Journal Samstag, 11. Februar 2017 – Kalbsleber beim Settele

Sonntag, 12. Februar 2017 um 8:43

Ein wunderbar sonniger Tag, im Sonnenschein war nicht mal Mütze nötig.

Wir waren mittags mit meinen Eltern bei Schwiegers eingeladen. Vorher backte ich noch den Apfelkuchen und strampelte eine Runde auf dem Crosstrainer. Wieder hatte ich Lust auf Musik beim Strampel, wieder leistete mir der Sport-BH dabei gute Dienst: Dorthinein schob ich nämlich mein Musi-tragendes iphone. Allerdings muss ich mich nach anderen Kopfhörern umsehen: Die bisherigen In-Ear-Hörer schwitze ich nach spätestens einer halben Stunde aus.

Gestriger Ausblick vom Crosstrainer.

In Augsburg wurden wir zum Settele eingeladen, ich bestellte die gerühmte Kalbsleber.

Und war sehr zufrieden damit, auch mit dem offensichtlich selbst gemachten Kartoffelbrei.

Bei Schwiegers noch Kaffeeundkuchen, Gespräche über Familien- und Arbeitsvergangenheiten. Frau Schwieger packte Fotos von ihrer Zeit Anfang der 1960er als mechanische Programmiererin (Schraubenzieher!) bei NCR aus – die Uniformen für die Hannover Messe allein schon waren sensationell (das war noch vor der Erfindung der CeBIT, dieses „Centrum der Büro- und Informationstechnik“ gab es es erst ab 1986 als eigene Messe).

Gemütliche Heimfahrt im Zug.

§

Wer ist “wir”? Wie funktioniert gesellschaftliche Ausgrenzung von Einwanderern und ihren Nachkommen? Der Schweizer Journalist Bruno Ziauddin schreibt im Magazin über seine eigenen Erfahrungen und welche fundamentalen Auswirkungen darauf der Anschlag aufs World Trade Center hatte.
“Vo wo chunsch?”

Sehr interessant fand ich Ziauddins Sicht auf die Funktion der titelgebenden Frage:

… einen wie mich gab es kein zweites Mal. Ausländerkinder mit heller Haut, klar, eine ganze Menge – Italiener, Spanier, Nachkommen von Ostblock-Flüchtlingen (meist Akademiker), hie und da ein Spezialfall mit österreichischem Vater oder schwedischer Mutter. Aber ein Hybride aus Mowgli und Tellensohn? Für homogenitätsgewohnte Stammbaum-Schweizer, die eben erst gelernt hatten, sich mit Gastarbeitern abzufinden, war das eine Sensation, manchmal auch eine Überforderung, und verlangte nach einer Erklärung. Vo wo chunsch?

Die staunende Neugier, ebenso die Starrerei, von der manche Ausländer sagen, sie sei in der Schweiz heute noch ausgeprägt, was ich nicht bestätigen kann, das Unverblümte und Fadengrade jedenfalls, womit man auf seine Andersartigkeit angesprochen wurde, hatte fraglos etwas Hinterwäldlerisches – blondes Mädchen trekkt durchs peruanische Hochland und versetzt Indiobauern in Aufruhr.

Das Unverblümte, Fadengrade, Hinterwäldlerische war aber nicht nur schlecht. Es gab einem die Gelegenheit klarzustellen, dagegenzuhalten, zurückzubellen, gerade wenn man, wie mein Vater, nicht auf den Mund gefallen war. Und es gab einem die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen, sogar Freundschaften zu schliessen.

Und er legt den Finger auf die Stereotype und Vorurteile (ich mag das englische preconception – vorgefasste Einteilung), die auch diejenigen in der privilegierten Schicht haben, die jeden Rassismus weit von sich weisen.

So wie es Antisemitismus von links gibt, gibt es auch Rassismus von links. Wobei Rassismus möglicherweise ein zu starkes Wort ist. Es geht eher um paternalistischen Dünkel. Um die sehr klare Vorstellung davon, wie eine Person mit Migrationshintergrund zu sein hat und welche Rollen ihr zustehen. Und um die ebenso klare Vorstellung, wie über Personen mit Migrationshintergrund geredet und geschrieben werden soll, wie diese in Filmen, Zeitungen und Büchern dargestellt gehören (wichtigste Regel: keine Witze, nichts Negatives). Im Zentrum dieser Vorstellung steht der Migrant als Opfer – als bedürftiges Wesen, dem es die Hand zu reichen gilt und der diese Hand doch bitte dankbar ergreifen möge.

Wehe aber, der Migrant weigert sich, den ihm zugeschriebenen Part zu übernehmen. Dann werden die besonders Rigorosen unter den Ausländerfreunden rasch aggressiv.

Sehr lesenswerter Artikel, auch um mal wieder aufgelistet zu bekommen, welche alltäglichen Anstrengungen ein Aussehen nach sich zieht, das von vielen als bedrohlich empfunden wird.

§

Mehr zu Rechtsstaatlichkeit. Read on my dear geht mit einer Geschichte auf einen weiteren Grundpfeiler unseres Rechtssystems ein: Dass die Justiz nicht Rache ermöglichen soll, sondern Strafe und Besserung. Und dass sie Vergebung vorsieht.
“Der Mann, der auch ein Mörder war.”

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Journal Samstag, 11. Februar 2017 – Kalbsleber beim Settele“

  1. Christine meint:

    Die Sache mit den InEar-Hörern lässt sich vielleicht auch anders lösen. Wenn man das Kabel hinter der Ohrmuschel entlang legt, hält das alles besser im Ohr. Diese Skizze verdeutlicht das: https://www.stereopoly.de/wp-content/uploads/2015/04/Bildschirmfoto-2015-04-12-um-09.57.27-772×685.png

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