Journal Mittwoch, Donnerstag, Freitag, 8./9./10. Februar 2017 – Über Eifersucht sowie Rechtsstaatlichkeit

Samstag, 11. Februar 2017 um 9:27

Die heftige Arbeitswoche hinterließ mich fix und fertig. Die damit verbundene Unruhe verhinderte tiefen Nachtschlaf. Als ich Donnerstagmorgen wieder um fünf wach war, nutzte ich die Zeit zumindest für eine Runde Krafttraining.

Donnerstagabend radelte ich zum Spanienladen am Ostbahnhof, um für eine Einladung nächste Woche einzukaufen. Die Temperaturen sind wieder gesunken, ich kam mit gefrorenen Zehen heim.

Es gab Topinambur aus Ernteanteil mit Kartoffeln gratiniert. Topinambur ist ja eigentlich der Endgegner für die Darmflora: Auch mein Bauch reagierte auf das darin enthaltene Inulin mit bösesten Blähungen, bei meiner ersten Bekanntschaft mit Topinambur noch während der letzten Bissen. Doch diesmal war wohl auch meine Darmflora zu erledigt, als dass sie sich aufgelehnt hätte, ich überstand die Mahlzeit beschwerdefrei.

Freitag schlief ich angenehmerweise bis zum Weckerklingeln um sechs.

Früher Feierabend, auf dem Heimweg noch Obst im Süpermarket geholt. Samstägliches Apfelkuchenbacken vorbereitet: Streusel gestreuselt und kalt gestellt, Äpfel (aus Ernteanteil) geschnippelt und mit Zitronensaft, Zucker, Zimt vorgekocht. Ich mag meine Äpfel im Kuchen nicht knackig.

Zum Nachtmahl ging ich mit Herrn Kaltmamsell nochmal vor die Tür in die mittlerweile wieder eisige Kälte: Aperitif im Auroom, Salat und Pasta mit Miesmuscheln im Viva Maria. Ein sehr entspannender Wochenausklang.

§

Nach der Antwort von Dr. Dr. Rainer Erlinger auf die “Gewissensfrage” im aktuellen SZ-Magazin (Thema Liebe) mache ich mir dann doch Sorgen. Weil ich nicht eifersüchtig bin.

Erlinger zitiert zum Thema die britische Philosophin Frances Berenson.

“Jemanden zu lieben, ohne jemals Eifersucht zu spüren, würde die Ernsthaftigkeit und Tiefe der Liebe in Frage stellen.”

Das ist schon recht steil behauptet. Berensons Argument:

“wenn mir eine bestimmte Beziehung alles bedeutet in dem Sinne, dass sie mein Leben lebenswert macht (…), dann wird alles, was diese Beziehung bedroht, ganz natürlich mit Feindseligkeit und Besorgnis gesehen”

Zum einen gibt es wohl sehr unterschiedliche Wahrnehmungen von Bedrohung einer Beziehung. Zum anderen richtet sich diese “Feindseligkeit und Besorgnis” ja oft gegen Partner/Partnerin und bedroht damit die Beziehung.

Bislang bin ich mir doch recht sicher, dass das zwischen Herrn Kaltmamsell und mir Liebe ist. Möglicherweise sogar eine große solche. Und doch bin ich nicht eifersüchtig. Ich kenne das Gefühl der Missachtung, der Vernachlässigung, wenn andere Interessen gerade wichtiger sind als ich. Doch wenn ich mit Interesse von anderen Frauen erzählt bekomme, gar von Verehrerinnen, höre ich das sehr wohl deutlich (wer verstünde Verehrerinnen besser als ich?). Doch in erster Linie macht mich das neugierig auf die Dame. Geht mein Partner ohne mich aus (wenn ich das richtig verstehe, ein klassischer Anlass für Eifersucht), wünsche ich ihm viel Vergnügen. Warum sollte das meine Beziehung bedrohen? Laut Erlinger gibt es diese Haltung nur “unter Heiligen und perfekten Menschen” – Humbug, Erlinger kennt möglicherweise nicht genug Unheilige und mangelhafte Menschen.

Ich denke an frühere Beziehungen zurück:
Mein Freund, der in meiner Gegenwart mit einer anderen Frau massiv flirtete und mich, seine neben ihm sitzende Partnerin, komplett ignorierte. Aber mein Schmerz war doch wohl einfach Verletztheit über ungezogenes, verletzendes Benehmen?
Ein anderer Freund, der mir erzählte, dass er sich möglicherweise in jemanden verliebt hatte. Doch mein Gefühl würde ich nicht mit Eifersucht beschreiben, sondern mit Schmerz über den drohenden Verlust.

Eifersucht im möglicherweise klassischen Sinn kenne ich, wenn ich einen Herrn sehr attraktiv fand, dieser aber andere Frauen mir vorzog. In diesem Gefühl steckten auch Aggression und Wut, nicht nur Verletztheit.

Dr. Dr. Erlinger behautet, wer keine Eifersucht kenne, sehe “den geliebten Menschen als selbstverständlich und sicher gegeben” an. Dem widerspreche ich für mich energisch: Dieser Mensch und diese Liebe sind ein riesiges Geschenk.

§

Nachdenken über Rechtsstaatlichkeit. Jetzt, wo ein US-Präsident massiv an den Pfeilern von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit rüttelt, merken vielleicht manche Nutznießer dieser Prinzipien, dass sie nicht selbstverständlich sind.
Polen und Ungarn verstoßen zwar seit einiger Zeit ebenfalls dagegen, doch vielleicht nicht so absichtlich und explizit (zudem ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass dort Demokratie und Rechtsstaat vielleicht zu jung sind, um in Fleisch und Blut übergegangen zu sein).

Doch wenn jetzt das Staatsoberhaupt einer der ältesten Demokratien von “so-called judge” spricht und die Verfassung explizit als Hindernis beschreibt, halten wir erschrocken die Luft an. (Hoffentlich. Bitte.)
Vielleicht hinterfragen manche dieses Luftanhalten. Und bemerken, wie existenziell für uns das Prinzip Rechtsstaatlichkeit geworden ist:

Ein Rechtsstaat ist ein Staat, dessen verfassungsmäßige Gewalten rechtlich gebunden sind, der insbesondere in seinem Handeln durch Recht begrenzt wird, um die Freiheit der Einzelnen zu sichern.

Quelle: Wikipedia

Dass eine Gesellschaft nicht dem willkürlichen Urteil eines Menschen untersteht, sondern Gesetzen, die für alle gelten, ist ein ziemlich neues Ideal – auch wenn schon die alten Römer auf diese damals revolutionäre Idee gekommen sind.

Nun konkreter zum dem Urteil der US-Richter, die Trumps Muslim ban ablehnten. Ich fand diese Erklärung sehr erhellend:
“How to Read (and How Not to Read) Today’s 9th Circuit Opinion”.

via @ankegroener

Lawyers dream about becoming judges, particularly 9th Circuit judges, to write opinions like this.

This case is about two big questions, only one of which the panel’s per curiam today even mentions. The first question is how broad the president’s authority is to limit admissions from the relevant seven countries—and to what extent that authority is limited by constitutional law —under a statute that gives him the sweeping power to do this
(…)
Remarkably, in the entire opinion, the panel did not bother even to cite this statute, which forms the principal statutory basis for the executive order

The other question, one the panel does discuss, is the extent to which the repeated and overt invocations of the most invidious motivations on the part of the President himself, his campaign, his adviser, and his Twitter feed will render an otherwise valid exercise of this power invalid.

… it’s worth emphasizing that the grounds on which this order was fought are not the grounds on which the merits fight will happen. Eventually, the court has to confront the clash between a broad delegation of power to the President—a delegation which gives him a lot of authority to do a lot of not-nice stuff to refugees and visa holders—in a context in which judges normally defer to the president, and the incompetent malevolence with which this order was promulgated.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Journal Mittwoch, Donnerstag, Freitag, 8./9./10. Februar 2017 – Über Eifersucht sowie Rechtsstaatlichkeit“

  1. Bettina meint:

    Danke auch dafür… man begibt sich ja schnell auf dünnes Eis, wenn es um Eifersucht geht. Mir ging’s auch so, als ich Erlingers Gewissensfrage las – als ob Eifersucht ein (das?!) Qualitätsmerkmal für Liebe wäre. Pfff. Entschiedener Widerspruch, jawoll!

  2. Rebekka. meint:

    Thema Eifersucht: Ja, ist bei mir ähnlich. Bei mir ist “das” in erster Linie von der Empfindung bestimmt, dass ich Gefühle meines Partners ja eben grundsätzlich sowieso nicht [mehr] verändern kann, es also für die klassisch beschriebene [wütende] Eifersucht in der Regel einfach zu spät ist, wenn es bei meinem Partner passiert [ist] oder sich verändert [hat]. Die Trauer oder Leere hingegen kenne ich schon auch.
    [Und als ganz fürchterlich empfinde ich die gegen die von außerhalb der Partnerschaft beteiligte Person gerichtete Aggression des/der “Verletzten”.]

  3. Croco meint:

    Bei Auroom und Viva Maria wird mir ganz warm um’s Herz.
    Habe mir gerade den Wikipediaartikel zur Eifersucht durchgelesen. Sehr interessant. Den Begriff gibt es noch nicht so lange, seit dem 16. Jahrhundert. Und er beschreibt, wie oben auch schon erwähnt, ein Gemisch aus Gefühlen.
    Ich kann mich noch genau erinnern, wann mich dieses Gefühlsgemisch mit voller Wucht überfallen hat.
    Zwei Mal genau. In beiden Fällen hatte sich ein junger Mann für meine jeweilige Freundin entschieden und nicht für mich. Tja.

  4. DasSan meint:

    Mir stößt ja die Aussage komisch auf, dass mir die Beziehung “alles bedeuten” muss und sie “mein Leben lebenswert” macht. So hart es vielleicht klingt, aber mein Leben ist auch ohne Beziehung lebenswert und würde nach einer eventuellen Trennung weitergehen.
    Ansonsten bin ich in meiner Beziehung auch nicht besonders eifersüchtig, weil ich meinem Mann einfach vertraue. Aber ich kenne das auch mit der Eifersucht: “wenn ich einen Herrn sehr attraktiv fand, dieser aber andere Frauen mir vorzog.” – das geht mir genauso, diese Eifersucht auf etwas, was einem entgeht.

  5. Christine meint:

    Eifersüchtig bin ich nur sehr selten. Aber durchaus neidisch. aber nicht auf die körperliche Zuneigung, sondern darauf, dass “er” mehr Zeit mit jemand anderem verbringt als mit mir.
    In den letzten 15 Jahren habe ich mich sehr intensiv in der Swingerszene herumgetrieben und sehe Körperlichkeiten in einem anderen Licht. Betrug fängt dann an, wenn ich ein schlechtes Gewissen meinem Partner gegenüber habe. Das ist sehr individuell.

  6. Ulrike meint:

    Was die Kolumne des Herrn Erlinger angeht, so bin ich sehr oft anderer Ansicht, dass ich mich gelegentlich frage, warum ich sie eigentlich noch lese.

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