Else Buschheuer: Venus
Montag, 21. März 2005 um 16:57
Ich mag in Romanen das Motiv des God Games, wenn die Handlung also – wie sich üblicherweise gegen Ende herausstellt – in Wirklichkeit von einer höheren Instanz kontrolliert war. Beispiele: The Liar von Stephen Fry, El Club Dumas von Antonio Arturo Pérez-Reverte, The Magus von John Fowles. Mein früheres Leben als Literaturwissenschaftlerin ist mittlerweile zu lange her, als dass ich beurteilen könnte, wie etabliert der Terminus God Game ist; ich fand ihn seinerzeit sehr praktisch.
Auch Else Buschheuers Jüngstling Venus ist so ein God Game, allerdings ist das von Anfang an klar. Die Geschichte kommt nämlich von einem „Wir“-Erzähler, in dem wir Leser ganz klar eingeschlossen sind. „Wir“ schubsen die Handlung in die Richtung, die uns am interessantesten vorkommt, „wir“ lassen Personen auf- und abtreten, „wir“ lenken die Gedanken der Protagonistin, „wir“ können auf die Schnelle sogar die Aufschrift auf einem Haarfärbemittel ändern, „wir“ schieben Erzählungen über den Hintergrund verschiedener Akteure in die Haupthandlung. Das erzeugt einen Hauch von erzähltechnischem magic realism.
Die Haupthandlung dreht sich um eine blasse, model-schöne junge Frau, die nackt und mit einem Messer in der Hand neben einer blutigen Männerleiche zu sich kommt, ohne Gedächtnis durch die sommerheißen Straßen Manhattans irrt, bis sie ein buddhistischer Mönch aufliest und in ein multireligiöses Glaubenszentrum mitnimmt. Die Geschichte funktioniert sehr gut in ihrer episodenhaften Struktur, ist lebendig und atmosphärisch dicht, jede Seite ist ein Bad in Bildern. Hat mir gut gefallen.
Durch die Zwischenkapitel erfahren wir nach und nach die Lebensgeschichten der beteiligten Personen. Bis zum Schluss und als Auflösung des Anfangsrätsels heben „wir“ uns die Geschichte der Titelfigur auf. Das ist erzähltechnisch stringent, führt aber dazu, dass ausgerechnet die zentrale Figur am wenigsten vielschichtig oder fassbar wird. Genau das vermisste ich zwischen all den herrlich skurrilen und grotesken Figuren der Romanwelt: jemand zum Gernhaben. Oder auch nur zum Nahefühlen.
die Kaltmamsell2 Kommentare zu „Else Buschheuer: Venus“
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25. März 2005 um 14:38
Auch auf die Gefahr hin kleinlich oder rechthaberisch zu erscheinen möchte ich doch kruz darauf hinweise, daß der Author von “El Club Dumas” Arturo Perez-Reverte heißt. Aber es freut mich natürlich sehr, auch einmal jemanden zu finden, der dieses Buch mag, gehört es doch zu meinen liebsten Romanen.
25. März 2005 um 14:51
Eh klar, Mike. Vielen Dank für den Hinweis!