

  7. Modeste meint:

    So einen Faschingsversuch daheim habe ich auch mal unternommen, das ist ganz schrecklich desaströs ausgegangen. Da habe ich mir geschworen, in Zukunft weniger Hamburger zu kennen, die sind nicht nur Faschingsmuffel, sondern verderben gerne auch anderen die Freud mit ihren hochgezogenen Augenbrauen. Pack, das.

  8. robert meint:

    Frankfurt-Hessen-Kreppel-Apfelwein-Gelee-Füllung-Zimt-Zucker !!!

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