Journal Donnerstag, 29. März 2018 – M.R. Carey, The girl with all the gifts

Freitag, 30. März 2018 um 6:59

Letztes Jahr sah ich im Kino einen Trailer um ein interessantes schwarzes Kind und flüsterte dem neben mir sitzenden Herrn Kaltmamsell zu: “Den will ich sehen.” Doch der winkte ab: “Zombiefilm. Ich habe die Romanvorlage daheim.” So hatte der Trailer gar nicht ausgesehen. Das ganze Zombiedings interessiert mich ja nicht, doch als kürzlich mein Blick auf dem Roman in unserem Bücherregal fiel, zog mich der Titel an: The girl with all the gifts. Und so bekam ich meine erste Zombiegeschichte – die ich auch noch empfehle.

Gefesselt war ich von der ersten Seite an: Wir lernen das Kind Melanie kennen. Sie und andere Kinder leben in kleinen, stark gesicherten und fensterlosen Gefängniszellen, aus denen sie jeden Morgen von drei Soldaten abgeholt werden. Die Soldaten fixieren sie dazu an Händen, Füßen und Kopf an Rollstühlen und rollen sie in ein fensterloses Schulzimmer, in dem sie von durchwechselnden Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden. Melanies mit Abstand liebste Lehrerin ist Miss Justineau, weil sie von der am meisten lernt – und Melanie lernt schwindelerregend schnell.

Wie es zu dieser ungewöhnlichen Unterrichtssituation kommt, erzählen die ersten Kapitel: Wir befinden uns in einem postapokalyptischen England, der größte Teil er Menschheit wurde von einem Pilz befallen, der ihnen alle Menschlichkeit nahm und sie zu hungries machte, nur auf das Fressen anderer Menschen ausgerichtet. Wilder politischer Aktionismus direkt nach Ausbruch der Epidemie hat zu weiteren Verheerungen geführt, die Leben nur in wenigen Gebieten möglich machen. Hier wird unter anderem auch die Wirkungsweise des Pilzes wissenschaftlich erforscht.

Doch der Kreis der handelnden Personen, um die sich die Kapitel zunächst abwechselnd drehen, wird immer kleiner: Fünf Hauptfiguren müssen fliehen. Auf ihrer Reise wird klarer, was eigentlich passiert ist, in welcher Welt sie leben, was das Besondere an Melanie ist – und wie es nach Ende des Buchs weitergehen wird: Selten habe ich einen so gut gemachten Romanschluss gelesen.

Warum die Geschichte mich angesprochen hat: Ich mag das Motiv verkanntes Genie, ich lese gerne über tiefe Freundschaft und Loyalität, es gibt viele Referenzen auf die Antike (übersetzen Sie den Buchtitel mal ins Griechische). Zudem ist die Entwicklung der Hauptfigur faszinierend: Man kann den Kampf einer 10-/11-jährigen mit erwachenden Urinstinkten, mit Kontrollverlust, mit eigener Macht, Liebe und Selbsterkenntnis ganz wunderbar als Coming-of-age-Geschichte lesen.

Wenn ich eine einzige Kritik an dem sonst handwerklich hervorragend gemachten Roman habe, dann ein paar Längen: 50 Seiten weniger hätten dem Rhythmus des zweiten Teils gut getan.

Jetzt hat mir Herr Kaltmamsell natürlich I am legend von Richard Matheson aus dem Jahr 1954 hingelegt: “Dann solltest du den auch gelesen haben.” Na gut – so lange mich niemand zwingt, The night of the living dead anzusehen.

§

Es ist weiterhin kühl, am gestrigen Gründonnerstag mit einer Mischung aus Regen und Sonne. Den Heimweg von der Arbeit verlängerte ich auf eine Stunde, um mich ein wenig durchzupusten.

Wie erbeten empfing mich Herr Kaltmamsell mit Griesoß, inzwischen hier klassisches Gründonnerstagessen – ohne interessanten Wein, der Infekt hat mir die Lust auf Alkohol genommen (ich hatte einen spanischen Sauvignon Blanc dazu probieren wollen).

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 29. März 2018 – M.R. Carey, The girl with all the gifts

  1. Joël meint:

    Ich denke mal dass das Buch I am Legend um Längen besser ist als Film, den ich vor Jahren gesehen habe, den ich als sehr mittelmäßig bis ziemlich schlecht in Erinnerung habe.
    Aber auf das andere Buch Girl with all the Gifts haben Sie mich neugierig gemacht.

  2. Arthurs Tochter meint:

    Ich habe letztes Jahr die Verfilmung von TgwatG gesehen mit einer sensationellen Glen Close. Toller Film – das sage ich, ohne das Buch zu kennen.

  3. die Kaltmamsell meint:

    Als ich vorhin nochmal nach dem Trailer guckte, Arthurs Tochter, war ich zunächst von der Besetzung dieser Rolle mit Glen Close überrascht – doch ich kann mir sehr gut vorstellen, was sie da rausholt.

  4. Norman meint:

    „The night of the living dead“ ist ein großartiger Film, mit so viel bösem Humor, ob Sie wollen, oder nicht.

  5. die Kaltmamsell meint:

    Das würde ich niemals bestreiten, Norman, nur dass ich als absolute Spannungsmemme meine Energie lieber für andere Genres aufbewahre.

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