Schon wieder das mit den Unterschieden
Mittwoch, 7. Februar 2007 um 9:42Wenn Sie bei Spon folgende Überschrift lesen: „Frauen sehen anders als Männer“ und dann den Vorspann
Dass Frauen Dinge anders wahrnehmen als Männer, ist mehr als ein gängiges Klischee – es gibt dafür sogar ein organisches Korrelat: Für ihre Orientierung nutzen die Geschlechter verschiedene Strategien und unterschiedliche Hirnareale.
wissen Sie, dass Sie das übliche Männer-parken-Autos-auf-dem-Mond-Frauen-verstehen-Jupiter-Stereotyp vor sich haben. Das kennen wir, damit verkaufen sich Magazine und Bücher bestens. Doch wenn wir uns die entsprechenden Studien dann im Detail ansehen, stellen wir fest, dass die schlagzeilenerzeugenden und angeblich unüberwindlichen Unterschiede im einstelligen Prozentbereich der Vergleichsgruppen liegen und statistisch an der Irrelevanz entlangschrammen.
Witzigerweise findet sich direkt unter dem oben zitierten Artikel das genaue Gegenteil:
Unter dem Titel „Das gleiche Geschlecht“ hat Raffaela von Bredow tief und ausführlich recherchiert, was die entsprechenden Studien wieder und wieder tatsächlich ergeben:
Dirigiert die Steinzeitbiologie heute noch den Mann auf den Mars und die Frau auf die Venus? Neuroforscher suchen nach dem großen Unterschied – und können ihn nicht finden. Auf einzigartige Weise hat die Evolution das Gehirn des Menschen geöffnet für kulturelle Prägung.
Ist komplexer, detaillierter, differenzierter – kurz: anstrengender. Bitte lesen.
(Warum fühle ich mich nur immer wieder so einsam, wenn ich darauf hinweise, dass die Behauptung „Frauen sind nunmal von Natur aus weniger abenteuerlustig, weil sie physisch in Durchschnitt nicht so kräftig sind wie Männer“ nur Millimeter entfernt ist von „Frauen sind nicht so intelligent wie Männer, weil ihre Gehirne kleiner sind”?)
Nachtrag: Die zitierte Studie von Janet Hyde, eine Meta-Analyse von Unterschiedsuntersuchungen, ist hier ganz zu lesen. Methodisch sauber und ebenfalls sehr lesenwert.
die Kaltmamsell14 Kommentare zu „Schon wieder das mit den Unterschieden“
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7. Februar 2007 um 10:43
Das ist diese Woche der Leitartikel im Spiegel. Und er entspricht meiner eigenen Erfahrung. Diese Mann/Frau-Stereotypen sind frei erfunden und halten einer statistsichen Untersuchung nicht Stand. Frauen werden in eine Ecke geschubst und sie lassen sich schubsen. Eine Kollegin von mir ist Rumäniendeutsche, und sie erzählt, wie sehr sich die Mädchen in Rumänien für Naturwissenschaften und Ingineurwissenschaften interessiert haben. Sie sagt, es war nie die Frage, ob man Mädchen oder Junge sei, es war einfach nicht wichtig. Und hier würden sich die Mädels schon anstellen, wenn sie einen Gasbrenner anmachen müssen. Das geht nur mit viel Huuuch und Quietschen. Alles sei zu kompliziert, man würde unmögliches von ihnen verlangen…und so weiter…
Man wird ja nicht als Frau geboren, man wird zur Frau gemacht. Und die Neurologen und ihre Abschreiber haben ihren Anteil daran……
7. Februar 2007 um 11:25
Nein, liebe Frau Kaltmamsell, sie sind damit nicht allein. Schon die Formulierung “von Natur aus” läßt bei mir immer sämtliche Alarmglocken schrillen.
7. Februar 2007 um 11:48
Vielen Dank für die Verlinkung. Nein, Sie sind nicht alleine, Frau Kaltmamsell.
7. Februar 2007 um 11:59
Mir kommt dieser evolutionsbiologisch unterlegte Sexismus auch immer ganz komisch vor. Aber die Neurologen werden es schon wissen, Männer sind in so naturwissenschaftlichen Sachen einfach besser, gell? So, muss jetzt schnell was Geschlechtsspezifisches posten…
7. Februar 2007 um 12:10
Liebe Frau Kaltmamsell, Sie fühlen sich nur deswegen so einsam, weil ich schon nur bei Sätzen wie „Frauen … blabla als Männer … blabla“ auf dem Absatz kehrt mache. Weil doch woanders ist dann zur gleichen Zeit immer aufregender ;-)
7. Februar 2007 um 12:44
Wo las ich es neulich? Dieser Biologismus sei deshalb neuerdings so pupulär, weil diese atavistischen Steinzeittheorien anders als soziologische Zusammenhänge das Denken nicht so herausfordern. Es käme der Häppchenmentalität unserer Zeit sehr entgegen.
7. Februar 2007 um 13:10
Oh, wieder was gelernt! Aber so richtig wollten mir diese Stereotypen noch nie einleuchten, sie gabe mir nur einfach das Gefühl, nicht verrückt, sondern “bloß” eine Frau zu sein mit jeder Menge männlichen Anteilen….
7. Februar 2007 um 13:58
Vielen Dank, mal wieder.
Ich bin es genauso leid, dass alle sich den Stereotypen beugen und dass wissenschaftliche Untersuchungen, die ja schon begrenzt genug sind, dann auch noch verbogen und verfälscht werden. Ich habe übrigens damals diesen Mars und Venus-Test gemacht: Ich zeige offensichtlich als Frau typisch männliche Verhaltensmuster und mein Mann typisch weibliche.
Die einzige Sache, die mich eventuell noch mehr aufregt als “aber Frauen können doch sowieso nicht einparken” ist die, dass zu prähistorischen Zeiten überall das Matriarchat geherrscht habe. Oh, und dass Frauen “von Natur aus” moralischer und edler sind. Dass muss wohl auch mit dem kleineren Gehirn zusammen hängen.
8. Februar 2007 um 4:27
Immerhin, der Spiegel-Artikel verweist auf kulturelle Einfluesse und Anpassungsfaehigkeit des Gehirns. Zu meinem Erstaunen wird fuer einmal auch nicht ernsthaft behauptet, Geschlecht A zeige Eigenschaft X, also muesse es sich dabei um einen evolutionaeren Vorteil handeln, oder: Geschlecht B verfuege “von Natur aus” ueber die Fertigkeit Y, weil es die im Steinzeitalter trainierte, bis sie sich genetisch verankerte. (Wie hiess er noch mal – Lamarque? Der feiert ja sonst Urstaend.)
Danke fuer den Janet-Hyde-Artikel.
8. Februar 2007 um 9:59
Methodisch sauber? Eine Meta-Analyse von Meta-Analysen? Ohne Angaben zur Auswahl der Studien? Persönlich unterstütze ich die Hypothese und Ergebnisse von Janet-Hyde, aber wissenschaftlich bleiben Fragen. “Methodisch sauber” geht anders. Jedenfalls bei uns im Institut.
8. Februar 2007 um 10:15
Och, diese oft zitierten Unterschiede in den Orientierungsstragien sind bei mir dermassen männlich und beim Ähämann dermassen weiblich ausgeprägt, dass entweder am gängigen
Vorurteilwissenschaftlichen Befund was falsch sein muss, oder an uns. (Allerdings habe eindeutig ich unser Kind auf die Welt gebracht. Hm.)Also?!
8. Februar 2007 um 13:08
language log hat eine Reihe von ausgezeichneten Posts, in denen sowohl die “Methodik” des Buchs “The female Brain” als auch einige der linguistischen “Erkenntnisse” der Studie diskutiert werden:
http://itre.cis.upenn.edu/%7Emyl/languagelog/archives/003586.html
Die Tatsache, dass ich als Erstes-Mal-Kommentiererin gleich einen Lesetipp habe, beweist natürlich unumgänglich, dass Frauen einen Helfer-Komplex haben :)
8. Februar 2007 um 13:17
Laßt uns doch einfach Menschen sein jeder auf seine Art als Original und nicht als Kopie.
Dann ist es schön und interessant. Das “Einparkbuch” hat aber trotzdem Spaß gemacht zu lesen. Ach ja und dann noch DANKE an die Kommentatoren wie käme man sonst an einem stink normalen Donnerstag in Berg am Laim (Münchner Osten) nach Finnland zu tollen Bildern und Stimmungsberichten ach ja und die Rötelmaus nicht vergessen.
Richard
8. Februar 2007 um 21:34
A propos “kleinere Gehirne”: Auf die Qualität kommt`s an! :-)