Ich weiß jetzt, was meine alte Schwimmbrille so ideal gemacht hat: Sie ist eine Wettkampfbrille. Allerdings war es nicht einfach, an diese Information zu kommen. Zum Kauf eines Ersatzes suchte ich nämlich ein gewisses kürzlich renoviertes Sportgeschäft gleich am Marienplatz auf. Und dort werde ich vom Personal regelmäßig ignoriert. Mag ja sein, dass ich kolossal unsportlich und eh zu alt aussehe, und dass die dort angestellten Naturburschen deshalb davon ausgehen, ich hätte mich auf der Suche nach einem Paar Mephisto-Schuhen verirrt. Doch selbst dann ist es keine Art, erst gelangweilt durch mich hindurch zu schauen und dann meine Fragen einsilbig und verweigernd zu beantworten.
Am Regal mit den Schwimmbrillen hingen Musterexemplare zum Ausprobieren. Da ich nur nach den allerkleinsten Modellen griff, fand ich schnell mein Ideal, das ebenso knapp und sicher in den Augenhöhlen saß wie sein sich verabschiedender Vorgänger. Nur konnte ich nicht ausmachen, in welcher Verpackung sich dieses Modell zum Kauf befand; ich musste den an der Wand lehnenden Verkäuferburschen leider aus seinen Träumen reißen. Der führte mich zwar zur gesuchten Verpackung, schien aber unwillig, sie mir auszuhändigen: „Des is aber eine Wettkampfbrille.“ Ah so, na ja, andere halten mir aber das Wasser nicht von den Augen fern. „Die darf man immer nur kurz aufsetzen.“ Oh. Sonst? „Die drücken sich so in die Augenhöhle, dass man nach längerer Zeit so Eulenaugen mit Abdrücken bekommt.“ Ich nehme meine Brille ab und deute auf mein Gesicht: „So wie die, die man jetzt noch von meinem Morgensport sehen müsste? Nehme ich.“
Wäre ich geistesgegenwärtiger gewesen, hätte ich den Herrn anschließend nach Badehauben mit Plastikblumen drauf gefragt. Um seine Vorurteilswelt wieder in Ordnung zu bringen.
Ihren gestrigen Praxistext bestand die neue Schwimmbrille tadellos.

Durch ein Posting auf den Scienceblogs stieß ich darauf, dass sich die Lehrmeinung zu Schwimmtechnik in den letzten Jahrzehnten massiv verändert hat. Hintergrund sind neue Erkenntnisse aus der Biomechanik. Gerade das Wettkampfschwimmen sieht deshalb heute ganz anders aus als vor 30 Jahren. So werden die Finger heute zum Beispiel leicht gespreizt. Die Körperbewegung des Brustschwimmens ist für Wettkämpfer inzwischen das Undulieren – allerdings wohl wirklich nur für Wettkämpfer, denn es ist sehr anstrengend. Ich musste sofort an Patrick Duffy als Mann aus Atlantis denken: Dessen Schlangengleiten durchs Wasser versuchte ich seinerzeit mit Mitschülerinnen im Schwimmunterricht zu imitieren (dieselben Mädchen, mit denen ich dort Szenen aus Esther-Williams-Filmen nachstellte). Wir gaben schnell auf, weil unsere Kraft für nicht mehr als drei Schläge reichte. Meiner Erinnerung nach wurde auch Herr Duffy nie mit mehr als drei Schlägen gezeigt, bevor ihn ein Schnitt erlöste.
Vieles weist darauf hin, dass im Wettkampfschwimmen das Ideal des eleganten, schmalen Gleitens durch kraftbasierte Techniken abgelöst wurde. Ich gebe zu, dass ich mir jetzt wünsche, ich hätte im August olympisches Schwimmen geguckt.
Mir als Breitenschwimmerin hingegen darf es weiterhin darum gehen, mit möglichst wenig Kraftaufwand zügig und elegant die Wogen zu durchschneiden. Meine Vorstellung von optimaler Wasserlage sehe ich hier bestätigt. Mein Brustschwimmstil passt wohl noch: Hier eine schöne Beschreibung, hier eine Animation dazu. Da es für meine lädierte Lendenwirbelsäule besser ist, versuche ich aber, so viel wie möglich zu kraulen. Zwar bin ich meinem Ziel des gemütlichen Kraulens über lange Strecken näher gekommen (hier eine Animation, hier Details zum Armschlag mit Videoclips); derzeit wechsle ich zwei Bahnen Brust mit zwei Bahnen Kraul ab. Doch nachdem ich mich auf der Suche nach Technikverbesserungen im Internet-Dschungel der Schwimmerforen und Triathlontipps schnell verheddert habe, sollte ich mir dafür wohl mal eine Trainerstunde leisten.