Spießerfreuden: Kleidung

Freitag, 2. Februar 2007 um 13:26

Auch wenn mir Kleidungseinkäufe unangenehm sind – manchmal müssen sie sein. Mittlerweile weiß ich, dass klassische, traditionelle Bekleidungshäuser dafür das beste Ergebnis bei am wenigsten Unbehagen bieten.

Hier die Spielanleitung (so nennt der Mitbewohner jede Form von Gebrauchsanweisung) für Münchner Naturspießerinnen wie mich:

– Sie brauchen einen Anzug für höchstoffizielle berufliche Termine. Ihr Anspruch: Unauffälligkeit bei gleichzeitig perfekter Passform.

– Gehen Sie ohne Umwege über „Boutiquen“ oder „Stores“ zum Konen.

– Begeben Sie sich dort direkt in die Damenabteilung. Die dort beschäftigten Verkäuferinnen sind zahlreich und liegen im Alter deutlich über dem sonstigen Klamottenverkäuferinnendurchschnitt – ein Hinweis auf Kompetenz.

– Jetzt können Sie sich selbst umsehen und über das Preisschild am Boss-Blazer („649,-“) schmunzeln oder einfach herumstehen – bald wird Ihnen eine solche Dame unaufdringlich Hilfe anbieten.

– Nehmen Sie diese Hilfe an, machen Sie die hochqualifizierte und erfahrene (das sind sie dort nämlich alle) Dame zu Ihrer Bekleidungsberaterin.

– Nennen Sie der Beraterin Ihren Wunsch „Anzug für höchstoffizielle berufliche Termine“ und lassen Sie sich eine Auswahl in die Umkleidekabine bringen. Ihre Konfektionsgröße wird Frau Beraterin Ihnen angesehen haben, sobald Sie den Mantel ablegen.

– Selbstverständlich zählen jetzt Ihr Geschmack und Wohlgefühl. Die Beraterin wird Ihnen niemals dreinreden, wenn Ihnen ein Kleidungsstück nicht gefällt. Nehmen Sie aber auf jeden Fall ein Abraten von Stücken ernst, die Sie super finden – die Frau hat Recht, wenn sie etwas als zu groß, zu klein, zu lang, zu kurz bezeichnet.

– Wenn Ihre Beraterin also am ausbeulenden Rücken des Jacketts zupft, das Ihnen zusagt, und meint: „Nein, so lasse ich Sie hier nicht rausgehen“, vertrauen Sie ihr: Dann sitzt das Ding nicht.

– Jetzt können Sie den Blazer ganz verwerfen. Wenn er Ihnen aber ansonsten gut gefällt, lassen Sie doch einfach eine der Hausschneiderinnen kommen. Diese trägt tatsächlich ein Maßband um den Hals und ein Nadelkissen am Handgelenk. Sie steckt dann die Naht am Rücken ab, die für optimalen Sitz geändert werden muss.

– Bei dieser Gelegenheit kümmert sich die Schneiderin gleich um die Länge der schilfgrünen Hose, die um den Po so wunderbar sitzt, und die Sie zusätzlich zum Anzug haben wollen. (Außerdem hat Ihnen Ihre Beraterin bereits einen passenden Blazer zu dieser Hose hingehalten, der Sie geradezu aristokratisch aussehen lässt.)

– Staunen Sie darüber, dass das Kürzen der Hose und die Änderung des Jacketts zusammen gerade mal 20 Euro kosten werden. Schütteln Sie ab sofort jedes Mal innerlich den Kopf, wenn Sie eine sonst sorgfältig gestylte Frau mit deutlich zu langer Hose sehen.

– Zahlen Sie an der Hauptkasse rund 460 Euro für einen Anzug, eine Hose, ein Jackett, dank Änderungen praktisch maßgeschneidert, und schmunzeln Sie noch mal in Erinnerung an das Preisschild am Boss-Jackerl.

(Wie wohl die Spielanleitung für „Shopping“ aussähe, also für die Tätigkeit, mit der angeblich die meisten Frauen zu Kleidungsstücken kommen?)

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Spießerfreuden: Kleidung“

  1. midori meint:

    Solche Läden sind eine Wohltat, vor allem die durchweg angenehmen Mitarbeiterinnen, die gutes Deutsch sprechen, nicht grell geschminkt sind und dazu noch sehr stilsicher.

  2. die Kaltmamsell meint:

    Richtig. In altmodischen Unterwäscheläden hingegen gehören osteuropäischer Akzent und heftiger Lidschatten zu den Kompetenz-Indikatoren.

  3. saxanasnotizen meint:

    Hört sich gut an.

  4. Tanja meint:

    Ja, genau. Und hält und behält (die Form und die Farbe) und wenn nicht, ist Rückgabe kein Problem. Und rechnet sich daher eigentlich ziemlich schnell. Ich meistens Laura Ashley.

  5. creezy meint:

    Wie schön, wenn dem Personal verkaufen noch Spaß macht und sich nicht mit dem Satz „sieht doch gut aus“ wieder in die eigenen Tagträume verabschiedet.

  6. jan meint:

    Gibts da auch ne Spielecke für die Männer?

  7. Der Mitbewohner meint:

    Ich war heute brav beim Konen und habe zwei Jeans gekauft. Auch hier sehr gute Bedienung, meine Größe besser gewusst als ich selber. Unbedingt den Impuls unterdrücken, “nein, danke, ich komme schon zurecht” zu sagen: Es geht wirklich schneller und besser, wenn man sich dort beraten lässt.
    Außerdem kriegt man mich jedesmal, wenn man mich “den sehr netten jungen Mann hier” nennt.

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