Archiv für März 2005
Schule und wir
Samstag, 19. März 2005– Ein traumatisierter Ex-Schüler.
– Eine gequälte Mutter 1 und 2.
– Ein fassungsloser Lehrer.
Mir ist klar, wie groß jeweils die Versuchung einer Verallgemeinerung ist (DIE Lehrer, DIE Eltern, DIE Schüler heutzutage), und mich gruselt. Schule scheint Krieg zu sein. Dabei kenne ich
– Schüler, die sich vom Unterricht bereichtert fühlten (u.a. ich selbst).
– Eltern, die zusammen mit Lehrern Wege zum Umgang mit ihren unglücklichen Kindern erarbeiteten.
– Lehrer, die begeistert erzählen, was ihre Schüler alles können und auf die Beine stellen.
Aber die scheinen auf einem anderen Planeten zu leben.
Auf meinem Weg in die Arbeit – 19: Oberleitungsschaden
Freitag, 18. März 2005So unangenehm die technischen Pannen der Bahn sind (heute – nach Wochen ohne nennenswerte morgendliche Verzögerung -: Zug 1 bleibt auf undefinierte Zeit stehen, das heißt Umsteigen in Zug 2, der bleibt wenig später wegen eines Oberleitungsschadens stehen; Fahrtzeit zwischen Start- und Zielbahnhof statt 37 Minuten letztlich 65 Minuten), ich bin mir nicht sicher, was mir die Laune mehr verdirbt: Diese Pannen oder der unvermeidbare Chor der nöhlenden Passagiere. „Jeden Tag dasselbe …!“ „Können die vielleicht EIN-MAL …!“ „Das ist doch wieder typisch …“
Mag die englische Bahn ein bis zur Lächerlichkeit Vielfaches unzuverlässiger sein, making a fuss kommt dort nicht in Frage.
Chronistinnenpflicht: Wetter später
Donnerstag, 17. März 2005Gerade mit einem Kollegen in Griechenland telefoniert: Fünf Tage nach dem jüngsten Schneesturm hat’s heute in Bayern Athener Wetter, sprich Sonne und 16 Grad.
Himmelblau mit weißen Wolken
Donnerstag, 17. März 2005Weil’s Herr Dahlmann gerade mit Friseur-Traumen hat.
In meinem Fall waren weder fehlende Schnittkunst, noch gestörtes Stilempfinden schuld – im Gegenteil: Die Friseurin, die ich mit Anfang 20 frequentierte, war ganz ausgezeichnet. Sie schnitt mir alle drei bis vier Monate wunschgemäß den damals modernen ratzekurzen Igelkopf (riesige Ohrgehänge bitte automatisch dazudenken), der sich dank meiner Haarfülle wie ein Bärenfell anfasste.
In diesem Alter hatte ich meine vielfarbige Phase: Ich probierte alle Haarfarben durch, außer Grün. Wirklich schrecklich sah ich in Blond aus: Mein Teint changierte ins Grünliche, ich wirkte wie frisch gespiehen. Am besten stand mir ein dunkles Pflaumenlila. Mein Friseur-Trauma hängt damit zusammen, dass ich wirklich alle Grundfarben außer Grün mal auf dem Kopf hatte.
Es war Sommer und ich vertrat bei der örtlichen Zeitung eine urlaubende Redakteurin. Der tägliche Arbeitsablauf ermöglichte sehr lange Mittagspausen, also nutzte ich eine davon für einen Besuch des mittelschicken Friseursalons (bereits nicht mehr „Evis Salon“, aber noch lange nicht „Haarscharf“, eher so „Top Hair“) auf der anderen Seite der Innenstadt. Zum einen brauchte mein Haar Kürzung, zum anderen wollte ich es mal wieder in Pflaumenlila. Da ich von Natur aus sehr dunkles Haar habe, musste es für eine Farbänderung erst mal entfärbt werden. Dann kam der chemische Schaum für Dunkellila drauf.
Ich hatte die Dauer der Behandlung unterschätzt und wurde schon unruhig, weil ich zurück in die Redaktion musste. Endlich war die Einwirkzeit vorbei, die Friseurin wusch mir den Schaum aus – und holte scharf Luft. Schneller Blick in den Spiegel: Meine Haare waren hellblau. Na ja, nicht ganz hellblau: Dazwischen waren Ei-große ungefärbte Flecken in Hellblond. Der Gesamteindruck: himmelblau mit weißen Wolken. Die Friseurin war aufgelöst, konnte sich das nicht erklären, rief Kolleginnen und Chefin zu Hilfe. Die wussten auch keine Erklärung, außer dass wohl irgendwas mit dem Färbemittel nicht gestimmt hatte. Ich selbst war erst mal zu gar keiner Reaktion fähig.
Half alles nichts, ich musste dringend zurück in die Arbeit. Zu Fuß. Quer durch die Innenstadt samt Fußgängerzone. Und diesmal war es keine Metapher, sondern Realität – kleine Kinder blieben stehen, um mich anzustarren, zeigten mit dem Finger auf mich und krähten: „Mama, guck mal!“ Ich war immer noch katatonisch und tat, als wäre ich gar nicht da.
Außer Atem wieselte ich durch die Milchglastür ins Großraumbüro und zischte nur in alle Richtungen: „Sagt NICHTS!“ Daran hielten sich die Kolleginnen und Kollegen auch halbwegs, nur dass an diesem Nachmittag auffallend viele von ihnen irgendwas von mir oder der Redakteurin neben mir brauchten, das nur ein persönliches Gespräch klären konnte. Zum Glück hatte ich keinen Außentermin und konnte an meinen Geschichten per Telefon recherchieren.
Schon am nächsten Tag war der Ausflug in den coiffeurischen Surrealismus vorbei. (Ich ärgere mich bis heute, dass ich davon kein Foto habe.) Wieder in der Mittagspause bekam die Friseurin die Chance, meine Publikumstauglichkeit zu retten. Die letzte Portion Pflaumenlila hatte sie am Vortag auf meinem Kopf aufgebraucht, es war also kein Nachbessern möglich. Mir wurscht, Hauptsache ich konnte wieder unter die Leute. Wir entschieden uns für ein leuchtendes Rot, mit dem ich mich wieder gelassen im Büro blicken lassen konnte. Wo der bayerische Altredakteur meine neuerliche Wandlung lachend kommentierte: „Wissen’S was, i hob gmoant, des gestern warn Ihre echten Hoa!“
(Mittlerweile habe ich ihn ja gefunden, den besten Friseur von allen.)
Mir geht’s wie unserm Herrgott: Mir tut das Kreuz so weh
Mittwoch, 16. März 2005Bayrischer Humor, passend zur nahenden Karwoche.
Folglich ist mir wohl mein verschütteter Katholizismus in die Lendenwirbelsäule gefahren, genauer zwischen die Wirbel 3 und 4 sowie zwischen 4 und 5. Da die alleruntersten beiden Wirbel an mein Becken an- und miteinander ver-wachsen sind, das alles mit ordentlichem Links-Drall, müssen die nachfolgenden Wirbel sowie die Bandscheiben dazwischen ordentlich was ausgleichen.
Die meiste Zeit haben sie nichts dagegen. Manchmal schon, zum Beispiel in den vergangenen Tagen. Aber zum einen wird es besser, dankeschön, zum anderen weiß ich ja bereits, wie sich ein Bandscheibenvorfall anfühlt und bin mir klar, dass ich diesmal noch ein Glück habe.
Wie meinte die Tante Jolesch: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“
Auf meinem Weg in die Arbeit – 18: Mitleser
Dienstag, 15. März 2005An sich mag ich es gar nicht, wenn jemand meine Lektüre mitliest – ob über die Schulter oder von der Seite. Heute in der Straßenbahn hatte ich die Zeitung so gefaltet, dass mein Gegenüber zum Mitlesen sogar den Kopf massiv verdrehen musste. Gleichzeitig fiel mir der Mitleser neben mir fast ins Blatt vor lauter Interesse an der Innenpolitik auf Seite 6. Doch diesmal war ich erst lediglich verdutzt, dann konnte ich mich eines breiten Lächelns nicht erwehren: Die beiden Mitpassagiere, die sich minutenlang in den Politik-Teil meiner Süddeutsche Zeitung vertieften und von oben bis unten mitlasen, waren Buben, nicht älter als 12. Noch kindlich genug, einen echten Schulranzen zu tragen.
Als sie ausstiegen, sah ich, dass einer davon ein dickes Buch mit dem Titel Chemische Kabinettstücke unterm Arm trug. Nerds rule!