Journal Dienstag, 24. Juli 2018 – Wenn das Internet Flügel bekommt

Mittwoch, 25. Juli 2018 um 6:55

Derzeit drücken meine vorgefallenen LWS-Bandscheiben wieder besonders unangenehm auf die Nerven und lösen Schmerzüberfälle aus. Umso mehr drängte es mich nach einer Kraftsportrunde, ich stellte den Wecker 45 Minuten früher.

Während des Aufwärmens zu Musik lief wie immer der Fernseher bereits (auf stumm geschaltet), damit er schon mal das Internet finden konnte, auf dem ich über Chromecast das YouTube-Trainingsvideo ablaufen lassen würde.

Ich blieb sofort stehen, als ich aus dem Augenwinkel dieses sah:

Der von @MlleReadOn initiierte Twitter-Schabernack #KunstGeschichteAlsBrotbelag hatte es ins öffentlich-rechliche Fernsehen geschafft. Es lohnt sich übrigens auch aktuell, den Hashtag zu verfolgen: Es sind unglaublich kreative Versionen dazugekommen.

Vor Fortsetzung des Trainings (Core) fotografierte ich den Fernsehbildschirm und twitterte das Foto – der Tag startete so mit leichtem Herzen.

Schon auf dem wohltemperierten Weg in die Arbeit sah ich das bleiche Licht eines sehr heißen Sommertags.

Im Büro ließ es sich bei geschlossenen Fenstern und ausgesperrter Sonne gut aushalten. Ich umging das Betriebsfest, machte recht pünktlich Feierabend und spazierte in der Hitze angemessenem Tempo heim in die kühle Wohnung.

Lindwurmstraße oben (ich wohne in der perfekten Wohnung – fast; zur Pefektion fehlen ihr Pappeln in Hörweite).

Lindwurmstraße unten (Versehensfoto beim Verriegeln des Smartphones, das mir besser gefällt als die absichtliche Version vom Samstag).

§

Das hermetische Café verlinke ich eh viel zu selten. Und jetzt war kid37 auch noch in New York! Das Ergebnis ist ein Reisebericht, wie ihn nur kid37 schreibt, hier die ersten beiden Folgen:
“NYC #1 – You Said Something”.
“NYC #2 – Good Fortune”.

§

Merve Kayikci bekennt in Zeit Campus:
“Mesut Özil: Wir undankbaren Deutschtürken”.

Vielleicht kann mir jemand ja erklären, warum wir undankbaren Deutschtürkinnen nicht richtig dazugehören. Wir wollen ja. Aber etwas gewaltsam zu erzwingen, ist nur der verzweifelte Versuch, mit Willenskraft ein gewisses momentanes Unvermögen zu überdecken. Ich kann nämlich nicht einfach hierher gehören, nur weil ich das will. Denn ich entscheide das nicht selber. Mein Gegenüber entscheidet, wann und ob ich deutsch sein darf. Wann ich eine gute Deutsche bin. Wann nicht. Was ich dafür tun muss, um eine Deutsche sein zu können. Wann ich deutsch sein wollen soll.

Ich muss mich jedes Mal aufs Neue dem Urteil anderer unterwerfen. Je nachdem, wer mein Gegenüber ist, reicht es, mal einen Test zu bestehen, mal die Sprache gut zu können. Dann soll man Erdoğan kritisieren oder am besten gleich die ganze Türkei. Auf der anderen Seite soll man trotzdem gastfreundlich sein und das türkische Gebäck mit den Nachbarn teilen. Denn ein bisschen türkisch darf man schon sein – aber bloß nicht zu viel. Kopftuch darf man nicht tragen. Auf keinen Fall. Aber manchmal ist es dann doch okay. Wenn man ein Interview geben soll, darf man ruhig sagen, dass man Deutsche ist – obwohl man Kopftuch trägt. Das kommt nämlich ganz gut. Und Weihnachten soll man auf jeden Fall mitfeiern.

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Margarete Stokowski fragt nachvollziehbar:
“Gespaltene Gesellschaft: Integrieren – in was?”

die Kaltmamsell

3 Kommentare zu „Journal Dienstag, 24. Juli 2018 – Wenn das Internet Flügel bekommt“

  1. Joe meint:

    Solange sich das Thema “Migration”, hauptsächlich um “Integration” – und um “Muslime” dreht, wird es eine Bedrohung für den Rechtsstaat bleiben, da die wichtigen Fragen ungeklärt blieben und zu sozialen Spannungen führen.

    Alleine mit der Blue Card für hochqualifizierte kamen 2017 geschätzt 25.000 Arbeitnehmer mit ihren Familien ins Land, 250.000 Ausländer studieren in Deutschland, in Berlin hat jeder 4. Einwohner keinen deutschen Pass. Tendenz überall steigend. Und der Wunsch in Deutschland langfristig zu bleiben ist groß.

    Bei einem Immigrationsgesetz ginge es eben nicht hauptsächlich um Asyl, Qualifikationspunkte oder Familiennachzug, sondern um grundsätzliche Alltagsfragen. Wahlrecht? Teilhabe (englisch als Service-Sprache bei Behördengängen und Inanspruchnahme von Sozialleistungen?), Nachzug von Eltern, die pflegebedürftig sind (zur Zeit nicht möglich, da die gesetzlichen Krankenkassen keinen Eintritt ab 55 Jahren zulassen), usw. Alles ungeklärt. Mit der elendigen Diskussion um Integration und dem wachsenden Lagerdenken, wird es jeden Tag schwerer dass ein modernen Zuwanderungsegsetz überhaupt möglich ist. Und polemische Lolumnen wie die von von Margarete Stokowski verschärfen das noch.

  2. Trulla meint:

    Stokowski wirft schon die richtigen Fragen auf, welche die Wiedersprüchlichkeit unserer Gesellschaft deutlich machen. Da gibt es viel zu tun und braucht engagierte Bürger.

    Mit Özil hat das aber nichts zu tun und vor allem nicht in dem Sinne, wie es Merve Kayikci verstanden wissen will. Denn ich und die Gesellschaft, der ich angehören will, sind nicht das von ihr beschriebene Gegenüber! Und wir sind doch die Mehrheit in diesem Land und um diese zu bleiben werden wir auch kämpfen. Das lassen wir uns nicht nehmen.
    Wir leiden mit dem Teil der türkischen Bürger, die zu Zigtausenden durch den Despoten Erdogan (Frau Kayikcis Bezeichnung Erdogans mit “Macho“ werte ich sogar als bewusste Verharmlosung) ihrer Rechte beraubt, inhaftiert ohne Anklage, aus den Ämtern gejagt wurden. Freie Presse in Erdogans Sinn bedeutet u.a., dass die deutsche Kanzlerin unverhohlen als Nazi dargestellt wird und mit gröbsten Beleidigungen um sich geworfen werden kann und soll.
    Das soll alles an Özil (bzw. Beratern) vorbeigegangen sein? Nein, das glaube ich nicht! Es war ein Statement, mitten im türkischen Wahlkampf. Und er war leider nicht so klug wie sein Kollege Gündogan, von dem niemand mehr spricht, weil er die ausgestreckte Hand z.B. des Bundespräsidenten Steinmeier ergriff und sich zeitnah erklärte.

    Jetzt so zu tun, als wäre Özil “ausschließlich“ Opfer von Ressentiments gegen Menschen mit Migrationshintergrund kann nicht stimmen. Ursache und Wirkung gehören immer noch zusammen.
    Ganz klar aber, egal von welcher Seite: keine einzige rassistische Äusserung in der Folge der Ereignisse ist zu akzeptieren.

  3. Hauptschulblues meint:

    Tuba Sarica hat in der SZ sehr gut auf die Problematik Özil und Deutschtürken geantwortet.

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