Gebe ich mir also einen Rempler und notiere kurz – tatsächlich nicht hauptsächlich wegen Ihnen, werte Damen und Herren, oder gar zur Sanierung sinkender Besucherzahlen. Sondern weil dies mittlerweile auch die Funktion einer persönlichen Historie hat, in der ich meine eigene Vergangenheit nachblättere oder vage Erinnerungen präzisiere.
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Es ist wieder die Zeit der aufgerissenen Lippen. Meine wechseln von Erdbeerrot an einen Tag, weiß und trocken am nächsten zu blättrig am dritten und vierten, gerne mit blutigen Rissen, um dann wieder von Vorne anzufangen. Nichts davon fühlt sich angenehm an.
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Die dritte Staffel des BBC-Sherlock bei itunes gekauft. Na ja, tatsächlich tat das nicht ich, da das System von mir Antworten auf Sicherheitfragen forderte, die ich nicht kannte noch je beantworten kann: Ich hatte nie ein Haustier, die Sicherheitsfrage meiner Apple-ID will aber den Namen meines ersten wissen und lässt mich ohne nicht einkaufen. Der Mitbewohner sprang ein. Die dritte Staffel des BBC-Sherlock angesehen, einige Überraschungen bekreischt. Die erste Folge gefiel mir ganz gut, die zweite halte ich für ausgesprochen missraten, die dritte wiederum erfreute mich sehr.
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Nach mehr als zehn Jahren mal wieder bei Ikea gewesen: Das Büro, in dem ich als “Office Manager” arbeite, brauchte dringend einen großen Schrank zum Verstauen von Produktmustern eines Kunden, damit es nicht mehr wie ein schlampig geführtes Lager aussieht. Meine Recherche ergab, dass als Büromöbel gedachte Stücke entweder atemberaubend teuer oder atemberaubend hässlich sind, doch eine Kollegin verwies mich auf den Ikea-Kleiderschrank “Pax”, der den Zweck erfüllen sollte. Online bekam ich nicht alle benötigte Teile (ausgerechnet Regalbretter nicht), also nahm ich die S-Bahn nach Eching, um persönlich einzukaufen. Mit vor der Nase davonfahrendem Bus sind es vom Bahnhof aus auch nur gut 20 Minuten strammer Fußmarsch.
Weder ist in diesem Möbelhaus vorgesehen, dass man gezielt ein Produkt haben möchte, noch dass man dort allein einkauft. Das Schranksystem fand ich in der Möbelausstellung verhältnismäßig einfach, das Schwindelgefühl vom hurtigen Ablaufen des verwinkelten Pfads bis dorthin legte sich schnell. Doch hätte ich nicht vorher auf der Website bereits die konkreten Einzelteile samt Produktnummern aus den unübersehbar vielen Kombinationsmöglichkeiten zusammengesucht, wäre ich verzweifelt. (Nun gut, vermutlich hätte ein Stündchen Katalogstudium in einer ruhigen Ecke der Möbelausstellung zum Ziel geführt.) Verwinden musste ich aber den Umstand, dass ich trotz vorher angelegtem Ikea-Geschäftskonto nicht auf Rechnung einkaufen konnte.
Ein wirklicher Albtraum war der Weg zum Warenlager, in dem ich die gewünschten Teile einsammeln wollte; er verläuft nämlich durch die Krusch-, Geschirr- und Hinstellersektion. Alles, aber wirklich alles verhindert dort ein Abkürzen, unter anderen sind die Zwischenwände so gestellt, dass ein Überblick über die Lage und die Dimension der Abteilung unmöglich ist. Besonders perfide fand ich die scheinbare Hilfe durch Schilder “Abkürzung ins Warenlager”, die lediglich im Kreis führten. Als ich endlich das Ende des Kruschlabyrinths sah (Pflanzen! Pflanzen stehen am Ende!), war ich verschwitzt und leicht hysterisch.
Am Lagerterminal eruierte ich das Regal mit meinen gewünschten Möbelteilen (gutes System!), um dann vor einem liegenden Karton mit den Maßen 250 x 20 x 60 cm und einem geschätzten Gewicht von 30 Kilo zu stehen (Nachtrag: Dank Kommentator hugo habe ich herausgefunden, dass das 55 Kilo waren), den ich auf meinen Einkaufswagen schaffen sollte. Ich ruckelte und schob ein wenig, ächzte, sah mich nach einem Hilfsmittel um, wie ich es aus Fabrikhallen für das Heben schwerer Lasten kenne, aber da war nichts. Den ersten solchen Karton schaffte ich also schleifend und kratzend Zentimeter für Zentimeter auf meinen Wagen. Dann kamen mir zum Glück zwei Kundinnen zu Hilfe, die meinen Kampf beobachtet hatten. Karton zwei und drei zogen wir zu dritt aus dem Regal auf den Wagen.
Vor der nächsten großen Überraschung stand ich erst, als ich den Schrank mit Hilfe des Praktikanten aufbaute (Transport war problemlos gewesen und mit 69 Euro fair bepreist, doch ein externer Aufbau erschien mir sehr teuer). Ikeamöbel hatte ich immer noch abgespeichert als diejenigen, für deren Aufbau man lediglich einen Inbusschlüssel braucht. War deren Werbung nicht sogar darauf abgestimmt? Doch die ersten Seiten der Aufbauanleitung ließen keinen Zweifel daran, dass ich nicht nur Kreuzschlitz- und Schraubendreher sowie Hammer benötigte (hat der Durchschnittshaushalt), sondern auch Schraubzwingen und Bohrmaschinen. Über Letzteres verfügt selbst mein überdurchschnittlich ausgestatteter Werkzeugkasten nicht. Das war also ein eher unglücklicher Freitagnachmittag, und selbst die beiden Stunden, die ich am gestrigen Sonntag mit Hilfe des Mitbewohners gröbere Irrtümer des Aufbaus korrigierte, machten mich nicht wirklich zufrieden mit dem Ergebnis. Für die Endmontage inklusive Schiebetüren bringt zum Glück mein Chef Schraubzwingen und Bohrmaschine mit.
Da habe ich mich aber mal ganz schön verschätzt.
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An meiner Lektüre links (Kate Chisholm, Fanny Burney, Her Life) habe ich viel Freude: Über Fanny Burney (englische Romanautorin des späten 18. Jahrhunderts) forschte ich seinerzeit ein wenig, und ich gehöre zu den vermutlich gar nicht vielen Menschen, die alles von ihr gelesen haben. Aufsehen erregte die Neuveröffentlichung ihrer Tagebücher in den 80ern (ja? Datum nur aus dem Gedächtnis), die auch bislang ausgelassene Passagen enthielten – unter anderem die Beschreibung ihrer eigenen Mastektomie (Achtung, sehr detaillierte Schilderung).
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Wunderschöne vier Tage hatte ich Besuch von Freunden aus der Schweiz. Wir waren Essen im Upper Eat Side (ein noch größeres Sortiment interessanter lokaler Biere, wunderbare Speise, weiterhin schöne Atmosphäre – ich freue mich über den Erfolg der Wirtsleute, auch wenn ich selbst schwer an einen Tisch zu meinem Wunschtermin komme), verbrachten einen Abend über Cocido, machten lange Zeit Einkäufe im Süpermarket Verdi in der Landwehrstraße (das Sortiment ist wirklich sensationell), die abends zu Pulpo a la gallega und israelischen Salaten wurden, dazu ein interessanter israelischer Pinot Noir (Barkan classic vom Negev). Wir spazierten entlang dem Auer Mühlbach, kehrten ein im schönen Café Fausto.
Und bei all dem viel Reden und Kuscheln. Unter anderem nehme ich mir als Tipp den Hinweis auf die Schweizer Fernsehserie (nur korrekt mit Betonung auf dem letzten Vokal, der nicht als Diphtong gesprochen wird) Der Bestatter mit.
Zudem bekam ich als Gastgeschenk Jerusalem von Yotam Ottolenghi and Sami Tamimi – sieht sensationell gut aus, hat schon nach dem ersten Durchblättern sehnsüchtige Einmerker.
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Große Erschöpfung, tagsüber in der fortbestehenden Arbeitssituation kein Appetit.
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Nun ist auch mein vorletztes Paar Jeans zerschlissen (vor einigen Jahren in Brighton bei M&S gekauft): Ich habe mir erlaubt, bei manomama Nachschub zu bestellen (beide Modelle).
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Schönheit: “Somebody I used to know” in American Sign Language.
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Vielleicht schaffe ich es, ab sofort wieder eine Runde Tagebuch zu bloggen. 