Journal Donnerstag, 3. Februar 2022 – Morgenbegegnungen mit den Orange People

Freitag, 4. Februar 2022 um 6:29

Zerhackte Nacht, aber ich litt nicht sehr.

Straßen und Wege immer noch nass, aber es war nicht zu kalt.

Auf dem Weg in die Arbeit begegnete ich wieder den Orange People, den Herren in Orange von der Straßenreinigung in ihren und um ihre winzigen Besenwägelchen, diesmal fing ich mir aus einem im Vorbeifahren ein Lächeln vom Beifahrersitz des Besenwagerls (da passen sogar zwei Männer rein!). Ich begegne morgens gerne dieser Männerkameradschaft. Wenn mehrere Autochen in Leuchtorange zusammenstehen, hat das was von Herde am Wasserloch, die Männer stehen dazwischen und unterhalten sich in fremden Sprachen meist ruhig, manchmal aber auch im Tonfall heftiger Diskussionen; die Atmosphäre erscheint mir immer positiv. Wenn sie mich bemerken, grüße ich natürlich freundlich. (Aber glauben Sie mir mal besser kein Wort, im Lesen des Raumes bin ich schwere Legasthenikerin).

Im Büro wieder viele Info-Veranstaltungen, am Wassersprudler mit den wenigen Präsenzkolleg*innen Einordnung derselben, Jagd nach Erkenntnissen. Insgesamt ruhiger Arbeitsvormittag.

Zu Mittag gab es auf dem Arbeitsweg gekauftes Laugenzöpferl, ein Stück Käse und ein paar Essiggurken.

Nach der Arbeit war es draußen fast mild, ich hatte ein ganz klein wenig Winterabschied in der Nase. Heimweg über Einkäufe beim Vollcorner.

Daheim mahlte ich die am Wochenende blanchierten andalusischen Mandeln mit der Mikroreibe ganz fein, nächstes Wochenende wird damit gebacken.

Nochmal die Yoga-Runde vom Mittwoch, diesmal mit größerem Genuss, weil ich ja wusste, was kommen würde, und mich auf Details wie Gleichgewichthalten konzentrieren konnte.

Fürs Abendessen wusch ich den frisch geholten Ernteanteil-Feldsalat dreimal (gibt’s in unserer Spielberger Gärtnerei überhaupt noch genug Erde?) und machte ihn mit Kürbiskernöl-Dressing an, außerdem gab es den Rest Gemüsesuppe. Satt wurden wird davon natürlich nicht, zum Glück gab es sehr viele Süßigkeiten.

Übrigens: Wenn Sie das Kartoffelkombinat mal ausprobieren möchten – derzeit können wir wieder neue Mitglieder aufnehmen, Sie können sich für eine Testphase anmelden.

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novemberregen stellte am Mittwoch an sich Erschreckendes fest.

Während ich damit beschäftigt war, überfordert zu sein und mir Sorgen zu machen, hat sich ein Teil meines Kopfes selbstständig gemacht.

Die Schilderung erheitert mich, denn diese Stimme kenne ich auch, aber sie ist nur eine von den vielen, die in meinem Hirn aus praktisch jeder Entscheidung und Handlung einen hochkomplexem Prozess machen. Was mich davor bewahrt, eine Neurotikerin von Woody-Allen’schen Ausmaßen zu werden, ist meine gleichzeitig sehr starke Impulsivität. Die allerdings unterm Strich dazu führt, dass die vielen Stimmen impulsive Entscheidungen und Handlungen in Nachhinein umherwälzen und durchleuchten, Resultat ist meist Peinlichkeit und Scham. Vielleicht habe ich damit erklärt, warum ich so ungern existiere, warum es bis zum Lebensüberdruss anstrengend ist, ich zu sein?

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Hass im Internet, den man spezifisch als Frau abbekommen kann: Hier ein weiterer Artikel einer Betroffenen dazu, in diesem versucht Aubrey Hirsch das alles lustig zu finden – jede geht halt mir der konstanten existenziellen Bedrohung anders um.
“That’s How It Works When You’re a Woman on the Internet”.

Sometimes my boyfriend will say, “I know you’re used to this, but it isn’t even remotely ok that anyone is subjected to this kind of treatment.”

It’s actually helpful every time he says it. I don’t think anyone is fully immune to the brainwashing powers of the internet, even, or especially, people who are frequent targets. It becomes so easy to see this stuff as inevitable, or to not see it at all. You show it to your boyfriend, laughing, and he looks at you like you’ve grown three heads. “That’s really disturbing,” he says.

(Sollte Ihr Impuls sein “soll sie sich halt nicht öffentlich äußern, dann hätte sie ihre Ruhe”, sind Sie dem Ziel der Hasser, Niederbrüller und Beleidiger auf den Leim gegangen: Diese Frauen zum Verstummen zu bringen.)

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Auch wenn ich keine Fernsehserien gucke, interessieren mich Erzählstruktur und Erzähltechniken in jedem Medium – auch in Fernsehserien. Isabella Caldart untersucht:
“Ein Davor, ein Danach – Die Pandemie in Fernsehserien”.

via @alexmatzkeit

Für die Fiktion stellt die Pandemie eine klare Zäsur dar. Bisher war es möglich, das Jahr beziehungsweise die Epoche einer Serie, eines Films oder eines Romans eher vage zu halten und dadurch eine Form der Gegenwärtigkeit zu vermitteln. Fiktionale Werke, die größere gesellschaftliche Ereignisse oder Namen von etwa Politiker*innen nicht oder höchstens am Rande in ihre Handlung einbauten, hatten diese gewisse Zeitlosigkeit, bei der allein durch weniger relevante Faktoren wie Smartphone-Modelle oder Mode konkrete Jahre festzustellen waren. Ob (im US-Kontext) eine Serie nun 2010, 2015 oder 2019 spielte, machte keinen großen Unterschied. Es war immer ein diffuses „Jetzt“.

Seit Corona geht das nicht mehr. Die Pandemie unterteilt die Serien- und Filmwelt in ein eindeutiges Davor und Danach. In unserer Realität ist es auf die nächsten Jahre kaum denkbar, in geschlossenen Räumen mit großen Menschenmengen (wie etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln) keine einzige Maske zu sehen. Als Zuschauer*innen wissen wir natürlich, dass Serien und Filme fiktional sind – trotzdem lassen wir uns bei jenen Werken, die nicht in einer Fantasiewelt angesiedelt sind, bewusst auf die Illusion ein, sie würden eine Teilrealität abbilden, eine Art unausgesprochener Vertrag, den Produzent*innen und Konsument*innen miteinander eingehen. Diese Illusion wird jetzt durch die Hintergrundbilder in Szenen aber aufgehoben. Fehlende Masken sind deutliche Fiktionsmarker, die uns signalisieren: Diese Serie, dieser Film ist unrealistisch oder aber spielt vor dem Jahr 2020.

Das stellt vor allem die Drehbuch-Teams lange laufender Fernsehserien vor Probleme und Entscheidungen. Isabella Caldart sieht sie sich an.

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Relief-Karte von Deutschland.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Journal Donnerstag, 3. Februar 2022 – Morgenbegegnungen mit den Orange People“

  1. Berit meint:

    Ich hatte Relief-Karte zuerst Englisch gelesen, also eine Karte der Erleichterung und war total gespannt was das wohl sein könnte. Vielleicht Gegenden in denen Corona stsrk zurück gegangen ist? Gegenden in denen man einen besonderen wirtschaftlichen Anstieg hatte? In denen es mehr Theaterbesucher gab?

    Kommt vielleicht noch :)

  2. Flusskiesel meint:

    … die in meinem Hirn aus praktisch jeder Entscheidung und Handlung einen hochkomplexem Prozess machen.

    Das kenne ich von mir selber zu gut. Mir hilft da Achtsamkeit (eine tolle Sache, die leider von der Industrie falsch verstanden zu Tode geritten wurde) und es früh genug zu bemerken, dass ich gerade wieder viel zu komplizierte Lösungen anstrebe. Einen solchen Plan dann einfach mal fallen zu lassen, ist eine echte Wohltat!

  3. adelhaid meint:

    die reliefkarte geht nur bis NN? denn sonst hätte ich fragen existenzieller natur, beginnend mit: Wo bin ich? Dann: Wo komm ich her?

  4. die Kaltmamsell meint:

    Vielleicht von unterm Meeresspiegel, adelhaid?
    https://youtu.be/GC_mV1IpjWA

  5. Gabriele meint:

    ……neuer Ohrwurm für den Restfreitag……under the sea

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