
Bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts gab es an bayerischen Schulen nach Geschlecht getrennt Handarbeits- und Werkunterricht. Ich kam 1973 in die erste Klasse, hatte also in der Grundschule und in der Unterstufe des Gymnasiums das Fach Handarbeit.
Aus dem Grundschul-Handarbeiten erinnere ich mich noch an einen riesigen Stickrahmen auf einem Stativ, an dem uns mit einem taudicken Faden und einer stockartigen Nadel das Sticken gezeigt wurde. Ähnliche Dimensionen hatten das Strick- und das Häkelzeug, mit denen uns Strick- und Häkelmaschen beigebracht wurden. Die Handarbeitslehrerin war meiner Erinnerung nach alt, dick und bebrillt; am deutlichsten hängen geblieben ist mir, dass sie meinen spanischen Nachnamen hartnäckig französisch aussprach.
Ich war ein hoffnungsloser Fall: Basteln war ohnehin nicht das Meine, die fieseligen Techniken, die das Fach Handarbeit von mir verlangte, überforderten mich völlig. Außerdem interessierten sie mich nicht die Bohne, welches Kind sehnt sich schon nach selbst gestrickten Turnbeuteln, gehäkelten Topflappen oder gestickten Kissenüberzügen. Die Stücke, die ich zur Benotung vorlegen musste, wurden glücklicherweise zuhause fertig gestellt, so dass meine Mutter Ausrutscher im Zeugnis verhindern konnte.
Im Gymnasium war dann aufwendigeres Stricken, Häkeln, Sticken dran, zudem Nähen mit der Hand und der Nähmaschine. Allerdings gab es zusätzlich Nachmittagswerken als Wahlfach. Da ich als ausgesprochen unmädchenhaftes Mädchen irgendwie vermutete, diese Inhalte könnten mir mehr liegen als der verzweifelte Kampf mit der viel zu schnell nadelnden Nähmaschine, meldete ich mich umgehend an. Leider versagte ich dort genauso. (Wenn ich mir heute die Ergebnisse meiner zwei Jahre Werkunterricht anschaue, kann ich aber dem, äh, Expressionismus der Arbeiten durchaus etwas abgewinnen.)
Als Teenager nähte ich mir zwar das eine oder andere Kleidungsstück, die Techniken dafür leitete ich mir allerdings einfach selbst her (Hose = aus einem Stück Stoff zwei Hosensilhouetten ausschneiden, mit der Nähmaschine zusammennähen, für besseren Halt am besten jede Naht zweimal, obenrum einen Tunnel für einen Strick zum Zusammenziehen basteln, voila. Farbe des Fadens danach auswählen, was in Mutters Fadenkiste am meisten vorhanden ist, und was als Unterfaden für die Nähmaschine bereits umgewickelt.) Stricken, in den 80ern für die Teenagerentwicklung unabdingbar, brachte ich mir mithilfe von Frauenzeitschriften selbst bei.
Aber.
Heute saß ich Knöpfe und eine abgerissene Gürtelschlaufe annähend auf dem Sofa. Alle paar Monate mache ich das gar nicht ungern. Und als ich zum Fingerhut griff (Nähen durch vierlagigen Jeansstoff, autsch), wurde mir klar, dass ich zumindest die Technik des Handnähens regelmäßig anwende. Schön sind die Ergebnisse nie, aber das Zeug hält – eher bricht der Stoff. Was mich zur Frage bringt: Was machen all die männlichen Generationen, denen man dieses Wissen verweigert hat? Oder wird das beim Militär nachgeholt?
Denn ich erinnere mich, dass während einer Elftklassfahrt in Griechenland ein netter Mitschüler zu mir kam und mich allen Ernstes darum bat, ihm einen statisch unbedingt erforderlichen Knopf anzunähen. Allein schon mein entgeisterter Blick brachte ihn von der Bitte ab.