Archiv für März 2007

„Alles, was man übers Internet wissen muss, kann man sich aus Büchern holen.“

Freitag, 30. März 2007

Klingelt heute das Arbeitstelefon, ist ein Herr dran, den ich vor etwa 12 Jahren aus den Augen verloren habe, auch ein Gastarbeiterkind. Ich habe mich gefreut wie bescheuert. Er hat mich im Internet gefunden, auf der Arbeits-Website. Morgen gehe ich mit ihm auf einen Kaffee und mach ein Foto von uns beiden, das ich dann dem gemeinsamen Freund schicke, der uns seinerzeit bekannt gemacht hat, der inzwischen in Amerika lebt und ihn auch aus den Augen verloren hat. Internet ist toll.

Wenig Wunder

Donnerstag, 29. März 2007

Erste Male lassen sich nicht wiederholen, ichweißichweißichweiß. Zwar erinnere ich mich an meine ersten Wochen in der PR, als ich – Journalistin und Literaturwissenschaftlerin – praktisch stündlich darauf wartete, dass endlich eine meiner Agenturkolleginnen in Lachen ausbrechen würde und zugeben, dass das alles nur ein Spaß ist. Aber es ist die Erinnerung an eine Wahrnehmung, nicht die Wahrnehmung selbst. (Bald gewann meine Neugier Oberhand, und ich erlernte die verschiedenen Möglichkeiten, eine neue Babywindel in die Presse zu bekommen, ohne ständig zu hinterfragen, ob die Welt wirklich eine weitere Sorte Babywindel braucht, selbst wenn sie ein neues Aircontroll-superduper-TAED-System hat.)

Ebenso wenig lässt sich selbst nach fast fünfjähriger Pause die erste Begegnung mit dem Prinzip Fitnessstudio wiederholen. Weder der Schrecken über die Vollverspiegelung der Turnhallen oder der Argwohn gegenüber den quietschbunten Getränken, die angeblich die Kalorienverbrennung erhöhten (Mumpitz), noch das Staunen über die Vielfalt von Gummischnüren, -bändern, Gewichten, Bällen, Stäben, die sich in 20 Minuten Gymnastik einbinden lassen.

Ein paar Details hatte ich allerdings vergessen und darf aufs Neue staunen. Da wäre zum Beispiel die Strukturierung von Hüpfstunden durch Trinkbefehle: Eben ging es noch um V-Step (selbstverständlich in 40 Prozent der Fälle „Uie-Step“ gesprochen), Six Point (gerne auch Baby Mambo genannt), Grapevine und Knee-up Repeaters, dann lautet die Ansage „uuund jetzt was trinken! immer in Bewegung bleiben!“. Pro 45 Minuten bis zu sechs Mal.
Oder wie grotesk im Grunde der Anblick von 20 Mitteleuropäerinnen im Alter zwischen 16 und 56 in Gymnastikkleidung ist, die alle nur sehr rudimentär tanzen können und sich im Kurs „Latin Moves“ zu Samba-Pop verrenken, indem sie sich bemühen, die Bewegungen eines vorturnenden dunkelhäutigen Südamerikaners mit Knabenkörper, Lockenkopf und Gummigelenken zu imitieren. Das ganze durch die besagte Spiegelfront verdoppelt.

Fünf Kommentatoren suchen einen Tatort-Autor

Dienstag, 27. März 2007

Die blonde Frau im Rollstuhl war Sabine (glaub ich), die Schwester von dem jungen Mann, der die Haupt-Frau des Films (Mordopfertochter) nach der Beerdigung fragte, ob sie schon geht.

(…)

Der Golfplatzheini war ganz verliebt in die Sabine (Rollstuhldame) damals, und wollte ein date, hat er auch bekommen. Dann hat die Sabine allerdings gelacht und ist aus Versehen auf einen Stein gefallen mit dem Kopf, nachdem der Golfplatzheini sie ein bisschen gewürgt hatte.
Die Mutter hat’s gesehen. Der Rest siehe oben.
Der Golfplatzheini war ja der Cousin von Doppelmordopfertochter also der Sohn vom toten Bürgermeisterbruder.

Frau Sopran guckt gerne Tatort, aber manchmal kommt ihr was dazwischen. Dann bittet sie ihre Leser, Zusammenhänge und Auflösung nachzutragen. Diesmal versuchen sich an der Erfüllung der Bitte fünf Leute, die jeweils auch nur Ausschnitte gesehen haben – großartig.

Ungenutzte Synergien: Kosmetikindustrie und Gehirnamputationen

Dienstag, 27. März 2007

Für wie bescheuert hält mich die Kosmetikindustrie eigentlich? Dass ich mitten in der Zielgruppe all der Cremchen und Mittelchen stehe, merke ich allein schon an meiner Fernsehwahrnehmung: Die Werbung scheint mir zu 80 % aus Kosmetikwerbung zu bestehen. Will heißen: Leute, die das fernsehen, was ich fernsehe, gelten als potenzielle Kosmetikkundinnen. Sind also weiblich, nicht mehr jung, finanziell unbelastet. Und in dieser Werbung erzählt man mir unter anderem, dass man wabbliges Bindegewebe „straffen“ kann, dass man durch regelmäßige Verwendung einer Körpermilch wieder in zu enge Jeans passt, dass man Falten „auffüllen“ kann. Yeah, right. Weil die Kühe so schön fliegen.

Und jetzt will mir eine Gazetten-Anzeige weismachen: „Soin Remodelant Ventre-Taille (so heißt die Creme) fördert eine besser definierte Bauch- und Taillenpartie. Spezialcreme mit der Kraft der Krähenbeere. Diese Pflanze mindert die Ausbreitung von Fettgewebe an der Bauchpartie und schützt die Kollagenfasern.“ Soso, die Creme-Moleküle der Krähenbeere (?) wissen also zum einen, dass sie es nicht etwa mit einem Oberschenkel zu tun haben oder mit einem Kinn, sondern mit meiner Taille. Und sie können auf ein Gewebe einwirken, dass sich nicht mal durch noch so gezieltes Training verschieben lässt. Sonst noch was?

Samma ma so: Wenn die Cremes und Lotions und Tonics und Gels, die man meinereiner andrehen will, tatsächlich das bewirkten, was ihre Verkäuferinnen behaupten – dann fielen sie unters Arzneimittelgesetz. Die Qualität von Haut und Gewebe ist in erster Linie Veranlagung. Den negativen Einfluss von UV-Strahlung und Mangelernährung weiß wohl jede.

Die Wirkungszusammenhänge, die man mir einredet, haben sehr den Klang, den ich mir zu Quacksalbern auf mittelalterlichen Jahrmärkten vorstelle: Eine junge Kosmetikverkäuferin informierte mich kürzlich, diese eine empfehlenswerte Handcreme enthalte den Stoff, der in Blättern von Bäumen für Stabilität sorge. Deshalb könne sie die Haut meiner Hände knackig halten. Ernsthaft! Die Krähenbeere sorgt demnach vermutlich bei Nichtkrähenvögeln nach Verzehr für Diarrhöe und verschlankt die Viecherl ungemein – woraus sich die Wirkung auf meine Taille ableiten lässt.

Kurzer Nachtrag Forschersamstag

Montag, 26. März 2007

Weil es doch zu gemein wäre, gar keine Details zu liefern, hier die Kurzfassung:
Wir trafen uns zu acht, um Schokolade blind zu kosten. Bei den Vorbereitungen wurde uns klar, wie weit das Feld ist, das man dabei beackern kann – wir beschlossen, uns auf Milchschokoladen und Bitterschokoladen zu beschränken (keine Füllung, keine Aromatisierung, und die billigen Supermarktschokoladen unserer Kindheit ließen wir ebenfalls weg). Jeder brachte ein paar Tafeln seines Interesses mit. Es lagen dann 40 verschiedene Schokoladen auf dem Tisch, aus denen wir zehn Milch- und zehn Bitter- zur Verkostung auswählten (aus meinen Notizen abgeschrieben):

Amadei Vollmilch
Valrhona Vollmilch
Naturana Vollmilch
Chocolat Bonnat Vollmilch
Käfer Vollmilch
Hachez 55 % Vollmilch
Fedora Vollmilch
Lindt Vollmilch
Dallmayr Vollmilch
Bachhalm Vollmilch

Cailler Crémant
Rajoles Chocolate Negro
Felchlin Cru Sauvage
Stolberg Felchlin
Dolfin 70 %
Dagoba Organic Chocolate
Pariser Konditorschokolade (sorry, genauen Namen nicht mitgeschrieben)
Venchi 75 %
Bernard Castellain 77 %
Patrick Roger Bitterschokolade

Das ausführliche Ergebnis gibt es frühestens Ende der Woche. Vielleicht mag ja jemand parallel kosten, und wir vergleichen unsere Erfahrungen?

Forschersamstag

Sonntag, 25. März 2007

Vorher:

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Nachher:

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Ich bin immer noch völlig geschafft. Details deshalb, wenn überhaupt, später.

Noch mehr Bücherfragen

Freitag, 23. März 2007

Weil Buchmesse ist.

Gebunden oder Taschenbuch?
Das jeweils schönere. Von Iain Banks gefallen mir zum Beispiel die Taschenbuch-Ausgaben besser, das durchgängige Design seiner Buchcover (ganz eigen, erkennen Sie sofort wieder) enthält in der Paperback-Version eine Prägung, die die Hardback-Ausgaben nicht haben. Dann wiederum gibt es Gesamtkunstwerke wie Poor Things von Alasdair Gray (alles vom Autor gemacht: Illustrationen einschließlich Schutzumschlag, für den er seinen Freund Bernard MacLaverty portraitierte, Klappentexte und Rezensionen), die am besten als Harcover.
Vielleicht bin ich da komisch: Wenn ein Buch, das ich lesen will, nur mit dem Foto seiner Verfilmung auf dem Cover vorliegt (igitt), werde ich es wahrscheinlich nicht kaufen, sondern eine andere Ausgabe suchen, notfalls gebraucht.

Amazon oder Buchhandel?
Ich habe es wirklich, wirklich versucht. Aber es waren Leute wie ich, für die Amazon eigens erfunden wurde.

Lesezeichen oder Eselsohr?
Eselsohr? Klar, und jede Seite, die ich gelesen habe, reiße ich raus und werfe ich auf den Stapel mit alten Zeitungen. (ESELSOHR?!)

Ordnen nach Autor, nach Titel oder ungeordnet?
Jetzt wird’s langweilig:
Erste Überordnung: Fiktion / Sachbuch
– Fiktion Unterordnung: Englisch / Deutsch / Spanisch / andere
diese nach Autoren
– zudem bei Fiktion als Einzelbereich: Lyrik und Anthologien.
– Die SF-Reihen des Mitbewohners haben eine eigene Regalwand.
– Sachbuch Unterordnungen: Geschichte, Naturundtechnik, Feminismus, Sprachwissenschaft, Spiele, Film, Literaturwissenschaft, Kunst, Essen&Trinken, Reise, Psychologie, Philosophie
– zudem bei Sachbuch eine eigene Regalwand: Nachschlagewerke

Behalten, wegwerfen oder verkaufen?
Alles davon, eben gab es wieder eine Aussortier-Aktion (in erster Linie Bücher des Mitbewohners); die aussortierten Bücher werden soeben online verschachert.

Schutzumschlag behalten oder wegwerfen?
Behalten.

Mit Schutzumschlag lesen oder ohne?
Tatsächliches Lesen ohne, beim Zur-Seite-Legen schlage ich das Buch aber ein.

Kurzgeschichten oder Roman?
Zu drei Vierteln Romane zu einem Viertel Geschichten.

Sammlung oder Anthologie?
Anthologie, aber eher zufällig und weil ich aus meinem Studium noch einige nach Epochen habe.

Harry Potter oder Lemony Snicket?
Snicket habe ich noch nicht probiert.

Aufhören, wenn man müde ist oder wenn das Kapitel endet?
Was jeweils zuerst kommt, zumal es eine Menge Bücher ohne Kapiteleinteilung gibt.

„Die Nacht war dunkel und stürmisch“ oder „Es war einmal“?
Die Nacht, auf jeden Fall (=Krimi). Die Fantasy-Ecke geht komplett an mir vorbei.

Kaufen oder Leihen?
Kaufen.

Neu oder gebraucht?
Was schöner ist: Frisch veröffentlichte Bücher eher neu, Hemingway und andere Klassiker in der schönsterreichbaren gebrauchten Version.

Kaufentscheidung: Bestsellerliste, Rezension, Empfehlung oder Stöbern?
Rezension oder Empfehlung. Wobei bei manchen geschätzten Autoren bereits die Nachricht reicht, dass sie etwas Neues veröffentlicht haben.

Geschlossenes Ende oder Cliffhanger?
Wenn das die einzigen Alternativen sind, dann eher das geschlossene Ende. Cliffhanger gehören zu schnell geschriebenen Serien, die einen Kaufanreiz für die nächste Folge erzeugen müssen. Offene Enden mag ich aber auch gern, wenn sie passen. Das Ende halte ich für das Schwierigste an einem Roman, oft ist es der Schwachpunkt des Werkes (ähnlich bei Filmen). Vielleicht werden John Irvings Bücher deshalb häufig gut, weil Herr Irving eigenen Aussagen zufolge als erste Idee zu einem Roman das Schlussbild hat.

Morgens, mittags oder nachts lesen?
Theoretisch jederzeit, praktisch derzeit abends im Bett.

Einzelband oder Serie?
Sowohl als auch, je nachdem. Earl Stanley Gardner als Serie, Minette Walters einzeln. In meiner Bibliothek überwiegen auffallend die Einzelbände (außer Sie wollen Leute wie Charles Dickens zu den Serien zählen, weil sie ihre Romane seinerzeit als Kapitelserien veröffentlicht haben, aber wir wollen hier ja nicht ernsthaft literaturwissenschaftlich werden, gell).

Lieblingsserie?
Pepe Carvalho von Manuel Vazquez Montalbán.

Lieblingsbuch, von dem noch nie jemand gehört hat?
Ana Nein von Agustín Gomez-Arcos. Deutsch nur gebraucht zu haben (derzeit gibt es bei Amazon aber sogar vier Exemplare). Der schmale Roman aus den 70ern erzählt die Geschichte der alten Anna Paucha, einer andalusischen Fischerswitwe. Einige Jahre nach dem spanischen Bürgerkrieg macht sie sich auf den Weg zu dem Gefängnis, in dem ihr einziger Sohn als Franco-Gegner gefangen gehalten wird, zu Fuß und mit einem selbst gebackenen Aniskuchen für diesen Sohn unterm Arm. Durchgehend in personaler Perspektive der Ana geschrieben, unsentimental und herzzerreißend.
Habe ich Ende der 80er in der Grabbelkiste eines Kaufhauses entdeckt, als ich noch in Buchgrabbelkisten wühlte. Während meines Studiums schrieb ich darüber eine Arbeit im Seminar „Verarbeitung des spanischen Bürgerkriegs in der Literatur“.
Im Original französisch Ana Non.

Lieblingsbuch, das du letztes Jahr gelesen hast?
Emmas Glück von Claudia Schreiber. Ich quengelte noch halb in mich rein, dass mit ein bisschen gewissenhafterem Lektorat ein wirklich großartiges Buch daraus geworden wäre, als ich merkte, dass gerade die schreiberischen Ungelenkigkeiten perfekt zur Geschichte passen.

Absolutes Lieblingsbuch aller Zeiten?
Ich habe mir vor vielen Jahren angewöhnt, diese Frage mit Friedrich Torbergs Tante Jolesch zu beantworten.