Journal Mittwoch, 28. September 2016 – Moselsteig Nittel-Konz

Donnerstag, 29. September 2016 um 8:01

Der gestrige Wandertag startete mit der gewohnten Sonne, bewölkte sich aber bald. Solange es trocken bleibt, macht mir das nichts aus.

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Das Hotel in Nittel war auf jeden Fall schon mal Sieger in Zimmerausblick.

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Nittel kann schon was.
Mein erstes Ziel dieser Etappe waren die Nitteler Felsen.

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Dass mir hier unvermittelt von rechts ein Reh in den Weg sprang, müssen Sie mir einfach glauben – ich guckte lieber, als ein Foto zu versuchen.

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Ab hier führte der Weg weg vom Moseltal – was sich deutlich in der Geräuschkulissen zeigte: Auf beiden Seiten der Mosel tost lauter Verkehr. Jetzt wurde es stiller.

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Nachdem ich mich schon am Vortag ein wenig verlaufen hatte und ein Stück zurückgehen musste (und selbst dann dem Hinweisschild schier nicht glauben wollte, weil es in einen Bauernhof zu zeigen schien – das Wanderbüchel noch dazu “scharf rechts” schrieb, wo es doch hier erst mal nach links ging), verpasste ich auch gestern eine Abzweigung. Diesmal ging ich den langweiligen Feldweg nicht zurück, um die Abzweigung doch noch zu finden, sondern schlug mich querfeldein zu der Landstraße durch, die ich laut Plan in einem Wald überqueren musste. Das klappte.

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Mittagspause mit Ausblick auf Fellerich. Als ich mich wieder startklar machte, kam das Wandererpaar von gestern ums Eck – meine einzige Begegnung mit anderen Wanderern heute.

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Der Albach.

Die letzte Stunde der Wanderung nach Konz war gar nicht schön: Mehrspurige Kreisverkehre, Kieswerk, Kläranlage, auf dem vermüllten Weg entlang den Bahngleisen haben mich Jahrzehnte Tatort-Gucken gelehrt, jederzeit einen Leichenfund zu erwarten.

Zum Übernachten landete ich in einem “Park Hotel” direkt an der Route, das ich mir aufgrund seiner Website erheblich großartiger vorgestellt hatte (Sauna- und Wellnessbereich!) als das versteckte Ausfallstraßenhäuschen, als das es sich entpuppte. Aber: Ich wurde schon an der Rezeption gefragt, ob ich WLAN-Zugang brauche. UND! Die Rezeptionistin erklärte mir ungefragt Frühstücks- sowie sonstige Essensmodalitäten sowie Saunazugang, begleitete mich sogar zum Zimmer. Sie sprach mit einem Hauch von thüringischem Akzent – natürlich.

Ich habe mir nämlich inzwischen einen kleinen Stapel Vorurteile zur heimischen Bevölkerung zurechtgelegt: Bislang habe ich sie als ausgesprochen mufflig erlebt. Grüße oder auch nur Anlächeln auf der Straße bleiben unerwidert. Beispielsituation: Ich wandere durch ein Dorf, in einem Vorgarten wird gegärtnert, Gärtnerin sieht mich an, ich lächle und sage “Guten Tag” (ich spreche nämlich Außerbayerisch) – keine Reaktion in Wort oder Mimik. Zurückgegrüßt wurde ich bislang nur von Touristinnen. In den Unterkünften bekam ich nur die allernötigsten Auskünfte, bislang nicht mal die Standardinfo bei Schlüsselübergabe zu Zeit und Ort des Frühstücks. Smalltalk bot mir Hotelpersonal bislang dreimal an: 1. “Sind Sie mit Rad oder zu Fuß da?” 2. “Sie machen den Moselsteig?” 3. “Wandern Sie heute nach Palzem oder nach Konz?” Mit meiner Antwort endete das Gespräch jeweils.
Das hat nichts von der Einsilbigkeit, die ich aus Westfalen oder Hamburg kenne – die ich nie als unfreundlich wahrgenommen habe, sondern lediglich als effizient. Hier empfinde ich das als aktives Desinteresse.
Wenn sich hier bislang jemand um mich kümmerte, mich auch nur mit offenem Blick ansah, klang sie deutlich von wo anders.

Auf Twitter wies mich @Marqueee auf einen FAZ-Artikel von 2013 hin, der eine Erklärung für das anbietet, was ich als Muffligkeit empfinde:
“Der Schönheit wohnt der Schrecken inne”.
Für Hinweise auf wirklich interessante Weine hoffe ich in Trier auf Das Weinhaus.
(Allein schon dass ich nirgends in der Gastronomie Spuren all der Obstbäume sah, an denen ich vorbeiwandere. Statt dessen wird Marmelade vom Discounter serviert. Und Brot oder Brötchen in auch nur ansatzweise akzeptabler Qualität sind mir auch noch nicht begegnet. Genauso wenig wie eine Bäckerei, fällt mir gerade auf.)

Das Hotelzimmer machte sich mir sofort sympathisch mit Teekochmöglichkeit (für mich so britisch, dass ich sofort “tea and coffee making facilities” denke) und einem Bademantel. Ich war wieder so verschwitzt, dass ich dringend erst mal duschen wollte – danach waren ein Bademantel und eine Tasse Tee paradiesisch.

In der Folge ging’s mir richtig gut und ich wurde schon wieder abenteuerlustig: Zum Abendessen ging ich fünf Minuten in den Ratskeller. Ich bekam freundliche Ansprache (“Was lesen Sie denn da?”) und Rahmpfifferlinge mit Spätzle. Dazu einen Grauburgunder aus Ayl, ok. Auf dem Rückweg flippte ich völlig aus und holte mir bei einer Eisdiele Dolomiti (a name you can trust) ein großes Eis MIT Sahne. Damit setzte ich mich ans Ufer der SaaleSaar, die in Konz in die Mosel mündet.

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Gewandert in 6,5 Stunden mit zwei Pausen: 26 Kilometer.

§

Ein wunderschönes Beispiel, wie Wissenschaft funktioniert. Da war dieser Artikel “Better Identification of Viking Corpses Reveals: Half of the Warriors were Female”. Der mal wieder nachwies, dass es unnütz ist, jetzige Normen für geschichtliche Interpretationen zu verwenden. Doch dann kommt jemand auf tumblr daher und nimmt das wiederum auseinander, und zwar durch das Hinterfragen der dort verwendeten Begriffe (z.B. “Viking”) und Einordnungen (z.B. Identifikation des Geschlechts eines Skelletts). Vom Hölzchen aufs Stöckchen bis zum höchstwissenschaftlichen

Who fucking knows.

Hier geht’s zum Text (mit viel Inhalt aber unbetitelt).
via @journelle

die Kaltmamsell

12 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 28. September 2016 – Moselsteig Nittel-Konz“

  1. ash meint:

    Die Sache mit der Muffigkeit empfinde ich genau so. Nicht nur an der Mosel, sondern auch hier, hinter ihrem Ende auf der anderen Seite des Rheins, wo ich mir auch oftmals ziemlich dämlich vorkomme, wenn ich fremde Menschen einfach anspreche, ohne eigentlichen Grund. Es glaubt mir ja niemand, dass ich bei jedem Englandbesuch komplett andere Erfahrungen mache, fremde Menschen, die einander ansprechen, sich z. B. im Bus für andere einsetzen, die Kassiererin bei Tesco’s, die nicht die üblichen Höflichkeitsfloslkeln abspult sondern konkret auf meine Situation eingeht und auch über eigene Erfahrungen spricht. Ich schämte mich schon vor fast 40 Jahren nach meiner ersten großen Auslandsreise, als wir in Begleitung österreichischer Mitreisender am Bahnhofscafé in der Stadt am Ende der Mosel angemeckert wurden, weil wir es wagten, draußen Kaffee in Tassen und nicht in Kännchen zu bestellen. So – jetzt isses von der Seele.

  2. berit meint:

    Das klingt aber wirklich nicht nett. Wenigstens entschädigt die Landschaft für die anscheinend schlechten Einkehrmöglichkeiten. Hört sich ehrlich gesagt insgesamt alles nicht so empfehlenswert an :(

  3. Chris Kurbjuhn meint:

    Wenn Sie vollkommen neue Dimensionen der Muffigkeit erkunden wollen, empfehle ich Wandern in meiner Geburtsregion Nordhessen. Eine wunderbare Landschaft wie aus dem Märchenbuch und eine Bevölkerung, die “Fremden” (“Tourist” oder “Urlauber” sagt dort keiner) unmissverständlich klar macht, dass sie stören.

  4. Henning meint:

    Saale? Wir nennen den Fluss meistens eher “Saar”.
    Aber danke für den schönen Bericht und die Fotos.
    Und Grüße aus Trier!

  5. die Kaltmamsell meint:

    Danke für den Hinweis, Henning! (Zefix.)

  6. Ulla meint:

    “Sie sprach mit einem Hauch von thüringischem Akzent – natürlich.”

    Dazu kann ich nur sagen,wir waren gerade in Wernigerode und sind von der Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Menschen dort überrascht gewesen.

  7. Croco meint:

    Schade, dass der Muffel weiter geht. Aber Trier ist anders. Ich liebe es. Und das Weinhaus gegenüber des Karl- Marx-Hauses ist toll, Wein gut, Essen gut. Das Marx- Haus lohnt sich auch. Und es gibt Schuhläden! Viel Freude beim Wandern.

  8. arboretum meint:

    Trier liegt ja auch in Rheinland-Pfalz. ;-)

  9. Croco meint:

    Nachtrag: Heinz Becker alias Gerd Dudenhöffer gibt im Fernsehen den saarländischen Muffelkopp. So ungefähr sind auch die Hunsrücker, obwohl ich auch sehr nette kenne. Die wohnen aber mitterweile woanders ;)

  10. eva lorem ipsum meint:

    Verehrte Kaltmamsell,

    nach einigen Ausflügen an die Mosel zum Wandern auf den wunderbaren “Traumpfaden” kann ich nur sagen, die Ahr ist der beste Fluss in D-Land. Es gibt wunderschöne Landschaft, keinen Lärm, der Fluss fliesst weitgehend ohne Strassenbegleitung durchs Tal und die immensen Eifelwälder werten das Wanderprogramm auf.
    Essen ist hier immer Genuß. Sterne leuchten genauso am gastronomischen Himmel wie leckere Straussenwirtschaften. Immer begleitet von besten Weinen.

    Wir sehen uns sicher bald mal, als Couchsurferin habe ich für Blogger immer ein warmes Plätzchen. Natürlich mit Bademantel. Ich besitze unzählige und würde gerne einen zur Verfügung stellen.

    Bis bald mal wieder. Ich werde ich mich gerne für die wunderbaren Tips in München revanchieren.

    Hasta luego
    la Dokse

  11. Kirsten meint:

    Hach, Chris,

    “Fremmede” brauchen sie in Nordhessen wirklich nicht. Finde ja schon lange, dass der Dialekt dort an sich schon unfreundlich wirkt (ich stamme aus einer eingewanderten Familie und beherrsche ihn auch nicht wirklich).

    Aber ein, zwei dieser Bilder oben vom Fluss mit sanften Hügeln haben mich an die Landschaft an der Fulda erinnert, die wirklich wunderschön ist. :-)

  12. Richensa meint:

    Mag ja mal ein paar Dinge zu den Viking & hip bone Artikel schreiben: Die Unterscheidung zwischen “Viking” und “Norse” ist ein alter Hut aus den 1980ern, ebenso die Erkenntnisse zur Besiedlung, die von beiderlei Geschlechtern (biologisch u sonstwie) betrieben wurde, ob nun in Skandinavien oder auf neuen Wegen im heute Britischen.
    In älteren Arbeiten haben in der Tat mitunter eine Geschlechtszuweisung anhand der Grabbeigaben vorgenommen, die mit einer osteologischen Geschlechtszuweisung kollidierte. Auch da gab es Ansätze, dies zu interpretieren, die bishin zu “rituellem Transvestitentum” ging (von glaube ich 1972, ist schon lange her, dass ich das gelesen habe). Nun muss man nicht die Interpretation von geschlechtsspezifischen Merkmalen neu erfinden oder meine, dass es alle eine dicke nebulöse Wolke sei. Dass die Merkmale am Schädel “PERFECT male” mit einem “TEXTBOOK female” Becken kombiniert sind, liest sich zwar nett in dem Artikel, aber es gibt ja am Schädel nicht nur EIN Merkmal, sondern ein paar mehr… Für die Geschlechtsbestimmung muss auch das Sterbealter des Individuums bestimmt werden (oh, ist ja auch nicht so einfach…), denn der Mensch resp. sein Skelett verändert sich im Laufe des Lebens (Stichwort: hormoneller Krams), so dass eine ältere Frau durchaus auf den ersten Blick (oder auch auf den dritten bei einem nicht so erfahrenen Osteologen) als Mann durchgehen könnte, dabei doch nur eine “herbe Schönheit” ist. Umgekehrte Fälle gibt es ja auch…
    Kurz und gut: wenn es um die Untersuchung von menschlichen Überresten geht, dann bitte doch einen Osteologen beauftragen/befragen, der eine große Erfahrung hat, also sehr viele Untersuchungen durchgeführt hat und weiß, wo es schwierig wird. Und im Diskussionfall einen Kollegen hinzuzieht. Oder auch zwei..
    Dennoch interessant, den Artikel zu lesen. Danke für’s Mitteilen!

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