Journal Montag, 13. Februar 2012 – Zuspruch

Dienstag, 14. Februar 2012 um 8:52

Bin berührt von dem Zuspruch, den Sie mir über die Kommentare zukommen lassen. Ich scheine mit meinem Verdacht, „ach, wahrscheinlich stelle ich mich bloß an“ fast alleine zu stehen. Denn:

Same same but different – große und kleine Schrecken. Die Dimension spielt letztlich keine Rolle, wenn es uns erwischt, zählt der individuelle Schmerz und nicht der Rest der Welt,

wie die kluge Frau Julie – in komplett anderem Kontext – schreibt. Es wäre zwar ungemein praktisch, wenn es die Lösung für Notsituationen wäre, dass a) andere es noch viel schlimmer haben, wenn nicht sogar wirklich schlimm. Nur ist das halt b) dummerweise keine Lösung, und manchmal ist sogar genau das konsequente Zähnezusammenbeißen wegen a) die Hauptursache für die c) individuelle Not.

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Apropos Liebe. Ich glaube, dass Elternliebe vieles gutmachen kann, in jedem Alter.

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Telefonat mit der Deutschen Rentenversicherung. Nach nur einem Weiterstellen („Oh, da muss ich Sie mit…“) hatte ich eine Ansprechpartnerin, die sich für zuständig erklärte. Sie machte auch nur einen Anlauf, den Irrtum (ich hätte die Zeit zwischen 14 und 18 hauptsächlich mit Arbeitstätigkeit in Großbritannien verbracht) auf mich abzuwälzen: „Dann werden Sie das schon so angegeben haben.“ Als ich sie daraufhin schallend auslachte, gab die Dame sofort klein bei und riet mir, schriftlich auf den Fehler hinzuweisen. Nächste Runde.

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Der beste Oberchef von allen war so aufmerksam und freundlich, eigens aus der noch oberchefigeren Sitzung zu kommen, um eine wichtige Entscheidung weiterzugeben: Weil er wusste, wie sehr diese schnelle Information einigen Menschen das Leben erleichterte. (Er liest übrigens hier mit, Grüße!)

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Die abendliche Leserunde war wegen Krankheit sehr ausgedünnt. All about Lulu von Jonathan Evison gab viel Gesprächsfutter her: Eine gründliche und ungeschönte Darstellung der Westküsten-USA, dabei erzähltechnisch interessante Unterschiede zwischen der Selbstdarstellung des Ich-Erzählers und der Außensicht in Dialogen und Briefen anderer; ungewöhnlich und durchaus aufschlussreich ist professionelles Bodybuilding als Hintergrund der Familiengeschichte. Uneinig waren wir uns, ob die Hauptperson unsympathisch wirkte / wirken sollte. Einig wiederum, dass der Roman in der zweiten Hälfte ziemliche Längen hat. Weil ein Zitat daraus der Handlung voran gestellt ist, kamen wir auch auf Salingers Catcher in the Rye – möchte ich gerne mal wieder lesen um herauszufinden, wie sich meine Wahrnehmung des Buches verändert hat.

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Journal Montag, 13. Februar 2012 – Zuspruch“

  1. Gabriela meint:

    Zum heutigen 14. sende ich einen Link, der vielleicht gefallen könnte:
    http://lifeintheboomerlane.wordpress.com/2012/02/13/a-valentine-for-someone-i-hate/
    Un saludo cordial de Gabriela

  2. vilsrip meint:

    Wie war die Wahrnehmung von Catcher in the Rye denn bisher? Lässt sich das in einen Zweisatz-Kommentar fassen? (Vermutlich nicht.)
    §
    Gratuliere dazu, einen “besten Oberchef” zu haben. Haben nicht alle.

  3. die Kaltmamsell meint:

    Erste Bekanntschaft mit amerikanischer Ostküste, vilsrip, dem Konzept “Coming of Age” und psychischen Problemen – mir hat der Roman seinerzeit einige neue Welten erschlossen. Möglicherweise gefallen mir aber andere Salinger-Geschichten besser.

  4. vilsrip meint:

    Danke. Inzwischen färbt möglicherweise das Wissen ab, dass “troubled minds”, die durch den Mord an einer Berühmtheit berühmt werden wollen, dieses Buch bei sich tragen – was auch immer das dann beweisen soll.* Und natürlich färbt jede literarische und sonstige Erfahrung das Wiederlesen eines Buches.
    A propos andere Geschichten: “Franny and Zooey” und “Nine Stories” liegen seit Jahren in meinem Stapel zu lesender Bücher und wandern einfach nicht nach oben.

    __________________
    *Jedenfalls meine ich das zu wissen – oder ist das inzwischen eine selbständige “urban legend” (der Mörder John Lennons, der Attentäter Ronald Reagans und eine neuere Geschichte, die aber bei mir schon so weit verblasst ist, dass ich den Namen vergessen habe)?

  5. die Kaltmamsell meint:

    Ich kenne die Selbsterklärung des Lennon-Mörders auch, vilsrip. Aber wenn es um solche Mechanismen bei Psychotikern geht (“die Stimme aus dem Buch hat mir das befohlen!”), sollte man ja wohl als Allererstes Bibellektüre unterbinden, oder?

  6. vilsrip meint:

    Ich kann mich nicht erinnern, etwas von “unterbinden” gesagt oder gefordert zu haben. Weder kann “Catcher in the Rye” etwas dafür, dass ein Psychopath das Buch zum Morden mitnimmt, noch die Bibel.
    Offenbar hab ich mich missverständlich ausgedrückt. Ich meine, dass man die Erinnerung an diesen Fall einfach mit sich trägt, und dass man im Laufe des Lebens immer mehr Assoziationen, gut und schlecht Erinnertes, im Hinterkopf sammelt, was dann das Wiederlesen eines Buches zu einer anderen Erfahrung macht als das Erstlesen.

  7. die Kaltmamsell meint:

    Ah, vilsrip, tatsächlich missverstanden. Dass die Fremdrezeption eines Buches die eigene Lektüre färben kann, kenne ich natürlich.

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