In Berlin ist Heilig Drei König kein Feiertag, wie wunderbar! Kann ich gleich am Freitag noch ein paar Einkäufe erledigen. (Ich glaube, „Shopping“ heißt das nur, wenn man ohne Ziel und Liste unterwegs ist, oder? Was man früher „Einkaufsbummel“ nannte?)
Also in der Friedrichstraße in den Lush-Laden, weil es in München keinen gibt und die Grönerin so von dem Zeug darin schwärmt. Eine sehr junge Frau bügelt mich mit ihrem Enthusiasmus für die Produkte ihres Arbeitgebers fast nieder, hält mir zahllose Töpfe und Flaschen aus Plastik unter die Nase, deren Inhalte größtenteils nach Baumarkt plus sehr starkem Aroma riechen. Schön und tatsächlich gut riechend finde ich Badeschaum und Badekugeln, nehme einige mit (ok, drei Fläschchen habe ich mir zudem aufschwatzen lassen, die auch im Bad noch nach Blendi-Kinderzahnpasta rochen / weiße Bröckelchen hinterließen / lila Spuren auf das Hotelhandtuch färbten).
Dann in die Nahrungsmittel-Abteilung der Galeries Lafayette, eine Runde Käse zum Abendessen im Hotelzimmer holen. Ich kann kein Französisch, und die Käseverkäuferin stutzt sichtlich, nachdem ich meine Wünsche geäußert habe. Nach einem Sekundenbruchteil Nachdenken bringt sie mir aber genau das, was ich wollte. Auf dem Heimweg grüble ich, was die Frau sich wohl tagein, tagaus so alles an miesem Französisch anhören muss, und ob sie wohl abends als Gegenmittel Charles Aznavour auflegt.
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Wie schön, dass es mir egal sein kann, welche Museen in Berlin ich noch nicht gesehen habe (fast alle). Und dass ich deshalb nach einem Lauf durchs morgengraue Berlin (endlich mal unter der Charité durch!) einfach nochmal ins Pergamon-Museum gehe. Weil zu Zeiten, als es noch zwei Berlins gab und umtriebige Provinzler dort die Erfüllung all ihrer Träume von Subversion und alternativem Lebensstil zu finden hofften, für mich Berlin immer Pergamon-Museum bedeutete. Dem Tor von Milet geht’s gar nicht gut, erfahre ich. Ich glaube, die Farben des Ishtar-Tores wären eine Alternative zu meinen weißen Wänden, in denen ich wohnen möchte. Ja, meine Arbeitskollegin hat tatsächlich den Körper einer Pallas Athene. Und für mich wird das archaische Lächeln auf dem Gesicht eines Kouros immer viel cooler wirken als der grimmige Ausdruck einen Rappers.
Treffen mit Lesebloggern in einem Lokal namens Wohnzimmer, in das ich – zermürbt von der scheinbaren Komplexheit des örtlichen Straßenbahnsystems – zu Fuß gehe. Werde daran erinnert, dass „Ausgehen“ bedeutet, sich in übervollen, dunklen, lauten Räumen nicht unterhalten zu können. Freue mich aber ungeheuer über das Kennenlernen einiger neuer und das Wiedersehen einiger bekannter Menschen. Fange mir für den Heimweg eine Straßenbahn.
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Meine kleinen Abenteuer: In eine fremde Muckibude gehen, in Berlin! Ganz souverän, leichthin, selbstverständlich. Mich gleichzeitig aber nicht trauen, fürs Training ein Handtuch aus dem Hotelbad mitzunehmen, weil in meiner Abwesenheit das Zimmer geputzt wird und das Personal denken könnte, ich hätte das Handtuch gestohlen. Statt dessen ein zweites T-Shirt verwenden.
Die armen Sicherheitsbeamten an der Schleuse zur Neuen Synagoge, die sich durch die gammligen Sportklamotten in meiner großen Tasche wühlen müssen. Endlich mal hinter die mächtige und unmoderne orientalische Fassade gucken. Und zum Abschluss der Führung gibt’s koschere Gummibärchen.
Kaltkaltkalt, das Draußen lässt sich wirklich nur joggenderweise ertragen.
Zuhören und vorlesen im Lasst und Freunde bleiben machen viel Vergnügen, auch wenn es elendiglich eng ist. Stelle vorher fest, wie wenig ich mich als Gastgeberin einer solchen Veranstaltung eigne, als ich einem superaufgeregten Co-Leser erkläre, er könne doch einfach die Rolle „Loser des Abends“ übernehmen, allein schon, um mich besser aussehen zu lassen. Mindere seine Aufregung dadurch nicht. Nach der Lesung neue persönliche Bekanntschaften, die mich vor Freude komplett wuschig machen. Die wunderbare und glatte Organisation umfasst auch einen frühen Veranstaltungsbeginn, mit dem Ergebnis, dass ich gefühlsmäßig in den Morgenstunden ins Bett komme, es tatsächlich aber wenig nach Mitternacht ist.
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In einem Café Anne Fadimans Ex Libris begonnen und schon nach den ersten Sätzen gewusst, dass meine Mitpassagiere im ICE nach München regelmäßiges Gekicher und gelegentliches Prusten werden ertragen müssen. Vergeblich versucht, einen mittelkleinen Hund auf das Verschlingen schreiender Babys abzurichten.


