Archiv für Oktober 2005

Schlehenfeuer

Montag, 3. Oktober 2005

Na gut, ich geb’s zu: In einer kleinen Ecke meines knochigen, kalten Herzens bin ich doch romantisch. Dort, wo die Nostalgie sitzt. Und so habe ich in den vergangenen Jahren bereits so manches alkoholische Getränk gesucht und bei Fund gekauft, das mir aus meinen Kinderzeiten als Standard bei den Einladungen meiner Eltern ein Begriff war. Escorial grün zum Beispiel (brrr, mag jemand die dreiviertel volle Flasche?). Oder eben Schlehenfeuer, an dem ich grade nippe, damit die Flasche endlich leer wird und Platz in der Bar macht.

Immer noch nicht gefunden habe ich den Lufthansa-Cocktail, der meiner Erinnerung nach in einer Cocktailshaker-förmigen Flasche verkauft wurde.

Herrschaftswissen Handarbeit

Sonntag, 2. Oktober 2005

Bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts gab es an bayerischen Schulen nach Geschlecht getrennt Handarbeits- und Werkunterricht. Ich kam 1973 in die erste Klasse, hatte also in der Grundschule und in der Unterstufe des Gymnasiums das Fach Handarbeit.

Aus dem Grundschul-Handarbeiten erinnere ich mich noch an einen riesigen Stickrahmen auf einem Stativ, an dem uns mit einem taudicken Faden und einer stockartigen Nadel das Sticken gezeigt wurde. Ähnliche Dimensionen hatten das Strick- und das Häkelzeug, mit denen uns Strick- und Häkelmaschen beigebracht wurden. Die Handarbeitslehrerin war meiner Erinnerung nach alt, dick und bebrillt; am deutlichsten hängen geblieben ist mir, dass sie meinen spanischen Nachnamen hartnäckig französisch aussprach.
Ich war ein hoffnungsloser Fall: Basteln war ohnehin nicht das Meine, die fieseligen Techniken, die das Fach Handarbeit von mir verlangte, überforderten mich völlig. Außerdem interessierten sie mich nicht die Bohne, welches Kind sehnt sich schon nach selbst gestrickten Turnbeuteln, gehäkelten Topflappen oder gestickten Kissenüberzügen. Die Stücke, die ich zur Benotung vorlegen musste, wurden glücklicherweise zuhause fertig gestellt, so dass meine Mutter Ausrutscher im Zeugnis verhindern konnte.

Im Gymnasium war dann aufwendigeres Stricken, Häkeln, Sticken dran, zudem Nähen mit der Hand und der Nähmaschine. Allerdings gab es zusätzlich Nachmittagswerken als Wahlfach. Da ich als ausgesprochen unmädchenhaftes Mädchen irgendwie vermutete, diese Inhalte könnten mir mehr liegen als der verzweifelte Kampf mit der viel zu schnell nadelnden Nähmaschine, meldete ich mich umgehend an. Leider versagte ich dort genauso. (Wenn ich mir heute die Ergebnisse meiner zwei Jahre Werkunterricht anschaue, kann ich aber dem, äh, Expressionismus der Arbeiten durchaus etwas abgewinnen.)

Als Teenager nähte ich mir zwar das eine oder andere Kleidungsstück, die Techniken dafür leitete ich mir allerdings einfach selbst her (Hose = aus einem Stück Stoff zwei Hosensilhouetten ausschneiden, mit der Nähmaschine zusammennähen, für besseren Halt am besten jede Naht zweimal, obenrum einen Tunnel für einen Strick zum Zusammenziehen basteln, voila. Farbe des Fadens danach auswählen, was in Mutters Fadenkiste am meisten vorhanden ist, und was als Unterfaden für die Nähmaschine bereits umgewickelt.) Stricken, in den 80ern für die Teenagerentwicklung unabdingbar, brachte ich mir mithilfe von Frauenzeitschriften selbst bei.

Aber.
Heute saß ich Knöpfe und eine abgerissene Gürtelschlaufe annähend auf dem Sofa. Alle paar Monate mache ich das gar nicht ungern. Und als ich zum Fingerhut griff (Nähen durch vierlagigen Jeansstoff, autsch), wurde mir klar, dass ich zumindest die Technik des Handnähens regelmäßig anwende. Schön sind die Ergebnisse nie, aber das Zeug hält – eher bricht der Stoff. Was mich zur Frage bringt: Was machen all die männlichen Generationen, denen man dieses Wissen verweigert hat? Oder wird das beim Militär nachgeholt?

Denn ich erinnere mich, dass während einer Elftklassfahrt in Griechenland ein netter Mitschüler zu mir kam und mich allen Ernstes darum bat, ihm einen statisch unbedingt erforderlichen Knopf anzunähen. Allein schon mein entgeisterter Blick brachte ihn von der Bitte ab.

Kaltmamsell wird unfreiwillig Springer-Autorin

Samstag, 1. Oktober 2005

Schaun’S, es Herrschaften von der Welt: Wenn’S schon ungefragt einen Text von mir auf Ihre Website stellen, wär’s eine Mindesthöflichkeit, meine Verwendung der aktuellen Rechtschreibung beizubehalten. Anschlussverbindung. Mit meiner Notation des sächsischen Akzents ham’S ja auch keine Schwierigkeiten g’habt.
(Das wenn mein Verleger selig wissert!)

Dank dem aufmerksamen Don für den Hinweis!

Bahngeschichten: Leitkultur

Samstag, 1. Oktober 2005

Das Abteil im Eurocity Rom – München teile ich mit vier jungen und sehr fröhlichen Italienerinnen. Plötzlich fühle ich mich in Demolition Man versetzt, sitze schlagartig mit der Sandra-Bullock-Figur im Polizeiwagen: Die Italienerinnen vergleichen ihre Deutschlandkenntnisse, indem sie sich gegenseitig Werbeslogans aus dem deutschen Fernsehen vorsingen und -sprechen.