Journal Sonntag, 4. Oktober 2020 – Erste echte Schritte

Montag, 5. Oktober 2020 um 6:37

Selbst nachts ging es aufwärts: Ich wachte zwar oft auf, doch bei jeder Lageänderung oder beim Klogang (ich durfte offiziell allein) konnte ich das operierte Bein mit weniger Schmerz und weniger manuellem Nachhelfen bewegen.

Nach dem Regentag ein schöner Sonnenaufgang vorm Krankenzimmer.

Dr. Ssissi! Dr. Frranz!

Noch vor dem Frühstück verabschiedete ich mich vom Verpuppungsstadium Nachthemd (mein eigenes hatte man mir schon kurz nach der OP angezogen – doch nur wenige Stunden später hatte ich es mit Erbrochenem aus dem Rennen geworfen und brauchte das zweite): Ich wusch mich mit Waschlappen und wechselte in T-Shirt und Sporthose. Mahnender Blick des visitierenden Stationsarzts, weil ich ohne Krücken aus dem Bad kam, auch wenn ich mich immer festhielt: Er wies auf die vielen Rückschläge von Patienten und Patientinnen hin, die “nur mal schnell” wollten. Mmmmnagut.

Der Venenkatheter an der linken Hand wurde entfernt, jetzt hinderte er mich im Bett nicht mehr am Umdrehen.

Das Frühstück Müsli, Joghurt, Obst aß ich diesmal fast ganz auf, um nicht wieder zu früh Hunger zu bekommen.

Konversation mit den Zimmergenossinnen, bei so intensiver Ansprache ist es schwer sich rauszuziehen. (In der Reha gibt’s Einzelzimmer.)

Besuch der Physiotherapeutin. Sie brachte mich zum ersten Auslauf mit Krücken (“Unterarmstützen” pft) auf den Stationsflur, gab mir Tipps, überwachte meine ersten Versuche. Ich war überrascht, wie schweißtreibend zweimal 50 Meter Krückengang sein können. (Jajaja.) Das sollte ich noch ein paar Mal am Tag wiederholen – die zweite Runde drehte ich noch vor dem Mittagessen.

Das Personal hier fällt überwiegend durch Kernigkeit und Wanderbräune auf – viele, das weiß ich aus Plaudereien, sind wegen der Berge hierher gezogen, aus allen Gegenden Deutschlands.

Mittags gab es Omelette mit Spinatfüllung und Salzkartoffeln, davor eine Flädlesuppe. Das Rhaberberkompott zum Nachtisch (BRRRRRR) gab ich an eine Rhabarber-liebende Zimmergenossin weiter, aß selbst einen Apfel vom Frühstück.

Lesen, Krückgehen, mehr Lesen, Physio-Übungen – wieder mit deutlichen Fortschritten, ich konnte das operierte Bein immer besser und mit immer weniger Schmerzen bewegen. Durch das Gehen auf dem Gang sah ich auch andere Patientinnen und Patienten: Ja, von denen war ich die jüngste. Am Nachmittag rückten die nächsten ein, sie hatten OP-Termine am Montag.

Dass ich keine 48 Stunden nach der OP bereits so dastehe und mit Krücken gehen kann, finde ich ziemlich sensationell (ein Hoch auf die High-Tech-Medizin!). Auf dem Dach vorm Fenster sah ich Bachstelzen beim Bad.

Besuch bekomme ich hier keinen, das war so geplant: Die Besuchsmöglichkeiten sind wegen der SITUATION eingeschränkt und kompliziert, würden zudem eine längere Anreise erfordern. Ich vermisse auch keinen Besuch – bei all den guten Wünschen, die Sie mir hier hinterlassen! Herzlichen Dank dafür. Außerdem führe ich Statustelefonate mit Herrn Kaltmamsell und Verwandtschaft.

Abendessen: Vollkornbrot, Kräuterquark, Käse, Trauben.
Nach der Tagesschau weiteres Lesen.

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Ich freue mich, dass es bei der Süddeutschen auch eine Liebhaberin von Louis de Funès gibt, nämlich Nadia Pantel:
“Quatsch mit Pose”.

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Großes Kichern auf Twitter: “Proud Boys” ist eigentlich eine besonders eklige, rein männliche Organisation von Rechtsextremisten vor allem in den USA. Durch ein Kapern des Hashtags #ProudBoys bewiesen allerdings Schwule, dass sie viel mehr aus der Bezeichnung rausholen können.

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Wie konnte ich vergessen, wie verliebt ich in Jennifer Lawrence bin?
(Nix Neues, bin nur zufällig darüber gestolpert – ich kann mir viele Gründe vorstellen, warum sie nicht mehr so nahbar ist. Alle davon machen mich traurig oder wütend.)

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https://youtu.be/SOjwzWWR4lA

die Kaltmamsell

20 Kommentare zu „Journal Sonntag, 4. Oktober 2020 – Erste echte Schritte“

  1. Sabine Kerschbaumer meint:

    Wie schön, Sie schon wieder stehen zu sehen :-).

    Weiterhin gute Besserung!

  2. Evi meint:

    Das ist soooo schön. An Tag 2 nach OP so dastehen zu können. Ich kann mich grad gar nicht genug für Sie freuen.

  3. iv meint:

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    Gerne gelesen

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  4. Beate meint:

    Es wird, es wird, liebe Frau Kaltmamsell! Weiterhin gute Besserung!

  5. Berit meint:

    Also Gesundheitstipps brauchen Sie nun wirklich nicht mehr :) Toll ihre Fortschritte miterleben zu dürfen :))))

  6. Ulla meint:

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    Gerne gelesen

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  7. Simone meint:

    Schön, dass alles so gut gegangen ist. Weiter so!

    Fast bin ich geneigt sie auszuquetschen, welcher Orthopäde Ihnen letztendlich zur richtigen Diagnose und Behandlung verholfen hat. Ich habe einen nahestehenden Menschen, der sich fürchterlich quält und es ist schlimm, das mitzuerleben. Und es gibt eine erschreckend große Menge wenig hilfreicher, wenn nicht gar unfähiger Ärzte.

  8. Joël meint:

    Und Sie stehen schon wie ein Eins! Großartig!

    Sehr schön auch der Artikel über de Funès, den ich immer sehr mochte und der wirklich vor keiner Lächerlichkeit und keinem Kalauer Angst hatte. Ich weiß aus Theaterkreisen, dass er heute noch immer ein großes Vorbild für viele ist.

  9. Daniela meint:

    Ich drücke Ihnen die Daumen und lese Ihre Updates mit Freude.

  10. Trude meint:

    Weiterhin gute Besserung! Haben die vielen gedrückten Daumen für einen guten Verlauf gesorgt, wie schön. Liebe Grüße……

  11. Tine meint:

    Toll, wie schnell Sie schon auf den Beinen sind. Was ist hier für ein medizinischer Fortschritt zu sehen.
    Meine Mutter bekam ihre erste HüftOP (keine neue Hüfte) in den 50er Jahre als Jugendliche. Da hieß es noch 6 Wochen kompett eingegipst, einschließlich Oberkörper. In den 90ern war es nach der OP ein halbes Jahr komplett an Krücken, jeden einzelnen Schritt. Und bei der nächsten OP durfte Sie auch schon nach wenigen Tagen stehen.

  12. Mareike meint:

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    Gerne gelesen

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  13. Marika meint:

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    Gerne gelesen

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  14. dyke meint:

    Aufrecht stehen und Krückengänge! So schnell – wie wunderbar. Weiter gutes Gehen und Gelingen.

  15. Nina meint:

    Und sogar das Krankenhausessen scheint genießbar zu sein. Ich habe hier gerade 2 Freundinnen in 2 unterschiedlichen Häusern eines Berliner Klinikgroßkonzerns und bei beiden müsste das Essen eigentlich als Sondermüll bezeichnet werden. Es ist nicht nur nicht genießbar, es ist schlicht widerlich und nicht runterzubringen. Der Freundeskreis verbringt also sehr viel Zeit gerade mit Essensversorgung der Erkrankten. Gibt einfach keine eigenen Küchen mehr in diesen Kliniken, sondern wird zugeliefert und ist echt von niedrigster Qualität. Wie soll man da genesen? Alles Gute Ihnen weiterhin!

  16. engl meint:

    krückengangaufträge? das ist ja SPORT. endlich wieder. ; )

  17. Stedtenhopp meint:

    Wo-hoo! Es wird, es wird! Ich freue mich sehr für Dich! Und stehe weiterhin Cheerleader-Puschel-schwenkend am Wegesrand.

  18. InaPö meint:

    Wirklich irre, wie schnell das geht. Ich hatte 2011 einen Fahrradunfall und das Knie war „nur“ aufgerissen, ich durfte überhaupt nicht belasten über Tage und hab sogar ne Nacht verlängert bekommen weil ich mit der Krücke vor der Treppe stand wie der Ochs vorm Berg. Nachdem die Physio es mir gezeigt hatte, war es klar, aber selbst meine Krankenschwesternmutter konnte es mit 50 Jahre nach der Ausbildung nicht mehr erklären. Toll, echt! Weiter so und wie es guttut!
    Ina (gehe in 4 Wochen zur Reha, bin gespannt aber irgendwie nicht euphorisch)

  19. Konstantin meint:

    Ich wünsche alles Gute, toi, toi, toi!

  20. Dentaku meint:

    Ein Hoch auf die moderne Medizin!
    (und weiterhin gute Genesung)

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